Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Ja, Herr Fischer.

Bitte.

Sehr geehrte Frau Lauterbach, wir kommen ja nun beide aus Großenhain.

(Heiterkeit)

Sie kennen die Berufsschule auf der Poststraße.

Sagen Sie mir bitte ernsthaft, wie Sie diese Ihre Wortmeldung gerade begründen. Sie wissen, die Schülerinnen und Schüler stehen dort auf dem Streifen.

Bitte nur die Frage stellen, keine Erklärungen.

Okay. – Erste Frage: Haben Sie mit Herrn Berufsschulleiter Kniese das Thema erörtert?

Zweite Frage. Wie stehen Sie zu der versicherungsrechtlichen Komponente, wenn die Schülerinnen und Schüler dort auf dem Bürgersteig stehen und nicht versichert sind?

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Auch wenn ich das mit Herrn Kniese beraten hätte, würde sich meine Meinung nicht ändern.

(Zuruf von der CDU: Beratungsresistent?)

Ich bin für einen konsequenten Nichtraucherschutz, und gerade Berufsschüler – das ist genau unsere Zielgruppe – müssen und sollen nicht rauchen. Wer, wenn nicht sie? Denen müssen wir es beibringen, und dafür ist dieses Gesetz, wie es bisher war, gut. – Danke.

Ich mache weiter im Text.

Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Ich möchte noch eines zum Änderungsantrag der SPD sagen: Das sind genau die Punkte, die auch wir anmahnen. Diesen können wir zustimmen. Zum Entschließungsantrag der CDU: Na ja, wenn ein Antrag schon beginnt mit: „Es wird zukünftig geprüft...“, dann ist dies nicht wirklich zielführend.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion, bitte; Frau Abg. Neukirch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein großer gesundheitspolitischer Rückschritt und eine große Enttäuschung für alle, die sich in den vergangenen Jahren für nachhaltige Verbesserungen des Gesundheitsschutzes in Sachsen und in der Bundesrepublik, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, eingesetzt haben.

Das war durchaus nicht immer eine Aufgabe, die großen Spaß gemacht hat; denn wenn man mit Menschen über ihre Laster und ihre schlechten Angewohnheiten ins Gespräch kommt und darüber, wie sie damit ihre eigene Gesundheit und vor allem die Gesundheit anderer gefährden, dann hat man eben nicht immer die einsichtigen Gesprächspartner. Aber da muss man durch, und diese

Diskussionen haben, denke ich, auch in der Koalition viele geführt, die jetzt ein Stück weit enttäuscht sind.

Das ursprüngliche Nichtraucherschutzgesetz war ja im Prinzip aus gesundheitspolitischer Sicht bereits ein Kompromiss. Konsequenterweise hätte aus dieser Sicht überhaupt keine Ausnahme zugelassen werden dürfen. Aber ein Vorhaben, welches auf Verhaltensänderung, auf einen Bewusstseinswandel der Menschen in diesem Land zielt, muss auch die Menschen mitnehmen. Es lebt davon, dass die Regelungen akzeptiert und mitgetragen werden. Das war ein Argument, hierbei Spielräume zu lassen – gerade in Gaststätten mit Raucherräumen –, welches bei der SPD zu einer Zustimmung zu diesem Gesetz in dieser Gestalt geführt hat.

Nun ist aber leider die Gleichstellung der Einraumgaststätten zwar die Ursache für diesen Gesetzentwurf, jedoch eben nur ein kleiner Teil dessen, was wir hier diskutieren. Die Koalition ist zum Schluss eben doch wenigen Interessenvertretern für weitere Ausnahmen auf den Leim gegangen – und das zu einer Zeit, in der die Zustimmung zu diesen Nichtraucherschutzmaßnahmen wächst. Man kann monatlich messen, wie die Zustimmung wächst. Nicht nur bei Nichtrauchern, die die klare Luft gut finden, sondern auch bei Gelegenheitsrauchern sowie regelmäßigen Rauchern ist eine hohe Zustimmung zu verzeichnen. Allein in den letzten zwei Jahren ist auch dieser Teil um mehr als 10 % gestiegen, und ich denke, hier hätte man gut weitergehen können. Sie verändern also ohne Not etwas wieder zum Schlechteren, was als Gutes durchaus schon akzeptiert worden ist.

Das Signal, das wir damit senden werden, ist, dass es uns wohl doch nicht so ernst mit dem Gesundheitsschutz war, dass es nicht so wichtig ist: „Liebe Leute, nehmt uns auch weiterhin nicht so ernst.“ Ich sage hier ganz deutlich: Die SPD-Fraktion wird diesem Vorhaben ihre Zustimmung nicht geben; denn das Änderungsgesetz mit diesen zusätzlichen Ausnahmen, betone ich, setzt genau an den zwei Kernpunkten der Schutzbereiche des Nichtraucherschutzes an. Der eine Punkt ist der Arbeitsschutz, und der andere ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen. Ich möchte konkret auf die einzelnen Punkte eingehen.

Punkt 1. Bei geschlossenen Gesellschaften in Gaststätten darf nun auch in den ansonsten rauchfreien Räumen wieder geraucht werden, was dort wiederum zu einer Schadstoffbelastung führt, die in die Zeit nachwirkt, in der diese Räume wieder rauchfrei sind.

Punkt 2. Auch bei geschlossenen Gesellschaften arbeiten Menschen in der Gaststätte, die dem Passivrauchen – und damit einer Gesundheitsgefährdung – ausgesetzt werden und dadurch einer Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterliegen.

Punkt 3. Bei geschlossenen Gesellschaften dürfen nun wieder Kinder und Jugendliche teilnehmen, auch wenn geraucht wird, obwohl Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sonst keinen Zutritt zu Raucherräumen haben. Also, hier irgendeine Logik oder auch nur im Ansatz eine gesundheitspolitische Verantwortung zu erkennen ist mir

nicht möglich, und ich denke, es ist auch nicht vermittelbar.

Punkt 4 betrifft die Wiedereinführung von Raucherbereichen an berufsbildenden Schulen. Hier gehen Sie einen zweiten wichtigen Kernpunkt an, der da heißt „Schutz von Kindern und Jugendlichen“, vor allem im Bildungsbereich. Es ist eben nicht so, dass an berufsbildenden Schulen alle Schülerinnen und Schüler über 18 Jahre alt sind. Hierzu muss ich sagen: Ich kenne die Einwände der Berufsschulleiter und -lehrer, und ich denke, bei einer Abwägung können Gefährdungen wie Suchtverhalten, Atemwegserkrankungen oder Risiken noch schlimmerer Erkrankungen nicht mit einem Müllproblem am Rande einer Schule aufgewogen werden. Hier sollten wir die Verantwortung ganz klar einseitig gestalten.

Punkt 5 – ein gravierender: Mit dieser Ausnahme für Berufsschulen handeln Sie sich ein weiteres verfassungsrechtliches Problem ein. Sie stellen Bildungsträger unterschiedlich dar; und es ist zu befürchten, dass andere Bildungseinrichtungen mit einem Schüleranteil von über 18-Jährigen das gleiche Recht für sich beanspruchen werden. Was machen Sie dann? Man kann nur hoffen, dass Lehrer- und Schülerkonferenzen an dieser Stelle schlauer sind als die Gesetzgeber und die Raucherecken auf dem Schulhof nicht flächendeckend eingeführt werden; denn – Herr Krauß sagte es bereits – gerade bei Kindern und Jugendlichen zeigt die Statistik, wie wirkungsvoll diese Maßnahme der Nichtraucherschutzgesetze gewirkt hat: Der Raucheranteil bei Jungen und Mädchen ist enorm gesunken. Auch die Ausweitung des Einstiegsalters ins Rauchen ist enorm wichtig, denn wir wissen: Wer bis zum 18. Lebensjahr nicht mit dem Rauchen angefangen hat, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter nicht tun.

Das Sozialministerium verkündet auf den Internetseiten zu den Gesundheitszielen noch stolz, dass in Sachsen die Schulen rauchfrei seien. Wir haben in Sachsen zwei Gesundheitsziele, die ich auch richtig und wichtig finde. Das eine ist – Frau Lauterbach sagte es – die Verringerung des Tabakkonsums an öffentlichen Einrichtungen und „Gesund aufwachsen“. Hier wird viel Geld investiert, um nachhaltige Gesundheitsförderung und Prävention zu betreiben. Aber durch ein Gesetz wie dieses stellen Sie die Intention und die Konsequenz dieser Gesundheitspolitik nachhaltig infrage.

Man kann nicht einerseits Gesundheitsziele als Deckmäntelchen verfolgen und auf der anderen Seite mit solchen entgegengesetzten Regelungen alles unterlaufen. Das können Sie den Bürgerinnen und Bürgern, auch den Raucherinnen und Rauchern, denke ich, nicht mehr vermitteln.

Wir werden einen entsprechenden Änderungsantrag stellen, in dem Sie noch einmal die Gelegenheit bekommen, die beiden Punkte wieder aus der Welt zu schaffen. Ich hoffe, Sie tun das. Ansonsten werden wir als SPDFraktion dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die FDP-Fraktion, bitte; Frau Schütz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordneten! Der Schutz von Nichtrauchern genießt oberste Priorität. Gesundheitsschutz in allen Altersgruppen und jeder sozialen Schicht muss Ziel der politischen und gesellschaftlichen präventiven Aufklärungsarbeit sein, denn Freiheit und Verantwortung sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille.

Mit dem jetzt vorliegenden Änderungsentwurf hat aber hoffentlich vorerst die epische Debatte über den Nichtraucherschutz in diesem Haus ein Ende. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat uns als Gesetzgeber den Auftrag erteilt, das Sächsische Nichtraucherschutzgesetz bis Ende dieses Jahres nachzubessern. Diesem Auftrag wird hiermit nachgekommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es wurden nicht nur die Regelungen über Einraumgaststätten, Diskotheken und Spielhallen mittels der Kennzeichnungspflicht novelliert. Wir haben darüber hinaus die Regelung für geschlossene Gesellschaften geschaffen; denn wenn beispielsweise die Kameraden einer Freiwilligen Feuerwehr ihre Weihnachtsfeier in der örtlichen Gaststätte ausrichten wollen, dann spricht aus meiner Sicht – und hoffentlich auch aus Sicht des Wirtes – nichts dagegen, ihnen das Rauchen in dieser geschlossenen Gesellschaft zu gestatten; denn Eigenverantwortung darf man nicht nur fordern, sondern man muss sie auch akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn wieder die Kritiker mit dem Beispiel der Goldenen Hochzeit von Oma und Opa kommen, wo ohne Rücksicht auf minderjährige Enkel gequalmt wird, dann wird den Familien pauschal Unverantwortlichkeit unterstellt, und wir respektieren die Wahrnehmung der Eigenverantwortung unserer Mitbürger überhaupt nicht.

In jeder Familie – ich denke, da kann jeder mitreden – gibt es die Person, die mit dem Hinweis auf anwesende Kinder oder ältere Personen darum bittet, auf das Rauchen zu verzichten. Aber rauchende Eltern, die dies auch privat tun, können wir damit natürlich nicht ausschließen. Der Unterstellung, wir würden ihnen damit Vorschub leisten, halte ich jedoch entgegen: Wer versucht, erwachsene Menschen mittels Verboten zu erziehen, der wird sie wahrscheinlich nie in Freiheit und Verantwortung entlassen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lassen Sie uns stattdessen selbst Vorbild sein und in der präventiven Aufklärungsarbeit jedes Einzelnen wirken. Zudem denke ich, dass es zu den erwähnten Horrorszenarien überhaupt nicht kommen wird, denn – ganz im

Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren – mit diesem Gesetzentwurf wird die Privatsphäre unserer Mitbürger endlich respektiert, und er hält sie auch frei von staatlicher Regulierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle zu unserem Entschließungsantrag kommen, den ich hiermit gleich einbringen möchte. Wir setzen uns für die Aufnahme einer sogenannten Innovationsklausel in das Nichtraucherschutzgesetz ein. Der weitreichende technische Fortschritt wird auch vor der Gastronomie nicht haltmachen, und vergleichbare Klauseln gibt es bereits in Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Wenn moderne Entlüftungstechnik oder nikotinfreie Zigaretten einen vergleichbaren Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens ermöglichen, dann muss diese Technik auch eingesetzt werden; denn der Gesundheitsschutz muss vom technischen Fortschritt profitieren können und darf nicht von ihm ausgeschlossen werden. Die genauen Anforderungen und Standards der Technik können von der Staatsregierung mittels Rechtsverordnung festgesetzt werden. Mit diesen Standards befasst sich bereits eine bundesweite Prüfgruppe. Auf deren Ergebnissen aufbauend, kann Sachsen innovationsfreundliche und die Gesundheit schützende Technik nicht nur in den Gaststätten einführen.

Zu den herkömmlichen Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen – und damit zugunsten des Gesundheitsschutzes – tritt somit eine weitere hinzu. Ich bitte Sie daher sehr um die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und unserem Entschließungsantrag.