Meine Damen und Herren, es geht in der Aussprache weiter mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Weichert; Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Verbandsvertreter! Das Image vom Kleingartenzwergparadies trifft schon lange nicht mehr zu. Vielmehr werden Kleingärten auch wieder verstärkt von Familien und jungen Menschen als wohnortnahes Rückzugsgebiet aus dem städtischen Beton- und Asphalt-Alltag gesehen. Schrebergärten bieten die Möglichkeit, eigenes Obst und Gemüse anzubauen oder sich im Grünen zu erholen. Gerade auch vor dem aktuellen Hintergrund halte ich es für legitim, sich mit dem Thema Kleingärten zu beschäftigen. Die Große Anfrage der LINKEN ist allerdings nicht innovationspreisverdächtig.
Noch schlimmer sind die Antworten der Staatsregierung: einfallslos, lieblos, substanzlos, ja parlamentsmissachtend. Ein Zitat – exemplarisch heißt es –: „Zusammenfassende Antwort von... bis...: Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse vor... Die Staatsregierung hat keine Möglichkeiten... Die Staatsregierung sieht keinen Bedarf...“ etc. etc.
Dabei gibt es doch einiges zu sagen, meine Damen und Herren. Als Teil des Grünflächensystems erfüllen Kleingärten in der Stadtplanung wichtige Ausgleichsfunktionen. Sie sind durch ihre sozialen, ökologischen und städtebaulichen Funktionen Bestandteil einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Der hohe Baum- und Strauchanteil in den Kleingarten trägt erheblich zur Verbesserung des Stadtklimas bei. Staub und Luftschadstoffe werden gebunden. Die Pflanzen halten einen Teil des Regenwassers zurück und erhöhen damit die Luftfeuchtigkeit. Durch die Kondensation dieses Wassers bleiben die Grünflächen im Sommer angenehm kühl. Im Übrigen:
Die über Kleingarten entstandene Frischluft kommt den angrenzenden bebauten Wohngebieten zugute, die Gärten bilden zudem eine Ausgleichsfläche für ständig zunehmende Flächenversiegelung.
Wenn Kleingärten naturgemäß bewirtschaftet werden – und dieser Trend nimmt zu –, können sie schnell zu einer Oase für Tiere und Pflanzen werden. Ihre Artenvielfalt ist wesentlich höher als die öffentlicher Parkanlagen. Sie bieten Nistmöglichkeiten für Vögel und sind Lebensraum für viele verschiedene Tiere. Gemeinsam mit anderen Grünflächen tragen Kleingärten zur Biotopvernetzung bei.
Die Bedeutung der Kleingärten, auch in Sachsen, reicht aber weit über die ökologische Bedeutung hinaus. Kleingärten fördern bei Kindern und Jugendlichen das Natur- und Umweltbewusstsein und sind damit wichtiges Element der Umwelt- und Naturerziehung. Zunehmend werden auch in sächsischen Städten Kleingärten durch Migranten gepachtet. So können sich Migrant(inn)en und Deutsche aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Lebensformen begegnen. Beim gemeinsamen Bewirtschaften von Gärten mitten in der Stadt entstehen neue Verbindungen und Zugehörigkeiten.
Meine Damen und Herren! Aus all diesen Gründen ist die Förderung des Kleingartenwesens eine wichtige städtebauliche, gesundheits- und sozialpolitische Aufgabe; denn wer als Kind oder Erwachsener in einem Garten spielen und wirken kann, wer in die gemeinsamen Aktivitäten eines Vereins eingebunden ist, wer selbstbestimmtes Wirken mit gesunder Ernährung verbinden kann, wer Artenvielfalt und Erholung pflegt, der ist eine wichtige soziale Stütze in unseren Städten und Gemeinden und kann sich zugehörig fühlen. Damit das so bleibt, wollen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die vorhandenen
Dass genau dies momentan zur Diskussion steht, konnten wir in den vergangenen beiden Tagen der Presse entnehmen. In Sachsen sollen mehr als 100 Kleingartenvereine mit circa 9 000 Pächtern ihre auf Staatsland liegenden Grundstücke kaufen. Warum?, fragt sich der geneigte Leser. Das Finanzministerium spricht von zu hohem Verwaltungsaufwand. Mit dem Verkauf erhofft sich die Staatsregierung einen Erlös von 3 Millionen Euro. Vielleicht legt man dafür Schulgärten an.
Bei den Vereinen und Pächtern erzeugt das Vorhaben große Zweifel, weil in den Verträgen der Grund und Boden nach dem Bundeskleingartengesetz zeitlich unbefristet Gartenland bleiben müsste. Dies hätte zur Folge, dass auf die Vereine hohe Nachzahlungen zum Kaufpreis fällig werden würden, wenn diese zum Beispiel wegen Mitgliedermangels aufgelöst werden müssten.
Außerdem müssten auch ungenutzte Gärten gekauft werden. Es wäre besser, meine Damen und Herren, den Kleingärtnern die Flächen für einen symbolischen Betrag zu übergeben und mit den Vereinen gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, wie mit dem Leerstand vor allem im kleinstädtischen und ländlichen Raum umzugehen ist, wie junge Menschen für die Vereinsarbeit gewonnen werden können, welche Unterstützung die Vereine brauchen, um ihre Organisationen und ihre Anlagen neu positionieren, profilieren und professionalisieren zu können. Nicht nur Leerstand, sondern auch Kriminalität und Vandalismus sind aktuelle Probleme. Auch das Thema Vernässung spielt eine große Rolle. Ich wünsche mir heute Aufklärung seitens der Staatsregierung. Kleingärten sollten für den Freistaat alles andere als nur eine zusätzliche Einnahmequelle sein.
Meine Damen und Herren! Wenn die Staatsregierung auf der einen Seite in Schönwetterreden das Kleingartenwesen mit seinen vielen Ehrenamtlichen lobt, auf der anderen Seite aber weder fördert noch unterstützt, dann führt sie die Kleingärtner nicht nur in eine existenzielle Krise
Herr Staatsminister –, sondern verstärkt den Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Politik.
Wenn man sich einmal die Mühe macht und über den sächsischen Gartenzaun hinweg in andere Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Berlin schaut, dann findet man viele kreative Ideen, wie die beschriebenen Probleme zu lösen sind. Schließlich wollen wir eine Vielfalt in unseren Städten und Gemeinden. Die grünen Lungen in der Stadt sind wohnungsnahe Freizeitmöglichkeiten, verhindern unnötigen Verkehr und schonen somit die Umwelt. Wenn wir das weltweit vereinbarte 2-GradZiel schaffen wollen, dann werden wir künftig anders, nachhaltiger, naturverträglicher leben müssen. Wo kann das besser passieren, als beim Gärtnern und im Garten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss jetzt eine Rede halten, auf die sich eigentlich meine Fraktionskollegin Schüßler vorbereitet hat. Sie ist als Schriftführerin allerdings noch mit der Auszählung der Stimmen beschäftigt. Ich bin nicht der Kleingartenexperte der NPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren! In der Begründung zu dieser Großen Anfrage heißt es, dass das Kleingartenwesen in unterschiedlicher Nuancierung stets wichtige soziale, Natur, Umwelt, Boden und Landschaft schützende Funktionen wahrnehme. Ursprünglich als Armengärten oder nach dem Vorbild Schrebers als Mittel zur Volksgesundheit gedacht, bieten sie heute nicht nur älteren Menschen,
sondern immer mehr Familien mit Kindern die Möglichkeit, dem hektischen Treiben in den urbanen Zentren für eine gewisse Zeit zu entfliehen.
Das Durchschnittsalter der „Laubenpieper“ beträgt laut dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung zwar rund 60 Jahre, aber der Zulauf jüngerer Familien hat sich verstärkt. In der Zeit von 2003 bis 2008 gingen 45 % der Neuverpachtungen an Familien. 64 % aller Pächter, die seit dem Jahr 2000 einen Garten übernommen haben, sind jünger als 55 Jahre.
Kleingärten dienen der Allgemeinheit, da sie die Lebensqualität in unseren Städten durch Lärmverringerung, Staubbindung, Begrünung, Biotop- und Artenschutz und Auflockerung der Bebauung maßgeblich erhöhen. Sie bieten gerade Familien mit Kindern eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Kinder und Jugendliche aus den Städten können hier ein Gegengewicht zum Leben in Betonburgen erfahren, finden Ausgleich für die oft fehlenden Spielplätze und bekommen ein Spiel- und Kommunikationsfeld sowie Erlebnisräume in der Natur geboten.
Die Linksfraktion will mit der Großen Anfrage in Erfahrung bringen, welche Konzepte und Handlungsstrategien die Staatsregierung zur Fortentwicklung des sächsischen Kleingartenwesens in der Schublade hat. Die Antworten lassen nur einen Schluss zu, nämlich dass es ein solches Konzept nicht gibt und dass die schwarz-gelbe Koalition kein sonderlich großes Interesse daran hat, das sächsische Kleingartenwesen zu schützen oder weiterzuentwickeln.
Die Staatsregierung ist bei vielen Fragen überfordert. Das betrifft Fragen nach dem Leerstand oder nach dem Verpachtungsstand, nach Tafelgärten oder nach den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen wie nach dem Verhältnis der gedeckelten Pachthöhe zu öffentlichrechtlichen Lasten – um nur einige zu nennen. Oder sie verweist in der Antwort auf Frage 13 unter Abschnitt II auf die bekannte Formel: „Von einer Beantwortung wird abgesehen. Das Fragerecht des Abgeordneten dient dazu …“ Usw. usf. Wir kennen das alle, fürchte ich – zumindest viele –, aus unseren Kleinen Anfragen.
Im Prinzip ist das Anliegen der Großen Anfrage mit der Antwort auf die Frage 12 unter Abschnitt III schon erledigt: Der Freistaat Sachsen plant kein Landesförderprogramm für das Kleingartenwesen. Im Gegenteil: In den letzten Tagen wurde bekannt, dass der Freistaat auch bei den Kleingärten, die sich in seinem Besitz befinden, nicht davor zurückschreckt, diese zu veräußern, um die klammen Kassen aufzufüllen. In Dresden beispielsweise steht eine Fläche von 129 Hektar zum Verkauf, so die Hellersiedlung mit einer Fläche von 54 Hektar. Insgesamt sind mehr als 3 000 Kleingärtnerinnen und Kleingärtner betroffen. Der Freistaat Sachsen erhofft sich davon erhebliche Einnahmen.
Tatsache ist, dass die Stadt Dresden gerade einmal 5 Hektar der zu veräußernden Fläche aufkaufen will. Der Großteil wird dann wohl auf dem freien Markt gehandelt werden. Trotz Bestandsschutz nach dem Bundeskleingartengesetz und trotz der Deckelung der Pachthöhe geht
unter Kleingartenfreunden die Sorge um, dass private Investoren die erworbenen Flächen auf längere Sicht lukrativeren Zwecken zuführen könnten. Über derartige Aktivitäten ist der Staatsregierung – siehe die Antwort auf Frage 8 unter Abschnitt I – nichts bekannt. Zitat: „Der Sächsischen Staatsregierung sind derartige Aktivitäten von privaten Unternehmen nicht bekannt.“
bieten Berufstätigen Entspannung vom Arbeitsleben und vermitteln Arbeitslosen das Gefühl, gebraucht zu werden und dazuzugehören. Sie verringern nicht nur die soziale Isolation, sondern sind – Stichwort Tafelgärten – auch ein gutes Instrument, die gesunde Lebensweise zu fördern und Geld zu sparen, da der Schrebergarten frisches Gemüse zu einem minimalen Preis bietet. Über die Tafelgärten ist, wie schon erwähnt, offenbar auch nichts bekannt. Nicht zuletzt bieten Kleingärten unseren Senioren einen Ort des Gesprächs und der Ruhe. Gerade bei älteren Menschen verhindert die Beschäftigung im Kleingarten die Vereinsamung und soziale Isolation.
Der Freistaat Sachsen sollte aus eigenem Interesse dafür Sorge tragen, dass die Kleingärten als sozialer Erholungsraum erhalten bleiben, statt sich zu freuen, auf eine neue Einnahmequelle zur kurzfristigen Auffüllung der Landeskasse gestoßen zu sein. Es bedarf langfristiger Konzepte und Strategien, um Sachsens Schrebergartenlandschaft zu erhalten und zu fördern. Dafür steht die Staatsregierung in der Pflicht.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen? – Diese kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Jawohl. Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kleingärtnerinnen und Kleingärtner im Saal! – Die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner auf der Tribüne darf ich leider nicht begrüßen.
Ich habe mich eigentlich auf die Diskussion heute gefreut. Ich bin jetzt ein wenig enttäuscht, dass wir überwiegend negativ diskutiert haben. Das haben unsere Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in Sachsen nicht verdient.
Unsere Kleingärten sind Oasen in unseren Städten und Gemeinden. Wir brauchen unsere Kleingärten. Herr Weichert, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie ausgeführt haben, welche Funktionen die Kleingärten in den Städten
wohlgemerkt: in den Städten – einnehmen. Sie sind ein fester Bestandteil unserer Heimat. Sie erbringen zahlreiche ökologische Leistungen, auf die sie verweisen können, und sie übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft, meine Damen und Herren!
Die Kleingärten und das ehrenamtliche Engagement in den Kleingärten sind aus unseren sächsischen Städten und Gemeinden nicht mehr wegzudenken. Glücklicherweise scheinen sich die Kleingärten in Sachsen auf gutem Boden zu befinden. Immerhin ist jeder fünfte deutsche Kleingärtner ein Sachse – 20 % der Kleingärtner sind Sachsen.
Die Sächsische Staatsregierung hat den Kleingärtnern stets eine besondere Pflege angedeihen lassen. Die gesetzlichen Schutzmechanismen des Bundeskleingartengesetzes und die angebotenen Unterstützungsmöglichkeiten schaffen einen Rahmen, um das sächsische Kleingartenwesen weiter wachsen und gedeihen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Es wird immer in den Raum gestellt, die Sächsische Staatsregierung tue nichts für die Kleingärtner. Das stimmt ganz einfach nicht. Ich darf an die Rahmenbedingungen erinnern, die wir bieten. Mit Dresden-Pillnitz haben wir in Sachsen ein erstklassiges Zentrum für alle Menschen mit einem grünen Daumen. Dort geben hochrangige Institutionen wie die Bundesanstalt für Züchtungsforschung, die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie wichtige Impulse auch für das Kleingartenwesen.