Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Es geht aber nicht allein um formales Recht, sondern es geht um Menschen, die sich in unserem Land engagieren als Unternehmer, als Polizisten, als Ehrenamtliche, als Künstler und als Ärzte. Es geht um ihre Angehörigen und Freunde, und es geht um sehr viele Familien. Oft werden homosexuelle Menschen diskriminiert, weil sie nicht den üblichen Normvorstellungen einiger entsprechen. Gleichzeitig müssen sie die Rechte, die ihnen nach dem Gesetz zustehen, in Sachsen auf eigene Kosten einklagen. Das ist nicht nur ein unhaltbarer Zustand, sondern auch ein schlechtes Signal für die Betroffenen: „Du kannst privat leben, wie du willst, aber du darfst es nicht öffentlich zeigen.“

Die Petenten haben vorhin bei der Übergabe der Petitionen einige Beispiele genannt. Junge Menschen haben ihnen gesagt, dass sie aus diesem Grund nicht in Sachsen studieren oder nach dem Studium nicht in Sachsen bleiben wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Sachsen jeden und jede. Wir müssen um jeden Menschen kämpfen, auch durch die Umsetzung von Bürgerrechten. Das Parlament muss die Regierung endlich in die Pflicht nehmen, aktive Gleichstellungspolitik auch für eine lesbische und schwule Lebensweise zu betreiben. Wir brauchen dringend einen Aktionsplan gegen Homophobie. Wir wollen endlich ein Artikelgesetz zur Umsetzung der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Bei ihrem Tempo dauert es zu lange.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir hören durchaus die Stimmen aus der Mitte der Regierungskoalitionen, die sich mühen, dass es auch gelingt. Um Ihnen zu helfen, unterbreiten wir heute einen erneuten Vorschlag. Die Ministerialbürokratie hat es geschafft, ein Standortegesetz zu erarbeiten, in dem sehr viele Gesetze auf einmal geändert werden. Dazu war eine umfassende Recherche erforderlich. Das geht bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch. Es geht umso leichter, da verschiedene Vorschläge und Recherchen der Opposition die Grundlage geschaffen haben. Wenn Sie es wirklich wollen, dann schaffen Sie es in drei Monaten, und in drei Monaten wollen wir das sehen.

Als Parlament sind wir aber auch dankbar für die Petitionen, weil wir damit die Grundlage schaffen, als Parlament diesen Vorgang zu überwachen, zu begleiten und ein

Stück weit zu steuern. Nicht politische Versprechen auf Gleichstellung zählen, sondern nur die echte Gleichstellung zählt. Schaffen Sie Ergebnisse! Reden Sie nicht von Ihrem guten Willen und von Ihren guten Absichten, sondern machen Sie Gleichstellung, und zwar jetzt und ganz!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Gläß. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen will ein modernes und weltoffenes Land sein. Ich betonte es schon an dieser Stelle. In Fragen der Gleichstellung – hier speziell in der Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe – ist Sachsen provinziell, altmodisch und der Zeit hinterher.

Wir sehen moderne Gleichstellungspolitik als eine Politik, die der Gleichwertigkeit aller Menschen, unabhängig vom sozialen Status, ihrer kulturellen und biografischen Prägung bzw. Herkunft sowie unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung Rechnung trägt und als eine Politik, die die sexuelle Vielfalt der Menschen abbildet.

Ein Baustein dieses Gleichstellungsbegriffs ist nach meiner Ansicht die Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft. Sachsen ist das einzige Bundesland – Frau Kollegin Jähnigen betonte es bereits – in Deutschland, das geltendes Europa- und Bundesrecht noch nicht in Landesrecht umgesetzt hat, obwohl das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes seit über zehn Jahren schon geltendes Recht ist.

Eine Generalklausel, die die Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft mit der Ehe für alle sächsischen Gesetze und Verordnungen verbindlich gemacht hätte, wie es in skandinavischen Ländern gang und gäbe ist, wurde – weil es der einfachste Weg einer Lösung gewesen wäre – von Anfang an abgelehnt. Wir haben es vor über einem Jahr mit einem Artikelgesetz versucht und alle betroffenen Gesetze, in denen es noch keine Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft mit der Ehe gibt, aufgezählt. Dieser Gesetzentwurf wurde am 19. Mai 2010 aber von diesem Hohen Haus abgelehnt.

Mir ist heute noch die Begründung im Ohr, dass die Staatsregierung diese Regelung bei allen zu novellierenden und zu verändernden Fachgesetzen beachten will. Dass es mit diesem Willen nicht weit her war, haben wir schon bei der ersten Änderung des Besoldungsrechts gemerkt. Auch hier wurde es nicht beachtet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nunmehr wird immer wieder auf die Gesamtreform des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts vertröstet,

die zu Beginn des Jahres 2013 kommen soll. Wir wollen das schneller. Das begründen wir mit unserem Antrag, den wir nicht nur wegen der heutigen Petitionsübergabe der Initiative „2 = 2!“ gestellt haben.

Die Erarbeitung eines Artikelgesetzes ist in drei Monaten möglich. Liebe Staatsregierung, wir erlauben Ihnen auch, unser Gesetz aus dem vergangenen Jahr zu kopieren. Wir werden auch keinen Urheberrechtsstreit anstrengen. Wir werben noch einmal um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abg. Mann. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die SPDLandtagsfraktion bekräftigt das Ansinnen dieses Antrages – und dies aus Überzeugung. Eingetragene Lebenspartner sollen, wollen und können fast überall in Deutschland die gleichen Rechte und Pflichten wie Eheleute übernehmen. In elf Bundesländern ist die Gleichstellung bereits im gesamten Landesrecht vollzogen. Im Beamtenrecht ist die rechtliche Gleichstellung bereits in 13 Bundesländern selbstverständlich.

Jetzt haben sich unter Regierungsbeteiligung meiner Partei auch Thüringen und Baden-Württemberg auf den Weg gemacht, die Gleichstellung im Beamtenrecht zu vollziehen. Nur Sachsen bildet das traurige Schlusslicht und verwehrt homosexuellen Paaren wichtige Rechte, Respekt und Anerkennung.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Die sächsische Demokratie geht fast zehn Jahre nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes auf Bundesebene wieder einmal einen Sonderweg, und das gegen Gerichtsurteile auf europäischer und Bundesebene.

Sächsische Beamte in eingetragenen Lebenspartnerschaften haben im Vergleich zu verheirateten Kollegen massive finanzielle Nachteile, sei es beim Familienzuschlag, der Hinterbliebenenpension, Reise- und Umzugskostenvergütung oder Trennungs- oder Urlaubsgeld. Selbst im Laufbahnrecht haben sie das Nachsehen.

Ein wenig bekommt man den Eindruck – Sie können sich darüber wohl amüsieren, meine Damen und Herren von der FDP –, dies ist der versteckte, aber nicht weniger wichtige Grund für das Zögern und Verzögern der Staatsregierung und der schwarz-gelben Koalition. Die Anerkennung von schwulen und lesbischen Lebenspartnern ist Ihnen einfach nichts wert. Diese Anerkennung ist Ihnen offensichtlich zu teuer. Anders erklärt sich mir jedenfalls nicht, warum hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

So sind eingetragene schwule und lesbische Lebenspartner im Sächsischen Abgeordnetengesetz gleichgestellt, und das übrigens seit 2005, aber auch nach zwei von

Ihnen mit beschlossenen Änderungen in 2009 und 2010. Auch bei der Umsetzung von Pflichten gibt es deutlich weniger Widerstand gegen diese Gleichstellung. So hat sich die CDU 2009 nicht gewehrt, als eingetragene Lebenspartner in den Kreis der Verpflichteten nach dem Sächsischen Bestattungsgesetz aufgenommen wurden.

Wir sagen: Diese Ungleichbehandlung ist weder mit unserem Demokratie- oder Rechtsstaatsverständnis noch mit unserem Gerechtigkeitsverständnis vereinbar. Gleiche Liebe in eingetragenen Partnerschaften verdient auch in Sachsen gleiche Rechte.

Nachdem Sie Ihren Ankündigungen von 2009 – Sie wollten die Gleichstellung in den jeweiligen Fachgesetzen regeln – nun schon zwei Mal keine Taten haben folgen lassen, muss es Sie also nicht verwundern, dass wir Ihren Ankündigungen der Umsetzung in einer großen Reform des Dienst- und Besoldungsrechtes in 2013 misstrauen. Deshalb soll der Ihnen vorliegende Antrag einen Weg eröffnen, die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften über ein Artikelgesetz schnell und konsistent umzusetzen. Wir bauen daher auf Ihre Zustimmung. Anderenfalls bleibt das ungute Gefühl, die Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften ist Ihnen einfach nichts wert.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Mann. – Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abg. Kirmes; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, worin zu so später Stunde der Erkenntnisgewinn liegen soll im Verhältnis zu dem, was wir bisher in diesem Hohen Haus zu diesem Thema gehört haben. Insofern fällt es auch schwer, dass wir hier zum Nachdenken kommen müssen, von dem Weg abzuweichen, den wir bisher in der Frage der Umsetzung des Bundesrechts in Landesrecht beschritten haben.

Wir haben das Thema nicht heterosexueller Paare bereits sehr ausführlich in der 15. Sitzung des Sächsischen Landtages am 19.05.2010 und erneut in der 37. Sitzung am 26.05.2011 behandelt. Alle, aber auch alle sachbezogenen juristischen, moralischen und emotionalen Momente wurden mehr als umfassend ausgetauscht. Wir bleiben bei unserer Ablehnung in der Art und Weise, wie dieses Thema von der Opposition bearbeitet werden will.

Ich darf darauf hinweisen, dass sehr differenzierte Betrachtungen in der ablehnenden Haltung meiner Fraktion zu den Gleichstellungsanträgen zum Beispiel durch die bisherigen Redebeiträge von Herrn Kollegen Krauß und Herrn Kollegen Schreiber deutlich gemacht worden sind, und zwar im Mai dieses Jahres.

Nun zum Thema Staatsmodernisierung und Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Wo ist da der

Sachzusammenhang? Ein solcher Zusammenhang besteht nicht; denn wir verstehen unter Modernisierung das Fitmachen Sachsens, um die Herausforderungen in der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts und darüber hinaus meistern zu können. Staatsmodernisierung braucht Aufgabenanalyse, Aufgabenbeschreibung und Strukturierung des Staatsgebildes mit seinen Ämtern und Behörden.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Was hat das mit der Bezahlung von Beamten zu tun? Was hat das mit der Akzeptanz sexueller Ausrichtung zu tun? Meines Erachtens nichts.

Die Opposition reitet erneut ein ideologisches Steckenpferd. Ich frage mich, warum Sie nicht schon vor Monaten einen solchen Sachzusammenhang hergestellt haben, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Baumschutzordnung – keine Baumschutzordnung ohne Anerkennung der Gleichstellung oder Ähnliches. Es gibt also keinen Sachzusammenhang.

(Heiterkeit bei der CDU – Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das ist peinlich! – Weitere Zurufe von den LINKEN)

Das kann ja für Sie peinlich sein; für mich ist es das nicht. Für mich ist es eine Fragestellung, worin der Sachzusammenhang besteht.

Wir haben betont, dass wir das Bundesrecht in Landesrecht umschreiben wollen, wenn das jeweilige Gesetz auf den Tisch kommt bzw. jetzt mit der angekündigten Reform des Dienstrechtes.

(Unruhe bei den LINKEN)

Es ist Bundesrecht umzusetzen – nicht mehr und nicht weniger. Als wir diese Thematik behandelten, hatte ich bereits am 19.05.2010 betont, dass weitgehende Gleichbehandlung oder die rechtliche Gleichstellung eben nicht automatisch eine Gleichsetzung mit der Ehe bedeutet und dass wir nicht hinter jedes Gesetz automatisch bei Ehe Lebenspartnerschaft stellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht und nirgendwo aufgefordert, Artikel 6 des Grundgesetzes und damit die grundgesetzliche Stellung normierter besonderer Stellung der Ehe und Familie zu ändern. Und das ist gut so.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, unsere Interpretation von Gerichtsentscheidungen haben wir ausführlich am 19.05.2010 im Plenum wechselseitig dargestellt. Dazu ist alles gesagt worden, und ständige Wiederholungen führen hier nicht weiter. Es wird bei der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften keinen Automatismus geben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)