Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Herr Schreiber, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Darüber müssen wir nachdenken. Aber dabei gibt es keine Schnellschüsse, sondern das muss überlegt getan werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war für die CDUFraktion Herr Kollege Schreiber. – Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE erneut Frau Kollegin Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schreiber, ich finde es nett und schön, dass Sie den Lehrern von diesem Pult aus wieder einmal danken; aber ich glaube, das genügt absolut nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir haben an diesem Pult schon so oft von Ihren Rednerinnen und Rednern gehört, dass sie sich bei den Lehrerinnen und Lehrern im Freistaat Sachsen bedanken. Aber solange es keine wirklichen Taten gibt, können Sie es eigentlich vergessen; denn die Lehrer glauben es Ihnen auch nicht mehr, dass Sie wirklich ein Dankeschön aussprechen, denn dazu braucht man richtige Taten.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Schreiber – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Ja, ich hatte gezögert, weil ich dachte, Sie hätten es noch nicht gesehen. Bitte, gern.

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Geben Sie mir recht, dass die zusätzliche Bereitstellung von zunächst 250 und im nächsten Jahr darüber hinaus noch einmal 573 Referendarstellen ein Anfang ist, um dieses Problems Herr zu werden, und dass wir Taten folgen lassen? Geben Sie mir dahin gehend recht?

Ich gebe Ihnen recht für die 900 zusätzlichen Stellen, die in diesem Jahr bereitgestellt worden sind. Ich gebe Ihnen nicht recht für das Jahr 2012; denn dafür sind 193 Stellen beschlossen, und nicht mehr.

(Rolf Seidel, CDU: Stimmt nicht!)

Die Differenz zu den 573 Stellen wird erst ein Jahr später eingestellt werden, im Februar. Gehen Sie in den Haushalts- und Finanzausschuss und schauen Sie sich an, was dort beschlossen worden ist. Genau das ist beschlossen worden: dass diese Stellen erst im Februar 2013 kommen. Das heißt, Sie bereiten jetzt schon die zusätzlichen Stellen für den nächsten Haushalt vor, und ich denke, das ist nicht loyal, was Sie hier machen, Herr Schreiber. Das ist nicht in Ordnung.

(Patrick Schreiber, CDU: Aber es war trotzdem eine Tat, oder?)

Ja, selbstverständlich, ich habe sie Ihnen ja auch beantwortet – hoffentlich.

Kritik, die Sie, Herr Schreiber, uns hier vorwerfen, üben Sie doch genauso. Insofern sollten wir uns vielleicht wieder ein wenig herunternehmen und einfach mal

schauen: Was ist kritikwürdig? Was muss wirklich geändert werden, und an welchen Stellen können wir sofort beginnen? Darin sind wir uns, denke ich, sogar einig.

Dass die Opposition überspitzt, ist manchmal deren Aufgabe. Aber ich glaube, dass an dieser Stelle, an der wir jetzt sind, die Opposition nicht überspitzt, überhaupt nicht, sondern dass wir die Aufgabe haben –

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

es ist schade, dass es noch nicht genügend Mitglieder Ihrer Fraktion sind, die mitmachen –, die Situation vor Ort klar und deutlich zu schildern. Ich muss Ihnen sagen: Wenn der Staatsminister Herr Prof. Wöller in einer solchen Zeitungsmitteilung wie der heutigen in der „Freien Presse“ über den Unterrichtsausfall berichtet und erklärt, dass es daran liege, dass wir einen so harten Winter hatten und die Lehrer wieder einmal böse gestreikt haben, dann halte ich das für absolut unmöglich. Das geht nicht.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Solange der Minister nicht begreift – und das begreift er nicht, wenn er solche Artikel in die Zeitung setzen lässt –, wie die Situation ist, werden wir mit diesem Minister das Problem nicht lösen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Nicht mit dieser Staatsregierung!)

Wir können es gern im Landtag beschließen, aber wir brauchen immer noch eine Institution, die das dann auch umsetzt, und ich habe den Eindruck, dass dieser Minister es nicht begriffen hat, zumal manche Ausfallstunden durch den Winter überhaupt nicht in die Statistik fallen. Aber darüber werden wir in der nächsten Woche weiter sprechen.

Ich möchte noch etwas zu der Problematik „wir brauchen Lehrer“ sagen: Wir brauchen im Freistaat Sachsen nicht nur Lehrer, sondern wir brauchen gute Lehrer. Wir brauchen auch gute Ärzte. Das ist heute nicht unser Thema, aber ich möchte es trotzdem benennen. Wir brauchen auch gute Hochschullehrer. Wir brauchen gute Leute, die uns im Freistaat Sachsen zur Verfügung stehen.

Damit komme ich zum Thema Standortwettbewerb. Ich hoffe, dass die FDP ein wenig zuhört. Ich möchte ein ganz konkretes Beispiel nennen. Wir haben in Leipzig einen Gymnasiallehrer, der in diesem Jahr mit dem Studium fertig geworden ist und sich beworben hat, im Freistaat Sachsen als Lehrer eingestellt zu werden. Er hat von der Regionalstelle Leipzig eine Absage bekommen: Gymnasiallehrer brauchen wir im Freistaat Sachsen nicht. Er hat gesagt, dass er auch bereit wäre, an einer Mittelschule zu arbeiten. Darauf hat er keine Antwort bekommen. Er hat sich dann in anderen Bundesländern beworben. Was macht er heute? Er ist heute in Berlin, eingruppiert in die Entgeltgruppe 13, gleich als Anfänger in die Stufe 5, und

hat einen Verdienst von 4 562 Euro. Er ist verbeamtet, hat also relativ wenig Abzüge.

Wenn er in Sachsen an einer Mittelschule angestellt worden wäre, hätte er die Entgeltgruppe 11 bekommen – die Mittelschullehrer werden wie die Grundschullehrer in Sachsen eingruppiert – und hätte in der Stufe 1 einen Verdienst von 2 724 Euro. Das ist eine Differenz von 1 838 Euro, wobei zu berücksichtigen ist, dass der angestellte Lehrer im Freistaat Sachsen andere Abzüge hat als der Beamte.

Wenn wir über gute Lehrer, gute Ärzte und gute Hochschullehrer im Freistaat Sachsen sprechen, dann müssen wir uns endlich eingestehen, dass wir Bedingungen schaffen müssen, damit diese Menschen auch zu uns kommen. Diesbezüglich sind wir uns, Herr Schreiber, sogar einig. Aber wir können nicht noch einmal fünf Jahre warten, sondern es muss sofort passieren.

Ich bin nach dem Artikel in der „Freien Presse“ von heute der Auffassung, dass Herr Wöller nicht der Geeignete ist, das Problem des Lehrermangels in Sachsen zu lösen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Falken. – Gibt es von der SPD-Fraktion erneuten Redebedarf? – Es gibt keinen. Die FDP? –

(Holger Zastrow, FDP: Keine Zeit mehr!)

Die NPD? – Dann könnten wir, falls noch Redebedarf bestünde, in eine dritte Runde eintreten. Zunächst hätte die einbringende Fraktion das Wort. Gibt es dazu noch Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Die CDU-Fraktion? – Herr Kollege Schreiber, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, ein paar Dinge aus unserem 11-Punkte-Programm sollten hier noch einmal angesprochen werden.

Frau Falken, ich wollte der Opposition nicht das Recht absprechen, Dinge überspitzt darzustellen. Mir geht es darum, dass es kontraproduktiv ist, junge Menschen zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums zu bewegen, wenn wir hier so tun – in extrem überspitzter Form –, als ginge in Sachsen die Welt unter und morgen würden alle Schulen zusammenbrechen und der Unterricht wäre an keiner Schule mehr gewährleistet. Das trägt in meinen Augen definitiv nicht dazu bei – dabei können wir mit noch so viel Geld ködern, wie wir wollen –, dass wir junge Menschen entweder in der 11. oder 12. Klasse bzw. zu Beginn ihres Studiums überreden, Lehrer zu werden. Das ist doch eine mentale Geschichte; denn wenn ich nicht weiß, worauf ich mich einlasse, dann treffe ich letzten Endes eine andere Entscheidung, wenn es um die Aufnahme eines Studiums geht.

Es ist Ihre Art und Ihr Job, hier auf diese Dinge aufmerksam zu machen. Das ist auch in Ordnung. Auch wir haben mehrfach deutlich gemacht, dass das Problem erkannt worden ist und dass besonders die Bildungspolitiker in der CDU-Fraktion, aber auch alle anderen Abgeordneten meiner Fraktion, sich des Problems bewusst sind und wir gemeinsam mit dem Kultusministerium daran arbeiten. Aber Schnellschüsse und populistische Entscheidungen zu treffen – zumal wir einen laufenden Haushalt haben – kann nicht die Art sein, sondern es muss am Ende alles Hand und Fuß haben.

(Cornelia Falken, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Ich möchte noch auf die Ausführungen von Herrn Gerstenberg eingehen. Herr Gerstenberg, Sie haben vorhin die Lehramtsausbildung, also die Umstellung auf den polyvalenten Bachelor und den sich anschließenden Master-Studiengang, als tolle Sache hingestellt. Ich weiß, dass Sie ein großer Fan dieser damaligen Umstellung und ein Gegner der Rückabwicklung, wieder hin zum Staatsexamen, gewesen sind. Ich weiß auch, dass das in Ihrer Fraktion differenziert gesehen wird und nicht alle Ihrer Meinung sind.

Aus den Gesprächen, die ich mit Lehramtsstudenten geführt habe und teilweise noch führe, muss ich Ihnen deutlich sagen: In dieser Entscheidung zum polyvalenten Bachelor mit anschließendem Master-Studiengang liegt eines unserer größten Probleme, die wir derzeit haben.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, schüttelt den Kopf.)

Doch, doch! – Viele Lehramtsstudenten wünschen sich das gute alte Staatsexamen zurück –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– ich beende nur den Satz –, bei dem sie von Anfang an konkret auf ihre Schulart ausgebildet werden.

Es ist nun einmal ein Unterschied, ob ich Grundschullehrer, Gymnasiallehrer oder Berufsschullehrer werden will. Dessen muss man sich klar sein und deshalb muss man den Studenten auch die Chancen geben, ausgebildet zu werden.

Dieses seit zwei, drei Jahren bestehende Experiment des polyvalenten Bachelors ist in meinen Augen eine der größten Fehlentscheidungen gewesen.

(Beifall bei der CDU – Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Genauso ist es!)