Protokoll der Sitzung vom 04.04.2012

obwohl es eigentlich genau umgekehrt sein müsste. Wir sind inzwischen so weit, dass wir selbst schon schauen: Wie viel Geld wird der Finanzminister denn vielleicht zur Verfügung stellen? Dann müssen wir sehen, wie wir Schule damit irgendwie finanzieren können. Der Weg muss genau umgekehrt sein. Herr Schreiber, das haben Sie in der heutigen Debatte auch angedeutet. Natürlich muss es so sein, dass wir zuerst schauen, wie hoch der Bedarf ist, und danach muss dann das Geld zur Verfügung gestellt werden.

Niemand in diesem Hohen Haus wird bestreiten, dass der Freistaat Sachsen viel Geld für Bildung ausgibt. Aber die Situation an den Schulen zeigt ganz klar, dass es nicht ausreicht. Es reicht einfach nicht aus, um weiter eine gute Bildung in Sachsen zu gewährleisten.

Die Problemlösung finden wir nur, wenn wir Haltungen und Überlegungen, die in den Köpfen stecken, verändern können. Sonst werden wir keine Lösung für die Probleme erreichen. Wir müssen die Entscheidungen, die in diesem Land – auch bezogen auf das Geld – getroffen werden, wieder hier in das Parlament holen und dürfen sie nicht von den Ministerien allein treffen lassen. Das ist mein großer Wunsch und meine große Bitte, die ich heute aussprechen möchte.

Ich möchte trotzdem noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wir haben gestern sehr intensiv über den Schulbereich gesprochen. Ich glaube, das war nach den Anträgen auch notwendig und richtig. Heute ist die Aktuelle Debatte – jedenfalls habe ich das so verstanden – weiter gefasst. Es geht um die Bildung allgemein. Ich möchte Sie sehr bitten, dass wir über dem Schulbereich – obwohl er mir sehr am Herzen liegt – nicht die anderen Bereiche der Bildung vergessen und unter den Tisch rutschen lassen. Gerade die frühkindliche Bildung, aber auch die Hochschul- und Universitätsausbildung sind, glaube ich, im Freistaat weit unterentwickelt. Dort müssen wir unbedingt etwas tun.

(Proteste bei der CDU)

Ich habe gesehen, dass der Ministerpräsident sich gerade ausgetauscht hat. Vielleicht überrascht er uns doch, Martin Dulig, vielleicht ist er heute doch einmal bereit, zu diesem wichtigen Thema hier im Landtag zu sprechen.

Wenn es uns gelingen sollte, bei der Bahn fraktionsübergreifend zu handeln und zu arbeiten, so wie ich es heute in der letzten Aktuellen Debatte von Herrn Herbst gehört habe, und keine parteipolitische Diskussion zu führen, dann würde ich es mir doch sehr wünschen, dass uns das bei dem wesentlich wichtigeren Thema der Bildung im Freistaat Sachsen auch gelingt.

(Beifall bei den LINKEN)

Wünscht die SPD noch das Wort? – Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben in dieser Debatte – insbesondere die Regierungsfraktionen – gefragt, was es denn Neues in der Debatte gibt, und gleichzeitig kritisiert, dass heute die Frage nach der Verantwortung erhoben wird. Ich glaube, beides ist passiert: Zum einen erfolgte die fachliche Bewertung dessen, was hier in den letzten Jahren – nicht nur Wochen – passiert ist; zum anderen wurde heute die Frage gestellt: Wer trägt denn hierfür die politische Verantwortung? Das halten wir für vollkommen legitim.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

Aber wenn Sie, Herr Kollege Schreiber, unbedingt einen neuen Titel für die Debatte wünschen, dann kann ich Ihnen diesen gern vorschlagen: Bilanz der Sächsischen Staatsregierung nach zweieinhalb Jahren Aussitzen der Probleme im Bildungssystem.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Denn das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aus unserer Sicht zunehmend die Bilanz, die diese Staatsregierung hier abliefert.

Das möchte ich Ihnen wiederum gern mit ein paar neuen Fakten – nicht, dass wir das nicht schon in den vergangenen Monaten und Jahren ausgewalzt hätten – im Plenum untersetzen. Schauen wir doch einmal in unsere Nachbarländer, was dort auf dem Feld der Bildungspolitik passiert. Dazu müssen wir nicht die Primusse der PISA-Tests Bayern und Baden-Württemberg heranziehen. Schauen wir einmal nach Thüringen: In Thüringen wird die Gemeinschaftsschule eingeführt und ein neues Schulgesetz auf den Weg gebracht. In Thüringen ist man bereits dabei, die Überwindung der Selektion in die Praxis umzusetzen, währenddessen wir uns noch überfraktionell über Inklusion verständigen müssen. In Thüringen wird die Reform der Lehramtsstudiengänge an den beiden Hochschulen angegangen, und Thüringen gibt bereits in diesem Jahr mehr Geld aus dem Haushalt für Hochschulen und Bildung aus als im vergangenen und rühmt sich nicht dafür, die Haushaltszahlen konstant zu halten.

(Patrick Schreiber, CDU: Wie viele Schulden haben sie dafür aufgenommen?)

Oder schauen wir in ein anderes Land: Sachsen-Anhalt – wirtschaftlich auch nicht so stark und in Wahrnehmung sicherlich auch nicht diejenigen, die das ganz dicke Portemonnaie haben, aber sie haben zumindest erkannt, dass das Problem des Lehrermangels keines ist, das man aussitzen darf. Sie haben – darüber können wir uns streiten, ob das der Weg ist – die Verbeamtung der Lehrer eingeführt, und sie haben uns in den letzten Jahren Referendare abgeworben, die wir dringend bräuchten, die wir heute noch in andere Bundesländer ziehen lassen. Das, meine Damen und Herren, ist durchaus eine Frage, über die wir sprechen müssen.

Wir könnten das fortsetzen mit den Beispielen Berlin, wo Qualität angegangen wird – die Stichworte dort sind Gemeinschaftsschulen, Ganztagsschulen, Qualitätspakt, Sprachförderung –, und Brandenburg. Ich erspare Ihnen das jetzt im Detail; aber wenn Sie mögen, stellen Sie mir eine Nachfrage.

(Thomas Schmidt, CDU: Wie sehen die Ergebnisse aus? – Weitere Zurufe)

Während Sie hier in den letzten zwei Jahren zunehmend mit Durchhalteparolen arbeiten, verkaufen Sie uns immer wieder, Sie haben noch mit dem Abgleich der Zahlen zwischen Ihren eigenen Häusern zu tun.

Meine Damen und Herren, das können Sie uns nicht ernsthaft als Regierungspolitik verkaufen. Das, was kommt, nehmen wir durchaus eher noch als Chaotisierung der Bildungspolitik wahr. Auch hier einige Stichworte: Abwicklung der Gemeinschaftsschulen, der Pilotprojekte in Sachsen, Stopp der Bachelor-/Masterstudiengänge an den Hochschulen ohne ein Ersatzkonzept. Bis heute steht eine Lehramtsprüfungsordnung für die jetzt wieder einzuführenden Staatsexamen aus und die Studierenden auf dem Schlauch.

Die Stellenkürzungen bei den Lehrern oder im Hochschulbereich sprechen eine andere Sprache als richtige Prioritätensetzung auf Bildung. Der letzte Akt im Konzert war das von Ihnen eingeführte Personal-Controlling, das insbesondere in den Hochschulen für mehr als Verwunderung und – so darf man das sagen – durchaus Chaotisierung des bildungspolitischen Bereiches gesorgt hat. Meine Damen und Herren, das ist keine ruhmreiche Bilanz in der Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Zu guter Letzt, Herr Colditz: Wir geben Ihnen ausdrücklich recht, wenn Sie heute sagen, es geht nicht allein darum, neue Köpfe in der Staatsregierung zu haben. Das ist nicht nur so, weil der Ministerpräsident selbst der beste Beweis ist, dass es auf eine einzelne Person für das Funktionieren eines Regierungsapparates nicht ankommt, sondern das ist so, weil Sie als Regierungskoalition bis heute innerhalb von zwei Jahren kein schlüssiges Konzept und keine untersetzten Zahlen vorgelegt haben. Das, meine Damen und Herren, fordern wir mit Recht, und wir

lassen uns nicht mehr damit abspeisen, dass Sie uns sagen: Wir müssen mal eben noch die Zahlen abgleichen und das durchrechnen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die FDP Herr Bläsner, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Falken, ich möchte eigentlich fast dasselbe sagen, was Patrick Schreiber gesagt hat: Was haben Sie eigentlich heute früh für eine Zeitung gelesen? Was haben Sie gestern Abend für eine Debatte gehört?

Ich glaube, wir hatten sehr deutlich gemacht – gerade auch seitens der Koalition –, dass Fehler gemacht wurden, dass einiges nicht optimal lief. Wir hatten das gestern sehr deutlich gesagt. Wir hatten auch deutlich gesagt, dass wir die Fehler korrigieren werden, dass wir den

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Der Finanzminister auch?)

Herr Hahn – notwendigen Lehrerbedarf absichern, dass – wenn es nötig ist – wir das entsprechende Geld bereitstellen und – wenn die Zahlen es ergeben – auch mehr Geld bereitstellen, als bisher gedacht.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Das ist insgesamt, wenn wir die Woche betrachten, eine gute Nachricht für das sächsische Bildungssystem. Ich denke, darauf lässt sich aufbauen.

Wir werden sehen, dass wir in den nächsten Monaten die entsprechenden Beschlüsse fassen und das mit dem Haushalt sicherstellen. Wir sollten vielleicht aufhören, Unterstellungen zu betreiben, und einfach einmal schauen, welche Entwicklung es gibt, was in den nächsten Monaten geplant ist und welche deutlichen Bekenntnisse es seitens der Koalition, des Ministerpräsidenten sowie der Minister gibt. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir gehen in die nächste Runde. Redezeit hat noch die CDU. Herr Abg. Colditz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will vor allen Dingen noch einmal auf die Anmerkungen, die nicht unberechtigt sind, von Herrn Mann eingehen. Nicht, dass wir irgendwelche Missverständnisse haben, Herr Mann: Unsere Fraktion hat im Sommer vorigen Jahres ein Maßnahmenpaket, eine Konzeption erarbeitet, was zu tun ist, um dem Lehrermangel entgegenzutreten. Richtig. Eingeständnisse gibt es an dieser Stelle ebenfalls: Wir sind die Umsetzung bisher schuldig geblieben. Okay, das ist ebenfalls richtig.

Aber was die Zahlen anbelangt, dazu will ich in aller Deutlichkeit sagen – das sage ich nicht nur für meine Person, sondern auch für meine Kollegen –: Wir haben Klarheit über die Zahlen.

(Beifall bei der CDU)

Die vorliegenden Zahlen sind auch für uns nicht interpretierbar. Ich habe Frau Kurth gebeten – sie hat uns an ihrer Seite –, ich habe es dem Finanzminister und auch dem Ministerpräsidenten gesagt, und wir sind uns in der Fraktion einig: Wir können uns weitere Zahlenspiele nicht leisten;

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

weil wir sonst wirklich Gefahr laufen – die Situation ist jetzt schon dramatisch genug, als dass es wieder ein neues Bildungspaket 3, 2.0 oder wie immer das heißen mag, gibt –, uns lächerlich zu machen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

Sie weniger als wir; aber wir auf jeden Fall.

Wir müssen hierzu Lösungen finden, und die Lösungen liegen vor. Ich hatte vorhin gesagt: Diese drei Stichpunkte – Horrorszenarien, Abgleich der Zahlen und Verwirrspiele – sind alles Begriffe, die eher in die Irre führen. Wir haben Klarheit. Wir wissen, wohin wir müssen, und wir haben die Grundlagen, dafür auch die Entscheidungen zu treffen.

(Holger Mann, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich nehme auch meine Regierung in die Verantwortung, das so zu tun, wie wir es – übrigens gemeinsam – mit der Fraktion erarbeitet haben. Der einzige Irrweg, der sich in den letzten Wochen vollzogen hat – diese Kritik kann ich meinem ehemaligen Minister nicht ersparen –, war der Irrweg dieses Bildungspakets.

Herr Colditz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?