Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mindestlohn ist ein dankbares Thema, an dem sich die etablierten Blockparteien schön abarbeiten und das Schauspiel namens „Funktionierende Demokratie“ zum Besten geben können.
Bei kaum einem anderen Thema werden so viele Nebelkerzen gezündet wie bei der Debatte um einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn.
Das gilt auch für den diesbezüglichen Beschluss des vergangenen CDU-Bundesparteitages, wie Sie es beispielsweise in der „Financial Times Deutschland“ vom 15. November 2011 nachlesen können. Dort heißt es: „Die Hintertürchen, die eingebaut wurden, sind wahre Scheunentore. Diese Scheunentore werden verhindern, dass der Mindestlohn umgesetzt wird.“
Schon bei der letzten Bundestagswahl vernahm man die Losung der SPD „Weil Arbeit faire Löhne braucht“ und von den LINKEN „Mindestlohn gerade jetzt“, während die sogenannten bürgerlichen Parteien, allen voran die FDP, den Mindestlohn paradoxerweise mit der gleichen Begründung ablehnten. Der Wahlslogan damals war: „Arbeit muss sich wieder lohnen“.
Die Bundestagswahl liegt mehr als zwei Jahre zurück. Anscheinend hat die CDU den Mindestlohn für sich selbst entdeckt. Diese aus Sicht der NPD-Fraktion reine PRMaßnahme verwundert nicht sonderlich; denn wenn man in fast allen wesentlichen Belangen gegen den überwältigenden Mehrheitswillen der Bevölkerung agiert – Stichwort Euro-Wahnsinn, Stichwort Zuwanderung –, muss man wenigstens ab und an zum Schein auf den Volkswillen eingehen, und er verlangt nun einmal zu über 90 % eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Das verraten auch die neuesten Umfragen. Der DGB-Bundesvorstand hat dies am 12.11.2011 so veröffentlicht.
Wir wollen den gesetzlichen Mindestlohn nicht als immer wiederkehrendes Wahlkampfthema missbraucht wissen. Wir wollen, dass er endlich verwirklicht wird. Aber dies darf nicht mit den seitens der CDU geschaffenen Hintertürchen erfolgen, die den Mindestlohn nur dort vorschreiben wollen, wo es keine Tarifverträge gibt. Was bringt uns das, wenn die Tariflöhne von 4 oder 5 Euro zur Realität in der Lohnlandschaft geworden sind?
An die Scheinsozialen von LINKEN und SPD: Ein Mindestlohn, der völlig isoliert von den Fragen der Globalisierung und sperrangelweit geöffneten Märkten festgelegt wird, ist keine Lösung. Nur im Verbund mit nationalen Schutzzöllen, mit einer Aufkündigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, mit Ideen, wie man Konzerne dazu bringen kann, wieder im Inland zu produzieren und Arbeitsplätze für deutsche Landsleute zu schaffen, nur wenn der Mindestlohn eingebettet ist in ein ganzes Bündel inländerfreundlicher einkommens- und kaufkraftstärkender Maßnahmen zugunsten des deutschen Mittelstandes und der deutschen Arbeitnehmer, nur dann wird und ist es sinnvoll; denn unter diesen Voraussetzungen lassen sich Lohndumping und Ausbeutung wirkungsvoll bekämpfen.
Doch diesen Zusammenhang wollen die fanatischen Globalisierungsparteien der BRD von CDU/CSU bis LINKE nicht begreifen. Sie alle sind dieser Globalisierung verpflichtet und betrachten sie entweder als quasi naturgesetzliche Erscheinung oder als wünschenswerte Strategie zur Beseitigung zu aus ihrer Sicht überaus störenden und antiquierten menschlichen Gemeinschaften wie Völker, Nationen, Religionen und Kulturen.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2009 gehörten circa 22 % der Beschäftigten zum Niedriglohnbereich. Das ergibt sich aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. 1998 lag dieser Anteil noch bei 14 %. Das ist der Preis, den die Deutschen dafür zu zahlen hatten, um den Wirtschaftsstandort BRD fit zu machen für den globalen Markt und für das EU-Europa des freien fluktuierenden Finanzkapitals.
Gut 1,2 Millionen Menschen und damit immerhin rund 4 % der Beschäftigten erhalten sogar weit weniger als 5 Euro in der Stunde. Globalisierung kann man eben nicht sozial verträglich gestalten. Arbeit darf nicht arm machen – das sagt die NPD-Fraktion schon seit Langem. Doch im Gegensatz zu Ihnen wissen wir genau, dass dieser Anspruch weder mit linker Klassenkampfrhetorik noch mit neoliberaler Marktradikalität und Freihandelsextremismus zu vereinbaren ist.
Nur entschlossenes und produktives staatliches Handeln mit einem Staat, der den ordnungspolitischen Rahmen vorgibt, in dem sich eine raumorientierte Volkswirtschaft entwickeln kann, kann Millionen deutschen Landsleuten, die heute als arbeitslose Hartz-IV-Bezieher, Dauerpraktikanten und unterbezahlte Leiharbeitssklaven ihr Dasein fristen, wieder neue Hoffnung und dem ganzen Land eine echte Perspektive bieten.
Die NPD-Fraktion wird dem vorliegenden Antrag dennoch zustimmen; denn wir sehen, wie ausgeführt, im gesetzlichen Mindestlohn wohlgemerkt einen Baustein auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Deutschland – nicht mehr und auch nicht weniger.
Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Müller. – Wir können jetzt zu einer weiteren Runde kommen, aber ich sehe keinen Redebedarf bei der einbringenden Fraktion und auch nicht bei den anderen Fraktionen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Morlok.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte seitens der Staatsregierung in diese Debatte mit einem Zitat einsteigen: „Der Mindestlohn eint und spaltet. Sachsens Koalitionäre sind einhellig dagegen. Die CDU sperrt sich gar gegen die Parteilinie. DGB und SPD sind
Sehr geehrte Damen und Herren, genauso ist es. Die Koalition von CDU und FDP im Freistaat Sachsen und die Staatsregierung lehnen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn oder – von einigen Leuten anders genannt – eine Lohnuntergrenze ab, und das aus guten Gründen.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Generalsekretär der sächsischen CDU, Herrn Michael Kretschmer. Er sagt: „Eine Lohnuntergrenze vernichtet Arbeitsplätze und führt nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit.“
Recht hat er und deswegen lehnt, wie ich bereits gesagt habe, die Staatsregierung einen gesetzlichen Mindestlohn oder eine einheitliche Lohnuntergrenze ab.
Es gibt überhaupt keinen Dissens zwischen den verschiedenen Koalitionspartnern, sehr geehrte Damen und Herren. Ich habe mir, um sicherzugehen, den Leitantrag der CDU für den kommenden Parteitag am Wochenende angeschaut. Auch dort ist der Mindestlohn ein Thema. In dem Leitantrag steht: „Die sächsische Union steht für die Tarifautonomie und ist gegen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, der willkürlich von der Politik festgelegt wird. Wir sprechen uns für eine Lohnuntergrenze aus, die Sozialpartner, also Arbeitgeber, Arbeitnehmer, gemeinsam festlegen wollen.“ Genauso sehen wir es auch.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir über die Frage von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nachdenken – denn das käme nach einer solchen tariflichen Vereinbarung –, müssen wir berücksichtigen, ob diese in Sachsen tatsächlich sachgerecht sind. Wenn Sie sich anschauen, wie viele Firmen auf der Unternehmerseite Mitglied von Tarifverbänden sind, dann können Sie feststellen, dass das in Sachsen bei nur sehr wenigen der Fall ist. Die Frage ist, warum der Gesetzgeber die anderen letztendlich zu dieser Vereinbarung zwingen sollte.
Jetzt könnte man argumentieren, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Tariforganisationen sehr stark vertreten sind und ein hohes Interesse daran haben, dass diese Sache allgemein verbindlich erklärt wird. Wenn Sie sich aber anschauen, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat Sachsen in solchen tariflichen Organisationen Mitglied sind und von diesen vertreten werden, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass das in Sachsen äußerst wenige sind.
Hier müssen wir uns als Staat schon die Frage stellen: Wenn sich die jeweiligen Verhandlungspartner – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – unisono oder in überwiegendem Maße entscheiden, nicht in diesen Tariforganisationen Mitglied sein zu wollen, mit welchem Recht soll dann der Staat das, was von den anderen – also von den Mitgliedern – vereinbart worden ist, für die Nichtmitglieder – die also nicht Mitglied sind – festlegen?
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Herbst hat den Spruch in die heutige Debatte eingeführt: Es ist besser, Arbeit zu finanzieren statt Arbeitslosigkeit.
Dieser Spruch ist keine Erfindung der FDP. Das geben wir gern zu. Das ist ein Spruch, der letztendlich aus der Gewerkschaftsbewegung gekommen ist. Lieber Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit! Der bereits angesprochene Bundeskanzler Gerhard Schröder hat erkannt, dass dies der richtige Weg ist, und hat deshalb entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten uns darüber Gedanken machen, warum wir momentan diese wirtschaftliche Situation in Deutschland haben und warum wir dem ewigen Kreislauf ein Ende gemacht haben, dass wir nach jedem Aufschwung, der einem Abschwung gefolgt ist, eine höhere Arbeitslosenquote als zuvor hatten.
Wir haben die Situation, dass wir es mit einem Aufschwung erstmals geschafft haben, die Arbeitslosenquote signifikant zu senken, und zwar unter das Niveau, wie sie tatsächlich vor dem Aufschwung, im vorgehenden Abschwung stattfand.
Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, sollten wir gemeinsam im Freistaat Sachsen als Erfolg begreifen und diese Politik fortsetzen, anstatt sie zu diskreditieren.
Herr Staatsminister, wenn Sie dieses Zitat anwenden, man solle Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, richten Sie sich dann auch an die Langzeitarbeitslosen in unserem Land? Können Sie einmal erklären, warum Sie dann den Kommunal-Kombi als ein sehr erfolgreiches Projekt in diesem Bereich nicht fortgeführt haben?
Sehr geehrter Herr Kollege Brangs! Erstens haben wir, der Freistaat Sachsen, mitnichten das Kommunal-Kombi-Projekt nicht fortgeführt, sondern das
Kommunal-Kombi-Projekt der Bundesregierung war von vornherein zeitlich befristet. Ich glaube, dass Sie sich noch daran erinnern können.
Was wir als Freistaat Sachsen getan haben, ist, dass wir die Kofinanzierung des Freistaates Sachsen für den Kommunal-Kombi nicht weiter bereitgestellt haben. Wir haben dies aus guten Gründen getan, weil wir nämlich eine Veränderung auf dem Arbeitsmarkt haben: Wir haben eine verstärkte Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ich habe es in der vorherigen Debatte für die Staatsregierung deutlich erklärt, als es um Ausbildung gegangen ist. Es geht uns um die Beschäftigung der Menschen im ersten Arbeitsmarkt.
Wir wollen die Menschen nicht in Maßnahmen parken, wir wollen sie in dem ersten Arbeitsmarkt in Arbeit integrieren. Das ist die Position der Staatsregierung.