Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Bericht eines Beauftragten im Plenum Thema ist, dann hat man sich meist auf zwei Dinge vorzubereiten: zum einen anzusprechen, was erreicht wurde und was noch zu tun ist, also die positiven Seiten und die Defizite zu benennen, und zum anderen, der Person und dem Team, die den Bericht erstellt haben, einen herzlichen Dank auszusprechen. Das sind die beiden Punkte, die man abzuarbeiten hat.
Der erste Punkt, das Benennen der Situation, das Darstellen, wo sind wir, wo müssen wir noch hin, was haben wir schon geschafft, wo sind noch unsere Defizite, ist sehr gut von Herrn Gillo selbst abgehandelt worden. Deshalb bleibt mir nur der zweite Punkt des Dankes. Ich will drei Gründe nennen, die uns dazu veranlassen, die Arbeit des Ausländerbeauftragten sehr positiv zu sehen und zu schätzen.
Erstens, Herr Gillo, Sie benennen hartnäckig Defizite. Das ist in einem politischen System wie dem Freistaat Sachsen sehr mutig und verdient Anerkennung.
Der zweite Punkt, den wir an Ihrer Arbeit sehr schätzen, ist, dass Sie ein Teamarbeiter sind. Sie verstehen sich als jemand, der mit anderen zusammenarbeitet, sowohl mit dem Ministerium – was in vielen Bereichen von Vorteil war; dadurch gab es positive Entscheidungen – als auch als Mitarbeiter für all die vielen Vereine und Initiativen, die sich um Integration in Sachsen kümmern und für die es ein Riesengewinn ist, nicht nur als Bittsteller dazustehen, die unangenehme Sachen sagen und Forderungen stellen, sondern als gleichberechtigte Partner, die gewünscht und gewollt sind, um an der Lösung eines gemeinsamen Problems zu arbeiten. Dieses Verständnis als Mitarbeiter, als Arbeiter mit allen, die am Prozess der Integration beteiligt sind, gefällt uns an Ihrer Arbeit sehr gut.
Drittens verstehen Sie sich und das Amt nicht nur als Fürsprecher von Migrantinnen und Migranten und auch nicht nur als Fürsprecher für die Sachsen und die Mehrheitsgesellschaft, sondern es ist im Grunde beides: Sie machen deutlich, was Ausländer in Sachsen empfinden, was sie stört und hemmt in einem selbstbestimmten Leben. Sie machen genauso deutlich, was die Inländer, die Ureinwohner Sachsens manchmal befremdet, was es ihnen auch schwer macht, weltoffen zu sein. Vor allem aber sind Sie Fürsprecher eines Gesellschaftsbildes, das wir noch nicht erreicht haben. Das macht die Arbeit so erfolgreich.
Um die Debatte von heute Vormittag aufzugreifen: Sie sind ein gutes Beispiel dafür, was man als Ausländerbeauftragter erreichen kann, wenn man die notwendige, aber noch nicht hinreichende Bedingung einer Hauptamtlichkeit, eines Teams, einer Geschäftsstelle, eines Sekretariats nutzen kann und wie viel man innerhalb einer recht kurzen Zeit erreichen kann.
Ich will einen Punkt ansprechen, der zeigt, dass die Reise, die Sie immer beschreiben, noch von uns allen ordentlich mitgegangen werden muss und dass Sie bitte nicht aufhören, uns dabei zu helfen.
Ein Kollege aus der CDU-Fraktion fragte heute Vormittag, als es um die Integrationsbeauftragten ging, es sei schon einmal gar nicht klar, wen wir eigentlich integrieren wollen. Solange wir uns diese Frage stellen, so lange sind wir noch nicht bei der Gesellschaft, bei der wir sein wollen; denn wir können uns gern politisch darüber streiten: Wer soll nach Deutschland kommen und wer nicht? Wir können uns gern politisch darüber streiten: Wer soll in Deutschland bleiben und wer nicht? Aber wir sollten doch irgendwann der Meinung sein, dass die Menschen, die hier sind, jeder einzelne, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, von Qualifikation und von Lebensumständen, in denen er sich befindet, in die Gesellschaft integriert gehört.
Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, dieses gemeinsame Verständnis zu erreichen, zumindest habe ich den Eindruck, wir sind Meilen weiter, als wir noch vor zwei, drei oder vier Jahren waren. Sicher haben der demografische Wandel und die Notwendigkeit von Zuwanderung dazu beigetragen, dass sich manche von uns in diesem Haus doch jetzt mehr bewegen und bewegen müssen, als sie das lange Jahre getan haben.
Ich würde mir und Ihnen, lieber Herr Kollege Gillo, wünschen, dass alle Abgeordneten zumindest Ihren Newsletter abonnieren und da den ersten Beitrag immer lesen. Das sind Beiträge, die uns deutlich machen sollen, warum wir eigentlich über Integration reden. Wie geht es Leuten, die integriert sind, und wie geht es Leuten, die nicht integriert sind? Was haben wir ganz persönlich damit zu tun? Ich bin mir sicher, auch wenn der Kollege, der sich heute Vormittag noch fragte, wen wir hier eigentlich integrieren sollen, wenn er diese Beiträge einmal in der Woche liest, dass wir in einem Jahr noch viel weiter sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordneten! Auch im Namen der FDP-Fraktion möchte ich mich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Dr. Gillo, für den vorgelegten Jahresbericht 2010
Bedanken möchte ich mich aber auch insbesondere für die Art und Weise, wie Sie Ihr Amt verstehen und wie Sie es ausführen. Wir wissen alle sehr gut, dass Sie es dabei gerade mit der einen oder anderen, mitunter manchmal vielleicht auch mit der eigenen Fraktion, nicht immer sehr leicht haben.
Aber ich möchte aus Ihrem Jahresbericht folgende wesentliche Punkte hervorheben: Er ist bundesweit einmalig, Ihr TÜV für Asylbewerberheime, der uns im unmittelbaren Vergleich schwierige Unterbringungsorte und schwierige Bedingungen aufzeigt und der als Musterbeispiel im Hinblick auf Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und Angebote Vorbildwirkung für den einen oder anderen Landkreis und die eine oder andere Einrichtung hat. Der Heim-TÜV – darauf sind Sie bereits selbst eingegangen – hat ja schon bewirkt, dass sich die Bedingungen verbessert haben. Bei Ihrer zweiten Runde haben Sie schon wesentlich bessere Ergebnisse feststellen können.
Etwas Weiteres, was auch einer besonderen Berücksichtigung und Hervorhebung bedarf, ist der sogenannte Runde Tisch zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, der unter Ihrer Leitung und mit Ihrem Team sehr beachtliche Ergebnisse erreicht hat.
Alle von der Thematik betroffenen Staatsministerien, die Vereinigung der sächsischen Wirtschaft, die Regionaldirektion Sachsen der Arbeitsagentur, der DGB, die Industrie- und Handelskammern sowie die Sächsische Bildungsagentur haben sich hier beteiligt und an dem sprichwörtlichen Strang gezogen, haben sich ausgetauscht und gemeinsam 24 Empfehlungen zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erarbeitet und diese im Sommer vorgelegt. Das ist bemerkenswert und auch dafür gilt Ihnen noch einmal recht herzlich unser Dank.
Gerade als jemand, der noch kommunalpolitisch aktiv ist, bin ich mir aber auch sehr wohl bewusst, dass mein eigener Landkreis Leipzig die eine oder andere Frage aufgeworfen hat, und es gilt, sich diesen Fragen zu stellen, sich weiterhin mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Auch dafür haben Sie mit Ihrem Bericht Grundlagen gegeben, die Ansatz zu weiteren Diskussionen sein können.
Ein weiterer Punkt ist mir aber auch noch wichtig. Wir müssen endlich auch den Mitbürgern, die schon sehr lange bei uns leben und sich gut integriert haben, ein deutliches Zeichen geben, dass sie herzlich willkommen sind. Eine Entbürokratisierung des Verfahrens der Einbürgerung ist dabei dringend notwendig. Aufenthaltszeiten müssen auch in Sachsen vollkommen anerkannt werden. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal das Beispiel anführen: Wie kann es denn sein, dass einem irakischen
Mädchen, das vor neun Jahren in Zwickau geboren wurde und seit seiner Geburt dort lebt, vom Landratsamt die Einbürgerung mit dem Argument, es lebe noch nicht lange genug in Deutschland, verwehrt wird? Solche Situationen müssen geklärt und diesen Zuständen danach abgeholfen werden.
Auch bei der Residenzpflicht für Asylbewerber und geduldete Ausländer besteht ein Handlungsbedarf und wir stellen fest, es ist noch ein weiter Weg, der gemeinsam vor uns liegt.
Sehr geehrter Herr Dr. Gillo! Ich möchte Ihnen aber noch einmal ganz herzlich und deutlich die Wertschätzung meiner Fraktion für Ihr Amt und Ihre Arbeit zum Ausdruck bringen. Ich bin mir sicher, dass wir auch in den nächsten Jahren weitere Schritte vorangehen werden, um zu der Willkommensgesellschaft zu gelangen, die wir uns alle wünschen und die wir auch hier in Sachsen dringend brauchen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Falls Sie meine Vorrednerin und vor allen Dingen auch unser Ausländerbeauftragter, Herr Martin Gillo, noch nicht neugierig gemacht haben, kann ich Ihnen an dieser Stelle nur noch einmal die Lektüre des Jahresberichtes des Ausländerbeauftragten ans Herz legen.
Der Bericht ist informativ. Er ist ehrlich. Er ist tatsächlich kurzweilig. Er ist sehr persönlich und er ist kritisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Im Bericht werden Dinge beim Namen genannt und offensichtlich Missstände nicht schöngeredet. Die Arbeit des Sächsischen Ausländerbeauftragten wird zunehmend auch außerhalb des Parlamentes wahrgenommen, und zwar in den Bevölkerungskreisen, die eigentlich nicht unbedingt zu denjenigen zählen, die sich von Berufs wegen oder aufgrund persönlichen Engagements mit den Fragen von Migration auseinandersetzen.
Es ist so, dass die Vereine es als eine tatkräftige Unterstützung empfinden, wie Herr Gillo sein Amt auffasst, und die Offenheit, mit der er für Vereine und zum Beispiel den Jugendmigrationsdienst immer ein offenes Ohr hat.
Ich bin selbst im interkulturellen Arbeitskreis des Landkreises Zwickau, der unter anderem die interkulturelle Woche vorbereitet. Dort ist mit sehr viel Freude zur Kenntnis genommen worden, dass jetzt tatsächlich Dinge angesprochen werden, die den Menschen schon lange auf der Seele gelegen haben.
Ein großer Gewinn sind die konstruktiven Vorschläge, die Herr Gillo im Bericht macht, und dass er dazu auch Verantwortliche nennt und einzelne Schritte vorschlägt.
Der Bericht macht darüber hinaus eine Grundhaltung deutlich: Die Wahrung der Menschenwürde ist der Ausgangspunkt und der Maßstab für Beurteilungen und Aktivitäten des Sächsischen Ausländerbeauftragten. Herr Gillo, Sie sind ehrlich und unbequem. Das ist gut so. Vielen Dank an Sie und an Ihr Team für den bisherigen Einsatz.
Ich möchte noch einmal zwei Themenbereiche exemplarisch herausgreifen, die in den letzten Jahren eher wenig Raum in der politischen Debatte hatten – jetzt schon, auch dank Ihres Einsatzes. Das eine ist das Leben in den sächsischen Gemeinschaftsunterkünften, unsere Werte und der Heim-TÜV. Im Jahr 2010 hatten Sie, Herr Gillo, alle 30 sächsischen Gemeinschaftsunterkünfte besucht, um sich ein genaues Bild von der Unterbringung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie der Geduldeten in Sachsen zu machen. Die Besuche waren mit der Frage verbunden, wie angemessen und sicher ist die Unterbringung der Asylbewerber und der Geduldeten in Sachsen und entspricht die Unterbringung den allgemeinen Prinzipien der Mitmenschlichkeit und Humanität und damit verbunden: Inwieweit sollten die Zustände in den Gemeinschaftsunterkünften verbessert werden und was wären geeignete Schritte, diese Verbesserung tatsächlich vorzunehmen? Damit haben Sie ein Thema aufgegriffen, das, wie ich schon sagte, in der Vergangenheit eher wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Die tatsächlich offene Kritik an bestimmten Unterbringungsbedingungen für Asylsuchende haben hauptsächlich in der Vergangenheit die zivilgesellschaftlichen Organisationen geübt, deren Stimme nicht immer gehört wurde.
An den tatsächlichen Bedingungen der zurzeit 4 500 Asylsuchenden wie geduldeten Flüchtlinge in den 30 Asylbewerberheimen hatte sich in der Vergangenheit nur wenig geändert. Wir sind froh darüber, dass das jetzt anders wird und dass – wie Sie berichtet haben – mit dem wiederholten Besuch in diesem Jahr durchaus bessere Unterkunftsbedingungen vorgefunden wurden.
Ich möchte aber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das Wohlbefinden und das wirkliche Gefühl, im Freistaat Sachsen willkommen zu sein, zum einen Teil von den Unterbringungsbedingungen abhängig ist, aber zum anderen Teil auch davon, wie die Spielräume der Zuweisungen in die entsprechenden Einrichtungen ausgenutzt und wie die Möglichkeiten der dezentralen Unterbringung in Sachsen genutzt werden. Ich glaube, da haben wir durchaus Verbesserungsbedarf. Es ist natürlich schwierig, auch in den Heimen sozialarbeiterisch den Asylbewerbern und Geduldeten zur Seite zu stehen, wenn hauptsächlich junge Männer ohne Perspektive in den Heimen leben, dort dann tatsächlich eine Verbesserung zu erreichen.
Das Zweite, was ich ansprechen will, ist Ihr Punkt, den Sie im Bericht als Aufenthalt ohne Perspektive beschrieben haben. In diesem Teil des Berichts hält uns Herr Gillo
den Spiegel vor Augen, wie Asylrecht in Deutschland funktioniert und welche Möglichkeiten der Integration Asylsuchende und Geduldete haben. Am Ende finden wir aber wieder Anregungen für einen Veränderungsprozess.
Wir wissen, dass viele Asylgesuche erst nach vier und mehr Jahren von den Gerichten anerkannt oder abgelehnt werden. Mit der Ablehnung ergeht zumeist die Aufforderung, das Land zu verlassen; ansonsten droht die Abschiebung.
Ich zitiere ganz kurz aus dem Bericht: „Vor dem Hintergrund dieser Bundesgesetzgebung wird versucht, Geduldete durch verschiedene ‚Vergrämungsmethoden‘ zu einer freiwilligen Ausreise zu ermutigen. Dabei wird nicht nur auf alles verzichtet, was als Anreiz zur Integration missverstanden werden könnte, wie zum Beispiel Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache, sondern es werden auch Strategien eingesetzt, die das Leben von Geduldeten möglichst unattraktiv machen. Dazu gehören beispielsweise ortsferne Gemeinschaftsunterkünfte,
Heime, in denen sich die Bewohner größtenteils selbst überlassen sind, Taschengeldkürzungen, Verweigerung von Arbeits-, Reise- und Bildungserlaubnissen und auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor einiger Zeit selbst in einem Asylbewerberheim erlebt, wie in einer nicht zu akzeptierenden Art und Weise die Bewohner darauf hingewiesen wurden, dass sie doch ihre Schuhe vor der Tür wegräumen sollten, und wie verzichtet wurde, beim Betreten der Räume anzuklopfen. Ich glaube, das sind Zustände, die nichts damit zu tun haben, dass wir Migranten, aus welchen Gründen auch immer sie zu uns kommen, die Menschenwürde zuerkennen und uns auch dementsprechend verhalten sollten.
„Eine menschenwürdige Behandlung“, schreibt Herr Gillo in seinem Bericht, „der Asylbewerber und Geduldeten sollten wir aufgrund unserer eigenen Werte fordern. Unsere Mitmenschlichkeit und unsere Weltoffenheit zeigen sich im Umgang mit den Schwächsten. Außerdem ist eine solche Behandlung nicht nur in Ihrem, sondern auch in unserem eigenen Interesse.“