Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Deshalb müssen wir auch einmal über solche Sachen reden. Da wird ein Gegengutachten in Auftrag gegeben und dann noch – das finde ich schon als von Dreistigkeit nicht zu überbieten – parallel zur Landtagssitzung als wichtiges Machtzeugnis, als Demonstration, wer hier anscheinend in Sachsen das Sagen hat, und zwar die Staatsregierung und die allmächtige CDU, präsentiert.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das sind nur einige Beispiele der letzten Wochen und Monate. Sie können sich ja gern noch einmal den „Spie

gel“-Artikel vornehmen, in dem auch noch einmal darauf hingewiesen wurde, was anscheinend in den letzten Jahren gang und gäbe war: Paunsdorf-Center, Biedenkopf, Schommer. Auch der Umgang mit meinem Kollegen Karl Nolle: Kritiker werden mundtot gemacht, indem man sie genau an der Stelle trifft, wo sie am härtesten zu treffen sind:

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

indem man ihr Lebenswerk zerstört.

(Zurufe von der CDU – Zuruf von der SPD: Das ist die Wahrheit!)

Das Entscheidende ist ja auch die Denkweise, die dahintersteckt.

Ich gehe noch einmal auf die Frage Funkzellenauswertung ein. Ich zitiere den Generalstaatsanwalt: „Kein Unbeteiligter muss etwas befürchten, nur weil seine Nummer auftaucht.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Darum geht es ja gar nicht. Das ist ja überhaupt nicht die Frage. Die Frage ist: Was bringt eine Staatsanwaltschaft dazu, überhaupt die Daten von Tausenden unbeteiligten Bürgern zu erfassen?

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich muss an der Stelle auch noch einmal daran erinnern: Herr Biesok hat im Juni eine für mich wirklich hervorragende Rede gehalten, für die ich ihm heute noch Respekt zolle. Sie haben sich genau mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit man diesen Geist, der dahintersteckt – wer nichts zu befürchten hat, der braucht sich auch nicht zu verstecken –, bewerten muss. Das ist Untertanengeist. Diese Argumentation hätte ich in Ihrer Rede gestern gern wieder gehört, weil es eben um diesen Geist in diesem Land geht. Das, was Herr Fleischmann als Beispiel gebracht hat, ist anscheinend die Grundlage und die Philosophie, die hier in Politik steckt.

Ich sage Ihnen: Den Schaden haben wir alle. Das habe ich schon öfter an dieser Stelle gesagt. Die Erosion von Demokratie betrifft uns alle, und eben nicht nur eine Partei.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Deshalb sage ich Ihnen, sowohl Ihnen von der Staatsregierung als auch Ihnen von der CDU und der FDP: Sie müssen Ihr Verhältnis zum Rechtsstaat und zur Demokratie einmal klären. Das muss ich Ihnen einmal klar sagen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Andreas Storr, NPD: Das gilt auch für Sie!)

Da gibt es eine ganz gefährliche Entwicklung, und zwar eine Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten.

Herr Dulig, Ihre Zeit läuft ab.

Ich weiß nicht, ob es Ihnen am Schluss hilft, sich auf das Brecht-Zitat zu verlassen: „Wäre es nicht einfacher, die Regierung löst das Volk auf und wählt sich ein anderes?“

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die einbringende Fraktion der SPD war das Herr Kollege Dulig. Als Nächste hat die CDU das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Schiemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Überschrift zu dieser Debatte gelesen habe, habe ich etwas erwartet, was Martin Dulig leider hier so nicht vorgetragen hat. Martin Dulig, ich bin enttäuscht,

(Oi-Rufe bei der SPD)

dass du heute in dieser Art und Weise als Fraktionsvorsitzender der SPD etwas zusammen – –

(Unruhe – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Herr Gansel, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, weil Sie einen Kollegen als Lumpen bezeichnet haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin von Ihnen enttäuscht, Martin Dulig, dass Sie in dieser Art und Weise alles Mögliche zusammengemischt haben,

(Zurufe von der SPD)

von Kultur gesprochen haben, von der Kultur, die wir eben am 19. Februar im Freistaat Sachsen und bei den Menschen, die hier zu Hause sind, vermisst haben. Das war nicht die Kultur, die Sachsen geprägt hat, die Sachsen dazu gebracht hat, 1989 entscheidend für die friedliche Revolution einzustehen, und das nicht mit Gewalt, sondern mit Kerzen in der Hand.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist am 19. Februar eben nicht der Fall gewesen. Hier sind Menschen hergekommen. Man kann sagen, etwa 80 % aller Demonstrationsteilnehmer sind nicht Einwohner des Freistaates Sachsen gewesen,

(Lebhafter Widerspruch bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

egal ob sie bei den Rechtsextremisten zu Hause sind oder ob sie bei den linken Demonstrationsteilnehmern zu Hause sind. Es ist ein großer Teil „importierte“ Gäste hier gewesen, die sich nicht als Gäste aufgeführt haben, sondern so, als ob sie uns in diesem Land vorschreiben können, wie wir Gedenkkultur machen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thomas Jurk, SPD, steht am Mikrofon.)

Ich möchte eines deutlich sagen: Der Freistaat Sachsen hat von Anfang an, nach seiner Gründung deutlich gemacht, dass er mit Nationalsozialismus nichts mehr zu tun haben möchte und Entwicklungen in dieser Richtung immer entschieden ablehnen und politisch bekämpfen wird. Das wird auch künftig so bleiben.

Eine Zwischenfrage, Herr Kollege Jurk?

(Thomas Jurk, SPD: Ja!)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Keine Zwischenfragen!

Keine Zwischenfragen.

(Thomas Jurk, SPD: Herr Präsident, ich habe intensiv zugehört – –)

Er will keine Zwischenfragen zulassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – Johannes Lichdi, GRÜNE: Wie sieht hier die Demokratie aus?)

Die Demokratie sieht so aus, dass ich das Recht habe, auf eine Bitte eines Kollegen auch meine Entscheidung zu treffen. Das muss auch ein Kollege Brangs aushalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Ich denke, das ist genau der Punkt. Wir haben doch gestern in der Debatte, die natürlich auch mit der Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten zu tun hatte, auch wenn die einreichenden Fraktionen andere Titel für ihre Anträge gewählt hatten, festgestellt, dass es Teile gibt, die in den letzten Monaten in den Sonderausschusssitzungen kritisiert worden sind, die vom Datenschutzbeauftragten bestätigt worden sind. Ich verweise auf § 100i, in dem der IMSI-Catcher durch den Datenschutzbeauftragten als rechtmäßig und verhältnismäßig bestätigt worden ist. Ich verweise auf § 100a, wonach auch die TKÜ, die durchgeführt worden sind, als verhältnismäßig und rechtmäßig angesehen worden sind. Selbstverständlich hat der Datenschutzbeauftragte auch kritische Anmerkungen gemacht, bis hin zu Beanstandungen, die natürlich von der Staatsregierung entsprechend zu behandeln sind.

Aber eines nehme ich Ihnen nicht ab: Dieses Land hat auch mit den Strafverfolgungsbehörden gegen Korruption einzustehen. Ich lasse es nicht zu, dass Korruption und 19. Februar jetzt in einen Topf geworfen werden,

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)