Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Wenn wir uns vom Euro trennen würden, wären wir in Deutschland die, die am meisten dafür zu zahlen hätten – ich sage das ganz deutlich –, nicht nur deshalb, weil wir in der Mitte Europas liegen und uns isolieren würden. Gemessen am Warenwert, sind die EU-Staaten die wichtigsten Absatzmärkte für Waren Made in Germany. In die Länder der Europäischen Union exportierte Deutschland

2010 Waren im Wert von 570 Milliarden Euro, davon 368,2 Milliarden Euro allein in den reinen Euroraum.

Mittlerweile kann man auch feststellen, dass der Umrechnungskurs seit der Euroeinführung von 1,13 US-Dollar auf 1,34 US-Dollar hochgegangen ist. Das heißt, der Euro ist im Vergleich zum Dollar stärker geworden. Die Inflation ist geringer als zu D-Mark-Zeiten. Die jährliche Inflationsrate in Deutschland zeigt über die letzten 30 Jahre nämlich starke Schwankungen, von 1,2 % bis über 6 %. Seit 1995, also im Vorfeld der Euroeinführung, sind diese Schwankungen deutlich abgeflacht und sind konstanter geworden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deutschland wäre übrigens auch angreifbar für Finanzspekulanten. Die Schweiz erlebt das gerade nicht nur durch den Aufwertungsdruck auf die eigene Währung und die damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme. Die Schweiz ist eben auch zu schwach, um sich behaupten zu können. Das war ja auch die Grundphilosophie, dass man eine Gegenwährung zum US-Dollar schafft, um in der Welt stärker mithalten zu können. Deshalb war die Einführung des Euro eine richtige und gute Entscheidung.

Ein letztes Wort zur sogenannten Eurokrise: Sie ist in Wirklichkeit keine Eurokrise, sondern eine Finanzkrise, die ausgelöst wurde, weil die Regeln zur Einführung des Euro nicht eingehalten wurden bzw. weil falsche Angaben zur Einführung des Euro gemacht wurden. Wenn man sich diesen Ursachen widmet und die entsprechenden Konsequenzen zieht, dann wird der Euro noch stärker werden.

Wir sehen keinen Anlass, diesen Antrag zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, der FDP und den GRÜNEN)

Für die Fraktion FDP Herr Abg. Biesok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer meiner Lehrer zu meinen Studienzeiten war Hans Werner von Arnim, als ich damals in Speyer studiert habe. Ich kenne seine Thesen zur direkten Demokratie sehr gut, und ich teile seine Ansichten. Er hat eines gesagt: Volksabstimmungen sind ein notwendiges Korrektiv zur politischen Klasse im Parteienstaat. – Er sieht die Volksabstimmung als ein Element an, mit dem sich Bürger aus ihrem eigenen Willen heraus gegen Parteien und Parlamente wenden können, wenn ihnen diese Position nicht passt.

Er hat damit eines nicht gesagt: dass direkte Demokratie dazu dient, einer neonazistischen Fraktion in einem Landtag ein Instrument an die Hand zu geben, um ihre Ideologie durchzusetzen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Jurk hat gerade schon gesagt, dass das wieder ein typischer NPD-Antrag ist. Ein NPD-Antrag besteht aus vier Elementen. Das erste Element ist ein unverfängliches

Element: Volksabstimmungen machen die Schweizer auch, und sie stehen garantiert nicht in Verdacht, aus der rechten Ecke zu kommen. Also, das ist schon mal gut.

Dann kommt das Angstelement. Es wird das aufgenommen, was in der Bevölkerung an Angst da ist. Hier sind es die Fragen: Sind meine Spareinlagen noch sicher? Muss ich mit meinen Steuermitteln für andere Länder herhalten? In einer komplexen Welt, wo man vielleicht nicht ganz solche Mechanismen wie EFSF, ESM und Eurobonds klar fassen kann, nutzt man diese Angst aus.

Dann schwenkt man in die rechte Ecke. Dann kommt das pro-Deutsche und das EU-feindliche Element: Wenn wir in Deutschland allein entscheiden könnten und uns die EU nicht alles wegnehmen wollte, ginge es uns allen besser.

Als Letztes wird dann das vierte Element präsentiert, die einfache Lösung: Lasst uns Deutsche abstimmen über die Wiedereinführung der D-Mark, und dann wird alles gut.

Aber, meine Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht. Sie war es nicht vor der EU, sie war es vor dem Euro nicht und sie wird es auch in Zukunft nicht sein. Die Europäische Union steht am Scheideweg. Es geht um Europas Zukunft in einer sich immer neu formierenden Weltordnung. Die Europäische Union hat uns eine Antwort auf die europäische Geschichte und ihre Irrwege, die insbesondere ihre geistigen Urväter geprägt haben, gegeben, und das ist Frieden, Recht und Wohlstand in einem nie gekannten Ausmaß.

Europa ist eine Werteordnung. Wer an ihren Grundfesten rüttelt, wer die Fortentwicklung der Europäischen Union verweigert, wer Europa handlungsunfähig macht, der gefährdet den Zukunftsstandort Europa und Europas Platz in der neuen Weltordnung. Wollen wir in einer sich globalisierenden Welt zurück zur D-Mark und zur finanzpolitischen Isolierung? Wollen wir damit die unkalkulierbaren Risiken für unsere Wirtschaft und für unsere Arbeitsplätze in Kauf nehmen? Ich meine, nein.

Meines Erachtens wollen wir ein gemeinsames Europa, das Deutschland in der Zeit der Globalisierung eine Stimme mit Gewicht in der Welt gibt und gleichzeitig unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze sichert.

Ich bin überzeugt: Wenn jetzt klug und besonnen gehandelt wird, wird Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen. Ich persönlich stehe den bisherigen Mechanismen zur Bewältigung der Schuldenkrise in der EU ausgesprochen kritisch gegenüber, sowohl dem EFSF – ich hoffe, ich habe die Buchstabenkombination diesmal richtig gemacht – als auch dem ESM. Es gab dazu eine innerparteiliche Diskussion, in der ich mich klar zu einem Antrag bekannt habe. Aber wir dürfen das Kind jetzt hier nicht mit dem Bade ausschütten. Nur weil wir vielleicht nicht die Möglichkeit sehen, Länder in eine geordnete Insolvenz zu führen, dürfen wir nicht denken, die Wiedereinführung der D-Mark sei die Alternative hierzu.

Kein Land in Europa hat von der Einigung Europas so viel profitiert wie Deutschland – in der Geschichte, auf dem Weg zur Einheit, bei der Rückkehr in den Kreis der

europäischen Demokratien, beim Aufbau der freiheitlichen Gesellschaftsordnung, heute wie morgen als Exportnation. Daraus erwächst Deutschland eine ganz besondere Verantwortung für Europa. Dieser Verantwortung kann man nicht gerecht werden mit rückwärtsgerichteten Volksabstimmungen zur Wiedereinführung der D-Mark. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP)

Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herr Jurk hat schon gesagt, dass er für die drei Fraktionen gesprochen hat.

Herr Gansel, bitte.

Herr Präsident! Ich möchte eine Kurzintervention auf meine Vorredner anbringen. Ich weiß gar nicht, wo ich dabei anfangen soll.

(Lachen bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine beiden Vorredner haben so viele wirre Gedanken geäußert, dass ich sie erst einmal ordnen muss.

Ihr Hinweis darauf, dass Prof. von Arnim sich dagegen verwehren würde, dass die NPD die Forderung nach Volksabstimmungen aufgreift, ist rein spekulativ.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Es war immer unsere Position – das dürfte auch die Position von Herrn von Arnim sein –, dass diese Bundesrepublik ein eklatantes Legitimationsdefizit hat, weil das deutsche Volk über keine einzige Lebensfrage in einer direkten Volksabstimmung abstimmen durfte. Es fand keine Volksabstimmung über die Annahme oder die Ablehnung des Grundgesetzes statt. Es gab keine Volksabstimmung über den Beitritt der BRD zur NATO. Es gab keine Volksabstimmung über die Ostverträge. Es gab keine Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht und erst recht keine Volksabstimmung über die ungezügelte Ausländereinwanderung. Insofern hat diese BRD ein krasses Legitimationsdefizit, das durch Volksabstimmungen behoben werden könnte.

Ich möchte noch einige abschließende Bemerkungen zu der Behauptung, Deutschland sei der große Profiteur der Europäischen Union, machen. Schaut man sich einmal die Nettozahlungen an und vergegenwärtigt sich, was an bescheidenen Rückläufen zurückfließt, dann ist es eine vollkommene Milchmädchenrechnung, dass wir uns über irgendwelche Rücküberweisungen deutschen Steuergeldes aus Brüssel freuen sollen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass Deutschland bereits zu D-Mark-Zeiten Exportweltmeister war. Die Rolle als Exportweltmeister hatte Deutschland nicht trotz, sondern wegen der D-Mark. Insofern ist das ein ganz billiges, vordergründiges Gegenargument, dass man mit wegbrechenden Exportmärkten argumentiert.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Vordergründig würden sich bei der Rückkehr zur D-Mark Teile – –

Herr Gansel, die Redezeit ist vorbei. – Herr Biesok, Sie möchten erwidern?

Herr Präsident, das möchte ich gerne tun.– Dass mein Vorredner Prof. von Arnim intellektuell nicht verstehen kann, wundert mich nicht. Man muss sich das, was er zur Volksabstimmung sagt, ein bisschen genauer anschauen. Er wendet sich gegen den Parteienstaat. Er sagt, dass das Volk eine Möglichkeit haben muss, sich eigenständig einen Willen gegen Parteien zu bilden. Er sagt nicht, dass es aus einem Parlament herauskommen muss.

Er wendet sich somit auch gegen eine Partei, die auch am rechten Rand steht, weil er sagt, die Bevölkerung muss in Eigeninitiative handeln. Das ist ein Unterschied.

Gehen wir noch einmal auf den Exportweltmeister vor der Euroeinführung ein. Deutschland war seit Mitte der Siebzigerjahre in ein System der europäischen Währungsstabilisierung eingebunden. Es hat uns damals schon gesichert. Wir waren bei Wertschwankungen in Europa relativ zurückhaltend und konnten somit die wesentlichen Exporte in der Europäischen Union vorantreiben. Wenn wir nun zur D-Mark zurückkehren, hätten wir eine ähnliche Situation wie sie derzeit in der Schweiz besteht. Dort explodiert der Wechselkurs. Das würde die deutsche Wirtschaft kaum verkraften.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt den Wunsch nach einer zweiten Runde. Für die NPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Schimmer. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns: 1998 garantierten Bundeskanzler Helmut Kohl und CDU-Finanzminister Theo Waigel in großen Anzeigen die Stabilität des Euro, der angeblich – O-Ton – so stark wie die Mark sein würde. Er garantierte die Einhaltung des seit damals unzählige Male gebrochenen Stabilitätspaktes und den Ausschluss der Staatshaftung. Heute wissen wir, dass das Stabilitätsversprechen, mit dem Kohl und Waigel die Deutschen zur Abschaffung der D-Mark überredeten, endgültig gebrochen wurde und die Deutschen von der gesamten politischen Klasse vor der Euroeinführung an der Nase herumgeführt wurden.

Als die Dänen in den Neunzigerjahren in einer Volksabstimmung gegen den Euro stimmten, wurde das Budget der Regierungskampagne einfach einmal schnell verdreifacht. So ist das eben in unserer Mediokratie: Statt auf Argumente setzt man einfach nur noch auf Marketing.

Die herrschende politische Klasse, von der auch Prof. von Arnim immer spricht, sah es damals als das ihr zustehende Recht und legitime Geschäft der Politik an, ohne

Auftrag des Wählers die D-Mark gegen die CamembertWährung Euro auszutauschen und damit die Spar- und Lebensleistungen von drei bis vier Generationen der sicheren Erosion auszusetzen. Heute sieht diese gleiche politische Klasse es als ihr legitimes Recht an, das Budgetrecht des Deutschen Parlaments an eine Luxemburger Zweckgesellschaft abzugeben, die völlig ohne demokratische Kontrolle über das deutsche Steueraufkommen entscheiden kann.

Das Hauptargument, das schon bei der Einführung des Euros gebraucht wurde, um die Einführung der Zwangseinheitswährung gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes durchzusetzen, war die Behauptung, dass der Euro notwendig sei, um den Frieden in Europa zu erhalten. Genau diese gleiche Angstpropaganda dient heute der politischen und medialen Klasse, jede Diskussion über Alternativen zur gescheiterten Zwangseinheitswährung zu unterbinden.

Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir den Euro. Ich möchte einmal die Folgen aufzählen. Die finanzielle Kernschmelze hat Länder wie Italien und Spanien erreicht, die zu groß sind, um durch irgendwelche Rettungsschirme aufgefangen zu werden. Die Zinsen auf die Anleihen dieser Länder explodieren. Selbst bei den Anleihen von Ländern wie Österreich, Finnland, den Niederlanden und Deutschland, die bislang als sicherer Hafen galten, sind steigende Zinsen zu verzeichnen.

In Italien hat nach Auffassung des Handelsblattkommentators Georg Watzlawek, ein stiller Putsch stattgefunden, der dazu geführt habe, dass ein politisches Kartell die Macht ergriffen habe, was Watzlawek als den Totalbankrott der Politik bezeichnet. Tatsächlich sollten in Italien im Frühjahr 2012 Neuwahlen stattfinden. Nun ist dieser Plan aber ad acta gelegt und die Amtszeit der demokratisch nicht legitimierten Technokratenregierung nun nicht mehr mit einem vorläufigen Ablaufdatum versehen.

Die eskalierende Situation in Italien und Spanien zeigt, dass der Eurorettungsfonds kein geeignetes Mittel zur Krisenprävention ist und die Märkte den Aktionen der Europolitiker nicht mehr vertrauen. Nun soll die Europäische Zentralbank unter ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi, einem ehemaligen Goldman-Sachs-Manager, eingreifen und ihre Mittel in schrottwerten Staatsanleihen versenken. Die Monetarisierung der Staatsschulden Italiens und Spaniens ist zwar ein schwerer Verstoß gegen das EZB-Statut, aber die Lage ist mittlerweile offensichtlich so außer Kontrolle geraten, dass nun die Notenpresse und das Drucken von Geld als letzte Zuflucht gesehen werden.

Zu guter Letzt – vielleicht sollte man besser zu schlechter Letzt sagen – unternimmt nun auch noch EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso einen neuen Anlauf, um die Einführung von Eurobonds in einer Krisensituation putschartig durchsetzen zu können, um damit endgültig diejenige Fiskalunion zu schaffen, von der unser Finanzminister Wolfgang Schäuble schon heute spricht und die

den Deutschen unsagbare Kosten und Lasten aufbürden wird.