Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile Herrn von Breitenbuch für die CDU-Fraktion das Wort; bitte.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das gültige sächsische Landesjagdgesetz ist im Jahr 1991 in Kraft getreten. Seitdem hat es sich im jagdlichen Alltag zwischen den Grundeigentümern mit ihren unterschiedlichen Landnutzungen sowie den Jägern bewährt. Ich will es laut und deutlich sagen: In Sachsen wird anständig gejagt.
Herr von Breitenbuch, einen kleinen Moment, bitte. – Ich möchte unsere Besucher auf der Tribüne darauf hinweisen, dass sie von Beifallsbekundungen oder sonstigen Äußerungen bitte Abstand halten. Das ist in unserer Geschäftsordnung so vorgesehen. Trotzdem möchte ich Sie herzlich willkommen heißen. – Herr von Breitenbuch, fahren Sie bitte in Ihren Ausführungen fort.
10 000 Jägern im Freistaat, aber auch den Grundeigentümern, Landwirten und Waldbauern. Herzlichen Dank für
Grundlage des deutschen Jagdrechts ist das seit 1848 geltende Prinzip, das Jagdrecht fest an den Grund und Boden zu binden. Hat jemand mindestens 75 Hektar zusammenhängende jagdbare Fläche, darf er selbst jagen. Grundeigentümer kleinerer Flächen müssen sich zu gemeinschaftlichen Jagdbezirken zusammenschließen und die Jagd gemeinsam organisieren. Es besteht die Pflicht, die Jagd auszuüben, um Wildschäden für alle zu vermeiden.
Diese feste Verbindung zwischen Grundeigentum und dem Jagdrecht hat die bürgerliche Revolution von 1848 erkämpft, und sie hat seitdem Bestand. Zuvor wurde von den Hoheiten, dem Staat, die Jagd ausgeübt. Später wurde in Deutschland nur zu DDR-Zeiten noch einmal hoheitlich gejagt, als die damaligen Hoheiten, die Staatsmacht, die Jagd bewusst von Grund und Boden getrennt haben, um selbst zu jagen.
Seit den 1920er-Jahren trat neben die eigentliche Jagd die Hege, die Akzeptanz für einen auskömmlichen Wildbestand. Die Jagdgesetze waren damit die ersten Naturschutzgesetze in Deutschland. Ich will es klar und deutlich sagen: Jäger und Jagd gehören heute untrennbar zum Schutz der sächsischen Natur.
Unser CDU-Arbeitskreis Umwelt und Landwirtschaft hat sich seit der Sommertour 2011 intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Im Dezember ging der Gesetzentwurf der Staatsregierung im Landtag ein. In mehreren Sitzungen, unter anderem in einer gesonderten Klausur, wurde diskutiert und abgewogen. Die große Anhörung am 10. Februar ergab neue Erkenntnisse, die dann in die Beratung mit dem FDP-Koalitionspartner, den Fachpolitikern direkt eingeflossen sind. Daraus ist das jetzt vorliegende Gesetz entstanden.
Im Kernbereich der Jagd geht es um Belange, die von den Grundbesitzerverbänden, unter anderem dem Waldbesitzerverband, den Bewirtschafterverbänden, unter anderem dem Sächsischen Landesbauernverband, aber auch den Jagdverbänden, vor allem dem Landesjagdverband, im Kern vertreten werden und die alle daran beteiligt waren. Beteiligt war darüber hinaus eine große Anzahl weiterer Verbände von Kommunen bis hin zu Naturschutzverbänden. Auch viele einzelne Bürger sind auf uns zugekommen und haben uns ihre Vorstellungen mitgegeben.
Meine Damen und Herren! Im Rahmen des Bundesjagdgesetzes können die Länder eigene Jagdgesetze beschließen. Uns ist es deshalb wichtig, den Kernbereich der Jagd, den Triangel von Grundeigentümern, Bewirtschaftern und Jägern, in dem es vor allem um den Wildschaden geht, zu erhalten und seine Arbeit zu erleichtern. Hinzu treten Interessen unserer Gesellschaft, die sich von der Jagd tangiert fühlen und die ebenfalls in unserem Gesetz umfangreich und zeitgemäß Berücksichtigung finden.
Erstens. Zentral ist für uns in § 1 die Pflicht zur Ausübung der Jagd. Damit wird vorgebeugt, dass Grundeigentümer die Jagd auf ihrem Flurstück untersagen können. Die Jagd wird weiterhin ganzheitlich durchgeführt. Es muss überall in Sachsen gejagt werden.
Zweitens. Das Thema Wildschaden in Feld und Wald ist der uralte Interessenausgleich zwischen Landbewirtschaftung und Wildbestand, reguliert durch die Jagd. Um hier zu Verbesserungen zu kommen, wurden folgende Punkte im Gesetz ausgeführt: Waldbesitzer, die in einer Forstbetriebsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, können mit 250 Hektar einen eigenen Jagdbezirk bilden und die Jagd selbst ausführen. Landwirte und Jäger, denen die Höhe der Wildschäden nicht mehr zuzumuten ist, können ein zweijähriges, an bestimmte Kriterien gebundenes Sonderkündigungsrecht nutzen und den Jagdpachtvertrag vorzeitig von der einen oder anderen Seite beenden. Jeder Jagdbezirksinhaber erklärt jetzt seine eigene Notzeit, er darf dann auch füttern, aber nicht mehr, wie bisher, jagen.
Nächster Punkt: Die Jagd zur Nachtzeit kann zur Wildschadenvermeidung genehmigt werden, zum Beispiel Hirsche im erntereifen Raps. Forstliche Gutachten bleiben als Hilfestellung für die gemeinschaftlichen Jagdbezirke erhalten und werden von den Jagdbehörden erstellt. Eigenjagdbezirke oder der Sachsenforst müssen diese selbst erstellen und auch bezahlen. Auf das flächende
Drittens. Das Miteinander von Grundeigentümern und Jägern soll durch freiwillige Hegegemeinschaften gestärkt werden, in die auch der Sachsenforst eingebunden wird. Gruppenabschusspläne sollen die Attraktivität der Hegegemeinschaften erhöhen. Die bisherigen Schalenwildgebiete werden abgelöst. Verzichtet wird auf den Abschussplan für Rehwild. Erhalten bleiben die Planungen für Rot-, Damm- und Muffelwild. Abschussmeldungen müssen, wie bisher, erfolgen und sind auch online möglich.
Viertens. Erhalten bleibt der für uns wichtige Punkt der Jagdabgabe, mit der, von allen Jägern aufgebracht, zentrale Projekte der Jagd in Sachsen weiterhin gefördert werden können.
Fünftens. Für den Jagdalltag bleibt das jagdliche Schießen eine Sollvorschrift, aber mit erhobenem Zeigefinger. Mustersatzungen für Jagdgenossenschaften und Hegegemeinschaften sollen den Jagdalltag erleichtern. Vertretungsrechte sollen die Beschlussfähigkeit in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken erhalten. Junge Jäger sind sofort pachtfähig, wenn sie einen Pächter finden. Die Störung der Jagd bleibt verboten und wird bestraft. Grundeigentümer in befriedeten Bezirken können bei Schaden ihres Eigentums selbst handeln, Wild fangen und bei Sachkunde töten, ansonsten jemand Sachkundigen beauftragen. Wir möchten, dass die Menschen weiterhin ihr Eigentum schützen können.
Sechstens, Jagdschutz. Um frei lebendes Wild zu schützen, ist der Jäger jagdschutzberechtigt. Dazu muss von nun an vor dem Abschuss eines wildernden Hundes eine Genehmigung eingeholt bzw. der Hund zuvor als wildernd gemeldet werden. Auch zum Jagdschutz gehört es für uns, Hauskatzen weiterhin außerhalb befriedeter Bezirke zu erlegen.
Siebentens. Beim Artenschutz passen wir uns an europäische Vorschriften an. Die Tierarten des Naturschutzgesetzes werden ins Jagdrecht aufgenommen, aber Jagdzeit zu geben ist gesetzlich verboten. Die Jäger können zum Wildmonitoring herangezogen werden. Dazu will ich aber deutlich sagen: Wir brauchen die Jäger auch, da sich der Wolf ausbreitet und gesonderte Betreuungsgruppen, wie zum Beispiel beim lupus flächendeckend, nicht finanzierbar sind. Ich sage hier wie auch beim Landesjägertag deutlich und klar: Wir werden darauf achten, dass das Monitoring für die freiwillig und verantwortlich jagenden Jäger nicht zur Zumutung wird.
Grundsätzlich bleiben wir dabei, den Jäger in seinem Revier bei seiner Präsenz und mit seinem Wissen in der Verantwortung zu sehen und in seiner Mitarbeit ernst zu nehmen. Das ist zentraler Grundsatz, den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen und damit kompetente Partner an der Seite zu haben, gerade auch, um mit den Sorgen in der Bevölkerung in diesem Punkt umgehen zu können.
Achtens. Im Bereich Tierschutz sind viele Punkte angesprochen. Einige möchte ich kurz nennen. Streng geschütztes Wild kann, falls es schwer verletzt ist, vom Jäger in seiner Verantwortung erlegt werden, ohne zuvor die Jagd- und die Naturschutzbehörde hinzuzuziehen und eventuell die Tötung, die Erlösung des Stückwildes von seinen Qualen durch eine dritte Behörde, den Kreisveterinär vornehmen zu lassen, und das in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Hier vertrauen wir auf die Urteilskraft der Jäger. Tierschutz, das schnelle Erlösen leidender Tiere, geht an dieser Stelle für uns vor Artenschutz.
Neu ist beim Tierschutz, dass die Nachsuche auf ein verletztes Stück Wild zu Ende zu führen ist, was eine Überschreitung der Jagdgrenze gestatten kann. Totschlagfallen dürfen nur noch in besonderen Situationen eingesetzt werden.
Neuntens. Wildbrethygiene. Hier wird in einer Kaskade die Bleimunition als Bleischrote erst auf Wasserwild bis 2014 generell verboten. Bleibüchsengeschosse können bei vorhandenem Ersatz später noch verboten werden. Dies ist zurzeit nicht in Sicht.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Gesetz wird ein Landesjagdgesetz in Sachsen einführen, das einen guten Kompromiss zwischen vielen und sehr unterschiedlichen Interessen darstellt. Gut war es, dass in unserer Fraktion vier Landwirte, zwei Waldbesitzer sowie drei Mitglieder einer Jagdgenossenschaft und ein Jäger sind.
Aber ich kann hier versichern, dass auch viele andere unserer Fraktion – dafür danke ich von hier aus herzlich – sich mit ihren Vorstellungen und Wünschen eingebracht haben. Dafür herzlichen Dank. Wir hoffen, dass mit der Novellierung ein neues und weiterhin für den Jagdalltag gutes Landesjagdgesetz für die nächsten 20 Jahre gültig wird, damit in Sachsen wie bisher weiterhin anständig gejagt wird.
Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Als nächste Rednerin spricht Frau Abg. Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Frau Kagelmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir eine kurze persönliche Vorbemerkung. Ich bekenne, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zum traditionellen Jagdwesen habe, weil es mir zu stark nutzungsorientiert und artbezogen agiert und zu wenig eine ganzheitliche Betrachtung der Ökosysteme in den Blick nimmt. Aber in den letzten Monaten ist mir auch deutlich geworden, dass viel Bewegung in der Sache ist. Die Jägerschaft selbst – sie ist ja längst keine homogene Gruppe mehr – diskutiert diesen notwendigen Bewusstseinswandel
belangen stärker gerecht zu werden. In puncto Sinnsuche ist also offensichtlich noch nicht das letzte Halali geblasen.
Zur aktuellen Debatte, zum Jagdgesetz und zur Auffassung der LINKEN. Das Grundproblem bei der Jagd sind offensichtlich die widerstreitenden Interessen von Grundeigentümern, Bewirtschaftern und Jagdpächtern. Während den reinen Grundbesitzern die Bewirtschaftungseinschränkungen durch überhöhte Wilddichte eher egal sind, stehen den tatsächlichen Bewirtschaftern der Flächen, also Land- und Forstwirten, bei Wildschäden und häufig ungenügendem Ausgleich dafür regelmäßig die Haare zu Berge.
Die Jägerinnen und Jäger schießen den einen zu wenig und anderen zu viel. Persönliche Befindlichkeiten tun ein Übriges. Hinzu kommen die widerstreitenden Interessen zwischen Traditionalisten in der Jagd, die einen "Zukunftsbock" schon einmal laufen lassen, und den eher landbewirtschaftungs- oder naturschutzorientiert ausgerichteten Jägerinnen und Jägern, die zu gewissen Zeiten intensiv jagen und ansonsten das Revier ruhen lassen. Es ist keine leichte Aufgabe für die Staatsregierung, hier in vermintem Gelände den Ausgleich herbeizuführen.
Durch den Gesetzentwurf sollen jeder Seite ein bisschen mehr Freiraum gegeben und Zugeständnisse bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen Interessen gemacht werden. Dieses Bemühen um Ausgleich ist durchaus mehr, als ich aus der Vergangenheit gewohnt war. Aber Kompromisse haben manchmal den Nachteil, dass den so ausgehandelten Regelungen der einstmals angekündigte klare Gestaltungswille gänzlich verloren gegangen scheint. Im Ergebnis ist dann keiner der Beteiligten mehr wirklich zufrieden.
Herr Kollege von Breitenbuch, Sie haben ja durchaus recht, wenn Sie auf dem Jägertag den Beginn eines Miteinanders von Grundstückseigentümern, Bewirtschaftern und Jagdpächtern fordern. Es ist aber gerade Aufgabe des Gesetzgebers, über die Gesetzesnovellierung die Bedingungen zu schaffen, die diesen Beginn des Miteinanders auch ermöglichen. Gerade aber hier wurden aus unserer Sicht Chancen vertan. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen.
Zum Staatsbetrieb Sachsenforst. Mit den Regelungen in § 33 Abs. 5 wurde mit einer Jagdbehörde im eigenen Hause eine Alibibehörde geschaffen, deren Einrichtung völlig sinnfrei ist, weil sich der Staatsbetrieb Sachsenforst natürlich trotzdem weitgehend autonom ohne äußere Einflussnahme die Bedingungen schaffen und erhalten kann, die für die Erreichung der eigenen Ziele erforderlich sind. Für Sachsenforst ist das natürlich eine äußerst komfortable Situation. Das hat nur nichts mit einer Kontrollbehörde zu tun und schon gar nichts mit einem Beginn des Miteinanders.
Ein weiteres Problem, das ich gerade angedeutet habe: die Abschusspläne. Nach § 21 des Gesetzentwurfs wird es weiterhin Abschusspläne für Rot-, Dam- und Muffelwild geben, und zwar aufgeschlüsselt nach Wildart, Geschlecht
und Altersklassen. Wir als LINKE wollen das Rehwild wieder in die Abschussplanung aufnehmen. Es soll nach unserem Willen einen Mindestabschussplan geben. Dabei sollen die Jägerinnen und Jäger vor Ort jedoch selbst entscheiden können, ob sie zusätzlich nach Altersklassen oder nur nach Wildart und Geschlecht jagen, so wie es bereits der Sachsenforst vormacht. Dabei verkennen wir die Probleme in der Kontrolle nicht. Uns ist jedoch die mögliche Steuerungswirkung auch vor dem Hintergrund der Verbissgutachten wichtiger. An dieser Stelle setzt unser Änderungsantrag in Nummer 3 ein.
Auch beim Zusammenwirken in Hegegemeinschaften wurde gezaudert, was das Dreigestirn Grundstückseigentümer, Bewirtschafter und Jagdpächter angeht. Auch dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion vor. Die Zielrichtung, Forstbetriebsgemeinschaften die Bildung von Einzeljagdbezirken ermöglichen zu wollen, ist richtig. Derzeit sind aber nur eine bis zwei von insgesamt 29 Forstbetriebsgemeinschaften in Sachsen trotz einer Durchschnittsgröße von etwa 1 700 Hektar in der Lage, die vorgeschlagene Größe von 250 Hektar zusammenhängender Waldfläche zu erreichen.
Der Verweis auf die Anreizwirkung für die Forstbetriebsgemeinschaften ist angesichts der Besitzverhältnisse in Sachsens Wäldern realitätsfern. Über das Jagdgesetz ist nicht zu regeln, was im Waldgesetz und in Förderrichtlinien versäumt wurde.
Wir schlagen in unserem Änderungsantrag deshalb eine geringere Mindestgröße von 150 Hektar für die neuen Eigenjagdbezirke vor.
Außerdem favorisieren wir flächendeckende Hegegemeinschaften zum Interessenausgleich innerhalb des zitierten Dreigestirns. Durch eine flächendeckende Kooperation und die Kommunikation auf gleicher Ebene zwischen den drei Parteien erhoffen wir uns eine Verbesserung der gesamten Situation und eine stärkere Berücksichtigung der Belange der Land- und Forstwirte.
Bis hierhin, meine Damen und Herren, war die Diskussion zum Jagdgesetz eine eher trockene. Aber jetzt wird sie lebendiger, jetzt geht es um die sogenannte Lex Wolf und damit um die Frage, wie mit streng geschützten Arten im Jagdrecht umgegangen werden soll. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erreichen den Petitionsausschuss dazu Eingaben.