Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Insofern können wir dem zustimmen. Wir denken aber, es ist nur ein Anfang. Wir sind auch der SPD-Fraktion dankbar, mit dem Änderungsantrag noch Präzisierungen vorzunehmen, die wir mittragen können.

Ein Punkt des Koalitionsantrages hat mich allerdings etwas irritiert, nämlich der Punkt 6, und zwar aus zweierlei Gründen: Der eine Grund ist, dass die Staatsregierung beauftragt wird, sich auf Bundesebene einzusetzen. Also, die Staatsregierung hatte dazu in der Vergangenheit Gelegenheit, die sie nicht genutzt hat. Mir scheint es immer auch ein bisschen ein Ablenkungsmanöver zu sein, in erster Linie zu sagen, die Bundesebene soll an dieser oder jener Stelle etwas machen, um nicht zu schauen: Was kann man denn eigentlich im Freistaat machen, wo haben wir Hürden, die wir von uns aus auch wegräumen können?

Der andere Punkt ist, dass an die Motivation und Leistungsbereitschaft und die Eigenverantwortung der Migranten appelliert wird. Diese Forderung halte ich vor dem Hintergrund für verfehlt, dass Nichtdeutsche – das ist durch viele Studien belegt – eine besonders hohe Gründungsbereitschaft haben und im besonderen Maße diese auch mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden ist.

Auch im nationalen Integrationsplan wird der wirtschaftliche Stellenwert von Betriebsgründungen durch Migrantinnen und Migranten gewürdigt. Das habe ich von unserem Wirtschaftsminister hier überhaupt noch nie gehört.

An gleicher Stelle wird allerdings in dem nationalen Integrationsplan auch ein Bedarf an passgenauen Angeboten für die Gründungsberatung und das Coaching in der Anfangsphase diagnostiziert. Bund, Länder, Industrie- und Handwerkskammern haben sich verpflichtet, ihre spezifischen Angebote für Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund zu verstärken. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, wie die Regierungskoalition zu der Erkenntnis kommt, die sie in ihrem Punkt 6 ausdrückt. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion aus der vergangenen Legislatur bezüglich des Gründungsverhaltens von Nichtdeutschen in Sachsen glänzte die Staatsregierung einfach nur mit Nichtwissen.

Noch etwas ganz Aktuelles zum Schluss: Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes „Pflege“, Thomas Greiner, hat im August 2011 gesagt, entscheidend sei, um dem Mangel an Fachkräften in der Pflege und überhaupt dem Bedarf an Pflegekräften nachzukommen, dass die häufig exzellenten Ausbildungen aus anderen Ländern in Deutschland schnell und vollständig anerkannt würden. Dies sei bisher nicht der Fall. Es könne nicht möglich sein, dass eine

studierte Pflegekraft aus Polen in einem deutschen Heim nicht als Fachkraft angestellt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns bei unseren Diskussionen immer wieder bewusst machen, dass wir in der Lage sind, Änderungen vorzunehmen. Das Papier vom runden Tisch ist ein Ausgangspunkt und auch der heutige Antrag. Wir sollten an dieser Stelle weitermachen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Und nun die NPDFraktion. Herr Abg. Delle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ihrer gemeinsamen Demografieerklärung vom 21. Februar 2011 bezeichneten die Vertreter der Regierungen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens den demografischen Wandel in den drei stark von Abwanderung und Überalterung geprägten Bundesländern als „unvermeidlich, aber zu meistern“.

Wie Sie nun von der Regierungskoalition diesem Problem beikommen wollen, erläutern Sie in dem vorliegenden Antrag. Sie schreiben darin wörtlich: „Ein Weg, den demografischen Wandel zu verlangsamen und dessen negative Folgen zu reduzieren, ist die Zuwanderung.“ Schon mit diesen beiden Sätzen beten Sie wieder einmal die beiden Trugschlüsse herunter, die Sie immer wieder zur Legitimierung Ihrer ebenso zuwanderungsfreundlichen wie inländerfeindlichen Politik anbringen.

Erstens, meine Damen und Herren, ist die von Ihnen mit „demografischer Wandel“ euphemistisch umschriebene demografische Katastrophe kein Naturgesetz, das über Nacht über uns hereingebrochen ist, sondern das Resultat einer falschen oder besser gesagt gar nicht vorhandenen Bevölkerungspolitik.

(Beifall bei der NPD)

Zweitens sind die Lösung dieses Problems und die darauf beruhenden Arbeitsmarktprobleme nicht in einer verstärkten Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland zu suchen, sondern eben in einer aktiven Bevölkerungspolitik und in einer Politik, die sich vornehmlich unseren heimischen mittelständischen Unternehmen, Arbeitnehmern und Strukturen widmet und die sich um die Ausbildung unseres eigenen Nachwuchses kümmert, statt auf Zuwanderung von außen zu setzen.

Nicht nur wir haben immer wieder vor dem Irrweg Einwanderung zur Lösung unserer Bevölkerungsprobleme gewarnt, auch Thilo Sarrazin brachte diese Warnung vor nunmehr einem Jahr in Form seines Bestsellers „Deutschland schafft sich ab“ unters Volk. Was hat sich seitdem geändert? Leider nicht viel. In seiner aktuellen Studie „Ein Jahr nach Sarrazin“ zieht das Institut für Staatspolitik Bilanz und kommt dabei zu dem ernüchternden Schluss, dass man Sarrazins Standpunkte zwar nicht in der öffentlichen Debatte unterdrücken konnte, aber dass in der Politik daraus mal wieder keine Konsequenzen

gezogen wurden und die überwältigende Zustimmung wirkungslos verpuffte.

Sowohl das kürzlich im Bundestag verabschiedete Anerkennungsgesetz als auch der heute vorliegende Antrag von CDU und FDP zur Umsetzung auf Landesebene verdeutlichen diese Ignoranz auf beispielhafte Weise. Offenbar will Sachsen nun seine Rolle als Musterschüler bei der Zuwanderungspolitik verteidigen und der Aufforderung der Bundesintegrationsbeauftragten Maria Böhmer besonders schnell nachkommen, die dazu aufrief: „Jetzt sind die Länder am Zug, schnellstmöglich die Weichen für eine zügige Umsetzung des Gesetzes zu stellen. Zudem sind die Länder gefordert, eigene gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen.“ Und weiter: „Nur wenn auch die Länder bundesweit einheitliche Regelungen schaffen, haben wir eine umfassende Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und damit eine echte Willkommenskultur.“

Meine Damen und Herren! Wir als NPD-Fraktion verfolgen einen grundsätzlich anderen Ansatz und sagen: Was wir in erster Linie brauchen, ist keine „Willkommenskultur“ für Ausländer oder ein runder Tisch „Anerkennung“, wie ihn der Sächsische Ausländerbeauftragte Gillo in Sachsen eingeführt hat. Was wir endlich brauchen, ist eine Willkommenskultur für Einheimische und ein runder Tisch „Rückkehrförderung“, um abgewanderte Sachsen oder in Sachsen wohnende Pendler als Fachkräfte für den heimischen Arbeitsmarkt zurückzugewinnen.

(Beifall bei der NPD)

Während die Staatsregierung in erster Linie auf die erleichterte Zuwanderung aus dem Ausland und die verstärkte Einbeziehung der bereits hier lebenden Migranten setzt, will die NPD-Fraktion langfristig dafür sorgen, durch geeignete Maßnahmen im Bereich der Familien- und Bevölkerungspolitik dem demografischen Abwärtstrend entgegenzuwirken. Kurz- bis mittelfristig sind Langzeitarbeitslose, Pendler und Abgewanderte für den sächsischen Arbeitsmarkt zurückzugewinnen, und zwar durch eine mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik in Kombination mit einem entsprechenden Rückkehr- und Ausbildungskonzept.

Es wäre wirklich wünschenswert, wenn sich die Staatsregierung um ein solches Konzept bemühen würde, anstatt nur Eierschecke an Autobahnraststätten zu verteilen und sich um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zu kümmern. Doch leider spielt dies in Ihrer Planung keine Rolle.

Immerhin stehen 15 000 offene Stellen 130 000 sächsischen Pendlern gegenüber. Keiner kennt die genaue Zahl der rückkehrbereiten Abgewanderten. Doch Sachsen leistet sich bisher immer noch den Luxus, ohne ein Programm oder eine Agentur für Rückkehrer auszukommen. Ohne ein solches Programm sind wir als NPDFraktion jedoch nicht bereit, uns mit einer möglichst zügigen Integration von sogenannten ausländischen Fachkräften auseinanderzusetzen, wäre dies doch Verrat

an unserem Wählerauftrag, der klipp und klar lautet, zuerst die Interessen der Einheimischen wahrzunehmen.

(Beifall bei der NPD)

So wie wir Nein zu einer weiteren Zuwanderung von Ausländern in unsere Sozialsysteme sagen und so wie wir Nein zum Fremdarbeiterimport durch die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit sagen, so sagen wir auch Nein, wenn es darum geht, Ausländern durch Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse wieder einmal einen Vorteil gegenüber den Deutschen einzuräumen. Unsere Devise lautet Ausbildung statt Einwanderung, und deshalb sind wir nicht bereit, den durch diesen Antrag vorgezeichneten Irrweg auch nur einen Schritt mitzugehen. Wir werden diesen Antrag selbstverständlich ablehnen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. – Es besteht der Wunsch nach einer zweiten Runde. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Krauß. Sie haben das Wort

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei uns im Freistaat Sachsen leben 10 000 Migranten, die nicht gemäß ihrer Ausbildung arbeiten können. Kollege Herbst ist schon darauf eingegangen. Es ist schwierig, wenn es eine Lehrerin gibt, die als Putzfrau arbeitet, obwohl sie das Lehrerdiplom hat. Es ist klar, wir wollen gern, dass diese Frau, die ein Lehrerdiplom hat, die Möglichkeit bekommt, als Lehrerin zu arbeiten, auch wenn die Tätigkeit einer Putzfrau nicht ehrenrührig ist. Wir haben dort ein Potenzial, das wir nutzen wollen. Es hat auch etwas mit Wertschätzung gegenüber den Betroffenen zu tun, dass ihre Lebensleistung und auch ihre Ausbildung gewürdigt werden.

(Jürgen Gansel, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Herr Krauß, ich möchte Sie fragen, ob Sie dem Hohen Haus sagen können, wie viele Deutsche in Sachsen unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten müssen.

Ich komme noch auf Ihre Thesen zu sprechen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das war keine These, das war eine Frage!)

Sie haben die Grundzüge der ganzen Diskussion nicht verstanden, deswegen muss ich ein bisschen mehr ausholen. Das ist aber in meinem Redekonzept enthalten, dazu komme ich dann noch.

Es gibt eine Menge Hürden, die Ausländer zu bewältigen haben, wenn sie bei uns arbeiten wollen. Ich habe zwei

Ärzte vor Augen, die ich ein bisschen begleiten konnte und die in Sachsen arbeiten wollen. Es war schwierig für sie, Fuß zu fassen, die deutsche Sprache zu lernen, zu schauen, wie man das Studium anerkannt bekommt, und den Start finanzieren zu können. Wir wollen diesen Menschen gern dabei helfen, dass sie die Möglichkeit erhalten, bei uns zu arbeiten. Gerade wenn wir an Ärzte denken, wissen wir, dass ein großer Bedarf auch in Zukunft besteht.

Auf die Bundesinitiative sind meine Vorredner schon eingegangen, zum Beispiel die Telefonhotline für Auskünfte oder den Rechtsanspruch auf Antragsbearbeitung und die Frist von drei Monaten auf Bundesebene für die Bearbeitung. Das sind alles sehr positive Dinge. Ich bin allen Rednern dankbar, die das Engagement von Martin Gillo beim runden Tisch Anerkennung gewürdigt haben, die Sozialpartner, die mitgewirkt haben, die Gewerkschaften, Arbeitgeber, die mitgearbeitet haben, die Ministerien, die sich eingebracht haben. Ihr habt eine tolle Arbeit geleistet! Vielen Dank an Martin Gillo und sein ganzes Team.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der NPD: Super, Martin!)

Jetzt geht es darum, welche Vorschläge wie umgesetzt werden können. Jetzt kommen wir zu dem Punkt, den die NPD-Fraktion angesprochen hat, zu dem es ein gewisses Verständnisproblem gibt. Ich rede jetzt mal über Sachsen, auch wenn die Mehrheit Ihrer Fraktion bekanntermaßen nicht aus Sachsen stammt. Die Bundesagentur für Arbeit hat eine Potenzialanalyse vorgelegt. Bis 2025 werden relativ viele Menschen in den Ruhestand gehen und relativ wenig Junge werden von unten nachwachsen. Allein dadurch entsteht eine Lücke von 500 000 Arbeitsplätzen. Die Zahl der Arbeitslosen beträgt derzeit circa 200 000.

(Alexander Delle, NPD: Das ist doch Ihre verfehlte Politik!)

Wir sagen an jeder Stelle immer wieder – vielleicht wäre es gut, wenn die NPD-Fraktion mal zuhört, vielleicht kapiert sie es dann –, dass es uns darum geht, das Potenzial, das wir haben, in allen Bereichen auszuschöpfen, angefangen bei Arbeitslosen. Wir möchten, dass Arbeitslose in Arbeit kommen. Wir möchten, dass diejenigen, die keinen Schulabschluss haben, einen Schulabschluss machen, damit sie die Möglichkeit haben, zu arbeiten. Wir möchten gern Frauen ins Berufsleben bringen, die arbeiten wollen, vielleicht auch weil sie Kinder haben. Wenn sie nicht nur in Teilzeit arbeiten wollen, sollen sie auch länger arbeiten können. Weil das alles nicht ausreichen wird, sind wir dafür, dass auch Ausländer bei uns die Möglichkeit erhalten sollen, eine Arbeit zu finden, weil das wichtig ist, damit unser Wohlstand erhalten bleibt.

Jetzt reden wir einmal über das Potenzial, das die Bundesagentur für Arbeit ausgerechnet hat. Wie viele sind das denn? Ich komme aus dem Landkreis mit der niedrigsten Ausländerquote in ganz Deutschland, dem Erzgebirgs

kreis. Es gibt keinen Landkreis in ganz Deutschland, der weniger Ausländer hat – obwohl der Landkreis an der Grenze liegt – als der Erzgebirgskreis mit 0,9 %. Frau Köpping ist auf die sächsischen Zahlen eingegangen – 2,7 %. Die Tschechen strömen auch jetzt bekanntermaßen nicht über die Grenzen, obwohl die Arbeitslosenquote bei ihnen im Grenzbereich sogar ein bisschen höher ist als bei uns, im Großraum Prag übrigens deutlich niedriger. Die Tschechen gehen auch nicht aus Nordböhmen nach Prag.

Das Potenzial liegt bei 16 800 Menschen bis 2025, also 1 400 Ausländern pro Jahr, die zu uns nach Sachsen kommen können. Ich sage ganz deutlich, ich weiß nicht, wie es unser Freistaat Sachsen nicht verkraften sollte, 1 400 Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den LINKEN – Zuruf von der NPD)

Das zeigt, dass Sie arg engstirnig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Herrmann hat es schon angesprochen: Natürlich ist unser Antrag ein Beginn. Es ist nicht der Abschluss einer Diskussion. Wir laden Sie ein, diesen Weg weiterhin mit uns zu gehen. Wir bitten Sie um Unterstützung für unseren Antrag, damit Ausländer gemäß ihrer Qualifikation bei uns arbeiten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)