Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Zum Thema Koalition und Machtverteilung bei den GRÜNEN muss eines gesagt sein. Hier drinnen sind Sie Opposition, da können Sie fesch einen auf Demokratie machen – da wo Sie an der Macht sind, sieht es ganz anders aus. Da heißt es dann, Herr Kretschmann spricht ein Machtwort, und zwar an die armen Sozialdemokraten, den kleineren Koalitionspartner in Baden-Württemberg, und verbietet denen dort, mit der Union im Zusammenhang mit dem Volksbegehren Stuttgart 21 auch nur zu sprechen. So sieht das dann aus und das ist dann die baden-württembergische Demokratie auf grüne Lesart. – Schönen Dank!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Um es zusammenzufassen: Die Demokratie in Sachsen ist von hier aus mit erkämpft worden, und zwar in der ersten und einzigen unblutigen deutschen erfolgreichen Revolu

Sie führen sich eher auf wie die alten Blockparteien. tion. Das muss man sagen. Darauf können die Sachsen wirklich stolz sein, dass die Demokratie funktioniert.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie funktioniert nicht immer reibungslos, natürlich, das ist auch nicht verwunderlich; denn es gibt Belastungen von Links und Rechts. Es gibt welche, die ihre Grundrechte überstrapazieren und Grundrechte beanspruchen, die sie anderen im Leben niemals zubilligen würden.

(Zuruf von den LINKEN: Nur die Regierung macht nie einen Fehler!)

Es gibt welche, die meinen, weil sie es besser wüssten, seien sie damit berechtigt, Steine zu werfen, mit Eisenstangen oder Brandsätzen zu hantieren. Nein, das ist nicht so. Diese Demokratie wird beides mit der notwendigen Gelassenheit und Überzeugung aushalten.

(Zuruf von der NPD)

Das ist etwas, worauf wir stolz sein können; denn wir haben eine Demokratie, die funktioniert, mit allem, was dazugehört, mit einer Gewaltenteilung, respektiert und nicht vermischt, mit Grundrechten für alle und mit einem Staat und einer Staatsregierung, die die Grundrechte aller gegen jeden verteidigt, der sie angreift.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war für die Staatsregierung Herr Staatsminister Martens. – Kollege Dulig will nochmals in der Aktuellen Debatte das Wort für die einbringende Fraktion der SPD ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Martens, Ihr Beitrag hat gezeigt: Sie haben nichts von dieser Diskussion verstanden.

(Unruhe bei der CDU und der FDP)

Es war eigentlich fast zu erwarten, dass die Diskussion, die wir heute bei der Aktuellen Debatte hatten, eher ein Schlagabtausch war und darin bestand, dass man sich sozusagen in seiner Partei bewertet und uns die Redlichkeit abgesprochen hat.

Wissen Sie, man kann zu der eigenen Politik immer kritisch stehen. Das sollte man auch. Aber auf die Freiheitsgeschichte der SPD bin ich stolz.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie sich tatsächlich wieder an 1989 erinnern. Ich denke, dass hier in diesem Hause zwei Fraktionen – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD – die eigentlichen, die wahren Hüter von 1989 sind, weil wir genau aus dieser Zeit unsere demokratische Legitimation geholt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den LINKEN)

Was ich vor allem Herrn Schiemann und Herrn Martens sagen muss: Genau Ihre Argumentation ist das Problem. Sie unterstellen schon wieder denjenigen, die sich engagieren, dass sie sich nicht von Gewalt losgesagt oder sich nicht distanziert haben. Schon allein, dass man das wider besseres Wissen unterstellt, zeigt ja, dass es darum geht, den anderen zu verunglimpfen, klarzumachen, wer hier das Recht hat, einzuteilen, wer ein guter und wer ein schlechter Demokrat ist. Das ist diese politische Arroganz.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich sage es noch einmal: Den Schaden tragen wir alle. Das muss doch alle auch umtreiben. Wir müssen uns doch einmal die Wahlbeteiligung anschauen, die immer geringer wird. Auch die CDU muss sich überlegen, warum es bei den Kommunalwahlen inzwischen besser ist, unabhängig von Parteien zu kandidieren, und warum die freien Wähler zur neuen politischen Kraft geworden sind. Darüber muss man doch einmal nachdenken. Das betrifft uns doch alle. Es geht um politische Hygiene, und das funktioniert in diesem Land nicht. Es geht darum, inwieweit man auch bestimmte Sachen nicht akzeptiert und Selbstreinigungsprozesse in Gang setzt. Wenn man eben auf die letzten 20 Jahre und nicht nur auf die letzten Monate schaut, dann gibt es eben soundso viele Belege, die zeigen, dass inzwischen so ein Mehltau über Sachsen gelegt wurde und eine Atmosphäre entstanden ist, wo die Mächtigen das Sagen und die Ansage haben. Es ist eben aus der Debatte klargeworden: Sie tun so, als würde Ihnen das Land gehören, und das ist nicht so.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das Land gehört den vielen Sächsinnen und Sachsen, die sich unterschiedlich engagieren, die sich an unterschiedlichen Parteien beteiligen, die sich unterschiedlich betätigen, denen gehört Sachsen. Sie bestimmen nicht, was richtig und falsch ist. Noch einmal: Es geht darum, eine lebendige Demokratie zuzulassen, in der Kritik üben gewünscht ist, wo Kritik sogar so etwas ist, die Demokratie sich fortentwickeln zu lassen, und es eben nicht als Majestätsbeleidigung gesehen wird.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD sprach Kollege Dulig. Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf in dieser 1. Aktuellen Debatte? – Den kann ich nicht feststellen. Die Debatte ist damit abgeschlossen.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Welterbeprojekt Montanregion Erzgebirge konsequent unterstützen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zuerst hat natürlich die einbringende Fraktion das Wort. Anschließend folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP und NPD; die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Das Wort hat Herr Kollege Gerstenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 27. Juni war ein großer Tag für das Erzgebirge. Entsprechend begleitet von einem kräftigen „Glück auf“ und Absingen des Steigerliedes haben in der Stadt Marienberg auf der ersten Welterbekonferenz zwei Landräte und 31 Bürgermeister ihre Unterschrift unter den öffentlichrechtlichen Vertrag „Montanregion Erzgebirge“ gesetzt. Sie vertreten das Netzwerk dieses Projektes und haben damit deutlich gemacht, dass der Spruch „Zukunft braucht Herkunft“ insbesondere für das Erzgebirge gilt.

Seit den Silberfunden 1168 bei Freiberg haben Bergbau und Hüttenwesen über 800 Jahre das gesamte Erzgebirge geprägt. Ich meine damit nicht nur die Montanwirtschaft, sondern die gesamte Siedlungstätigkeit, die weltlichen und kirchlichen Bauten, die Literatur, die Musik, das Brauchtum. Aber meine Kollegin Annekathrin Giegengack wird dann aus der Sicht des Erzgebirges noch mehr dazu sagen.

Fazit ist, dass es heute kaum noch Zweifel gibt. Das Erzgebirge ist eine lebendige, fortbestehende Kulturlandschaft, die einen außergewöhnlichen universellen Wert verkörpert. Sie ist es wert, in das Welterbe der gesamten Menschheit aufgenommen zu werden. Sie ist es wert, geschützt und für künftige Generationen erhalten zu werden.

Dass dieser Stand seit 1998, seitdem die Aufnahme in die deutsche Warteliste erfolgt ist, gegen die Zweifel und gegen die Hindernisse erarbeitet wurde, das ist insbesondere eine Leistung der entsprechenden Projektgruppe und des 2003 gegründeten Fördervereins. Allen, die dort tätig sind, will ich hier an dieser Stelle ausdrücklich Dank dafür sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wie ist denn der Stand nun genau? Wissenschaftlich steht die Welterbewürdigkeit außer Zweifel. Ich möchte Prof. Ebert zitieren, der hier in der Anhörung im Landtag sagte: „Auch aus den Projekten, die ich kenne – und das sind nicht wenige auf dieser Welt –, kenne ich kein anderes Projekt, das die Kriterien der UNESCO in den letzten Jahren so stark erfüllt hat wie dieses.“

Dieses Projekt ist von der Region getragen, es ist von unten nach oben aufgebaut worden und es hat dazu

geführt, dass es parteiübergreifend in einer seltenen Form unterstützt wird. Die Breite der Unterstützung geht vom Tourismusverband bis zur Wirtschaftsförderung Erzgebirge und zum BVMW.

Das Verfahren ist international vorbildlich betrieben worden. Es ist im Vorfeld mit den entsprechenden Umsetzungsstudien versucht worden, Konfliktpotenziale auszuloten, auch diese Konfliktpotenziale einem Interessenausgleich zuzuführen. Das ist ein Verfahren, das maßstabgebend für die Arbeit der gesamten UNESCO ist. Deshalb bin ich der Überzeugung, wer Welterbeverfahren richtig machen will, der muss aufs Erzgebirge schauen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Was fehlt denn nun eigentlich zum Erfolg? Was vor allem fehlt, ist die entschlossene Unterstützung der Staatsregierung. Jahrelang wurden immer wieder neue Hürden und Forderungen aufgestellt, die die Akteure in der Region jeweils überwunden haben.

Im März 2011 gab es endlich einen Kabinettsbeschluss, den manche als Wende interpretiert haben. Ich sage dazu: Ich sehe darin ein wohlwollendes Tolerieren. Notwendig ist aber mehr. Notwendig ist ein eindeutiges, ein offenes Bekenntnis zum Antragsverfahren und zur Arbeit am Welterbeprojekt, und das betrifft insbesondere die Einladung an den Partner Tschechien.

Die Geschichte der Montanwirtschaft im Erzgebirge ist eine gemeinsame sächsisch-böhmische. Was die Geschichte des Bergbaus im Erzgebirge zusammengeführt hat, das sollte die Staatsregierung heute nicht trennen. Sie sollte das umso weniger tun, als damit ein wichtiges Zeichen für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa gesetzt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Sie sollte es auch im Interesse des Erfolges nicht tun. Ich berufe mich auf Dieter Offenhäußer, den stellvertretenden Generaldirektor der Deutschen UNESCO-Kommission, der meinte: „Gerade für Deutschland empfiehlt sich eine grenzüberschreitende Bewerbung.“ Sie mache sie attraktiver und die Verleihung des Titels wahrscheinlicher. –

Vor Ort, in Ústí, in Karlovy Vary, wird engagierte und gute Arbeit für dieses grenzüberschreitende Projekt geleistet. Aber nicht die Akteure vor Ort können eines tun, sondern die Staatsregierung ist gefragt, wenn es um die offizielle Einladung der tschechischen Regierung und des Auswärtigen Amtes geht. Die Uhr tickt, der Zeitplan ist

eng. Bis Anfang nächsten Jahres muss sich das Partnerland Tschechien erklären.