Besonders groß ist die Heuchelei von SPD und GRÜNEN, die jetzt, da sie im Bund nicht mehr regieren, lauthals die Beschädigung von Forschung und Lehre, neue soziale Härten und Bildungsbarrieren für die Studenten beklagen. Dabei wurde die Zerstörung der deutschen Universität mit ihren bewährten Studienordnungen und -abschlüssen im Jahr 1999 beschlossen, als SPD und GRÜNE in Berlin selbst regierten.
Die Entstehungsgeschichte des Bologna-Prozesses zeigt auf drastische Art und Weise, wie die Europäische Union die Internationalisierung und Ökonomisierung sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche an den Parlamenten vorbei und gegen die Volkssouveräne in den Staaten der Europäischen Union durchsetzt. Deshalb liegt Bologna in diesem Fall nicht in Italien, sondern in Brüssel, wo wirtschaftshörige Politiker und Bürokraten eine studentenfeindliche und universitätsferne Hochschulreform beschlossen haben.
1999 haben 29 europäische Bildungsminister in Bologna eine Erklärung unterzeichnet, deren Ziel die Schaffung
eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes bis zum Jahr 2010 ist. Kernelement dieser Gleichschaltung der europäischen Universitätslandschaft und der Einebnung nationaler Hochschultraditionen ist die Einführung des zweistufigen Studiensystems mit den Bachelor- und Masterabschlüssen. Um eine internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse für den globalen Arbeitsmarkt – und nur darum geht es – zu schaffen, lehnten sich die europäischen Bildungsreformen ausgerechnet an das angloamerikanische System mit seinen Bachelor- und Masterstudiengängen an.
Mit der Bologna-Verpflichtung zwang man die deutschen Hochschulen von oben herab zu den radikalsten Umgestaltungsmaßnahmen seit den preußischen Hochschulreformen vor 200 Jahren. Dabei wurde diese von Wirtschaftslobbyisten gewünschte Europäisierung in keinem einzigen europäischen Parlament ernsthaft diskutiert, geschweige denn ratifiziert. Ein von oben und von außen erzeugter „Reform“-Druck verselbstständigte sich und führte ohne eigentliche gesetzliche Grundlage zur Hochschulreform von Bologna, die überall durchexekutiert wurde. Professoren und Studenten sind seitdem einem demokratisch nicht legitimierten Gleichschaltungsprozess unterworfen, der die zweit- und drittklassige CollegeAusbildung der angelsächsischen Hochschulen an die Stelle der bewährten deutschen Diplom- und Magisterstudiengänge setzt.
Das alles hat die rot-grüne Schröder-Regierung genauso wie die Merkel-Regierung nicht nur widerstandslos hingenommen, sondern aktiv vorangetrieben. Deshalb sollten Herr Mann und Herr Gerstenberg hier auch keine Krokodilstränen vergießen und Solidarität mit den Studierenden heucheln. Ihre Parteien haben die Bologna-Reform nach 1999 in Deutschland durchgeboxt und die Studierenden in ein verschultes, minderqualifizierendes Turbostudium von Europas Gnaden gejagt. Den Dank für starre Studienpläne, Verschulung, universitäres Organisationschaos, überfüllte Pflichtveranstaltungen, erschwerte Studienortswechsel und den Mangel an Magisterstudienplätzen können die Leidtragenden, also die Studierenden, an SPD, DIE LNKE und GRÜNE genauso richten wie an die neoliberalen Hochschulreformer von CDU und FDP. Sie alle haben das bewährte deutsche Hochschulsystem ohne Sinn und Verstand auf dem Altar der Europäisierung geopfert.
Dies ist eine freie Rede. – An kritischen Stimmen fehlte es damals wie heute nicht, aber diese kritischen Stimmen wurden mit der Arroganz der Macht überhört. Schon im Jahr 2005 warnte der NPD-Sachverständige Prof. Bernd Rabehl bei einer Anhörung zum Sächsischen Hochschulgesetz vor genau den Fehlentwicklungen, die heute zu beklagen sind, nämlich Bürokratisierung und Chaotisierung infolge des Hochschuldiktats von Bologna. Auf dem Altar der internationalen Konkurrenzfähigkeit soll alles geopfert werden, darunter auch das bewährte deutsche
Ja. – Nichts und niemand sollte den Zug ins hochschulpolitische Nirgendwo aufhalten, aber dieser Zug ist gründlich entgleist.
(Der Präsident stellt das Mikrofon ab. – Jürgen Gansel, NPD: – wie sie CDU und FDP in dieser Debatte behaupten, kann im Ernst nicht die Rede sein. – Beifall bei der NPD)
Kollege Gansel, Sie haben zwar weitestgehend frei gesprochen, aber Sie hatten wieder einen ausgearbeiteten Wortbeitrag dabei.
Nein. – Aber ich weise Sie noch einmal darauf hin: Stichworte! – Wenn das noch einmal passiert, muss ich Ihnen das nächste Mal das Wort entziehen.
(Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD – Jürgen Gansel, NPD: Das steht Ihnen überhaupt nicht zu! – Widerspruch bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)
Sie haben die Maßnahmen des Präsidenten nicht zu kritisieren. Sie können durchaus Einspruch dagegen einlegen, aber bei dem Ordnungsruf bleibt es jetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass den Damen und Herren von rechts außen die gesamte Richtung Bologna nicht gefällt, ist völlig klar.; denn diese steht für Weltoffenheit, für Globalisierung. Die grundsätzliche Ablehnung ist ein weiterer Nachweis – wenn es den denn überhaupt noch gebraucht hätte – für die fremdenfeindliche Grundeinstellung. Diese Haltung gibt es mit uns nicht.
Es wird auch nicht dazu kommen, dass wir den BolognaProzess etwa in „Wolfsschanze-Prozess“ oder Ähnliches umbenennen.
Nein. – Ich will etwas zu Ihnen sagen, Herr Gerstenberg. Verdienst der Besetzer ist diese Debatte nicht. Sie ist von der Regierungskoalition beantragt worden. Was mir mehr Sorge macht, ist Ihre Thematisierung, ist, dass Sie sagen: Wir könnten zum Beispiel in das Gesetz schreiben, dass es nur noch eine Prüfung in einem bestimmten Zeitraum gibt. Das wäre das Ende der Hochschulautonomie, für die wir uns eindeutig aussprechen.
Wir bekennen uns dazu und wir bekennen uns auch zur Subsidiarität des Gesetzgebers im Hochschulbereich. Das finde ich eine gute Ausrichtung.
Prof. Besier, Sie haben gefragt: Haben wir unsere Universitätstraditionen verspielt, gibt es eine „Verfachhochschulung“ von Universitäten? – Nein. Meine Fraktion leistet ein klares Bekenntnis zur Volluniversität, auch mit Nischenfächern. Das ist für die umfassende universitäre Ausbildung und auch für Spitzenleistungen unverzichtbar.
Richtig allerdings ist, dass wir das Verhältnis der Studentenschaft, etwa in den Universitäten, in den Fachhochschulen und unseren sehr schönen Berufsakademien, noch einmal dahin gehend hinterfragen müssen, ob alles das, was dort läuft, so richtig ist.
Herr Mann, in Ihrer Rede hat mich ein bisschen die Aussage enttäuscht: Mehr Geld, mehr Geld, mehr Geld. – Diese Forderung ist relativ wohlfeil, aber ich weise noch einmal auf Folgendes hin: Geld ist nicht alles, Geld ist notwendig. Denken Sie daran, dass wir inhaltlich im Freistaat Sachsen in der Pisa-Studie auf Platz 1 liegen, aber in der Frage, wie viel Geld wir pro Schüler ausgeben, im Ranking auf Platz 14, wenn ich das richtig sehe.
Es kommt darauf an, wie intelligent wir den Mitteleinsatz steuern und wie intelligent wir die Dinge ins Werk setzen. Das ist mir wichtig.
Aber – um auch das klarzumachen – wir stehen zu dem Ziel, insgesamt 10 % unseres Bruttoinlandsprodukts für Bildung, Wissenschaft und Forschung auszugeben. Das hat unser Ministerpräsident gerade noch einmal bekräftigt und dabei bleibt es. Das ist gut angelegtes Geld. Hochschulpolitik – ich wiederhole das – ist für den Freistaat eben auch eine Überlebensfrage, der wir uns stellen.
Über Studiengebühren haben wir das letzte Mal gesprochen, das muss ich hier nicht wiederholen. Das Thema ist kein Tabuthema, aber in dieser Legislaturperiode wird das nicht erfolgen und pauschal schon gar nicht. Wenn, dann muss es das qualitative Sahnehäubchen in einer abgestimmten Gesamtfinanzierung sein.
Was aber nicht geht, ist, dass wir die Entwicklung im Freistaat Sachsen sozusagen auf der einen Seite sehen und
Herr Mackenroth, Sie sagten gerade, wir hätten nur mehr Geld gefordert. Alle Studien, egal ob vom wirtschaftsnahen Institut der neuen sozialen Marktwirtschaft oder der Hochschulentwicklungsplanung interjection: (Vorbericht) und viele andere beinhalten, dass wir in Sachsen für die Lehre durchschnittlich 2 000 Euro weniger zur Verfügung haben als im Bundesdurchschnitt. Das heißt, es ist auch eine Frage der Steuerung – –
Es ist eine Frage der Steuerung. Wie gehen wir mit den Mitteln, die wir für Hochschulen und Bildungseinrichtungen einsetzen, um? – Genau dazu habe ich Vorschläge unterbreitet und hätte gern auch eine Stellungnahme dazu und nicht nur zum allgemeinen Kostenargument.
Genau. Ich habe Ihnen darzulegen versucht, dass Geld wichtig ist und dass wir zu dem Grundsatz „Plus 10 %“ stehen, dass es mir aber wesentlich darauf ankommt, wie intelligent wir das Geld für die Ziele einsetzen, die wir als richtig erkannt haben.
Wir können die Steuermittel nicht mit der Streubüchse verteilen. Ich wiederhole auch noch einmal, weil Sie das beim letzten Mal ein bisschen bewusst falsch verstanden haben: Der Umstand, dass wir ein staatlich finanziertes Grundstudium haben, besagt nicht, dass das Studium kostenlos ist, sondern dass es der Steuerzahler zahlt. Das ist gut so. Wir dürfen aber Steuergelder nicht verschwenden, denn auch das steht in unserer Sächsischen Haushaltsordnung. Ich habe für eine zielgerichtete Einsetzung der vorhandenen und gegebenenfalls der zu steigernden Mittel plädiert.
Meine Damen und Herren! Wir können die Gesamtentwicklung im Freistaat, auch die finanzielle Gesamtentwicklung, nicht außer Acht lassen. Wenn wir in den nächsten Jahren ein strukturelles Defizit von 1 Milliarde Euro pro Haushaltsjahr haben, dann wird das eine Entwicklung sein, die an den Hochschulen genauso wenig vorbeilaufen kann wie an allen anderen Bereichen. Wir müssen uns auf Schwerpunkte konzentrieren. Wir müssen die Hochschulen weiter profilieren sowie die Fakultäten und Institute durch Forschungsschwerpunkte mit nationalem und internationalem Renommee stärken. Wir müssen im Freistaat vor allen Dingen ein inhaltlich abgestimmtes Gesamtstudienangebot vorhalten. Wir werden die Hochschulautonomie so weit und so lange vorantreiben, wie es
zu hoher Qualität in Forschung und Lehre führt. Aber die Grundbotschaft lautet: Auch Studieren ist kein Selbstzweck. Wir wollen exzellente Forschung und Lehre, um viele gut ausgebildete Akademiker für unseren Arbeitsmarkt und für ihre Lebensperspektive zu haben.