Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Wenn Sie mich jetzt fragen, was das mit dem Thema Haushaltskürzung zu tun hat, dann sage ich Ihnen, Sozialpolitik ist die Basis der Demokratie. Soziale Rechte sind Rechte auf Teilhabe, sie sollen den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern und wahren und sie sollen die Gesellschaft vor Verwahrlosung bewahren.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE – Beifall bei den LINKEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Aufgabe des Sozialstaates. Die Sicherung dieser Rechte und ihre Ausgestaltung dürfen nicht infrage gestellt werden. Längst ist es so, dass nicht nur die von uns oft so titulierten bildungsfernen Schichten Probleme in diesem Land haben, sondern dass die Abstiegsangst bis weit in die Mittelschicht hineinreicht. Verunsicherung führt zu Rückzug, zu Wut und Aggression und dazu, dass in der Gesellschaft nach vermeintlich schuldigen Gruppen gesucht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Situation können wir es uns einfach nicht leisten, auf Kosten sozialer Strukturen und der Fachlichkeit im sozialen Bereich zu sparen. Wir haben schon im letzten Haushalt bemängelt, dass Sie finanzielle Schulden vermeiden und dafür soziale Schulden in Kauf nehmen. Das ist falsch. Das schadet dem sozialen Frieden und auch der Demokratie in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Es gibt einen klaren Auftrag für die Landesebene, das ist die Verpflichtung gemäß Artikel 7 Abs. 2 der Verfassung, die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen sicherzustellen. Dieser Verfassungsauftrag und die Rechtsaufsicht, die dem Sozialministerium für den sozialen Bereich zukommt, muss Grundlage und Verpflichtung sein, auf Landesebene zu handeln. Deshalb sind die Strukturen auf

Landesebene nicht verzichtbar, zum Beispiel der Landesfrauenrat, die freie Wohlfahrtspflege und die überörtliche Jugendhilfe, deren Zuschüsse im letzten Haushalt gekürzt worden sind. Wenn Sie mehr Verantwortungsübernahme durch die Kommunen wollen, dann müssen Sie diese auch finanziell absichern. Sie müssen die landesweiten Fachgremien, die Voraussetzung für Fachlichkeit und Standards sind, absichern und ernst nehmen, zum Beispiel den Landesjugendhilfeausschuss und die Landesarbeitskreise. Des Weiteren müssen Sie die Arbeit der Dachverbände sicherstellen, die zur Unterstützung der örtlichen Vereine und kommunalen Strukturen notwendig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bieten morgen mit unserem Antrag zum Nachtragshaushalt die Möglichkeit, –

Frau Herrmann, bitte zum Schluss kommen.

– Ihre Politik der sozialen Verschuldung zu korrigieren. Sie verhindern damit auch die Privatisierung der Folgen der Finanzkrise.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Herr Schimmer für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2012 ist nun endgültig klar geworden, wer die Zeche für die Eurokrise bezahlen soll, nämlich die Armen und die Arbeitslosen in diesem Land. Um 4,83 Milliarden Euro wurden die Ausgaben im Einzelplan 11 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zurückgefahren; das ist der mit Abstand größte Kürzungsposten im aktuellen Haushalt. Arbeitsmarktpolitische Initiativen, die diesen Namen wirklich verdienen, wird es im kommenden Jahr nicht mehr geben, so werden die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit um 900 Millionen Euro zurückgefahren und die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung wird um 808 Millionen Euro gekürzt.

Klarer, meine Damen und Herren, könnte ein politisches Signal gar nicht mehr ausfallen. Die deutschen Langzeitarbeitslosen sollen für die Krise bluten, die von Großbanken und verantwortungslosen Politikern verursacht wurde, die am längst gescheiterten Projekt einer europäischen Währungsunion festhalten.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Zum Thema!)

Das ist das Thema Haushalt. Anders als die Vorrednerin spreche ich zum Thema.

Dieses Festklammern an der gescheiterten Währung wird von Jahr zu Jahr immer teurer und irrationaler.

Weiter zum Thema Haushalt. Das auf dem Brüsseler Gipfel in der letzten Woche beschlossene Vorziehen des

permanenten Eurorettungsschirmes ISM könnte nun auf Bundesebene für riesige Haushaltslöcher sorgen und Finanzminister Schäuble dazu zwingen, einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, da die fünf Einzahlungstranchen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro, die Deutschland in diesen permanenten Rettungsschirm ESM leisten muss, nun schon ab Mitte 2012 und nicht erst ab 2013 geleistet werden müssen. Damit, meine Damen und Herren, ist klar, dass die Aussage von Finanzminister Schäuble, dass sich die Haftungsobergrenze Deutschlands auf 211 Milliarden Euro beläuft, eine glatte Lüge war und vielmehr der berühmte Wirtschaftswissenschaftler Ulrich van Suntum recht hat, wenn er sagt, die Deutschen werden nun ausgenommen wie die Weihnachtsgänse. Dazu dürfte im kommenden Jahr die drohende Insolvenz der Commerzbank und anderer deutscher Banken kommen, für die Bundesfinanzminister Schäuble die Wiederbelebung des Bankenrettungsfonds SoFFin angekündigt hat, der mit einem Kreditrahmen von 400 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Dieser Schattenhaushalt SoFFin eignet sich hervorragend dazu, die aus der Finanzkrise herrührenden Risiken zu kaschieren und hat in den vergangenen drei Jahren 8 Milliarden Euro Verlust gemacht.

Der politischen Klasse kann das völlig egal sein und ist es bestimmt auch völlig egal, denn schließlich hat man ja Arme, Arbeitslose und Familien, auf die man die Krisenkosten abwälzen kann. Um jetzt den Bogen zum Landeshaushalt zu spannen – natürlich sollte die Staatsregierung versuchen, auf Landesebene gegen die Kahlschlagpolitik der Bundesregierung gegenzusteuern. Wir als NPDFraktion haben schon im Zuge der letzten Haushaltsberatungen zahlreiche Änderungsanträge in den Bereichen Wirtschafts- und Sozialpolitik gestellt, die eine nachhaltige Stärkung des Arbeitsmarktes bezwecken. In diesem Zusammenhang möchte ich beispielsweise an die NPDAnträge zur Förderung des Meister-BAföG erinnern sowie an die von der NPD-Fraktion beantragten Zuschüsse für Investitionen im Rahmen des Förderprogramms „Regionales Wachstum“ und an die Zuschüsse für Maßnahmen nach dem Regionalisierungsgesetz, die gerade in der jetzigen Situation helfen könnten, nachhaltig Arbeitsplätze zu sichern, statt den kommunalen Nahverkehr endgültig kaputtzusparen.

Ja, meine Damen und Herren, kommen wir zum Grundsätzlichen. Seien Sie doch einmal weniger nachsichtig gegenüber den Forderungen einiger Großbanken, Großspekulanten und bankrotter EU-Staaten. Denken Sie doch einfach mal an das eigene Volk.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen noch Wortmeldungen für die zweite Runde vor. Ich frage trotzdem die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen will. – Das kann ich nicht erkennen. Damit eröffne ich die zweite Runde. Frau Dr. Franke für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zwei Zitate mitgebracht, die ich gern verwenden möchte. In der „FAZ“ vom vergangenen Wochenende steht: „Gerade im Bildungs- und sozialen Bereich wird von Freiwilligen eine Arbeit geleistet, welche die Folgen des demografischen Wandels dämpfen kann.“ In der Zeitschrift „Drops“, das ist die Obdachlosenzeitung von Dresden, stehen Zahlen darüber, dass in Sachsen im Jahr 2009 mindestens 37 114 Ehrenamtliche einen volkswirtschaftlichen Beitrag von mindestens 57 Millionen Euro erbracht haben. In der „FAZ“ stehen Zahlen, hochgerechnet für ganz Deutschland, die will ich uns ersparen. Die Mittelkürzung im sozialen Bereich im vergangenen Jahr ist nach Aussagen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Wesentlichen durch die Kommunen kompensiert worden. So kann es natürlich nicht weitergehen, weil die Mittel für die Kommunen nicht im erforderlichen Maße steigen werden. Bisher kann sowieso noch keiner genau sagen, was 2012 passiert, denn es liegen noch keine Zahlen vor.

Das bürgerschaftliche Engagement ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Landschaft in diesem Land und in der Bundesrepublik überhaupt – das haben die anfangs genannten Zahlen ausgedrückt –, aber es ist von einer hohen Unsicherheit geprägt, denn die geringfügig ausgereichen Förderungen verändern sich. TAURIS ist weggefallen. Vereinzelt gibt es LOS-Projekte, die mit einem riesigen Verwaltungsaufwand erstritten werden müssen. Jetzt ist eine Neuordnung des Projektes „Wir für Sachsen“ in Arbeit. Demnächst wird eine Beratung stattfinden, wo erste Informationen durch das Sozialministerium gegeben werden. All das verunsichert die Ehrenamtlichen, die auf Förderung angewiesen sind. Viele von Ihnen sind nicht bei den Reichen zu finden, sondern sind auf Zuschüsse zu den Fahrkarten angewiesen, die sie benötigen, um ihre Arbeit zu machen. Ich glaube nicht, dass der Ehrenamtspass, der ausgereicht wurde, um soziale oder kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, das in irgendeiner Weise kompensieren kann.

Das bürgerschaftliche Engagement braucht Anerkennung und Würdigung. Würdigung heißt auch, in geringem Umfange für die Ehrenamtler einen finanziellen Zuschuss zu geben, wie ich das hier dargestellt habe. Es sind materielle Hilfen, Unterstützung für die Projekte notwendig.

Sie wissen, dass ich die Vorsitzende der Tafeln in Sachsen und der Dresdner Tafel bin. Was einzelne Tafeln in den kleineren Orten leisten müssen und was auf sie zukommt, wenn zum Beispiel die Stadt Stollberg den Raum für die Tafelarbeit nicht mehr zur Verfügung stellt, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, wie man betteln gehen muss, um als Ehrenamtlicher etwas Gutes tun zu können. Das muss sich jeder hier im Saal hinter den Spiegel stecken.

Es ist auch unsere Verantwortung, für das Ehrenamt Sorge zu tragen, dass im bürgerschaftlichen Engagement das geleistet werden kann, was ihm innewohnt. Es sind also materielle Hilfen in geringem Umfang für Projekte

notwendig und es ist eine Förderung für das Ehrenamt erforderlich, die den Namen Förderung auch verdient. Es geht hier nicht um den Ersatz für Löhne oder Gehälter. Das spielt überhaupt keine Rolle. Aber wenn ein Auto für einen Verein notwendig ist, um die Arbeit zu leisten, dann sollte man die Möglichkeit haben, an ein solches Produkt heranzukommen.

Wenn ein anderer Verein für eine technische Kraft, für eine Sekretärin oder eine Mitarbeiterin, die das gesamte Kommunikationswesen betreibt, Geld braucht, dann sollte man diese Mittel zur Verfügung stellen.

Frau Dr. Franke, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ehrenamt lebt von unser aller Unterstützung und ist unerlässlich für diese Gesellschaft.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Nächster Redner für die CDU-Fraktion ist Herr Krasselt. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Sozialer Kahlschlag durch massive Haushaltskürzungen“ betitelt die Fraktion DIE LINKE die heutige 2. Aktuelle Debatte. Das ist ihre typische überzogene Begriffswahl, die an der Realität mehr als vorbeigeht.

(Beifall bei der CDU)

Kahlschlag im forstwirtschaftlichen Sinne heißt Abholzen, jeden Baum umsägen. Ich denke, davon kann hier gar nicht die Rede sein. Tatsächlich haben wir im Doppelhaushalt 2011/2012 Reduzierungen vornehmen müssen. Dafür das Wort „Kahlschlag“ zu verwenden, ist nicht nur überzogen, sondern regelrecht falsch.

(Beifall bei der CDU)

Auch Ihnen ist bekannt, dass wir als Voraussetzung für die Aufstellung des Doppelhaushaltes für 2011/12 mit Mindereinnahmen von 1 Milliarde Euro jährlich zurechtkommen mussten. Ich denke, auch hier im Hause sollte inzwischen jedem bekannt sein, dass die sogenannten Transferleistungen – ich nenne hier Solidarpaktmittel, Länderfinanzausgleich und europäische Fonds – vor dem Hintergrund ständig steigender Bevölkerungszahlen zu Mindereinnahmen in den nächsten Jahren in mehrstelligem Milliardenbereich führen werden. Wir werden in den nächsten acht Jahren nur noch 75 bis 80 % unserer heutigen Einnahmen zur Verfügung haben.

Diese Erkenntnis mögen Sie ja nicht haben – das kann durchaus sein –, die haben zumindest die Regierungsfraktionen. Wir wollen genau dieser Situation begegnen und einen Haushalt ohne neue Schulden aufstellen.

Ich weiß, dass wir in Deutschland wenig Nachahmer haben. Selbst der Bund nimmt 30 Milliarden Euro neue Schulden auf, und das trotz hervorragender Konjunktur. Ich halte das aber für falsch.

Die Kürzungen, die wir im Haushalt vornehmen mussten, waren insbesondere im investiven Bereich – das muss zumindest einmal mit gesagt werden –, aber natürlich auch im Sozialbereich. Wir reden da nicht drumherum. Auch solche Kürzungen – das wissen Sie – sind unpopulär. Das haben wir erfahren müssen. Geschenke zu verteilen ist da viel schöner. Aber verantwortliche, in die Zukunft gerichtete Politik darf vor unangenehmen Entscheidungen nicht ausweichen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Richtig!)

Nun will ich Ihnen besondere fiskalische Kenntnisse nicht vorwerfen, aber wenn Sie solche fiskalischen Kenntnisse ausklammern – das sehen wir am Beispiel von Griechenland –, gibt es ein finanzpolitisches Desaster, das wir unseren Sachsen ersparen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Den berechtigten Ärger und Zorn, den die Menschen dort haben, halten dort Politiker aus, die das Ganze nicht zu verantworten haben. Bedenken Sie das bitte.

Natürlich haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der November-Steuerschätzung für die Jahre 2011 und 2012 mit erheblichen Mehreinnahmen zu rechnen. Aber erstens, noch handelt es sich um eine Schätzung, und zweitens: Kennen Sie jemanden, der eine verantwortliche Schätzung nach 2012 bei den finanziellen Problemen vornimmt, vor denen die Eurostaaten stehen? Ich kenne keinen. Aber reflexartig führen solche geschätzten Mehreinnahmen bei Ihnen sofort zu Mehrausgaben. Das kennen wir,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was wollen wir mit dem Geld machen?)