Als abschließender Redner in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache hat Herr Delle das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss mich schon wundern, dass zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Klima- und Energieprogramm bisher relativ wenig gesprochen wurde. Ich möchte mich daran ein wenig abarbeiten. Von den Rednern der Oppositionsfraktionen wurde schon so manches Richtige gesagt. Wenn man sich die circa 85 Seiten des vorgelegten Programms durchliest und dabei das Vorwort, die Grafiken sowie die Anlagen und Zustandsbeschreibungen weglässt, dann bleibt an realen Zielen und Vorhaben nicht viel übrig. Ein ambitioniertes Programm mit wirklichen Zielen hätte meiner Meinung nach anders aussehen müssen.
Natürlich war die Staatsregierung nicht so dumm, sage ich jetzt einmal, und hat ein Programm mit Konfliktpotenzial abgeliefert. Natürlich möchte die Staatsregierung nicht zurück zur Atomkraft und hat deshalb viele Dinge an Allgemeinsätzen hineingeschrieben, denen man im Prinzip zustimmen kann.
Was hat die Staatsregierung vor? Die Staatsregierung möchte einen bezahlbaren, sauberen und verlässlichen Energiemix in Sachsen haben. Gut, das möchte wahrscheinlich jeder haben; das ist kein neues hochtrabendes Ziel. Die Gebäudesanierungsrate soll von 1 % auf jährlich 2 % erhöht werden. Auch das ist in Ordnung, genauso wie man etwas gegen die Forcierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien oder gegen die Förderung von energetisch hocheffizienten Neubauten sagen könnte.
Meine Damen und Herren! Aber das war es dann auch schon an Übereinstimmungen, denn bei dem Thema Braunkohle scheiden sich die Geister schon wieder.
Meine Damen und Herren! Ich denke, niemand ist so weltfremd – außer vielleicht die Kollegen von den GRÜNEN – und möchte sofort aus der Braunkohle aussteigen. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn die Staatsregierung in den Gesetzentwurf ein Ausstiegsdatum geschrieben hätte. Dann hätte man eine Grundlage gehabt, auf der man
Was mir bei dem Thema Braunkohle im vorliegenden Gesetzentwurf sauer aufstößt, ist das Thema CCSTechnologie. Auf Seite 35 wird einfach mal davon ausgegangen, dass diese Technologie einsatzbereit ist und auch eingesetzt werden kann und soll. Dabei ist Ihnen, meine Damen und Herren, aber ein grober Fehler unterlaufen. Selbst wenn man alle technischen Details außen vor lässt, ist es so, dass diese Technologie in Sachsen – ich denke auch in Deutschland – wahrlich niemand haben möchte, außer natürlich die Unternehmen. Wenn Sie das machen, müssen Sie schon sehr massiv gegen den Willen der Bevölkerung handeln. Ich denke, spätestens seit „Stuttgart 21“ hat man gesehen, wohin das führen kann.
Dass eine solche Annahme in einem Gesetzentwurf steht, ist, meine Damen und Herren, ein grober Fehler. Dazu möchte die Staatsregierung weiterhin diese Technologie fördern. Ich frage mich aber schon, warum man hier eine Technologie – mit wie viel Geld auch immer – fördern möchte, die niemand haben will.
Was mir in dem Gesetzentwurf aber noch mehr saurer aufstößt, ist der Komplex der dezentralen Energieversorgung. Meine Damen und Herren! Der Durchbruch in ein neues Energiezeitalter wird nur durch eine dezentrale Energieversorgung gelingen. Dass hierzu kein einziges Wort im vorliegenden Gesetzentwurf zu finden ist, ist beschämend und macht das Programm im Prinzip schon fast unbrauchbar.
Das Thema Preise ist von Frau Dr. Runge und von Herrn Jurk bereits angesprochen worden. Nur über eine dezentrale Energieversorgung werden wir die verkrusteten Marktstrukturen in Deutschland aufbrechen, die zu einer Preissenkung im Strombereich führen können. Das lässt sich, wie gesagt, in einem Zukunftsprogramm, wie es für die nächsten Jahre gelten soll, aber komplett fehlt und ein schwerwiegender Fehler ist, darstellen.
Die NPD-Fraktion hat – das sei nur am Rande erwähnt – hierzu einige Vorschläge im Haus unterbreitet. An ihnen kann sich die Staatsregierung gern bedienen. Ich kann Ihnen versprechen, wir werden nichts dagegen haben.
Kurz zum Thema Netzausbau. Natürlich ist davon auszugehen, dass wir in Sachsen mehrere hundert Kilometer neue Stromleitungen brauchen werden, wenn wir die erneuerbaren Energien massiv ausbauen wollen. Aber diesbezüglich bin ich auf das Verhalten der GRÜNEN gespannt, die zwar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit den Ausbau der erneuerbaren Energien fordern, aber konkret, wenn es um den Ausbau – auch den infrastrukturellen Ausbau – geht, diesen mit Protesten und Klagen behindern, wenn nicht sogar verhindern.
Alles in allem muss ich sagen: Dieses Programm ist zwar umfangreich an Seitenzahlen, es war sicherlich auch eine Fleißarbeit der Mitarbeiter, aber inhaltlich ist es eher dünn. Ich denke, die Wirkung wird, wenn der Gesetzentwurf so verabschiedet werden sollte, eher verpuffen. Es
wird von der Realität schnell eingeholt werden. Die Wirkung wird weder negativ noch positiv sein. Das ist eigentlich schade, denn bei einem so wichtigen Thema hätte man wesentlich mehr machen können, dürfen und vor allem auch müssen.
Meine Damen und Herren! Damit haben wir die erste Runde der allgemeinen Aussprache beendet. – Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite und dritte Runde vor. Ich frage trotzdem die Staatsregierung, ob sie sprechen möchte. – Das kann ich nicht erkennen. Damit eröffne ich die zweite Runde.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zukunftsfähige Energieversorgung heißt auch, Klimaschutz zu betreiben. Deswegen sind beide Themenkomplexe im Zusammenhang zu sehen, wenn auch in unterschiedlichen Facetten bei Vornahme einer Analyse. Aber es gehört letztlich beides zusammen.
Wir haben seit dem Jahr 2001 in Sachsen ein Klimaschutzprogramm. Es hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien sehr viel getan. Es sind besonders landwirtschaftliche Betriebe unterstützt worden. Dabei denke ich an das 100 000-Dächer-Solarstrom-Programm, an die zahlreichen Fachtagungen, die gemeinsam mit der Landesstiftung Natur und Umwelt, mit den Ministerien, aber auch mit den Verbänden und Unternehmen durchgeführt wurden. Ich denke dabei an Aufklärungskampagnen für die Öffentlichkeit, zum Beispiel die Solarinitiative, oder auch an den Bereich der Forschung, der das Ganze immer begleitet.
Die Nutzung der erneuerbaren Energien – auf diese will ich mich in meinem Redebeitrag besonders konzentrieren –, war und ist Bestandteil des Energie- und Klimaschutzprogrammes. Das war so und wird es auch bleiben. Wenn man bedenkt, dass wir im Jahr 1990 einen Anteil an erneuerbaren Energien von 0 % hatten und jetzt bei über 15 % der Bruttostromerzeugung liegen, dann muss man klar sagen, dass die Braunkohle nach wie vor einen wichtigen Stellenwert haben wird und Herr Lichdi, wenn er denn zuhören würde, auch verstehen könnte, dass wir mit der Kernenergie nicht im gleichen Atemzug die Braunkohle abschaffen können. Das zeigen die Zahlen schon sehr eindrucksvoll.
Mir ist wichtig, dass im Energie- und Klimaschutzprogramm auch die Energieeffizienz eine wesentliche Rolle spielt, denn die Energie, die nicht verbraucht wird, muss auch nicht erst umgewandelt werden. Deswegen ist Energieeffizienz in Lebensbereichen das oberste Primat.
Die erneuerbaren Energien leisten einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Sie sind
eine regenerative und damit nachhaltige Energiequelle. Sie haben auch eine wirtschaftliche Komponente. Mein Kollege Hauschild hat natürlich recht, wenn er sagt, dass eine Förderung kein Dauerzustand sein darf. Es kann nicht sein, dass wir staatliches Geld oder Steuergelder in die Hand nehmen müssen, sondern es kann lediglich um ein Anschieben gehen und nicht um eine dauerhafte Subventionierung.
Wenn ich zurückschaue und mir die Anstrengungen der vergangenen Jahre im Bereich Klimaschutz ansehe, dann denke ich an das „Klimanetzwerk Sachsen“, in dem sich im Jahr 2009 Fachbehörden, Hochschulen und interessierte Forschungsinstitute zusammengetan haben und ihre Forschungen und Aktivitäten stärker aufeinander abstimmen.
Sachsen hat deutschlandweit die erste regionale Klimadatenbank eingeführt. Das ist sehr bemerkenswert. Das LfULG hat sich mit verschiedenen Veranstaltungen fachlich sehr stark eingebracht, zum Beispiel dem „Klimatisch“, den Annaberger Klimatagen, der Kampagne „Sachsen im Klimawandel“ oder im Bildungsbereich „Klimaschutz an Sachsens Schulen“. Es tut sich sehr viel im Bereich der Aufklärung, und das ist auch sehr wichtig.
Wir haben mit der SAENA ein fachkompetentes Unternehmen im Freistaat Sachsen, das vor allem die Unternehmen begleitet. Ich möchte an dieser Stelle der SAENA für ihre Fachkompetenz und die gute und schnelle Arbeit danken. Es ist sehr wichtig, dass wir diese Institution haben.
Ich muss aber auch im Blick auf die Staatsregierung selbstkritisch sagen, dass wir in Sachsen viele Potenziale im Bereich der erneuerbaren Energien haben, die noch nicht genutzt wurden.
Wenn man sich den bundesweiten Trend und auch unsere Nachbarbundesländer anschaut, muss man schon sagen, dass es schwach ist, dass wir mittlerweile bei den Anstrengungen auf den letzten Platz zurückgefallen sind.
Wenn diese Energiewende gelingen soll, müssen wir die gesellschaftliche Akzeptanz, die in Deutschland mit großem Abstand am geringsten ausgeprägt ist, entsprechend ausbauen. Dabei sind wir alle gefragt. Ich sage hier ganz klar: Wir müssen hierbei die Staatsregierung unterstützen. Alle Fraktionen dieses Parlamentes müssen das tun.
Zum Entwurf des Klima- und Energieprogramms werde ich in einer weiteren Runde etwas sagen. Aus meiner Sicht gibt es Dinge, die fortgeschrieben werden müssen; denn dies ist mir ein Stück weit zu vage. Meine Redezeit läuft langsam ab, deshalb melde ich mich später zurück.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstkritik ist immer der erste Weg zur Besserung. Herr Meyer, ich habe zum ersten Mal vonseiten der Regierungsfraktionen diesen selbstkritischen Akzent wahrgenommen. Das begrüße ich.
Im Länderranking sind wir in Sachsen in den letzten Jahren tatsächlich zurückgefallen. Es wird höchste Zeit, dass wir uns ehrgeizigere Ziele stellen. Etwas Licht ist in diesem Energieprogramm – dazu hat Herr Jurk bereits gesprochen –, nämlich mit der Bereitstellung von Flächen für den Ausbau von Windkraftanlagen, weil nur darüber der Anteil erneuerbarer Energien in Sachsen, im Binnenland, wesentlich erhöht werden kann.
Ich sehe auch einen Fortschritt bei der Zielstellung. Zwischen 2009 und 2020 wollten Sie den Anteil der erneuerbaren Energien beim Stromverbrauch auf 24 % ausbauen. Dieses Ziel ist jetzt deutlich erhöht worden: auf 33 %. Mittlerweile ist eine solche Dynamik eingetreten, dass dieses Ziel nicht sehr hoch oder ehrgeizig ist. Es könnten durchaus 40 % bis 2020 erreichbar werden, wenn die nötigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen weiterhin dafür vorhanden sind. – Das sind die beiden Lichtpunkte.
Kritisch sehe ich, genau wie Herr Lichdi, dass Sie das Thema Braunkohlenverstromung aus Ihrem gesamten Klimaschutz ausklammern und dass Sie sagen, dafür sei der CO2-Emissionshandel zuständig. Sie begreifen tatsächlich noch immer nicht, dass Energiepolitik Klimaschutzpolitik sein muss. Die Hoffnung von Vattenfall und auch Ihre Hoffnung, dass die CCS-Technologie in großtechnischen Feuerungsanlagen, wie Braunkohlenkraftwerken, in Deutschland jemals angewendet wird, ist ein Trugbild. Verabschieden Sie sich von diesem Trugbild! Es gibt hierfür keine ausreichenden Lagerstätten zur CO2Verpressung. Auch ist die Energiebilanz dieser Technologie so verheerend, dass sie letztlich viel zu teuer sein wird und wir uns das insgesamt, die Industrie und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, preislich gar nicht mehr leisten können.
Fakt ist eines: Gestern Abend hat sich der Vermittlungsausschuss bezüglich des Gesetzes zur CCS-Technologie wieder vertagt. Hierbei handelt es sich lediglich um ein Gesetz zur Erforschung und Erprobung. Das ist die eine Seite. Aber es wird niemals zur praktischen Anwendung in Braunkohlenkraftwerken in Deutschland kommen. Davon müssen wir uns verabschieden.
Insofern hat das Unternehmen Vattenfall recht, darüber nachzudenken, wie es letztlich aus der Braunkohlenverstromung in Deutschland längerfristig aussteigen kann, weil es sich als Unternehmen das Ziel gesetzt hat, bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu produzieren.
Umso mehr erwarte ich von der sächsischen Regierung, dass sie eine Vorstellung über einen Ausstiegspfad aus der Braunkohlenentwicklung für Sachsen entwickelt, der sicher nicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren realisiert werden kann. Darüber sind wir uns ja einig. Aber darüber hinaus brauchen wir einen Ausstiegspfad, was Kraftwerksschließungen je nach Alter und Dauer der Betriebszeit angeht. Denn sowohl das Unternehmen Vattenfall als auch die Gewerkschaften IG Bau und Energie erwarten klare politische Rahmenbedingungen für ihre Planungen und Investitionen. Auch die Beschäftigten erwarten Klarheit über ihre Zukunft in diesem Tätigkeitsbereich.
Ich komme zum Schluss. – Ich erwarte einen Mentalitätswandel von den Koalitionsfraktionen, um zumindest die vorgegebenen Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien praktisch umzusetzen – über die regionalen Planungsverbände und in der Öffentlichkeitsarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Ich frage, ob ein Abgeordneter in der zweiten Runde noch das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Ich rufe eine dritte Runde auf. Herr Meyer, Sie hatten angekündigt, noch einmal das Wort ergreifen zu wollen.