Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

Tagesordnungspunkt 7

Festlegung der Mitgliederanzahl des 3. Untersuchungsausschusses

(Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen)

Drucksache 5/8701, Antrag der Fraktionen

DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es ist keine Aussprache vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/8701 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die

Stärke des 3. Untersuchungsausschusses beschlossen, und wir können morgen über die Wahlvorschläge der Fraktionen dazu befinden.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Kein Abiturzwang für Gesundheits- und Pflegeberufe –

Zehnjährige allgemeine Schulbildung beibehalten

Drucksache 5/8589, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile Frau Strempel von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Problematik der Anhebung der Zugangsvoraussetzungen für die Krankenpflege- und Hebammenausbildung beschäftigt uns jetzt seit Sommer letzten Jahres. Ich möchte kurz in die Historie hineingehen.

Artikel 47 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sieht vor, dass Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen erlassen werden. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben im Jahr 2005 die Berufsanerkennungsrichtlinie erlassen, die bis zum Ende letzten Jahres ihre Gültigkeit hatte. Ziel der Richtlinie war und ist, die Mobilität der Bürger der EU zu fördern und zu erleichtern.

Gerade für das in Deutschland stark vom Fachkräftemangel betroffene Gesundheitswesen ermöglicht diese Richtlinie, unkompliziert Fachkräfte aus anderen Ländern in Deutschland tätig werden zu lassen. Das betrifft zum Beispiel Ärzte oder Pflegekräfte aus den anderen EUStaaten.

Die Richtlinie enthält weiterhin die Mindestanforderungen an eine Berufsausbildung bzw. an die Berufsausbildungen sowie die ganz konkreten Zugangsvoraussetzungen für die Aufnahme dieser Berufsausbildung als Gesundheits- oder Krankenpfleger sowie als Hebammen und auch als Entbindungspfleger. Diese Zugangsvoraussetzung war bisher eine zehnjährige allgemeine Schulausbil

dung. Das wurde und wird von Deutschland gestützt, da nach zehn Jahren allgemeiner Schulbildung die Absolventen mit einem mittleren Bildungsabschluss bisher sehr gut den Anforderungen der anspruchsvollen Ausbildung in den Kranken- und Entbindungspflegeberufen gewachsen waren und sind.

Im vergangenen Jahr erfolgte allerdings durch die Europäische Kommission eine Evaluierung der Berufsanerkennungsrichtlinie unter Beteiligung aller EU

Mitgliedsstaaten. Ziel dieser Änderung ist die Anhebung der Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung von Krankenpflegekräften sowie Hebammen und Entbindungspflegern von derzeit zehn Schuljahren auf zwölf Schuljahre. Laut Aussage der Europäischen Kommission soll dies keine Forderung nach einem Abitur darstellen. Die EU will allerdings den von Deutschland abweichenden Schulsystemen der meisten anderen Mitgliedsstaaten Rechnung tragen.

Was würde dies für Deutschland bedeuten? In verschiedenen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Irland, beginnt die allgemeine Schulpflicht bereits mit vier Jahren, sodass logischerweise zwölf Jahre allgemeine Schulbildung erreicht werden. Im Vergleich zu Deutschland kann man das erreichte Leistungsniveau dieser Schulbildung in den besagten Ländern allerdings mit dem mittleren Bildungsniveau unseres zehnjährigen Schulsystems gleichsetzen. Die Qualität unterscheidet sich nicht. Da aber Deutschland keine vorschulischen Kindergartenjahre hat, bewirkt die Forderung der Europäischen Kommission für Deutschland faktisch die Notwendigkeit der Fachhochschulreife, also des Abiturs, als Zugangsvoraussetzung für diese Berufe.

Meine Damen und Herren! Bisher erfüllten in Deutschland die ausgebildeten Pflegekräfte und Hebammen alle im europäischen Raum gültigen Qualitätsstandards voll

und ganz. Es waren Fachkräfte, die europaweit nicht nur anerkannt waren und sind, sondern auch extrem nachgefragt wurden, und zwar aufgrund ihrer wirklich qualitativ sehr guten praktischen und theoretischen Ausbildung.

Die Anhebung der Zugangsvoraussetzungen hätte allein im Bereich der Pflege eine verheerende Auswirkung auf die Gewinnung von Fachkräften. Es ist sicher schier unmöglich, dass die in den kommenden Jahren in der Pflege benötigten Auszubildenden allein aus der Klientel der Abiturienten rekrutiert werden. Angesichts der enormen Bemühungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Pflegeausbildung ist diese Entwicklung gerade jetzt mit Besorgnis zu sehen.

Am 1. März 2012, also vor gut einem Monat, hat die besagte Arbeitsgruppe in Übereinstimmung mit allen Parteien und Bundesländern einen Eckpunkteentwurf vorgelegt, um die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einem generalistischen Berufsbild zusammenzuführen. Ginge es nun nach den Vorstellungen der EU, so müsste in Deutschland auch für den Altenpflegebereich eine Gewinnung von Auszubildenden aus dem Bereich der Abiturienten erfolgen.

Darüber hinaus würde sich eine Anhebung der Zugangsvoraussetzungen bzw. eine Umstellung der Ausbildung auch auf andere Berufe und Weiterbildungen gravierend auswirken.

So wäre beispielsweise die Anschlussfähigkeit der Ausbildung in der Krankenpflegehilfe, die sehr gut für Schüler mit Hauptschulabschluss geeignet ist, an eine weiterführende Ausbildung in der Alten- und Krankenpflege unter Anrechnung des ersten Ausbildungsjahres nicht mehr gewährleistet. Die bildungspolitische Zielsetzung "Kein Abschluss ohne Anschluss" könnte damit nicht mehr gehalten werden. Hinzu kommt, dass die in Sachsen gut funktionierende Weiterbildung in der Pflege ebenfalls vollkommen neu konzipiert werden müsste.

Sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesländer haben sich in einer Bundesratsempfehlung für die Beibehaltung der zehnjährigen Schulpflicht als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme der von mir genannten Ausbildungen ausgesprochen. Trotzdem hat die EU, ungeachtet aller Bemühungen, den "Entwurf zur Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie" im Dezember 2011 vorgelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag bitten, um alle Möglichkeiten zu nutzen, die dargestellten negativen Auswirkungen der Änderung der bisher geltenden EU-Rechtslage auf die Verfügbarkeit von Fachkräften im Gesundheits- und Pflegebereich in Deutschland abzuwenden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Schütz spricht als nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die Ausführungen, die Frau Strempel bereits gemacht hat, noch einmal in den verschiedenen Punkten untersetzen, um deutlich zu machen, worum es uns in Sachsen und letzten Endes in Deutschland geht.

Wie bereits gesagt, wurde im letzten Sommer die Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie – ein Entwurf – vorgeschlagen. Der Kernpunkt ist, die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildungen zu Krankenschwester, Krankenpfleger, Hebamme und Entbindungshelfer auf zwölf Jahre anzuheben. Das heißt, nur noch derjenige, der eine zwölfjährige Schulpflicht nachweisen kann oder eine Prüfung auf gleichwertigem Niveau bestanden hat, soll diese Berufe ergreifen können.

Die vorgesehene Anhebung der Zugangsvoraussetzungen auf zwölf Jahre Schulpflicht kommt allerdings in Deutschland faktisch einer Abiturpflicht gleich. Diese zwölf Schuljahre wirken sich in anderen europäischen Ländern allerdings überhaupt nicht aus; denn beispielsweise beginnt die allgemeine Schulpflicht in den Niederlanden oder in Irland bereits mit vier Jahren. Für diese Länder ist es also vollkommen unproblematisch, zwölf Schuljahre erreichen zu können, auch wenn das Leistungsniveau, verglichen mit Deutschland, eher dem mittleren Bildungsniveau entspricht. Da unser deutsches Schulsystem die vorschulischen Kindergartenjahre der außerschulischen Bildung zuordnet, bedeutet diese Forderung der Europäischen Kommission das Abitur als Zugangsvoraussetzung für diese Berufe.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz klar: Wir wollen junge Menschen für helfende Berufe gewinnen, und das erreichen wir nicht, indem wir ein Pflege-Abi einführen und damit die Hürden für den Start in die Pflegeausbildung anheben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die in Deutschland ausgebildeten Pflegekräfte und Hebammen erfüllen die Qualitätsstandards, die im europäischen Raum bisher gelten und auch zukünftig gelten werden, voll und ganz. Sie sind gleichwertig, und ich möchte betonen, dass die hier ausgebildeten Krankenschwestern, Krankenpfleger und Hebammen europaweit sehr anerkannt sind, sonst würden sie nicht überall in den Ländern mit Kusshand genommen werden.

Wir haben in Deutschland gute Erfahrungen mit der zehnjährigen Schulausbildung gemacht. Unserem deutschen Ausbildungssystem wird europaweit eine große Akzeptanz entgegengebracht, und die Absolventen sind der anspruchsvollen Ausbildung in den Gesundheits- und Pflegeberufen absolut gewachsen. Sie verfügen mit ihrem Abschluss über eine solide allgemeine Schulbildung, und ich möchte nicht, dass wir den Pflegeberufen gegebenenfalls noch eine Ausbildung vorschalten müssen, nur, um es der EU recht zu machen.

Eine EU-weite Vereinheitlichung der Zugangsvoraussetzungen ist aus meiner bzw. unserer Sicht eine Gleichma

cherei um jeden Preis. Diese wird am Ende aber nicht zu höherer Mobilität der Arbeitnehmer in Europa führen. Nein, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber berichtet schon heute, dass es in den anderen Mitgliedsstaaten nur geringe Probleme bei der Anerkennung der Qualifikationen gibt. Nein, diese Gleichmacherei wird am Ende einen verschärften Fachkräftemangel hervorrufen. Aber genau diese Fachkräfte – jede Krankenschwester, jeder Krankenpfleger – werden gebraucht, und zwar hier bei uns.

Die demografische Entwicklung stellt die Pflegebranche bereits heute vor enorme Herausforderungen. Schätzungsweise 970 000 Beschäftigte waren 2011 im Pflegesektor tätig und kümmerten sich um rund 2,5 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. 2050 müssten die Beschäftigtenzahlen bereits bei über zwei Millionen liegen, die sich um vier Millionen Pflegebedürftige kümmern. Je weniger qualifiziertes Personal aber zur Verfügung steht, desto mehr wird in der Praxis auf Hilfskräfte zurückgegriffen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Akademisierung der Pflegeberufe ist der völlig falsche Weg, um den Prognosen, die ich Ihnen gerade nannte, gerecht zu werden. Schon jetzt kämpfen die Pflegeeinrichtungen um den raren Nachwuchs, und es ist typisch für eine unvernünftige EU-Bürokratie und nicht hinnehmbar, dass der Zugang zu einem der wichtigsten Berufsfelder der Zukunft künstlich erschwert werden soll. Eine Öffnung der Pflegeberufe nach oben, um Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen: ja; aber die Hürde so hoch zu legen, dass Absolventen der Mittelschule jede Chance verwehrt bleibt, sich in einem Pflegeberuf – dem Beruf der Krankenschwester oder des Krankenpflegers – zu beweisen: nein.

Um Patienten gut zu pflegen, braucht es nicht zwangsläufig das Abitur. Dazu braucht es neben Kompetenz auch Einfühlungsvermögen, Motivation, Engagement und Interesse an dieser Zukunftsbranche. Daher wollen wir an der zehnjährigen Schulpflicht festhalten. Wir können es uns nicht leisten, auf gute Nachwuchskräfte zu verzichten, und wir wollen möglichst vielen Interessenten den Weg in den Pflegeberuf eröffnen und diesen nicht durch neue Hindernisse versperren. Ich lade Sie daher ein, unserem Antrag zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Lauterbach spricht nun für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Der Pflegebedarf steigt, die Fachkräfte werden knapp. Vor diesem Hintergrund diskutieren Fachleute und Politiker – wie wir heute – seit Längerem über eine Reform der Pflegeausbildung. Im Raum steht eine einheitliche Basis

qualifikation für Kranken- und Altenpflege. Um die Attraktivität des Berufes zu erhöhen, müssen sich aber auch Gehalt und Image verbessern.