Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Ich habe diese Frage in den Ausschusssitzungen immer wieder gestellt, sowohl im Innenausschuss als auch im Verfassungs- und Rechtsausschuss, und ich werde die Frage auch heute hier wieder stellen: Welchen eigenen Beitrag leistet der Freistaat Sachsen, um Fehler aufzuklä

ren? Ich habe dazu bis heute keine Antwort. Ich erwarte, dass die Staatsregierung uns heute eine Antwort gibt.

Frau Friedel, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Bandmann.

Frau Friedel, gehen Sie mit mir darin überein, dass wir eigentlich nicht auseinander sind?

(Heiterkeit)

Sie sprachen die Strukturen an. Wenn eine sorgfältige Arbeit innerhalb der Polizei, innerhalb des Verfassungsschutzes in jeder Einzelsparte stattfindet und dennoch die Strukturen nicht stimmen, dann bedeutet das doch noch lange nicht, dass die jeweiligen Bereiche ihre Arbeit falsch gemacht haben; sondern für die Strukturen müssen wir gemeinsam mit der Bundesebene sorgen, wenn klar ist, wie diese Fälle am Ende abschließend zu bewerten sind. Dann muss der Strich gezogen und gesagt werden, welche Lehren aus diesen Erkenntnissen zu ziehen sind. Deswegen sehe ich in Ihrem Wortbeitrag und in dem, was wir gemeinsam als Entschließungsantrag beschlossen haben, keinen Widerspruch.

(Beifall des Abg. Steffen Flath, CDU)

Ich habe jetzt zwar noch nicht ganz die Frage herausgehört, aber ich versuche mal, eine zu erspüren,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

um zu schauen, ob ich Ihnen antworten kann.

Herr Bandmann, wir sind sicher überein, wenn es um die Frage geht: Darf man schnell vorverurteilen oder nicht? Darauf sagen wir beide, das darf man natürlich nicht. Man darf nicht, ohne wirkliche Kenntnisse zu haben, sagen, Polizei und Verfassungsschutz haben alles schlecht gemacht. Man darf aber genauso wenig, ohne wirklich Kenntnisse zu haben, sagen, Polizei und Verfassungsschutz haben alles gut gemacht. So habe ich Sie gerade verstanden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Genau darum geht es uns: dass man nicht von vornherein sagt, es war alles schlecht oder es war alles super, sondern dass man genau hinschaut und diese Fehleranalyse, die wir zusammen beschlossen haben, auch wirklich betreibt.

Der Innenminister hat beim letzten Plenum genau dasselbe gesagt. Er sagte: „Wir fragen uns, wo die Ermittlungsbehörden bei Bund und Ländern versagt haben, dass es so weit kommen konnte, dass wir diese furchtbaren Verbrechen nicht verhindert haben. Die Menschen in Deutschland erwarten eine zügige und umfassende Aufklärung darüber, wo Fehler gemacht worden sind. Zu dieser

Aufklärung leistet Sachsen – wo immer möglich – seinen Beitrag.“ Praktisch ist heute kein einziger Beitrag geleistet worden. Das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie geben mir ein Zeichen, wenn die Zwischenfrage beendet ist.

Die Zwischenfrage ist beendet.

Vielen Dank.

Wir haben immer wieder versucht, sehr konstruktiv genau das einzufordern, was der Innenminister in seinen Worten erklärt hat. Deswegen haben wir die Fragen im Ausschuss gestellt: Was wird Sachsen tun? Wir haben im Ausschuss keine Antwort erhalten. Ich habe mir erlaubt, vor der letzten Innenausschusssitzung noch einmal zu fragen: Was ist der eigenständige sächsische Beitrag in der Aufklärung des Behördenhandelns, in der Fehleranalyse? Nach wie vor: Es gibt keinen.

Stattdessen erleben wir, dass die Minister im Ausschuss immer auf die Generalbundesanwaltschaft verweisen; sie hat aber mit der Fehleranalyse gar nichts zu tun. Die Fehleranalyse ist unsere ureigene Aufgabe.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir haben erlebt, dass der Freistaat Sachsen die Einrichtung einer eigenen Untersuchungskommission, wie sie im Land Thüringen eingerichtet worden ist, ablehnt: Eine eigene Untersuchungskommission wollen wir nicht, sagte der Minister.

Außerdem gab es die Anfrage aus Thüringen: Wäre Sachsen denn wenigstens bereit, in der Thüringer Untersuchungskommission mitzuwirken? Nein, sagte daraufhin die Staatsregierung, dafür sehen wir überhaupt keinen Anlass.

Des Weiteren gab es Sitzungen von Gremien des Bundestages, die sich diese Fehleranalyse auch zu eigen gemacht haben. Dort war die Frage: Ist die Sächsische Staatsregierung bereit, sächsischen Behörden eine Aussagegenehmigung für die nicht öffentliche Ausschusssitzung zu erteilen? Nein, Sachsen war dazu nicht bereit.

Was wir erleben, ist: Sachsen will keine eigene Kommission einsetzen. Sachsen will nicht in der Kommission von Thüringen mitarbeiten. Sachsen ist nicht bereit, Vertreter seiner Behörden in Gremien des Bundestages Aussagen treffen zu lassen. Ich frage mich: Wo findet diese Fehleranalyse, die alle immer einfordern und die wir hier so schön beschlossen haben, statt?

(Zuruf des Abg. Dr. Volker Külow, DIE LINKE)

Wo folgen den aufrichtigen, wichtigen und schönen Worten endlich die Taten? Es gibt keine Fehleranalyse.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Es gibt in dem Antrag der LINKEN tatsächlich einen Punkt, den wir so nicht mittragen werden, und ich bitte darum, diesen bei der Abstimmung herauszulösen: den ersten Anstrich des Punktes II, die Suspendierung des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auch wenn es den einen oder anderen guten Grund gibt, eine solche Forderung aufzustellen, halten wir es für kontraproduktiv, nun gerade eine Person, die relativ viel mitbekommen hat, die relativ viel weiß und relativ viel zum Aufklären von Fehlern beitragen kann,

(Dr. Volker Külow, DIE LINKE: Ha, ha, vertuschen!)

jetzt unter Fortsetzung der Bezüge einfach nach Hause zu schicken und zu sagen: Wir löffeln mal eure Sache mit aus. Wir bitten, über diesen Punkt getrennt abzustimmen.

Davon abgesehen, stimmen wir dem Antrag der LINKEN zu, weil wir es tatsächlich für notwendig erachten, diese Fehleranalyse, von der auch Sie immer sprechen, nun endlich mal in Taten umzusetzen.

Ich bitte Sie, wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen werden, uns und der Bevölkerung einmal zu erklären, was Sie stattdessen tun, um aufzuklären; was Sie stattdessen tun, um wirklich Licht in das Dunkel zu bringen; was Sie vor allem stattdessen zu tun gedenken, um solche Taten künftig zu verhindern und dafür zu sorgen, dass die sächsischen Behörden künftig viel früher erkennen können, welche Gefahren in unserem Land stattfinden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Friedel. – Für die FDP-Fraktion Herr Abg. Biesok; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem ich das erste Mal vom Untertauchen der Terrorzelle hier im Freistaat Sachsen gehört habe, frage ich mich, wie das den sächsischen Sicherheitsbehörden verborgen bleiben konnte. Die FDP-Fraktion wird alles Mögliche tun, um eine Aufklärung dieser Umstände herbeizuführen.

Aber ich möchte eines ganz deutlich sagen: Die Einsetzung einer solchen Kommission ist meines Erachtens der falsche Weg.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Untersuchungsausschuss!)

Das fängt bei der Besetzung dieser Kommission an. Da sollen namhafte sachkompetente Persönlichkeiten eingesetzt werden. Wer soll das sein? Der Kollege Bartl, den wir im Untersuchungsausschuss als inquisitorischen Befrager schon erlebt haben, wo trotzdem nichts dabei herausgekommen ist? Oder der Kollege Dr. Külow,

dessen profunde Kenntnisse im Nachrichtendienst bekannt sind?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der NPD)

Das kann sicherlich nicht der Weg sein. Außerdem ist die Frage: Wie soll die Kommission überhaupt arbeiten? Wenn diese sachkompetenten Persönlichkeiten zusammenkommen, dann müssen sie sich die Akteneinsicht verschaffen. Die Akten liegen beim Landesamt für Verfassungsschutz. Die Bediensteten, die wissen, wo diese Akten liegen, will die Fraktion DIE LINKE aber gerade von der Aufklärung ausschließen. Wie soll das dann passieren? Sollen sich die Mitglieder der Kommission im Landesamt für Verfassungsschutz einschließen, alle vorhandenen Akten durchflöhen und schauen, ob auf irgendwelchen Aktenstücken Hinweise sind, die durch das Landesamt für Verfassungsschutz irgendwie nicht richtig gesehen wurden – nicht erkannt, falsch bewertet oder bewusst unterdrückt wurden? Wie soll das passieren? Soll diese unabhängige Kommission ein „Konklave von Wilder Mann“ werden, wo man sich dort oben einmauert und alles durchflöht? Das kann ja wohl wirklich nicht sein.

Meines Erachtens müssen wir erst einmal die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um hier Aufklärung zu schaffen, und das sind für mich zuerst die legitimierten Gremien. Wir haben es hier mit sehr vertraulichen Akten zu tun und es geht auch darum, dass die Leute, die dem Landesamt für Verfassungsschutz als Quelle zur Verfügung gestanden haben, entsprechend geschützt werden.

Dafür gibt es die Parlamentarische Kontrollkommission. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier in einer Parlamentarischen Kontrollkommission, die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz zu kontrollieren. Das ist unsere Verantwortung und dieser Verantwortung können wir uns nicht dadurch entledigen, dass wir eine unabhängige Kontrollkommission einsetzen.

Es ist meines Erachtens der falsche Weg – Frau Kollegin Friedel, darin stimme ich Ihnen zu –, Herrn Präsidenten Boos von seinem Amt zu suspendieren. Ich habe keine Anhaltspunkte, dass er seinen Pflichten als Präsident des Landesamtes nicht nachgekommen wäre.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber, das möchte ich deutlich sagen, er ist Präsident dieses Amtes und hat sich gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission dafür zu verantworten, was im Amt gelaufen ist und was nicht. Wir müssen in der Parlamentarischen Kontrollkommission die richtigen Fragen stellen. Das ist der Teil der Verantwortung, die wir als Parlamentarier tragen.