Protokoll der Sitzung vom 04.04.2012

Herr Colditz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Mann, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Colditz. Zunächst einmal will ich Ihnen beschreiben, dass es uns in der Opposition ähnlich geht: Wir werden auf Veranstaltungen gefragt, ob wir nicht die richtigen Zahlen hätten. Nach zwei Jahren fällt es tatsächlich schwer zu erklären, warum – obwohl diese seit 2008 im Kultusministerium vorliegen – daraus nicht die Konsequenzen gezogen werden.

Aber was ich nicht verstehe – Danke für Ihre Einlassung –, ist, wenn Sie wenige Tage, nachdem wir unser Konzept

in der SPD-Fraktion veröffentlicht haben, sagen: Die Zahlen sind klar; wir haben selbst ein Konzept

Bitte eine Frage stellen!

und wir wissen, wie groß das Problem ist, und gleichzeitig erklärt uns die Staatsregierung – –

Bitte eine Frage stellen! Herr Mann, es geht um eine Zwischenfrage.

Ja, das ist eine Frage. – Das verstehe ich nicht, und ich bitte Sie, es mir zu erklären: Wie erklären Sie sich, dass Sie sagen, Sie haben die Zahlen, es liegt alles auf dem Tisch, wir wissen, wo das Problem ist, aber die Staatsregierung sagt, sie müsse ihre beiden Minister noch an einem Tisch zusammenbringen, damit diese die Zahlen abgleichen?

Herr Mann, ich kann Ihnen nicht für die Staatsregierung antworten, aber ich habe es in meinem Redebeitrag gesagt: Das hat etwas mit dem gestörten Gleichgewicht zu tun: dass aus Sicht der Finanzen und des Staatsministers der Finanzen sicherlich die Sicht auf die Probleme eine etwas andere ist als die Sicht, die der Kultusminister oder die Kultusministerin darauf hat.

Wir müssen dieses Gleichgewicht wiederherstellen, dann haben wir auch keine Zahlenprobleme.

Aber wenn das Finanzministerium fachlich in das Kultusministerium hineindirigiert – bis in fachliche Detailfragen –, dann ergibt sich genau der Konflikt, den Sie beschrieben haben. Den sehen wir genauso und den müssen wir ausräumen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Die Fraktion DIE LINKE hat noch Redezeit. Wird das Wort noch gewünscht? – Es gibt keine Reaktion. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, wenn sie sprechen möchte. – Frau Ministerin Kurth, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema lautet: Bildungspolitik. Auf die Bildungspolitik möchte ich heute hauptsächlich eingehen. Danke an Thomas Colditz, der im Kern seiner Aussagen den Punkt getroffen hat.

Meine Damen und Herren! Ich stehe als Kultusministerin zu der und für die Kontinuität unseres Schulsystems. Wie Sie alle wissen, habe ich 25 Jahre als Lehrerin und Schulleiterin gearbeitet – mit Lust und Liebe gearbeitet. Ich kann beurteilen, dass unser Schulsystem gut ist.

Eine klare Aussage von mir ist: Unsere Schulen brauchen jetzt Ruhe und Stetigkeit. Sie brauchen keine Experimente und keine kurzfristigen Kurswechsel inhaltlicher Art.

(Beifall bei der CDU)

Selbst Prof. Melzer ist in der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ darauf eingegangen, und er ist wahrlich nicht immer ein Befürworter unseres sächsischen Schulsystems.

Wir stehen, um weitere inhaltliche Aspekte zu nennen, für den Dreiklang von Wissen, Kompetenz und Werteorientierung. Diese Lehrplangeneration durfte ich in meinen Unterrichtsstunden selbst als Grundlage haben. Ich stehe klar zum Leistungsprinzip, ich stehe zu den klaren Strukturen, die wir Gott sei Dank seit dem Jahr 1990 im sächsischen Schulsystem vorfinden. Ich stehe zu Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit, und ich bin sehr froh, dass der zweite Weg zum Abitur in zunehmendem Maße genutzt wird und Erfolge zeigt.

Ich möchte meine gestrigen Ausführungen heute nicht wiederholen. Die Vorredner haben das zur Genüge getan. Ein Satz von mir zu diesem Thema: Die Schuljahresvorbereitung hat für mich absolute Priorität! Ich möchte dabei nicht vergessen zu erwähnen, dass natürlich flankierend die anderen Themen mit bearbeitet werden und nach dem erfolgreichen Start des Schuljahres mit einem strategischen Plan in Angriff genommen werden, den mein Haus sehr transparent mit diesem Hohen Haus kommunizieren möchte.

Für die Schuljahresvorbereitung sind aus meiner Warte erforderlich: Engagement für die Lehrerbildung. Dazu bin ich mit meiner Kollegin Frau von Schorlemer im Gespräch. Der Ausbau der Kapazitäten in der Lehrerbildung ist eine der obersten Aufgaben. Auch das haben wir bereits thematisiert. Der Start der neuen Lehramtsstudiengänge im Wintersemester 2012/2013 und damit verbunden die Werbung für den Lehrerberuf – auch darauf bin ich gestern eingegangen – ist für uns eine herausfordernde, jedoch zu bewältigende Aufgabe, wenn alle mithelfen.

Zum Schluss möchte ich sagen: Wir brauchen Lehrerressourcen, wir brauchen Geld! Dazu stehe ich, dafür werde ich kämpfen, und ich werde mit meinem Kollegen Prof. Unland sicher in den Diskurs gehen. Ich kann Ihnen versichern: Ich bin die Fachfrau auf meinem Gebiet, er ist der Fachmann auf seinem Gebiet. Wir werden uns streiten, aber gegenseitig nicht in die Fachlichkeit hineinregieren.

Danke.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Er hat das Geld und Sie haben die Vorstellungen! – Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Damit ist die 2. Aktuelle Debatte geschlossen.

(Annekathrin Klepsch, DIE LINKE, meldet sich.)

Ich habe vorhin nachgefragt, ob Sie noch Redebedarf haben. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Ausführungen der Ministerin machen es doch notwendig, noch einmal auf die Debatte einzugehen.

Ich muss sagen, dass ich enttäuscht bin. Auch wenn Frau Kurth gesagt hat, dass sie ihre Rede von gestern nicht wiederholen möchte, muss ich doch sagen: Frau Kurth, Entschuldigung, ich hatte schon erwartet, dass Sie noch anderes darstellen, was Sie bildungspolitisch wollen, was nicht nur Schule in diesem Freistaat ist.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Der Debattentitel – ich wiederhole ihn gern – lautet „Kurswechsel in der Bildungspolitik“ und nicht „Unterrichtsausfall diskutieren“. Das ist etwas anderes. Ich habe den Titel anders verstanden. Aber was ich bisher hier erlebt habe, war nur ein parteipolitischer Schlagabtausch und es war eine Fortsetzung der gestrigen Debatte.

Ich muss es leider feststellen – auch bei allem Respekt für Ihre kurze Amtszeit –, dass ich bisher nur ein visionsloses Ministerium erlebt habe. Den Unterrichtsausfall und den Lehrermangel zu beheben ist natürlich die Hausaufgabe der Staatsregierung, aber das ist ja keine bildungspolitische Vision.

Ich erkläre es Ihnen gern noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, was noch alles auf der Agenda steht und getan werden muss.

(Thomas Schmidt, CDU: In freier Rede!)

Wir reden zum Beispiel über die Verringerung der Schulabbrecherzahlen. Sachsen ist eines der Bundesländer mit den meisten Schulabbrechern, mit den meisten Schülern im Förderschulbereich und mit den meisten Schülern ohne Abschluss. Wir reden im Kultusressort nach wie vor über die Frage der Verbesserung des Kita-Betreuungsschlüssels. Es reicht nicht, nur die Lehrer zu ersetzen, sondern auch im Kita-Bereich haben wir in den nächsten Jahren einen Fachkräftemangel.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir verheizen das Personal in den Kindertageseinrichtungen.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir reden über einen weiteren Ausbau der Krippen im U 3-Bereich. In 15 Monaten wird der Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen kommen, und das Kultusministerium hat bis heute keine Antwort darauf, wie wir damit umgehen. Die Plätze fehlen jetzt schon.

Und wenn jemand von Ihnen sagt, dass doch immerhin 20 Millionen aus den anderthalb Milliarden Steuermehreinnahmen nachgelegt worden sind, dann sage ich Ihnen: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein für den Freistaat.

Meine Landeshauptstadt Dresden verwendet die ihr zustehenden 2,6 Millionen Euro eben nicht für den Krippenausbau, sondern für den Kulturpalastumbau.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Was gehört noch zur Bildungspolitik? Es wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe „Kulturelle Bildung“ gegründet. Diese ist irgendwo im Nirwana verschwunden, arbeitet wohl noch, aber herausgekommen ist bisher leider nichts – auch wenn sich die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sehr bemühen.

Aufgrund des akuten Lehrermangels ist selbst die Bildungsagentur Dresden derzeit nicht mehr in der Lage, die Kooperationsverträge für die Schulkonzerte abzuschließen. Was wir gerade erleben, ist sozusagen ein zusammenfallendes Kartenhaus, weil die Löcher zu groß sind. Es ist ein Schneeballsystem. Wir reden hier über den Unterrichtsausfall, aber er zieht viele Folgeprobleme nach sich.

Ein weiterer Punkt ist die Schulsozialarbeit. Da wursteln zwei Ressorts hin und her. Das Sozialministerium hat die Situation erkannt und bemüht sich jetzt, etwas zu tun. Im Kultusministerium spielt das offenbar noch immer keine Rolle – außer an den Berufsschulen.

Ich weiß, dass es Frau Kurth nicht leicht hat und als Lehrerin eine Frau vom Fach ist. Aber das allein reicht als Qualifikation nicht.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist anmaßend ohne Ende! – Zuruf von der CDU: Das ist unglaublich!)

Sie will keine Experimente. Aber das, was die Schülerinnen und Schüler an den Schulen erleben, sind Experimente, das ist Improvisation.

(Zuruf von der CDU: Das ist das Allerletzte!)