Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Herr Dulig, ich weiß, dass Sie nicht ganz den derben Ausdruck gebraucht haben. Das haben Sie Herrn Homann von Ihrer Fraktion überlassen. Sie werfen der CDU

antidemokratische Kultur vor. Das ist schon ein harter Vorwurf. Ich hoffe, dass Sie sich dessen bewusst sind, auch in Anbetracht dessen, dass wir einmal fünf Jahre zusammen regiert haben, und in Anbetracht dessen, dass heute bei einem anderen Tagesordnungspunkt Abgeordnete gemeinsam ihren Antrag einbringen, und in Anbetracht dessen, dass wir sehr bald wieder einmal Verfassungsrichter zu wählen haben, wozu unsere Verfassung vorschreibt, dass wir uns zusammensetzen und Vorschläge unterbreiten, die dann hier auch die notwendige Mehrheit finden. Antidemokratische Kultur – das ist ein harter Vorwurf.

Wenn diese Debatte eines gebracht hat: Sie haben ja eine ganz andere Stimmungslage angeschlagen, Frau Hermenau. Mein Eindruck war, Ihnen geht es darum, über Wege zu streiten, die unser Land erfolgreich machen, die uns nach vorn bringen. So verstehe ich politischen Wettbewerb.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Herr Dulig, Sie haben mit Ihrer Fraktion noch nicht entschieden, ob Sie sich für den von vornherein erfolglosen Weg der LINKEN entscheiden – die LINKEN haben, glaube ich, ihre Hoffnung aufgegeben, in diesem Land zu regieren;

(Beifall bei der CDU und der FDP)

denn nur, wenn man diese Hoffnung aufgegeben hat, kann man doch auf die Idee kommen, täglich dieses Land zu beschädigen, zu beschädigen, zu beschädigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ihre Redezeit geht vorüber.

Daran kann man doch kein Interesse haben, wenn man regieren will.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wir von der CDU wollen regieren – wir haben uns der nächsten Wahl zu stellen. Mit unserer täglichen Arbeit wollen wir das Land voranbringen, und dabei bleibt es.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Frau Kollegin Kallenbach, Sie wollen kurzintervenieren?

Richtig.

Herr Flath, ich verfolge die Debatte, insbesondere mit den Beiträgen aus der Koalition, mit sehr gemischten Gefühlen. Ich hatte anfangs gedacht, das Motto heißt „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, weil Sie immer wieder versucht haben, krampfhaft auf andere zu verweisen. Was mir wirklich fehlt: Wo ist eine kritische Reflexion der letzten 20 Jahre?

Ich hatte es so empfunden, dass dies das Motto der Aktuellen Debatte sein sollte. Haben Sie einmal analysiert oder gezählt, wie viele Gesetze, die von Ihnen verabschiedet worden sind, einer richterlichen Überprüfung nicht standgehalten haben? Wie viele Gutachten und Informationen verweigern Sie der Opposition, die wir gar nicht zu Gesicht bekommen, die wir nicht sehen dürfen, die nur in Ihren Arbeitskreisen behandelt werden? Warum lassen Sie nicht zu, dass die Ausschüsse öffentlich tagen können? Das war ich von anderen Gremien gewöhnt.

Auf derartige Fragen hätte ich mir heute Antworten erwünscht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Das war die Kurzintervention von Frau Kollegin Kallenbach von der Fraktion GRÜNE. – Es folgt keine Reaktion darauf.

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Rednerliste fort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Kollege Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Flath, wer beschädigt denn das Ansehen des Freistaates Sachsen oder der Demokratie? Derjenige, der hier ein Versammlungsgesetz macht – also ein Gesetz zu einem Gegenstand, das zu den elementarsten Fragen der Demokratie Stellung nehmen soll –, das das Verfassungsgericht, nachdem die Oppositionsfraktionen LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen, Sie haben nicht einmal formell die Abgeordneten des Hauses ordentlich an dem Gesetz beteiligt, für nichtig erklärt, für verfassungswidrig und es deshalb aufhebt? Beschädigen diejenigen, die jetzt nach Leipzig gehen und klagen, oder die Verfassungsrichter, die das Urteil sprechen, oder diejenigen, die diesen Weg gehen, erhebliche Teile des Parlaments vom demokratischen Verfahren auszuschließen, das Ansehen des Freistaates?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Immer wieder, ja!)

Beschädigen diejenigen das Ansehen des Freistaates, die in einer Situation, in der ich sage, jeder handelnde Polizist, jeder handelnde Kriminalist, jeder handelnde Staatsanwalt weiß um die Sensibilität, was geschieht, wenn ich in einem anderen Bundesland früh um 5:30 Uhr beginne, ein Kirchgemeindehaus zu durchsuchen, die dort ohne eine korrekte Vorinformation der zuständigen Behörden dieses befreundeten Bundeslandes, – –

(Volker Bandmann, CDU: Das stimmt doch gar nicht! – Christian Piwarz, CDU: Das sind nur Behauptungen!)

Darauf kommen wir noch zurück, das will ich jetzt nicht debattieren.

die ohne eine konkrete Einbeziehung, ohne konkrete Vorkehrungen – wie es überall zu lesen ist, wenn man durchs Jenaer Zentrum fährt: „Sächsische Demokratie, Razzia à la sächsische Demokratie“ – dort hinkommen und etwas tun, zum Beispiel eine Hausdurchsuchung machen, ohne unbeteiligte Zeugen hinzuzuziehen?

Beschädigen diejenigen die Demokratie, die dann, wenn die Abgeordneten die Regierung fragen, ob es richtig ist, wenn die Betroffenen – in diesem Fall ein kirchlicher Amtsträger – darüber Klage führen, dass nicht einmal unbeteiligte Zeugen dabei waren, sondern dass als Zeuge ein Referendar der Staatsanwaltschaft Dresden hinzugezogen wird, und wenn uns dann als Abgeordneten vom leitenden Oberstaatsanwalt im Ausschuss gesagt wird, das ist nicht wahr, der war nur zu Ausbildungszwecken mit? Das steht im Protokoll; inzwischen haben wir das Protokoll – unterschrieben bei den sogenannten Durchsuchungszeugen von ebendiesem Referendar.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das ist doch dieser sächsische Weg, den – in diesem Fall in Jena, in Thüringen – Abgeordnete des Landtages, Mitglieder der Staatsregierung gehen, der letzten Endes hinterfragt werden muss.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte, Kollege Biesok.

Kollege Bartl, ist Ihnen bekannt, dass vor Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme die in den Verwaltungsabkommen zwischen dem Freistaat Sachsen und Thüringen festgelegten Behörden, nämlich die Polizeibehörden, untereinander den Einsatz abgestimmt hatten und somit eine Information des Freistaates Thüringen vorlag? Ist Ihnen bekannt, dass bei der Durchsuchungsmaßnahme der Rechtsvertreter des von Ihnen genannten Pfarrers mit anwesend war?

(Zuruf von den LINKEN: Ab wann?)

Ich will das jetzt nicht im Detail erörtern; das werden wir im Ausschuss tun müssen. Ich habe mich wirklich ins Bild gesetzt. Kollege Biesok, ich bin fest davon überzeugt: Ihnen werden die Augen übergehen, wenn das, was im Konkreten geschehen ist, dann tatsächlich auch in Dokumenten belegbar ist und erörtert wird.

Der Verteidiger des Betroffenen, der sich selbst im Urlaub befand, hatte vorher mitgeteilt, dass er zum Zeitpunkt der Durchsuchung im Urlaub ist.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Dann wird die Durchsuchung gemacht!)

Die Durchsuchung begann, ohne dass ein unbeteiligter Zeuge anwesend war. Das sagt das Gesetz, § 205, das wissen Sie ganz genau. Es sind zwei Gemeindebedienstete oder zwei unbeteiligte Zeugen beizuziehen. Es war keiner dabei, es war nur dieser Referendar der Staatsan

waltschaft Dresden dabei. Die Tochter, die im Hause wohnt und die, nebenbei bemerkt, Abgeordnete des Thüringer Landtags ist, hat zunächst kein Recht bekommen, an der Durchsuchung teilzunehmen. Das hat sie erst gewissermaßen erzwingen müssen. Die dann hinzugeholten Anwälte, die nicht die Verteidiger in dem Verfahren waren, kamen nach anderthalb Stunden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Räumlichkeiten ohne Anwesenheit der Tochter, ohne Anwesenheit von Durchsuchungszeugen, ohne Anwesenheit eines Anwalts durchsucht.

Das ist das, was dann in Jena als Machart, als Spielart sächsischer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufgenommen wird. Das müssen wir uns dann schon vorhalten lassen.

(Karl Nolle, SPD: Hört, hört!)

Kollege Biesok, ich will jetzt nicht darüber streiten, ob es korrekt ist, wenn von Staatsschutz zu Staatsschutz im Juli vorinformiert wird – zu einem Zeitpunkt, da der Richter noch nicht einmal den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses auf dem Tisch, geschweige denn erlassen hatte –, dass man da schon vorinformieren kann über die Maßnahme, die am 10. August stattfindet. Am 10. August Durchsuchung, Anfang Juli wird von Staatsschutz zu Staatsschutz kommuniziert, Anfang August wird telefoniert. Ob das eine sachgerechte Abstimmung ins Benehmen setzen ist, das will ich nun weiß Gott anzweifeln.

Das muss man doch, wenn man Abgeordneter dieses Hauses und von Ihrer Kompetenz, von Ihrem Format ist, Herr Kollege, dann wirklich kritisch zur Kenntnis nehmen und nicht in der Verteidigungsrolle der Koalition.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die Debatte ist natürlich, wenn sie zu solchen grundsätzlichen Fragen aufgerufen wird: Wie ist das Ansehen des Freistaates Sachsen in puncto Rechtsstaat und Demokratie – ist es beschädigt, ist es nicht beschädigt? –, immer sensibel. Es ist völlig normal, dass dann ein kontroverser und meinethalben heftiger Disput entsteht.

Lassen Sie uns doch aus der Debatte die Lehre ziehen, dass wir uns wirklich einmal in Ruhe – auch in anderen Gremien dieses Hauses – darüber verständigen, wo wir in der Entwicklung mit der Dynamik aller möglichen Fragen inzwischen gelandet sind. Ich denke schon – da beißt die Maus keinen Faden ab –, dass man, wenn „Spiegel“, „F.A.Z.“ und andere Gremien, die nun wirklich nicht im Verdacht stehen, irgendeine Affinität nach links zu haben, über diese Dinge schreiben, dann in diesem Parlament überlegen muss, ob an diesem Vorwurf etwas dran ist, und es nicht in Bausch und Bogen abtun kann.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das war für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Bartl. – Ich sehe am Mikrofon 5 eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Flath.

Genau so ist es, Herr Präsident, eine Kurzintervention zum Redebeitrag von Kollegen Bartl. Sie haben eingangs den Eindruck erweckt, als hätte ich als Beleg angebracht, dass DIE LINKE das Ziel verfolgt, die Diktatur der DDR zu relativieren, weil sie vor das Verfassungsgericht gezogen ist. Mitnichten. Das ist doch gerade ein Beleg dafür – ganz gleich, wie man das Ergebnis wertet –, dass Demokratie in Sachsen funktioniert. Was ich zum Ausdruck bringen wollte, werde ich anhand einiger Beispiele nennen, Herr Bartl.