Im Jahr 2009 hatte nicht einmal jeder dritte Beschäftigte in Sachsen eine Weiterbildung nachgefragt. Die SPDFraktion hat einen Gesetzentwurf zur Freistellung für Weiterbildung eingebracht, der im Januar zur Expertenanhörung kommt. Ich freue mich schon heute auf den Erkenntnisgewinn – auch bei der Koalition.
Es darf auch in Sachsen nicht länger hingenommen werden, dass Geringqualifizierte, Alleinerziehende oder ältere Arbeitnehmer von Weiterbildung faktisch ausgeschlossen sind. So sieht die Situation aber heute aus.
Lassen Sie mich zum Abschluss einen Punkt ansprechen, der mich in den letzten Tagen besonders geärgert hat. Ich erinnere mich an Ihre Worte, Herr Heidan, berufliche Ausbildung und akademische Ausbildung sollten sich doch auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Wenn Sie der Meinung sind, man solle sich auf Augenhöhe begegnen und die Gleichwertigkeit anerkennen – warum vertritt dann der Kultusminister in der Kultusministerkonferenz in der Frage der Zuordnung des Abiturs innerhalb des deutschen Qualifikationsrahmens, der der europaweiten Verbesserung der Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen und der besseren Durchlässigkeit im System des lebenslangen Lernens dienen soll – also genau Ihrem Anliegen! –, die sture Auffassung, dass die berufliche Ausbildung faktisch abgewertet wird, indem sie auf den Kompetenzstufen 3 bis 5, aber die allgemeine Hochschulreife auf der Kompetenzstufe 5 eingeordnet wird? Das geschieht wider den Rat der Sozialpartner, der Wirtschaftsminister, der Gewerkschaften und des Instituts für Berufliche Bildung.
Es wird spannend sein zu hören, wie sich der Wirtschaftsminister dazu verhält. Hier bestünde eine wirkliche Chance, die hohe Qualität der drei- bzw. dreieinhalbjährigen beruflichen Ausbildung im europäischen Vergleich darzustellen. Europaweit wird man kein Verständnis haben, dass wir das Abitur eine Stufe höher eingruppieren. Wir werden die Staatsregierung in diesen Fragen nicht aus der Pflicht entlassen.
Keine einzige der Fragen, die ich angesprochen habe, wird mit Ihrem Antrag beantwortet werden. Wir wollen, dass jedem Jugendlichen wirklich eine faire Chance gegeben wird und dass eine gute berufliche Ausbildung auch in Sachsen möglich ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie machen mich mit Ihrem Antrag schon etwas ratlos. Gegen einen Bericht über die Entwicklung und den Stand der dualen und der vollzeitschulischen Ausbildung in Sachsen und die Aufforderung an die Staatsregierung, sich für die Stärkung der dualen Ausbildung einzusetzen, ist sicherlich nichts einzuwenden. Auf der anderen Seite bringen Sie in der Begründung zum Ausdruck – ich zitiere –: „Ziel des vorliegenden Antrags ist es, die notwendigen Anpassungen an neue Herausforderungen in der Berufsausbildung anzunehmen.“
Abgesehen davon, dass ich nicht genau weiß, warum Sie Anpassungen „annehmen“ und nicht „vornehmen“ wollen, liegen nach meiner Auffassung in diesem Antrag Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Es tut mir leid, aber ich empfinde es so: Sie bleiben unter Ihrem Niveau.
Ich stimme Ihnen zu, dass es, wie Sie in der Begründung schreiben, grundsätzliche Reformen braucht, um das System der dualen Ausbildung zukunftsfest zu machen. Meine Damen und Herren von der Koalition, das erreichen Sie aber nicht, indem Sie die Staatsregierung auffordern, einen Bericht abzugeben.
Keine Frage: Die duale Ausbildung ist ein deutsches Erfolgsmodell. Ich sehe das so, Frau Dr. Stange – trotz alledem. Sie erzielt hinsichtlich der Integration Jugendlicher in das Beschäftigungssystem sowohl kurzfristig als auch mittel- und langfristig die besten Ergebnisse. Zwei Jahre nach Ausbildungsabschluss sind knapp 70 % der Absolventen in das Beschäftigungssystem integriert. Unter den möglichen beruflichen Ausbildungsgängen ist somit die duale Ausbildung das effektivste Instrument. Es ist aber auch das effizienteste, legt man die durchschnittlichen Kosten pro ausgebildeten Jugendlichen zugrunde. Von daher kann man es durchaus als Erfolgsmodell bezeichnen.
Aber es braucht zweifellos Anpassungen; einige sprechen Sie in Ihrem Antrag selbst an; die Modularisierung haben meine Vorredner schon thematisiert. Wir halten einige Punkte mehr für wesentlich, zum Beispiel die ungenügende Einbeziehung junger Frauen in die duale Ausbildung, das Mismatch zwischen Qualifikationsanforderungen der Wirtschaft einerseits und den Kenntnissen und Fähigkeiten der Auszubildenden andererseits oder das Mismatch zwischen den heterogenen betrieblichen Ausbildungswirklichkeiten und den Inhalten der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen; das fällt auseinander.
Ein weiterer Punkt betrifft das Fehlen einer dualen Ausbildungskultur in den neuen Wirtschaftssektoren, zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien. Schließlich noch die Defizite in der Bewerberorientierung und -vermittlung. Ein Beispiel: 1995 wurden 39 900 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen und 17 % davon wieder gelöst. 2009 wurden 23 700 Ausbildungsverträge geschlossen und bereits 28,6 % wieder gelöst. Das deutet auf eine Problematik hin, der man sich annehmen muss. Außerdem fehlt die Abstimmung mit den Vorgaben der europäischen Ebene, hier konkret den neuesten Aktualisierungen des Kopenhagen-Prozesses. Das Kommuniqué von Brügge taucht gar nicht auf. Last but not least, es wurde auch schon angesprochen, nenne ich den mangelnden Nachwuchs an Lehrkräften, die durch ihre Ausbildung in der Lage sind, perspektivisch berufsfachliche und allgemeinbildende Kenntnisse zu vermitteln.
Angesichts dieser Aufzählung nimmt sich Ihr Antrag relativ bescheiden aus, auch wenn man bedenkt, dass die Demografie-Enquete in ihrem Abschlussbericht von 2008 schon wesentliche Defizite und Anpassungsbedarfe im Bereich berufliche Bildung formuliert hat. Von meinen Vorrednern wurde auch schon gesagt, dass Sie die Weiterbildung ausblenden, vor allem den Bereich der vorberuflichen Ausbildung, wo man Verbesserungen erzielen muss. Da aber grundsätzlich nichts gegen einen Bericht und die Aufforderung an die Staatsregierung einzuwenden ist,
sich für die duale Ausbildung einzusetzen, werden wir der Sache zustimmen. Es ist einfach nicht schädlich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gehe immer wieder mit großer Begeisterung an solche Berichtsanträge heran. Gleich am Anfang steht der Satz, dass Arbeitnehmer mehr Chancen durch praxisnahe und durchlässige Aus- und Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt haben sollen. Welch eine Erkenntnis, sage ich da nur!
Meine Damen und Herren! Die Chancen qualifizierter Arbeitnehmer steigen derzeit als Folge der demografischen Katastrophe beachtlich. Der Bedarf der sächsischen Wirtschaft kann immer weniger befriedigt werden. Dabei spielt jedoch nicht nur die Demografie eine Rolle – das wissen selbst die Antragsteller –, deshalb wird die Staatsregierung in Punkt 1.d. aufgefordert, auf bestehende Anreize für Betriebe einzugehen, auch solchen Schulabgängern eine Ausbildung zu ermöglichen, die Probleme beim Übergang von der Schule in den Beruf haben.
Wenn sich die genannten Probleme auf kleinere Wissenslücken beschränken würden, könnte Nachhilfe etwas bewirken. Meist jedoch sind die Defizite sehr umfangreich und äußerst hinderlich für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Selbst eine sozialpädagogische Betreuung nebst Stützunterricht, wie sie im Rahmen von ausbildungsbegleitenden Hilfen angeboten wird, kann hier nicht immer zum Ziel führen. Nicht selten verzichten deshalb kleinere Betriebe völlig auf eine Ausbildung. Die Konkurrenzsituation erlaubt ihnen nicht, Zeit und Geld in nicht ausbildungsreife Schulabgänger zu stecken.
Aber auch hier gibt es seit den Neunzigerjahren eine Organisationsform, die Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf auf die Sprünge helfen soll: Berufsschule und Bildungsträger bieten berufsvorbereitende Maßnahmen und auch komplette Ausbildungen an. Zu Zeiten des Lehrstellenmangels verkamen diese oft zu Warteschleifen, an deren Ende nicht ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz, sondern eine Maßnahmenkarriere und Hartz IV standen. Seit wenigen Jahren gibt es nun in vielen Berufszweigen mehr Ausbildungsplätze als Schulabgänger. Die bereits angeführten Defizite werden nicht dadurch geringer, dass man mittels schulpolitischer Tricks, Stichwort inklusive Bildung, die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss senkt.
Geringere Klassenstärken, wohnortnahe Schulen, motivierte Lehrer, leistungsorientierter Unterricht sind jedoch Voraussetzungen für bessere Ergebnisse, denen Überalterung, Lehrermangel und eine zunehmend unzureichende finanzielle Ausstattung entgegenstehen.
Und noch ein Faktum, meine Damen und Herren, beeinflusst die Entwicklung: Bildungsferne Eltern bekommen ihre Kinder früher und zahlreicher. Nicht immer können Kindergarten, Schule oder die Super-Nanny ausgleichen, was mangelnde Erziehungskompetenz im Elternhaus angerichtet hat. Aber hier betrete ich ein Feld, das von den Apologeten der politischen Korrektheit derart vermint wurde, dass eine offene Diskussion darüber leider nicht möglich ist.
Da der Antrag allerdings einige Denkanstöße enthält, die zu interessanten Ergebnissen im Rahmen des eingeforderten Berichts führen könnten, wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten.
Gibt es noch weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Herr Minister Morlok, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern die Gelegenheit ergreifen, aus Sicht der Staatsregierung einiges zum Thema Aus- und Weiterbildung im Rahmen der heutigen Debatte zu sagen. Sie hatten ja zwei Punkte angesprochen. Zum einen geht es, sehr geehrte Damen und Herren, um die sogenannte Erstausbildung, sei es eine berufliche Erstausbildung oder eine Erstausbildung im Bereich unserer Hochschulen, Fachhochschulen und Berufsakademien. Das zweite Thema ist die Weiterbildung, also das lebenslange Lernen, das immer wieder Up-to-dateWerden, was aufgrund der technologischen Entwicklung in unseren Unternehmen eine immer größere Bedeutung gewinnt.
Ich möchte mit dem Thema Weiterbildung beginnen. Wir als Staatsregierung sind der Auffassung, dass sich Weiterbildungsmaßnahmen in erster Linie an den Bedürfnissen der zu qualifizierenden Mitarbeiter und ihrer Unternehmen ausrichten müssen. Deswegen muss sich staatliche Förderung an die betroffenen Mitarbeiter wenden, weniger an entsprechende Bildungseinrichtungen.
Wir haben dies im Rahmen unserer Förderung berücksichtigt. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen. Das eine ist der Weiterbildungscheck für Mitarbeiter, den wir als Freistaat Sachsen eingeführt haben. Wir schaffen einen individuellen Förderanspruch für jeden einzelnen Mitarbeiter, der sich weiterbilden möchte, und wir fördern die Kosten dieser Weiterbildung mit bis zu 80 %. Uns ist sehr wohl bewusst, dass eine fundierte berufliche Weiterbildung, wenn sie einen im Berufsleben wirklich voranbringen soll, nicht mit Kosten von 500 Euro zu haben ist. Deswegen haben wir im Gegenzug zu Programmen, wie sie auf der Bundesebene vorhanden sind, gerade darauf verzichtet, eine Betragsgrenze für die individuelle Förderung vorzusehen, weil wir wissen, dass Weiterbildung
teuer ist und wir auch Leuten, die keine entsprechenden finanziellen Möglichkeiten haben, den Weg zu dieser Weiterbildung nicht verbauen wollen.
Wir haben im Rahmen des Weiterbildungschecks bereits 8,5 Millionen Euro ausgegeben und weitere 9,5 Millionen Euro stehen für dieses individuelle Verfahren zur Verfügung.
(Widerspruch des Abg. Karl Nolle, SPD – Thomas Kind, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Ein zweites Beispiel ist das sogenannte einzelbetriebliche Förderverfahren. Hier unterstützen wir den Betrieb, im Gegensatz zum Weiterbildungscheck, der sich an den Mitarbeiter richtet. Hier geht es darum, Unternehmen bei ihrer betrieblichen Weiterbildung zu unterstützen, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei Prozess- und Produktinnovationen, bei der Profilierung des Unternehmensmanagements. Auch hier sind wir bereit, bis zu 80 % der entsprechenden Ausgaben zu fördern.
Wir haben bereits über 33 Millionen Euro für die Förderung der betrieblichen Weiterbildung bereitgestellt. Es stehen in den laufenden Programmen der Staatsregierung weitere 26 Millionen Euro zur Verfügung. Sie sehen daran, welches Gewicht die Staatsregierung auf das Thema betriebliche Weiterbildung legt: auf der einen Seite die Unterstützung des Mitarbeiters bei der Qualifikation, auf der anderen Seite die Unterstützung des Unternehmens bei entsprechenden Möglichkeiten. Wir setzen auf Weiterbildung von Mitarbeitern für Qualifikation in Unternehmen und nicht auf Förderung von Bildungsträgern.
Herr Staatsminister, ich habe einige Fragen. Wann steht den Nutzern des Weiterbildungschecks das Geld effektiv zur Verfügung? Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob es wirklich sinnvoll ist, die Mittel erst nach Ende der Ausbildung zur Verfügung zu stellen? Wäre es nicht viel effektiver, gerade kleinen Existenzgründern, die noch eine Fachkraft einstellen wollen, der eine Zusatzqualifikation fehlt, schon im Verlauf der Ausbildung die Mittel zur Verfügung zu stellen?
bildungscheck. Das ist wirklich das Förderprogramm, bei dem wir die größte Antragstellerzahl haben. Die Tatsache, dass sich so viele melden, dass so viele Menschen dieses Programm in Anspruch nehmen, dass bereits 8,5 Millionen Euro für dieses Förderprogramm aufgewandt wurden, zeigt genau, dass es passt und dass die Menschen mit diesen entsprechenden Förderungen sehr gut zurande kommen. Wir haben, weil dieses Programm so gut angenommen wird, den entsprechenden Betrag im Haushaltsjahr aufstocken müssen. Wenn Ihre These stimmen würde, wäre das Programm ein Ladenhüter. Das ist aber mitnichten so.
Lassen Sie mich, sehr geehrte Damen und Herren, nun zum Thema der Ausbildung kommen. Eines ist klar: Staatliche Maßnahmen im Bereich der Ausbildung müssen sich natürlich in dem Maße verändern, wie Rahmenbedingungen sich ändern. Das heißt, Fördermaßnahmen, die von der Staatsregierung nicht mehr fortgeführt wurden, wurden nicht zwingend deswegen nicht fortgeführt, weil sie schlecht sind, sondern weil sie einfach für die momentane Situation auf dem Ausbildungsmarkt nicht mehr geeignet sind.