Ich bin sicher, sowohl die Koalitionsfraktionen als auch die Staatsregierung arbeiten an diesem ehrgeizigen Ziel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Freistaat in der Europäischen Union. Aller guten Dinge sind drei: ein Antrag, eine Aktuelle Debatte und nun die Große Anfrage.
Die Staatsregierung hatte uns angekündigt, sich in diesem Jahr in drei Kabinettssitzungen mit dem Thema Europa und der Ausrichtung der Kohäsion zu befassen. Die dritte Sitzung fand nun vor wenigen Tagen in Brüssel tatsächlich statt, inklusive der dazugehörigen Kabinetts-PK.
Nachdem wir gestern eine Regierungserklärung zur Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik gehört haben, wird nun der Besuch des Kabinetts in Brüssel mit der Diskussion um Ihre Große Anfrage abgerundet. Meinen Redebeitrag zur Aktuellen Debatte hatte ich seinerzeit mit „Und täglich grüßt das Murmeltier!“ betitelt. Auch wenn es heute immer noch passen würde: Nein, meine Damen und Herren, wir befinden uns nicht in der Traumfabrik Hollywood, auch wenn der Ministerpräsident filmreif sagt: Wir wollen und brauchen die Europäische Union, und wir Sachsen haben der EU einiges zu bieten. Genauso ist es!
In den Antworten der Staatsregierung auf Ihre Große Anfrage lesen wir nun mit Spannung und viel Interesse neben vielem anderen, welche Summen innerhalb der diversen Fonds in den letzten Förderperioden aus Brüssel nach Sachsen geflossen sind und welche Projekte – selbstverständlich auch grenzüberschreitend; Herr Schiemann hatte darauf verwiesen – gefördert wurden. Wir haben viel erreicht mit europäischem Geld und in Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn. Für jemanden wie mich, der gern auf Statistiken und Tabellen zurückgreift, eine gelungene Aufstellung vieler mit Europa und europäischer Fördermittelpolitik zusammenhängender Dinge. Als gelernte Lehrerin – da man ja zunächst loben sollte –
an die fleißigen Fragesteller und die emsigen Beantworter ein herzlicher Dank für die Große Anfrage.
Meine Damen und Herren! Aber die Auflistungen und die Benennung aller Erfolge im Plenum, allein die von Ihnen verkündeten guten Argumente, sind ein Grund dafür, dass wir die Förderung auch künftig brauchen, wie uns der Ministerpräsident vor der Brüsseler Kabinettssitzung wissen ließ.
Der Verweis, Herr Schiemann, auf die immer noch anhaltende Strukturschwäche sächsischer Regionen und den enormen Nachholbedarf wird bei Weitem noch nicht ausreichen. Denn, meine Damen und Herren, seit dem 06.10.2011 liegen uns nun die Verordnungsentwürfe der Europäischen Kommission zur Zukunft der Kohäsionspolitik vor. Das Paket besteht aus acht Verordnungsentwürfen. Allein die Allgemeine Verordnung zur Regelung der Bestimmungen für die fünf Fonds umfasst 200 Seiten. Nach ausführlicher Diskussion auf den verschiedenen Ebenen, also auch hier, können wir Ende 2012 mit der Beschlussfassung rechnen.
Für die Kohäsionspolitik hat die Kommission nun einen etwas niedrigeren Mittelansatz als in der jetzigen Förderperiode vorgeschlagen, nämlich 336 Milliarden Euro, was eine Kürzung von circa 5 % bedeutet. Die Kommission will aber auch künftig alle Regionen im Rahmen der Kohäsionspolitik fördern. Dies freut uns – logischerweise –, wobei der Schwerpunkt der Förderung nun vor allem bei den schwächsten Regionen liegen soll.
Wirklich neu sind nun die – wie wir hörten – heiß umkämpften Übergangsregionen, also die sogenannte Zwischenkategorie, für all diejenigen, die ab dem Jahr 2014 aus der Höchstförderung herausfallen, was auf alle ostdeutschen Regionen, somit auch auf Sachsen, zutrifft. Darüber hinaus werden die territoriale Zusammenarbeit und die Regionen in der äußeren Randlage gefördert. Wir als Linke hätten uns statt einer neuen Kategorie doch lieber klarere Regeln für die ehemaligen Höchstfördergebiete gewünscht.
Was jetzt vorgeschlagen wurde, ist ein Kompromiss, aber immerhin ein Kompromiss aus dem Ausschuss für Regionale Entwicklung, da die CDU im Europäischen Parlament leider eine andere, anscheinend kostengünstigere Regelung favorisierte, die für die jetzigen Konvergenzregionen, also auch für uns, keine Übergangsfinanzierung vorgesehen hatte. So viel zum Ostengagement der CDU in der Europäischen Union.
Ein Kompromiss, meine Damen und Herren, ist – wie jeder Kompromiss – immer schwierig. Es kommt nun aber darauf an, diesen in den kommenden Verhandlungen zu verteidigen. Daher erwarten wir von der Koalition, dass sie ihre Kollegen im Europäischen Parlament auffordert, diesen nicht zu gefährden.
Aber dennoch ist es so – daran scheint auch Ihr Engagement in Brüssel bislang leider nichts geändert zu haben: Die Kommission schlägt, wie Sie wissen, für die ehemaligen Höchstfördergebiete ein Fördervolumen von circa zwei Drittel der jetzigen Höhe vor. Eine Förderung der sächsischen Regionen auf demselben Niveau wird es nach den bisherigen Vorstellungen nicht mehr geben.
Meine Damen und Herren! Am Freitag wird sich der Bundesrat auf seiner 891. Sitzung unter Tagesordnungspunkt 29 mit den Vorschlägen der Kommission befassen. In den Empfehlungen aus den Ausschüssen wird eines deutlich: Die Kohäsionspolitik wird auch in den kommenden Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Unterschiede innerhalb der Europäischen Union leisten und kann Entwicklungsrückstände überwinden, Wachstum und Beschäftigung in strukturschwachen Regionen stärken sowie die soziale Integration unterstützen.
Es wird aber auch deutlich, wo noch Baustellen sind: die alleinige Ausrichtung auf die Europa-2020-Strategie und die damit verbundene Beschränkung der Regionen, die fehlende Allgemeine Verordnung für alle Fonds, fehlende klare, übersichtliche Regelungen zu Verwaltung und Finanzkontrolle und die immer noch existierenden hohen bürokratischen Hürden zum Beispiel bei der Einreichung von Operationellen Programmen oder die Fondsverwaltung. Hierbei muss noch einiges nachgebessert werden. Das fordert nicht nur der Bundesrat. Auch der Sächsische Rechnungshof sieht hierzu Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren! Europa ist wichtig für Sachsen und Sachsen ist ein wichtiger Teil Europas, ob nun die Auswirkung europäischer gesetzlicher Regelungen, eine grenzüberschreitende vielfältige Zusammenarbeit auf den von Herrn Schiemann angesprochenen Ebenen, Kooperationsbeziehungen oder der Fachkräftebedarf. Sachsen und Europa, das ist mehr als die finanzielle Abhängigkeit von Fördertöpfen.
Welchen Platz will aber der Freistaat im Europa der Zukunft einnehmen? Diese Antwort bleibt leider auch Ihre Große Anfrage ein Stück weit schuldig. Mein Kollege Kosel wird in einem zweiten Beitrag darauf näher eingehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen war immer ein Teil Europas. Europa war nach dem von den Nationalsozialisten angezettelten Zweiten Weltkrieg in zwei Blöcke geteilt. Erst die Demokratiebewegung in Mittel- und Osteuropa überwandt die unmenschlichen Grenzen zwischen Ost und West. Sachsen kam als neues Bundesland der Bundesrepublik Deutschland 1990 auch in die
Solidarität in der EU gilt es aber auch mit den Ländern zu üben, die später der Europäischen Union beigetreten sind, obwohl auch sie genau wie wir immer ein Teil Europas gewesen sind.
Ich denke dabei insbesondere an unsere osteuropäischen Nachbarn und Partner wie Polen, Tschechien oder Ungarn.
Besonders diese Länder haben in den Jahren 1989/90 durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus der DDR in humaner Weise dazu beigetragen, dass die Menschen im Osten ihren Freiheitswillen durchsetzen konnten. Sie selbst haben sich ihre Diktaturen abgeschüttelt. Das macht deutlich: Wir sind gemeinsam in Europa angekommen. Wir haben gemeinsam Solidarität geübt, und die Solidarität setzen wir auch im Rahmen der Europäischen Union fort.
Eine zweite Vorbemerkung. Nun wirkt diese Große Anfrage sicherlich sehr informativ, weil ich weiß, wie viel Arbeit es macht, innerhalb der verschiedenen Ministerien zuzuarbeiten. Ich sage ein Dankeschön an all diejenigen, die sich große Mühe damit gegeben haben, obwohl manche Statistik eher verwirrend auf mich gewirkt hat.
Mir erscheint die Große Anfrage aber zu passiv. Geht es uns zuallererst nur um das Geld? Ich will durchaus bemerken, dass der Europäische Sozialfonds an erster Stelle gestanden hat;
aber es wird sehr deutlich, lieber Marko Schiemann, dass die finanziellen Aspekte der Europäischen Union in Sachsen stärker in den Fokus gerückt werden als viele, viele andere. Richtig ist: Selbstverständlich wollen wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker nicht nur Schaden von unserem Land abwenden, sondern wir wollen auch zu dessen Nutzen beitragen und ihn mehren. Deshalb stelle ich die Frage an die Antragsteller von CDU und FDP, ob die EU nicht doch mehr ist als eine Finanzverteilungsmaschine. Tragen wir nicht doch gemeinsam – innerhalb Deutschlands, aber auch mit den Mitgliedsstaaten – gemeinsame Prinzipien und Aufgabenstellungen?
Wenn ich von gemeinsamen Aufgabenstellungen rede, dann fällt mir zuerst ein, dass es um die Verbesserung des Lebensstandards gehen muss. Wir haben in Europa erhebliche Unterschiede und Wohlstandsgefälle, die sich aus den Statistiken ablesen lassen. Das hat letztendlich mit den Fördermitteln zu tun. Deshalb muss es für mich an allererster Stelle stehen, dass wir den Lebensstandard erhöhen, und zwar nicht gemessen am Durchschnitt,
Zweitens fällt mir als Instrument die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein. Gerade in Zeiten der Globalisierung muss Europa ein starker Player im weltweiten Geschehen sein.
Drittens haben wir in Europa ein gemeinsames Problem, das Sachsen immer wieder umgetrieben hat: Das ist die Demografie. Daraus folgen soziale Problemstellungen, die in besonderer Weise berücksichtigt werden sollten.
Sicherlich ließe sich diese Aufzählung fortsetzen mit einer gemeinsamen europäischen Außen- und Friedenspolitik, dem Erhalt der Ressourcen und unserer natürlichen Lebensgrundlagen bis hin zur Frage, wie wir Kunst und Kultur pflegen in einem so vielfältigen Europa. Die Europäische Union hat auf diese vielen Herausforderungen mit diversen Strategien geantwortet. Die LissabonStrategie, die Agenda „Europa 2020“ seien als Beispiele genannt. Damit hat man Zielvorgaben geschaffen und gleichzeitig Instrumente benannt, mit denen man diese Ziele erreichen kann.
und ob die Agenda „Europa 2020“ tatsächlich mit unseren Politikbedürfnissen übereinstimmt. Man muss schon fragen: Wie weit nimmt der Freistaat Sachsen als Bundesland der Bundesrepublik Deutschland Einfluss innerhalb der Europäischen Union? Das geschieht beispielsweise durch Gespräche in Brüssel und Straßburg, durch die Mitwirkung in Entscheidungsgremien, aber auch durch die ständige Kommunikation mit den Europa-Abgeordneten, von denen einige aus Sachsen sind.
Dann kommt die Frage, ob man sich mit den deutschen Bundesländern abstimmt, bis hin zu der grundsätzlichen Frage, die für Entscheidungen des Europäischen Rates von immenser Tragweite ist: Wie kommunizieren wir mit der Bundesregierung? Wie bringen wir uns in Entscheidungen ein, die am Ende der Europäische Rat zu bestimmen hat? Da sind wir nicht mehr gefragt. Frau Kollegin Kallenbach hat letztens kritisiert, inwieweit wir als Parlament beispielsweise in Entscheidungen des Deutschen Bundesrates und die daraus folgenden Konsequenzen einbezogen werden.
Meine Damen und Herren! Ich will deutlich sagen, dass wir in Europa eine Vielzahl von Problemen diskutieren müssen. Dazu wird heute sicher nicht die Zeit sein. Eines der Themen, das mich als früherer Wirtschaftsminister umtreibt, ist die Frage der Industriepolitik. Ich will da nicht falsch verstanden werden. Wir setzen uns in einem globalen Wettbewerb mit unterschiedlichen Wettbewerbsteilnehmern auseinander, für die andere Regeln und keine Beihilferegeln gelten. Gerade am Beispiel unserer Mikroelektronik ist deutlich geworden, dass Länder wie Taiwan, China, Japan und Korea ganz andere Spielregeln kennen als wir. Deshalb ist es wichtig, dass wir Industriepolitik
nicht nur als eine Diskussion über Key Enabling Technologies, also die Schlüsseltechnologien, verstehen, sondern das macht viel mehr aus.
Ich würde mir wünschen, dass wir den Wettbewerbsgedanken auch auf diese Kontinente übertragen, weil ein unsinniger Wettbewerb um staatliche Beihilfen diese Welt letztendlich schwächen wird. Gerade in den letzten Jahren, was die Finanzsituation weltweit betrifft, sehen wir, dass man sich einen finanziellen Subventionswettlauf auf Dauer nicht leisten kann; denn er ist mit enormen Konsequenzen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbunden.
Bei der Vielzahl der Fragen, die die Große Anfrage aufgeworfen hat, möchte ich mich auf drei Fragen beschränken. Das ist zum einen, weil ich aus dieser Region komme, die Frage der Grenzkriminalität. Das ist zum anderen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und das ist auch die künftige Strukturfondsförderung.
Mich hat die Antwort auf die Frage der Koalition – welche Auswirkungen hatte und hat der Wegfall der Grenzkontrollen insgesamt? – schon sehr irritiert. Die Antwort lautete – man muss sie sich wirklich zu Gemüte führen –: „Die Kriminalität in den Grenzgemeinden war in den letzten Jahren ebenfalls rückläufig.“ Vorher geht es um die in Sachsen. „Dies trifft jedoch nicht für alle Deliktsbereiche gleichermaßen zu. Probleme bereiten insbesondere Diebstahlsdelikte. Durch entsprechende polizeiliche Maßnahmen wird dem entgegengewirkt.“