Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Doch bleiben wir bei den Zielstellungen für unsere wirtschaftliche Entwicklung, meine Damen und Herren. Gerade in diesem Jahr haben wir gesehen, dass sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt grundlegend geändert hat. Wir gehen Zeiten entgegen, in denen Unternehmen verstärkt auf Jugendliche zugehen, und nicht umgekehrt. Die Auszubildenden sind begehrter als noch vor zehn, 20 Jahren. Das heißt, sie müssen sich nicht nur bemühen, gut zu sein, sondern die Unternehmen müssen sich genauso um die jungen Menschen bemühen. Das ist eine der chancenreichsten Situationen, die man sich vorstellen kann. Es ist wichtig, dass besonders junge Menschen einen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen.

Ich hatte bereits eingangs gesagt, dass wir in Sachsen dabei auf eine über hundertjährige Industriegeschichte zurückgreifen können, die Erfahrungen, Wissen und Können den Auszubildenden praxisverbunden vermitteln kann.

Der amerikanische Wissenschaftler und Politiker Benjamin Franklin bemerkte schon vor mehr als 200 Jahren, dass eine Investition in Wissen noch immer die besten Zinsen bringt. Diese Aussage hat nichts an Gültigkeit verloren, sie ist aktueller denn je. Meine Damen und Herren, nur wenn es uns in Sachsen gelingt, innovative Produkte zu gestalten, zu entwickeln und zu verkaufen, werden wir in Zukunft ein Leben in Wohlstand führen und am Fortschritt teilhaben können.

Die duale Ausbildung gibt es allerdings nur in Deutschland und in etwas abgewandelter Form in der Schweiz und in Österreich. Aufgrund des großen Erfolgs versuchen aber immer mehr Länder, das Modell zu kopieren, was nicht immer reibungslos funktioniert. Ein Beispiel dafür ist Frankreich, wo im Moment nur leistungsschwache Schüler eine duale Berufsausbildung beginnen. Ein weiteres Problem ist, dass selbst die duale Berufsausbildung im Vergleich zum Studium in vielen Ländern immer noch als minderwertig angesehen wird.

In Deutschland hingegen ist die duale Ausbildung immer noch ein Erfolgsmodell und wird deswegen ständig weiterentwickelt. So haben zum Beispiel Abiturienten die Möglichkeit, die Berufsausbildung mit einem Studium zu kombinieren. Solche Auszubildenden sind für die meisten Betriebe äußerst attraktiv, kennen sie doch die Produktionsabläufe in den Betrieben. Da verwundert es nicht, dass sie meist für Managementtätigkeiten ausgebildet werden. Sie alle bringen eine wichtige Voraussetzung hierfür mit, denn sie verfügen neben einem breiten Fachwissen in ihrem Bereich auch über die notwendige soziale Qualifikation für die Führungsetage.

Am 31.12.2010 befanden sich in Sachsen 63 220 Jugendliche in betrieblicher Ausbildung. Die Industrie und der Handel stellten mit 63 % den größten Anteil dar, gefolgt vom Handwerk mit 25 %. Das ist eine beachtliche Größe, meine Damen und Herren, und verdient letztendlich Anerkennung. Wenn man sich die Vergleichszahlen von vor zehn Jahren dazu ansieht, stellt man fest, dass es im Jahr 2000 106 977 Jugendliche waren, die einen abgeschlossenen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen in der Tasche hatten.

Um auch zukünftig Wirtschaftswachstum zu erzielen, sind Facharbeiter in Größenordnungen erforderlich, und diese müssen ausgebildet werden. Aufgabe der berufsbildenden Schulen ist es, theoretisches Wissen im Rahmen der dualen Ausbildung zu vermitteln. In den Unternehmen werden die praktischen Kenntnisse vermittelt, Berufserfahrung gesammelt und bestimmte soziale Kompetenzen, wie Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein, im Alltag deutlich schneller erworben als in einer vollzeitschulischen Ausbildung. Vollzeitschulische Maßnahmen müssen zurückgefahren werden, wenn eine gleichwertige duale Ausbildung existiert. Der Druck, den Fachkräftenachwuchs langfristig zu sichern, wird entsprechend größer; ich hatte es eingangs erwähnt. Absolventen dualer Ausbildung haben aufgrund ihrer gesammelten Berufserfahrung

größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist eine Erkenntnis,

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

die keine großen Beweise erforderlich macht.

(Beifall bei der CDU)

Die duale Berufsausbildung darf im Wettbewerb mit den akademischen Abschlüssen nicht zu einer Restgröße werden. Der akademische Abschluss ist nicht das Maß aller Dinge. Unser Alltag funktioniert nur, wenn wir beides haben: die studierte Ingenieurin und den gelernten Mechatroniker. Sie sollten sich auf gleicher Augenhöhe bewegen können, auf der Basis gegenseitiger ehrlicher Wertschätzung. Das funktioniert, denn anders ließe sich unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht erklären.

Es ist eine Binsenweisheit, dass der Praxisbezug des Unterrichtes durch eine stärkere Nutzung von Schülerpraktika in Unternehmen zu Qualitätsverbesserungen in der Ausbildung führt und dass dadurch bessere praktische Ergebnisse erreicht werden können.

Ich denke auch, dass unser heutiger Antrag für die Linksfraktion durchaus zustimmungsfähig ist, weil Sie, verehrter Herr Zais – ich sehe ihn jetzt nicht, aber er wird es vielleicht hören –, in der Aktuellen Debatte zur 80. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages am 6. Juni 2007 große Werbung für die duale Ausbildung in Ihrem Redebeitrag formulierten. Ich zitiere: „Trotz dieses Rückgangs brauchen wir in Sachsen rund 65 000 Lehrstellen, um jedem Ausbildungswilligen eine Zukunft in Sachsen zu sichern. So hoch liegt die Messlatte, Herr Jurk.“ Und weiter: „Nur das duale System bringt uns aus dieser Misere.“ Verehrte Damen und Herren von der Linksfraktion, das ist erreicht worden.

Aber wir von der Koalition wollen mehr. Was wollen wir mit unserem Berichtsantrag erreichen?

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Das wollen wir gern wissen! – Cornelia Falken, DIE LINKE: Spannende Frage! – Heiterkeit bei den LINKEN und der SPD)

Wir wollen, dass die Abbrecherquote, die beim Übergang von der Schule zur beruflichen Bildung entsteht, deutlich verringert wird.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Mit dem Antrag?)

Wir wollen bedarfsgerechte vollzeitschulische Ausbildung erreichen und umsetzen.

(Stefan Brangs, SPD: Ah, ja!)

Wir wollen durch geeignete Modularisierung einen breiten Angebotsrahmen für kleine und mittelständische Betriebe erreichen und so teilweise vernünftige Klassenstrukturen bei aller Spezifikation der Unternehmen schaffen. Kleine Berufsgruppen sind wichtig. Was würden Sie sagen, wenn wir zum Beispiel keine Geigenbauer, wie sie in meiner Region, aus der ich stamme, durchaus Usus

sind, oder keine Segelmacher mehr hätten? Solche Berufe sind in ihren Nischen für die Funktionsweise eines Landes absolut wichtig.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Es gibt aber auch Berufe, die nicht mehr solch eine große Anzahl von Auszubildenden bereitstellen, dass man Berufsschulklassen füllen könnte. Hier sind Lösungen gefragt, die vernünftige duale Ausbildung ermöglichen.

Wir wollen, dass eine Verzahnung und eine Durchlässigkeit in der Aus- und Weiterbildung erreicht werden, die für die Zukunft den Fachkräftebedarf sicherstellen. Wir wollen, dass auch Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung verstärkt auf die Möglichkeit eines Studiums auch ohne allgemeine Hochschulreife aufmerksam gemacht werden. Hier wird in den nächsten Jahren insbesondere die Ausbildung an unseren Berufsakademien eine wesentlich stärkere Rolle einnehmen müssen.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ausbildung ist heutzutage kein starres Gleis, auf dem der Wagen, wenn er einmal auf die Schiene gesetzt wird, schnurgerade ins Ziel rollt nach dem Motto „Ein gerader Weg bis zur Rente“. Ausbildung gleicht heute einem System mit vielen Schienensträngen und vielen Weichen nach links und rechts. Sie führen zum Beispiel zu einem Praktikum im Ausland, einer Spezialisierung, einem Meistertitel oder einer Zusatzqualifikation lange nach dem ersten Abschluss. Noch nie waren die Möglichkeiten, in Deutschland einen Beruf zu erlernen und sich in diesem Beruf zu entwickeln, so vielfältig wie heute, meine Damen und Herren.

(Andreas Storr, NPD: Noch nie hatten wir so tolle Zeiten!)

Die Vielfalt gehört zu den großen Errungenschaften des dualen Systems. Die so außergewöhnlich niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist meiner Meinung nach auch auf unsere duale Ausbildung zurückzuführen. Viele Staaten, auch starke Wirtschaftsnationen, haben derzeit mit hoher Jugendarbeitslosigkeit in ihren Statistiken und inzwischen auch auf den Straßen zu kämpfen. Die Gültigkeit von erlerntem Wissen wird immer kürzer. Schon allein aus diesem Grund ist eine praxisverbundene duale Ausbildung sehr wichtig.

Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, weil er in die richtige Richtung zukunftsfähiger Berufsausbildung und Weiterbildung weist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die FDP-Fraktion; Herr Bläsner, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle freuen uns, dass Deutschland mit seinen Bundesländern und

damit auch Sachsen so gut durch die Wirtschaftskrise gekommen ist wie kaum ein anderes Land in der Europäischen Union. Wir alle freuen uns, dass die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig ist, und wir alle freuen uns, dass dieser Aufschwung bei den Arbeitnehmern und Arbeitgebern ankommt, dass er bei der Arbeitslosenquote ankommt und dass wir hier in Deutschland einen Aufschwung haben.

Woher kommt die Innovationskraft der Unternehmen und woher kommt der Erfolg unserer Wirtschaft? Er kommt vor allem aufgrund der guten Ausbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Darauf können wir stolz sein. Die Grundlage dieses Erfolges ist die duale Berufsausbildung, die ein Exportschlager weltweit ist, und wir können darauf stolz sein, dass wir ein Bildungssystem haben, das mit der dualen Berufsausbildung einen Exportschlager hat und beste Ergebnisse produziert.

Schauen wir uns einmal die Ergebnisse an. Maßgebend ist hier für mich die Quote von Jugendlichen, die ohne Arbeit sind: in ganz Deutschland etwa 9 % – im vergangenen Juni eine der niedrigsten Quoten in der ganzen Europäischen Union –, und in meinem Landkreis, dem Landkreis Sächsische Schweiz–Osterzgebirge, waren es im Juli, bekanntermaßen dem Monat, in dem die meisten Jugendlichen ohne Arbeit sind, einfach aus statistischen Gründen 8,3 %. Das ist natürlich noch zu viel. Aber wenn man in andere europäische Länder schaut, zum Beispiel nach Skandinavien, das ein sehr gutes Schulsystem hat, aber auch in die Länder, die besonders von der Krise betroffen sind, wie Spanien, dann ist das aller Achtung wert. Das zeigt, dass wir ein leistungsfähiges Ausbildungssystem haben.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allerdings steht das Berufsausbildungssystem auch vor neuen Herausforderungen. Die Anforderungen an die Unternehmen und die Beschäftigten und somit auch an die Auszubildenden steigen aufgrund der schnellen technologischen Entwicklung und der Internationalisierung der Wirtschaft an. Notwendig ist eine Flexibilisierung in der beruflichen Ausbildung, beispielsweise durch eine Modularisierung der Ausbildungsinhalte. Wir brauchen eine bessere Verzahnung und Kooperation an den Schnittstellen zwischen Schule, Ausbildung und Studium.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder wird der Anspruch erhoben: Deutschland ist eine Wissensgesellschaft. Um diesem Anspruch und einem gelebten lebenslangen Lernen gerecht zu werden, muss die Durchlässigkeit verbessert werden. Dies betrifft vor allem die Schnittstellen zwischen der schulischen und beruflichen Bildung sowie zwischen der Aus-, Weiter- und Hochschulbildung. Gerade eine Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern ohne allgemeine Hochschulreife muss verbessert werden. In einer immer spezialisierteren Arbeitswelt sind akademische Weiterbildungen gerade für

die persönliche Fortentwicklung vieler Fachkräfte und deren Unternehmen unverzichtbar. Aus diesem Grund sind auch die Anstrengungen der Staatsregierung zu intensivieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein vielfältiges Angebot an Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten im Freistaat Sachsen. Wir müssen aber auch einmal hinterfragen, ob all diese Angebote vor allem im vollzeitschulischen Bereich dem Bedarf der Wirtschaft entsprechen. Sie wollen ja auch eine Analyse von der Staatsregierung haben, die zeigt, wo der Bedarf in der sächsischen Wirtschaft ist und welche Angebote es gibt, die vielleicht nicht so bedarfsgerecht sind, wie wir es wünschen. Wir haben einfach – das hat Frau Dr. Stange gestern in der Diskussion gezeigt, als wir bei der Handwerkskammer waren – noch zu viele Angebote gerade bei freien Trägern, die anderen die Lehrlinge wegnehmen, die dringend gebraucht werden. Hier muss etwas getan werden. Unser Ziel ist es, die duale Berufsausbildung zu stärken. Dafür müssen wir einige Strukturen in Sachsen kritisch hinterfragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus müssen wir auch auf die zurückgehenden Schülerzahlen reagieren. Trotz des demografischen Wandels, der jetzt in den Berufsschulen ankommt, müssen wir sicherstellen, dass in Sachsen regional bedeutsame Ausbildungsmöglichkeiten von Fachkräften auch im ländlichen Raum erhalten werden. Dazu gehört beispielsweise, dass die Absprache der Schulträger, also der Landkreise, auch wirklich wahrgenommen wird und dass nicht, wie es leider in letzter Zeit passiert ist, immer mehr in die kreisfreien Städte abwandert, übrigens ohne Not, und in den Landkreisen selbst – ich komme aus dem Landkreis Sächsische Schweiz–Osterzgebirge – reihenweise Fachklassen wegfallen.

Hier müssen wir darauf achten, dass die Strukturen nicht wegfallen, die dazu führen, dass die Wirtschaft keine Angebote mehr in den Berufsschulzentren hat und auch nicht genügend Lehrlinge in der Region sind, sondern dass diese in die kreisfreien Städte abwandern. Das ist insbesondere für den ländlichen Raum eine ganz wichtige Frage, die auch in den nächsten Monaten unserer Aufmerksamkeit bedarf.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Qualität der dualen Ausbildung hängt ganz besonders davon ab, wie sie den vielfältigen gewandelten Anforderungen an die Arbeitswelt gerecht werden kann. Der vorliegende Antrag soll dazu beitragen, die berufliche Ausbildung auf höchstem Niveau zukunftsfest zu gestalten. Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Linksfraktion; Herr Kind, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Heidan, ich werde die Grüße an Herrn Zais ausrichten, dass Sie auf Anregung des Herrn Zais Ihren Antrag jetzt formuliert und richtungweisende Sachen aufgeschrieben haben. Doch ich konnte die richtungweisenden Sachen in dem Antrag leider nicht finden. Sie werden also mit dem Antrag nicht das erreichen, was Sie hier darzulegen versucht haben. Es ist schön, wenn man sehr viel Redezeit hat. Sie haben versucht, eine Einführung in die Berufsausbildung zu geben. Aber leider ist nicht rübergekommen, wohin Sie mit dem Antrag wollen, was Sie wirklich erreichen und ändern wollen und wo Ihre Initiativen konkret liegen. Das konnten wir leider nicht finden.

Ich denke eher, dass der Antrag zustande gekommen ist, weil mittlerweile aus allen drei demokratischen Oppositionsfraktionen Vorschläge auf dem Tisch liegen. Es liegen Gesetzesvorschläge der GRÜNEN und der SPD auf dem Tisch, es sind Große Anfragen von uns im Geschäftsgang. Das ist doch der Hintergrund dafür, dass Sie versucht haben, jetzt das Thema noch einmal schnell mit zu besetzen.