Sachsen liegt vor, umfänglich und, wie ich denke, insgesamt sehr gut gelungen. Insoweit gehört der Arbeit von Martin Gillo unser herzlicher Dank. Das sage ich auch im Namen meiner Fraktion.
Martin Gillo hat erste Impulse in einer Diskussion gelegt, die wir intensiv weiterführen müssen. Er hat sieben Anregungen für Weltoffenheit in Sachsen gegeben. Das betrifft die Gewinnung ausländischer Fachkräfte, das Binden ausländischer Studenten nach dem Studium hier in unserem Land und auf der anderen Seite natürlich unabdingbar damit verbunden auch die Frage des Umgangs mit Geduldeten und Asylbewerbern hier bei uns, Anregungen wie Leistungen als Bargeldleistung, die Frage dezentraler Unterbringung oder die Frage der Lockerung der Bewegungsfreiheit für Asylbewerber in unserem Land.
Martin Gillo ist es gelungen, Bewusstsein zu schaffen für die Belange ausländischer Mitbürger, und er hat neue Partner geworben und Unterstützer gefunden.
Er setzte erste Impulse. Das Leitbild der Ausländerbehörde ist dabei ein Thema genauso wie die Frage des Runden Tisches zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Allerdings gilt der Dank nicht allein Martin Gillo, sondern auch seinen Mitarbeitern, den kommunalen Integrations- und Ausländerbeauftragten, aber auch den Ausländer- und Migrantenbeiräten.
Wenn ich von Partnern und Unterstützern rede, dann möchte ich hier auch ausdrücklich das Sächsische Staatsministerium des Innern mit Staatsminister Markus Ulbig an der Spitze nennen, welches einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, dass wir dieses Thema im letzten Jahr und auch in diesem Jahr offener und ernsthafter miteinander diskutiert haben.
Der vorliegende Jahresbericht ist eine Sachstandsaufnahme. Er formuliert Erfolge und Herausforderungen und gibt Handlungsempfehlungen. Über diese werden wir in den nächsten Monaten sicherlich weiter intensiv diskutieren können und müssen. Die Anregungen bilden eine gute Grundlage für eine weitere Diskussion. Allerdings warne ich auch davor, dass in diesen Bericht, in der politischen Diskussion, mehr hineingedeutet wird, als er tatsächlich enthält. Wir müssen vor allen Dingen auch die Menschen in unserem Land auf diesen Weg mitnehmen. Wir müssen den Menschen in unserem Land erklären, warum wir diesen Weg zu mehr Integration, zu mehr Zuwanderung gehen und wie wir gedenken, mit den Themen umzugehen.
Asylrecht, Zuwanderung, Integration und Einbürgerung, Willkommenskultur auf der einen Seite müssen aber auch mit den Bedenken, Vorurteilen und Risiken in der Diskus
sion geführt werden. Unter der Beachtung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, der staatlichen Interessen und der tatsächlichen Möglichkeiten müssen wir das Thema weiter intensiv diskutieren.
Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich sagen, weil die Diskussion immer wieder aufkommt: Aus Sicht der Union kann Einbürgerung nur das Ergebnis einer gelungenen Integration sein und nicht das Mittel zu ihr.
Abschließend möchte ich sagen: Wir freuen uns auf eine weitere Diskussion und auf eine weitere Zusammenarbeit mit Martin Gillo, wir danken für die Arbeit und freuen uns auf das nächste Jahr. Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An erster Stelle möchte auch ich im Namen meiner Fraktion Herrn Prof. Gillo und seinem Team danken.
Ich möchte ihm danken für sein Engagement, auch für das Engagement des Teams, mit dem das Amt des Sächsischen Ausländerbeauftragten ausgefüllt wird, mit der eindeutigen Klarstellung, dass er und sein Büro Ansprechpartner für alle Migrantinnen und Migranten in Sachsen sind – vom Flüchtling bis zum Hochqualifizierten – und dass er sein Wirken eben nicht von einer vermeintlichen Nützlichkeit einer Person oder Personengruppe abhängig macht, sondern sich persönlich für eine Politik der Menschenwürde starkmacht.
Das wird in seinem Jahresbericht 2010 ebenso deutlich wie bei anderen Initiativen, wie beispielsweise ganz aktuell bei dem Heim-TÜV. Einige Dinge haben sich getan, seit wir hier das letzte Mal die Gelegenheit hatten, uns über die sächsische Migrationspolitik zu verständigen; aber es gibt noch viele Dinge, die offen geblieben sind.
Zu den konkreten Punkten. Es ist einiges angesprochen worden. Die sieben Anregungen für ein weltoffenes Sachsen sind hier angeführt worden, die gemeinsame Erarbeitung einer Aufgabenbeschreibung für die kommunalen Migrations- und Integrations- bzw. Ausländerbeauftragten; die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist gerade Thema gewesen, wobei – ich möchte hier ein kleines Aber einfügen – noch die Regelung für die Berufe in Länderzuständigkeit aussteht. Wir sollten darum bemüht sein, dass die Nachqualifizierungsangebote, die notwendig werden, und berufsbezogene Sprachkurse bereitgestellt werden, die entsprechend finanziert werden müssen.
Das sind alles Dinge, bei denen Anfänge gemacht wurden, die in Angriff genommen wurden. Ich denke aber, die wahren Leistungen des Sächsischen Ausländerbeauftragten bestehen vor allem darin, Probleme klar zu benennen, klar anzusprechen, denn nur so können sie angegangen werden. Dass sie aber angegangen werden, dass sie vor allem von der Regierungskoalition aufgegriffen werden und tatsächlich Niederschlag in der praktischen Politik finden, ist meiner Meinung nach immer noch zu selten der Fall – Beispiel: gesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen und Migranten.
Vor einem Jahr – Sie erinnern sich – hatte Sarrazin seine pseudowissenschaftlichen Thesen von der Selbstabschaffung Deutschlands aufgestellt. Erstens kann ich hier und heute feststellen: Deutschland gibt es noch; zweitens haben seitdem viele Menschen – ob nun mit oder ohne den sogenannten Migrationshintergrund – klargestellt, dass es nicht um eine Abschaffung, sondern um eine Neuerfindung Deutschlands gehen kann. Aber drittens hat sich das leider meines Erachtens nur unzureichend in der sächsischen Politik niedergeschlagen.
Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle angeregt, endlich eine Debatte über Integration zu führen – ich spreche inzwischen lieber, wie ich es heute schon einmal deutlich gemacht habe, von gesellschaftlicher Teilhabe aller –; dabei auch endlich konkret zu werden und zu sagen, was wir unter Teilhabe, unter Chancengerechtigkeit, unter Anerkennung und Antidiskriminierung verstehen. Die Zustimmung in der Breite der Gesellschaft zu rassistischen, zu ausländerfeindlichen, antisemitischen Äußerungen ist nach wie vor erschreckend hoch; die HeitmeyerStudie ist heute bereits angesprochen worden.
Nur leider fühlte sich die Sächsische Staatsregierung immer noch zu wenig bemüßigt, endlich konkrete Schritte einzuleiten. Das Einzige, was bisher passiert ist, ist dieses Bekenntnis zur Aufstockung der Mittel des Förderprogramms „Weltoffenes Sachsen“.
Ich möchte hier die Staatsregierung nochmals auffordern, endlich das Zuwanderungs- und Integrationskonzept vorzulegen und dabei deutlich zu machen, welche Anregungen und Forderungen von den Betroffenen und den Mitwirkenden tatsächlich aufgegriffen wurden. Denn Partizipation nur zum Schein –
und auch im Plenum zu sitzen und nicht zuzuhören, führen nicht zu Akzeptanz, sondern zu Frustration und Abkehr. Sie führt eben nicht zur gewünschten und eingeforderten Willkommenskultur.
Da ich einmal beim Thema „Feigenblatt“ bin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Ich möchte eindringlich davor warnen, dass Sie die Arbeit von Prof. Gillo als Feigenblatt missbrauchen. Wichtig ist, dass die Staatsregierung tätig wird. In der Begegnung, in den Gesprächen mit Ehrenamtlichen, mit Mitgliedern von Ausländerbeiräten und zum Beispiel auch mit den Migrationsbeauftragten wird immer wieder deutlich, wie hoch
die Arbeit von Prof. Gillo geschätzt wird. Aber gleichzeitig bringen diese Menschen dann zum Ausdruck, wie schwer es ihnen dadurch fällt, die Versäumnisse der Sächsischen Staatsregierung öffentlich zu thematisieren. Also bleiben Sie nicht bei der Anerkennung stehen, nehmen Sie die Anregungen, nehmen Sie die Impulse des Ausländerbeauftragten auf und handeln Sie!
Dafür bietet Ihnen heute die Fraktion DIE LINKE auch die entsprechende Möglichkeit. Ihnen liegt ein Entschließungsantrag zum Bericht vor, auf den ich jetzt noch in einigen Punkten eingehen möchte.
Erstens möchte ich heute noch einmal die Möglichkeit nutzen, das Thema Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Sachsen hier zu thematisieren. Sachsen ist leider neben Thüringen und Bayern immer noch das Land mit dem höchsten Anteil an zentraler Unterbringung in Heimen. Wir müssen ganz genau hinschauen – und das können wir jetzt auch dank des Heim-TÜVs –, wir können die Fakten detailliert nachlesen und ich hoffe, es bleibt nicht nur beim Nachlesen, sondern es folgen Taten. Unsere Forderung ist hier, mindestens die rot bewerteten Unterkünfte zu schließen.
Mittelfristig müssen wir uns für dezentrale Unterbringung, also Unterbringung in eigenen Wohnungen, einsetzen. Die Argumentation, dass für die Unterbringung und die Versorgung allein die Kreise zuständig sind, lassen wir nicht durchgehen. Die rechtlichen Grundlagen sind nach dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz da, und sogar unter dem Aspekt der Kosten kann es ja sinnvoll sein, Menschen eigenständiges Wohnen zu ermöglichen. Herr Ulbig, schauen Sie sich bitte noch einmal die Auslastungszahlen der Heime an, schauen Sie sich auch die Kosten für leer stehende Betten an und vergleichen Sie das bitte mit leer stehendem Wohnraum, den es überall im Freistaat Sachsen gibt.
Es gibt also Handlungsspielräume, um etwas für die Verbesserung der Lebens- und Wohnsituation dieser Menschen zu erreichen. Sorgen wir endlich dafür, dass sie auch entsprechend genutzt werden.
Zum zweiten Punkt – auch ein Punkt, den Herr Gillo angesprochen hat –, der Kronzeugenregelung. Ich muss jetzt leider den guten Eindruck etwas trüben. Es geht darum, ausländischen Kronzeuginnen und Kronzeugen nach Abschluss des Verfahrens dauerhaftes Bleiberecht zu erteilen, um erstens auf Dauer einen effektiven Schutz der Betroffenen zu erreichen und zweitens die Bereitschaft – –
die Bereitschaft zu Aussagen und damit zur Kriminalitätsbekämpfung zu verbessern. Innenminister Ulbig hat diese Anregungen aufgegriffen, hat eine entsprechende
Anleitung zur Verfahrensweise an die Ausländerbehörden gegeben und gesagt, es gibt eine Abstimmung mit anderen Bundesländern, und dort werden entsprechende andere Initiativen vorbereitet.
Dazu passt es aber leider nicht, dass Deutschland als Erstunterzeichner des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt genau gegen diese Regelungen in Artikel 59 Nrn. 2 und 3 einen Vorbehalt vorgebracht hat und die Regelung nicht zur Anwendung bringen will.
Deshalb hier ein ganz konkreter Verbesserungsvorschlag: Setzen Sie sich auf Bundesebene bitte dafür ein, dass der Vorbehalt zurückgenommen wird und dass das Übereinkommen ratifiziert werden kann – so wie es auch im sächsischen Interesse ist.
Drittens, zum Thema Einbürgerung. Es war hier im Landtag mehrmals Thema. Die Fraktion der GRÜNEN und die Fraktion der LINKEN haben dazu eigenständige Anträge eingebracht; es gab Anhörungen dazu. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, Einbürgerungshemmnisse abzubauen und offen für Einbürgerung zu werben.
Die sächsische Einbürgerungspraxis ist besonders restriktiv. Einbürgerungswillige in Sachsen werden schlechter behandelt als zum Beispiel in den Altbundesländern. Das muss sich dringend ändern, denn nur Menschen mit der deutschen Staatsbürgerschaft stehen hier alle Rechte und Pflichten zu. Gerade die Abwehrhaltung seitens der FDP kann ich an dieser Stelle überhaupt nicht nachvollziehen, hat sie doch noch vor einem Jahr die Turbo-Einbürgerung vorgeschlagen. Die Forderung lautete damals, den Einbürgerungsantrag bereits nach vier Jahren anstatt wie bisher nach acht Jahren beantragen zu können. Die Begründung, die Herr Hartfrid Wolff damals vorbrachte, war: „Die Möglichkeit der beschleunigten Einbürgerung ist ein wichtiges Signal der Offenheit und des Aufnahmewillens an alle Migrantinnen und Migranten.“
Weiterhin forderte die FDP, mehr doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen. Für viele Migranten sei es ein Riesenschritt, die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes aufzugeben, und es sei nicht nachvollziehbar, warum zum Beispiel Menschen aus der Europäischen Union die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen, andere aber nicht. Greifen Sie die Vorschläge der Bundes-FDP bitte auf und beginnen Sie auch in Sachsen mit der Umsetzung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt ist etwas Lustiges passiert. Ich wollte dazu überleiten, dass der Tenor des Berichts die Weltoffenheit ist. „20 Jahre Reise zu mehr Weltoffenheit“ ist gesagt worden. Ich habe tatsächlich eines der Zitate, das Herr Gillo gebracht hat, auch herausgesucht, um damit meinen Redebeitrag zu beenden. Ich mache es einfach trotzdem, weil es so schön ist. Hier ist Herrn Jakoubs Antwort auf die Frage, was für ihn ein weltoffenes Sachsen bedeutet: „Weltoffenheit ist nicht nur die Öffnung nach außen, sie erfordert vor allem eine Öffnung nach innen. Das heißt Anerkennung von Vielfalt, Anerkennung anderer Kulturen, Akzeptanz der
kulturellen Freiheit, das heißt das Grundrecht auf die Wahl der Lebensweise innerhalb eines anerkannten demokratischen Rechtssystems.“
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Bericht eines Beauftragten im Plenum Thema ist, dann hat man sich meist auf zwei Dinge vorzubereiten: zum einen anzusprechen, was erreicht wurde und was noch zu tun ist, also die positiven Seiten und die Defizite zu benennen, und zum anderen, der Person und dem Team, die den Bericht erstellt haben, einen herzlichen Dank auszusprechen. Das sind die beiden Punkte, die man abzuarbeiten hat.