Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Drucksache 5/4354, Unterrichtung durch den Sächsischen Ausländerbeauftragten

Drucksache 5/7653, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Das Präsidium hat eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt. Es beginnt in der ersten Runde der Ausländerbeauftragte. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die NPD.

Ich bitte unseren Ausländerbeauftragten, Dr. Gillo, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist etwas schwierig, nach diesem Thema, das wir gerade behandelt haben, zum Jahresbericht des Ausländerbeauftragten zu kommen. Ich möchte anhand eines Beispiels die Verlogenheit der Argumente aufzeigen. Man sagt ja: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. In der heutigen „Bild“-Zeitung ist ein Foto,

(Holger Apfel, NPD: Zum Thema!)

das Mundlos und Zschäpe auf der einen Seite und nur sieben Personen entfernt Herrn Apfel auf einer RudolfHess-Veranstaltung zeigt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich denke, wer sich hier demokratisch nennt, sollte wissen, was er sagt.

Meine Damen und Herren! Die Aufgabe des Sächsischen Ausländerbeauftragten ist die Bewahrung der Belange der Ausländer im Freistaat Sachsen. Das Jahr 2010 war das

erste Jahr meiner Amtsperiode. Im Jahr 2010 feierten wir zwanzig Jahre Reise zu mehr Weltoffenheit im Freistaat Sachsen.

Die Reise ist extrem wichtig für uns. Seit den Demografieerkenntnissen sollten wir das alle wissen. Wer dennoch überzeugt werden muss, dem möchte ich sagen: Im Jahr 1910, also vor hundert Jahren, zu Zeiten unserer größten wirtschaftlichen Stärke, war der Ausländeranteil in Sachsen viermal höher als heute. Er lag damals bei über 10 %. Ausländer können unsere Stärke wesentlich erhöhen.

Ich möchte mich in meinem kurzen Bericht auf die Themen konzentrieren, die ich auch im Jahr 2011 fortsetzte. Das Jahr 2010 begann mit sieben Anregungen für einen besseren Umgang mit Ausländern.

Erstens. Ich schlug eine konzertierte Aktion „Integration und Arbeit“ vor, um dem Mittelstand zu helfen, angeworbene ausländische Kräfte bei sich einzustellen. Das war ein sehr wichtiger Ansatz. Wir haben dazu Sozialpartner, den Mittelstand und die Regierung als Mittler. Ich denke, was wir im letzten Jahr gemacht haben, war ein erster Schritt. Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir die Anerkennung ausländischer Abschlüsse beschleunigen können. Auf diesen Punkt komme ich später noch einmal zu sprechen.

Zweitens. Wir ermutigen ausländische Studenten, nach erfolgreichem Abschluss in Sachsen zu bleiben. Das ist jetzt auch auf dem Bildschirm der Staatsregierung.

Drittens. Wir setzen uns für Asylsuchende ein, dass sie Bargeld erhalten, um ihnen etwas mehr Lebensgestaltungsfreiheit zu geben. Bei 138 Euro Verpflegungsgeld im Monat ist der Zugang zu den Discountern eine sinnvolle und menschliche Nutzung der gesetzlichen Spielräume, die wir haben. Zwölf von 13 Regionen im Freistaat Sachsen tun das mittlerweile. Es ist günstiger für alle, auch für die Verwaltung.

Viertens. Wir schlugen die sachsenweite Bewegungsfreiheit für Geduldete vor. Das Innenministerium ist dem gefolgt für Geduldete, die bei ihrer Identifikation, also der Aufklärung ihrer eigenen Identität, mitwirken. Das ist ein sinnvoller Schritt, weil er sowohl in unserem Interesse als auch im Interesse der Geduldeten ist.

Fünftens. Wir schlugen die dezentrale Unterbringung von Familien vor. Diese ist heute im Freistaat Sachsen mehrheitlich umgesetzt. Auch diesbezüglich war das Innenministerium hilfreich, den Landkreisen und den kreisfreien Städten zu zeigen, wie das geht. Es ist in unserem eigenen Interesse und im Interesse dieser Familien.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Sechstens. Ich habe ein Bleiberecht für ausländische Kronzeugen angeregt, deren Aussagen uns helfen, die organisierte Kriminalität,

(Jürgen Gansel, NPD: Es gibt doch keine Ausländerkriminalität! Das ist doch eine rechtsradikale Erfindung!)

zum Beispiel Zwangsprostitution, zu überwinden und zu bekämpfen. Sachsen ist das erste Bundesland, das so etwas tut, und darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Siebtens. Ich habe vorgeschlagen, dass wir die Kofinanzierung von Initiativen zur Integration weiterhin stärken. Die Mittel sind im letzten Jahr geringfügig gekürzt worden. Nunmehr sind sie auf 3 Millionen Euro erhöht worden. Ich denke, das ist ein sehr konstruktives Niveau.

Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik und Sachsen bekennen sich zu Mitmenschlichkeit. Dazu gehört auch die Härtefall-Kommission, die ich leiten darf. Sie eröffnet das Bleiberecht in humanitären Fällen, wo anderweitig eine Abschiebung droht. Circa zwei Drittel der Personen werden von der Härtefall-Kommission und dem sächsischen Innenminister akzeptiert. Ich denke, das ist eine sehr gute und ermutigende Praxis.

2010 fand auch die erste Runde des Heim-TÜV statt. Darin wurden die 30 Asylbewerberheime des Freistaates Sachsen beurteilt. Es geht dabei um zehn Faktoren, 46 Einzelfragen und eine Einschätzung nach dem Ampelsystem. Die erste Runde ging an die Landräte und Ober

bürgermeister, die zweite Runde ging nach der zweiten Information an die Landräte und Oberbürgermeister an den Landtag. Das geschah letzte Woche. Wir werden alle dazu noch später sprechen, deswegen brauchen wir heute nicht darauf einzugehen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass 2010 15 Heime rot waren, 2011 nur noch sechs. Das heißt, wir haben in unserer Zusammenarbeit mit den Landräten und den Oberbürgermeistern eine signifikante Verbesserung der Situation erreicht.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dazu gehört auch die Mitmenschlichkeit der Behörden; unser Innenminister hat das heute schon erwähnt. Wir haben ein neues Leitbild, zum Beispiel für die Ausländerbehörden. Dresden war die erste Ausländerbehörde, in der das praktiziert wurde. Ich denke, dass wir für eine neue Dienstleistungsorientierung Signale setzen. Das ist ganz in unserem Sinne. Es passt auch zur sächsischen Initiative „Klugen Köpfen Türen öffnen“, weil wir, wenn wir zusammenarbeiten, das auch erreichen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitmenschlichkeit, die ich gerade beschrieben habe, ist die zweite Seite der Zuwanderungsinitiative. Sie können das eine nicht ohne das andere machen.

Was tun wir, um die Weichen zum Zugewinn durch Zuwanderung zu verbessern? Das ist die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, die prioritär ist; denn wir haben hier im Freistaat Sachsen etwa 10 000 Menschen, die ihre Abschlüsse in anderen Ländern gewonnen haben. Sie verdienen Anerkennung und eine Chance, die Äquivalenz zu deutschen Abschlüssen herzustellen und dann anerkannt zu bekommen.

Ich möchte kurz auf die Vernetzungsinitiativen in meinem Büro eingehen. Das Bekenntnis zur Weltoffenheit ist eine Reise ähnlich wie eine Karawane. An der Spitze der Karawane finden Sie Menschen, die sich engagieren, um die Gesellschaft nach vorn zu bringen. Das sind sehr oft kleine Vereine und Initiativen, die unsere Unterstützung verdienen. Ich sehe es als eine meiner Rollen an, hier ein Netzwerk zu schaffen und zu begleiten, in dem diese kleinen Initiativen eine Chance haben, sich zu verbinden, um damit Konstruktives und Positives für unsere Gesellschaft zu erreichen. Das haben wir: Wir haben das Netzwerk für Integration und Migration in Sachsen. Dabei sind die kommunalen Ausländerbeauftragten, der Jugendmigrationsdienst, Flüchtlingsräte und viele andere.

Wo stehen wir jetzt? Eine Studie in Dresden zeigt, dass das Glas etwas mehr als halb voll ist. 56 % der Menschen in Dresden bezeichnen sich als weltoffen, 44 % als nicht weltoffen, also als ethnozentrisch. Wir sind auf einem richtigen Weg. Wir alle sind gefragt. Wir wollen natürlich einen Großteil der 44 %, die noch nicht weltoffen sind, für uns gewinnen.

Lassen Sie mich mit drei Zitaten enden. Das erste aus dem Jahresbericht ist von Sebastian Krumbiegel.

(Holger Apfel, NPD: So ein Quatsch!)

Auch wenn es jetzt phrasenhaft klingen mag: „Alle Menschen sind gleich, alle Menschen haben die gleichen Chancen verdient, und alle Menschen sollten sich einander erst einmal mit aufgeschlossener Neugier begegnen. Wenn wir es schaffen, diese Grundhaltung in der Gesellschaft zu etablieren, dann haben rassistische Ausländerraus-Sprüche keine Chance mehr, ernstgenommen zu werden.“

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der FDP)

„Ein weltoffenes Sachsen bedeutet für mich deshalb vor allem, dass die Regierenden, also auch wir, mit diesen Fragen offen und inhaltlich klar positioniert umgehen, dass sie sich öffentlich auf die richtige Seite stellen. Damit würden sie der großen Mehrheit der Bevölkerung Mut machen.“

Nabil Yacoub – das zweite Zitat –, der seit über 30 Jahren bei uns lebt: „Weltoffenheit ist nicht nur eine Öffnung nach außen. Sie erfordert vor allem eine Öffnung nach innen. Das heißt die Anerkennung von Vielfalt, die Anerkennung anderer Kulturen und die Akzeptanz der kulturellen Freiheit. Das heißt das Grundrecht auf die Wahl der Lebensinhalte innerhalb unseres anerkannten demokratischen Rechtssystems.“ In Berlin nennt man das Großstadtkompetenz. Wir nennen es in Sachsen „Willkommensgesellschaft“.

(Beifall bei der SPD)

Bischof a. D. Joachim Reinelt brachte es vielleicht noch einfacher auf den Punkt: „Ein weltoffenes Sachsen“ – ist er noch im Amt? –

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Er ist noch im Amt!)

Okay. Vergessen Sie das „a. D.“!

„steht für eine Gastfreundschaft und Offenheit allen Menschen gegenüber.“ Dem kann man nichts hinzufügen.

Ich möchte zum Abschluss mit Freude berichten: Der langjährige Fall Daniel, den ich beschrieben habe, ist heute gelöst. Daniel lebt heute glücklich mit seiner Frau in Dresden dank des Engagements des Innenministeriums, der Stadt Dresden und des Bundeskanzleramtes. Gewinnen wir mehr Menschen in Sachsen für Weltoffenheit, machen wir aus den heute schon 56 % Weltoffenen satte 85 %!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Gehen wir in die Fraktionen. Es beginnt Herr Abg. Hartmann, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Jahresbericht 2010 des Ausländerbeauftragten des Freistaates

Sachsen liegt vor, umfänglich und, wie ich denke, insgesamt sehr gut gelungen. Insoweit gehört der Arbeit von Martin Gillo unser herzlicher Dank. Das sage ich auch im Namen meiner Fraktion.