Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Ich habe Ihrer Fraktion vorgeworfen, dass man unsere Demokratie beschädigt, wenn man – –

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Kritik übt!)

Nein, nein. Kritik ist doch immer erlaubt, jeden Tag. Wenn ich zum Beispiel den Verfassungsschutz als eine Art Staatssicherheit bezeichne, dann ist das eine Beschädigung von Demokratie.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wer hat das gemacht?)

Das haben Sie in dem Hohen Haus des Öfteren gemacht.

Wenn ich heute Justiz und Staatsanwaltschaft vorwerfe – und das haben Sie getan, Herr Dr. Hahn –, dass sie Pfarrer verfolgt, dann ist das eine Beschädigung der Demokratie. Oder wenn im Hohen Haus behauptet wird, wir hätten eine politische Justiz in Sachsen, die Kritiker der Opposition ruhigstellt, dann ist das eine Beschädigung der Demokratie, weil Sie das überhaupt nicht beweisen und belegen können.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend, Herr Bartl: Ich lese auch den „Spiegel“, aber er ist deshalb keine verfassungsmäßige Institution im Land. – Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Bartl, Sie wollen auf diese Kurzintervention von Herrn Flath reagieren?

Ich reagiere darauf. Ich habe nicht einmal in Annäherung daran gedacht, den Stellenwert, die Bedeutung und die hoch zu schätzende Rolle des Verfassungsgerichtes als Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit infrage zu stellen. Nur um diese Frage geht es. Der Umgang mit der Demokratie beginnt in diesem Haus mit der Frage, wie die demokratische, mit der Mehrheit ausgestattete Fraktion oder Koalition mit der Minderheit umgeht, in einem Land, dass nach der friedlichen Revolution gesagt hat, eine Opposition ist unverzichtbar. Opposition ist Voraussetzung für die Demokratie. Wie geht

heute, 20 Jahre später, die Mehrheit mit der demokratischen Opposition um?

Sie hält sie aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus. Frau Kollegin Kallenbach sagt, wir wissen in Teilen überhaupt nicht, was zwischen Regierung und Teilen des Parlaments läuft, weil nach dem Prinzip der feudalen Kameralistik gehandelt wird.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Das sind die Fakten. Wir erfahren, dass Arbeitskreise der CDU-Fraktion oder meinethalben der FDP-Fraktion in Gesprächen mit Regierungsvertretern sind und haben als Oppositionsvertreter nicht mal in Näherung den Zugang zu gleichen Hintergründen. Das weiß doch aber jeder in diesem Hohen Haus. Das weiß doch jeder von den Journalistinnen und Journalisten, die dieses Haus begleiten, und das wissen inzwischen auch viele Bürgerinnen und Bürger, die dem zusehen. Dort beginnt die Beschädigung der Demokratie.

(Beifall bei den LINKEN)

Der „Spiegel“ ist tatsächlich kein Verfassungsorgan – da haben wir Einigkeit –, aber der Datenschutzbeauftragte. Und wenn, wie gestern geschehen, drei Räumlichkeiten weiter, ein Gegenbericht zur Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten an das Parlament eingeleitet wird mit der sinngemäßen Bemerkung, die Strafprozessordnung ist schwierig, man muss erst einmal lernen, sie zu lesen – so ist es ja passiert –, dann ist das definitiv weit unter dem, was im freien Disput zulässig ist.

Bitte zum Schluss kommen.

Entschuldigung, letzter Satz. – Dann muss das Hohe Haus sich vor seinen Datenschützer stellen, und in anderen Zusammenhängen müssen wir uns zusammenraufen, aber so, dass das Parlament an Ansehen gewinnt und nicht als schlechtestes Beispiel, wie Demokratie praktiziert wird, durchs Land kommt.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Karl Nolle, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Kollege Nolle, wollen Sie auch vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen? – Bitte.

Zu Herrn Flath.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist längst vorbei, Herr Bartl hat gesprochen!)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was halten Sie – –

Kollege Nolle, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie sich mit Ihrer Kurzintervention nicht auf die vorhergehende Kurzintervention beziehen können.

Aber ich kann unabhängig davon ja vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen.

Dann muss sich die Kurzintervention auf den vorhergehenden Redebeitrag beziehen.

Und der war von Herrn Bartl.

Herr Bartl hat von der Demokratie in Sachsen gesprochen, und ich würde gern ein Beispiel dafür nennen, bei dem Sie vielleicht mal prüfen können, ob das Ihrem Verständnis von Rechtsstaat entspricht.

Ich rufe als Drucker bei einem Kunden an, der vom Freistaat gefördert wird, und der Kunde erklärt mir, nachdem ich frage, ob ich nun mit dem Auftrag für ein bestimmtes Angebot rechnen kann: Herr Nolle, Sie haben das beste Angebot gemacht. Sie arbeiten sehr zuverlässig. Wir arbeiten schon viele Jahre zusammen, aber bitte verstehen Sie, dass ich Ihnen den Auftrag nicht geben kann, wir stehen selbst unter Beobachtung. – Das war’s.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die Kurzintervention bezog sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Bartl. Möchten Sie darauf reagieren? – Nein.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hat die FDPFraktion noch Redebedarf in der dritten Runde? – Das sehe ich nicht. Ich frage die GRÜNEN. – Kein Redebedarf. Ich frage die NPD-Fraktion. – Kein Redebedarf. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Dr. Martens.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Ankündigung dieser Debatte war zu entnehmen, dass es um Demokratie in Sachsen gehen soll. Herr Dulig erläuterte auch, man wolle hier stilbildend tätig werden. Allerdings ist das, was dann gekommen ist, doch wieder nur im Wesentlichen der Austausch altbekannter Schlagworte gewesen. Wenn zum Beispiel von Herrn Jurk beanstandet wird, dass die Staatsregierung es wage, am Bericht des Datenschutzbeauftragten zu zweifeln, sei Ihnen gesagt: Ja, das tut sie, und sie tut es auch mit Fachverstand. Das ist ihr gutes Recht, denn der Datenschutzbeauftragte ist nicht unfehlbar in diesem Land. Man darf sich eine andere Meinung holen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Dulig, wenn Sie hier scheinheilig fragen, was Staatsanwälte dazu bringen würde, Handydaten zu erheben, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, wo Sie im letzten halben Jahr waren. Wir können Ihnen das erklären. Das sind über 110 verletzte Polizeibeamte und 400 Ermittlungsverfahren gegen Gewalttaten am 19.02.2011; und Sie tun so, als hätte es diese Krawalle gar nicht

gegeben. Das ist schon ein starkes Stück. Das wollen Sie als stilbildend bezeichnen? Das ist bemerkenswert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann werden die „F.A.Z.“ und der „Spiegel“ zitiert, als hätten sie die ewige Wahrheit und würde das, was darin steht, unbedingt immer stimmen, so wie früher im „Neuen Deutschland“.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der FDP)

Dem ist nicht so. Auch der „Spiegel“, auch die „F.A.Z.“ können irren und die „F.A.Z.“ ganz offensichtlich, wenn davon gefaselt wird, dass hier Bewegungsprofile von Oppositionellen erstellt werden. Mitnichten (und -neffen)! Da muss man schon ziemlich verständnislos sein, um so etwas konstruieren zu können. Hinterher assistiert Herr Hahn von den LINKEN mit Herrn Thierses sächsischer Demokratie. Herr Thierse hat einen schweren Nachteil: Er lebt nicht in Sachsen, sonst würde er vielleicht etwas von dem verstehen, worüber er spricht.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Da wäre er schon weg!)

Wie beim Thema Waldschlösschenbrücke oder sonst – Herr Thierse ist auch nicht unfehlbar, um das ganz deutlich zu sagen, wenn wir schon mit diesen Termini unterwegs sind.

Erstaunt hat mich dann Frau Hermenau. Sie gibt heute großes Staatstheater. Staatstragend wird hier vorn von der Weiterentwicklung unserer Demokratie gesprochen. Ich muss jetzt einmal fragen: Wo war denn der berühmte Demokratietheoretiker Lichdi heute?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Hat er Sprechverbot bekommen?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Hallo!)

Oder ist er nach der gestrigen Auseinandersetzung um seinen kruden Antrag heute immer noch traumatisiert?

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)