Die Herausforderungen eines umfassenden Kinder- und Jugendschutznetzwerkes bestehen in der Integration von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Strukturen. Wir schauen uns heute nur einen kleinen Bestandteil der ehrenamtlichen Strukturen an. Aus meiner Sicht ist es nötig, das ganze Netz in den Blick zu nehmen. Die Basis in dem Bereich ist immer noch die institutionelle Kinder- und Jugendhilfe und sind die entsprechenden Ressourcen in den Jugend- und Gesundheitsämtern vor Ort. Das dürfen wir, wenn wir uns so ein einzelnes Projekt betrachten, nicht vergessen.
Die Vernetzung der vorhandenen Hilfesysteme, die bedarfsgerechte Förder-, Hilfs- und Schutzangebote für Familien ermöglichen, ist die große Herausforderung. Da ist die Basis – ich muss es noch einmal wiederholen, weil es wirklich sehr wichtig ist – die grundlegende Stärkung der institutionellen Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe und der Jugend- und Gesundheitsämter und daneben als ganz wichtiger Punkt die Stärkung und der Ausbau der Familienbildung und der professionellen Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Ergänzend sind niedrigschwellige Angebote für frühe Hilfen der Familienpaten und Familienselbsthilfe zu unterstützen.
Diese drei Punkte müssen in ein Gesamtkonzept integriert werden. Keiner darf dabei ressourcentechnisch vergessen werden.
Viele dieser grundlegenden Angebote – Frau Werner ist darauf eingegangen – standen in den vergangenen Jahren nicht immer auf der Prioritätenliste der Staatsregierung. Wenn ich zum Beispiel – ich muss mich wiederholen – an die Kürzungen in der Jugendhilfe denke, dann ist genau damit ein Basispunkt dieses Netzwerkes geschwächt worden. Aber auch die Kürzungen bei den Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen – wir hatten vor Kurzem ein Gespräch in einer solchen Einrichtung – haben vielen Familien eine niedrigschwellige Hilfe zur Bewältigung von Krisen entzogen.
Um es zu wiederholen: Wichtig ist eine gute Mischung professioneller und bürgerschaftlicher Angebote. Hier muss auch der Schwerpunkt bei der Fortschreibung der Kinderschutzkonzeption in Sachsen gelegt werden. Dazu kommt noch die Integration der Anforderungen des Bundeskinderschutzgesetzes, beispielsweise die Frage, wie wir flächendeckend zum Einsatz von Familienhebammen in Sachsen kommen. Auch da fehlen in der Stellungnahme der Staatsregierung zum vorliegenden Antrag konkrete Aussagen zu Bedarfen und Ressourcen.
Gerade bei der Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes – es gilt immerhin seit dem 1. Januar dieses Jahres – sehe ich derzeit in Sachsen nur wenig Steuerung, Leitung und Unterstützung, insbesondere für die kommunale Ebene. Ich weiß, dass es dazu Ende des Monats ein
Gespräch geben wird. Ich kann mich allerdings sechs Monate nach Inkrafttreten eines Gesetzes darüber auch nur mäßig freuen, zumal es wiederum absolut intransparent abläuft, während ich mir wünsche, dass bei solchen wichtigen Prozessen auch die zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, zum Beispiel aus dem Sozialausschuss, immer informiert und umfassend über geplante Inhalte in Kenntnis gesetzt werden. Das tun Sie nicht. Ich will gern als Botschaft mitgeben, dass ich mir das mehr und intensiver wünsche.
Zum Schluss zusammenfassend: Wir finden die Idee der Familienpaten erst einmal gut, vorausgesetzt, die fachliche Begleitung stimmt. Deshalb werden wir dem Antrag auch zustimmen. Wir verbinden damit aber die klare Erwartung, dass es nicht nur bei einem Modellprojekt bleibt, sondern bei entsprechenden Ergebnissen in die Regelfinanzierung und damit in die nachhaltige Anwendung in Sachsen kommt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Kollegin und der Kollege von der Koalition das Projekt Familienpaten in das sächsische Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz einordnen. Sie haben sehr viel vom Ehrenamt gesprochen. Frau Schütz hat am Rande gesagt, dass es ein Teil dieses Handlungskonzeptes ist, aber eben nur ein Teil. Es gehören aber noch viele andere Bausteine dazu.
Sicher ist es wichtig, dass dieser Teil – es ist Punkt 5.1 im Handlungskonzept – hier vorgestellt wird und dass die Staatsregierung berichtet, was sie zu diesem einzelnen Punkt des Handlungskonzeptes macht. Aber insgesamt ist darauf Wert zu legen, dass alle Punkte des Handlungskonzeptes mit Ressourcen versorgt werden. Das ist eben mehr als Ehrenamtlichkeit.
Meine Kolleginnen, die vor mir geredet haben, haben schon darauf hingewiesen, dass das Ehrenamt natürlich darauf angewiesen ist, dass es institutionelle und professionelle Arbeit in dem Bereich gibt, unter anderem die Jugendämter oder die freien Träger, die seit Jahren im Bereich der Jugendhilfe tätig sind. Da haben wir in Sachsen gerade Kürzungen erlebt. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, diese Kürzungen mit dem Ehrenamt auszugleichen.
Der Antrag der CDU/FDP-Koalition ist sehr offenlassend und fordert die Staatsregierung auf, über den Punkt Ehrenamtliche Familienpaten zu berichten. Sie haben sich in Ihrer Antwort ausschließlich auf das Modellprojekt, das bei Carus Consilium angesiedelt ist, bezogen und an einer Stelle gesagt – das war Ihr letzter Satz –, dass Ihnen keine weiteren Projekte bekannt sind. Dazu komme ich noch.
Es ist natürlich klar, wenn so ein Projekt erst kurze Zeit läuft, dass Sie uns heute noch nicht allzu viel berichten können. Aber es wäre schon gut gewesen zu erfahren, welche konkrete Summe die Staatsregierung in die Hand nimmt, aus welchem Haushaltstitel sie stammt, für welchen Zeitraum das Projekt vorgesehen ist und wie die Summen in Zukunft aussehen sollen. Auch wenn Sie natürlich sagen, dass Sie einen Teil der Summe aus dem Bundeskinderschutzgesetz nehmen wollen, ist trotzdem zu fragen, wie sich diese Summe in die Gesamtsumme einordnet und was zum Beispiel für Familienhebammen ausgegeben werden wird.
Darüber hinaus hätte ich mir gewünscht – auch das hat meine Kollegin gesagt –, dass Sie uns über solch ein Modellprojekt im Sozialausschuss berichten. Mein Eindruck ist, es läuft ganz viel, wir erfahren es nur nicht. Ich finde es nicht gut, dass die entsprechenden Fachpolitiker(innen) nicht einbezogen sind.
Eine sehr spannende Frage wird sein, wie dieses ehrenamtliche Projekt vor Ort in die Netzwerke früher Hilfen oder in die Netzwerke für Kinderschutz eingebunden wird. Sie haben nichts dazu gesagt, in welcher Weise die Koordinatoren dieser Netzwerke in die Beratung am Prozess der Entwicklung dieses Projektes einbezogen oder beteiligt sind.
Ich komme noch einmal darauf zurück: Sie haben gesagt, es sind keine weiteren Projekte von Familienpaten bekannt. Frau Clauß, ich möchte Sie darauf hinweisen: Sie sind Schirmherrin von „wellcome“. „Wellcome“ ist ein Projekt, das genau dies macht: Familienpaten, und zwar schon seit vielen Jahren. Das Projekt gibt es seit 2002. Seit 2011 ist es in Sachsen. Im April gab es in Leipzig dazu eine Ausstellung, im Mai gab es sie in Dresden. Am letzten Wochenende gab es ein Benefizkonzert des Bundespräsidenten. Der Erlös ging unter anderem an dieses „wellcome“-Projekt, das Sie in Ihrer Antwort nicht ein einziges Mal erwähnt haben.
Genau heute, am 14.06.2012, findet eine Fachtagung der „wellcome“-Kooperationspartner statt, die die Arbeit dieses Projektes von Familienpaten beleuchtet. In Sachsen gibt es sowohl in Dresden als auch in Leipzig zwei Koordinationspartner für dieses Projekt. In Dresden ist das die „Malwina e. V.“, in Leipzig ist es auch in einen freien Träger eingebunden. Es gibt also bereits diese Projekte.
Das ist mein großer Kritikpunkt: Wir machen sehr viel; es läuft nebeneinander; es ist nicht vernetzt. Wir machen ein Modellprojekt zu einem Thema, das es schon längst an vielen Stellen gibt. Es ist überhaupt nicht notwendig, ein Modellprojekt zu machen. Man kann auf ganz viele Erfahrungen zurückgreifen, auch wenn Sie sagen, wir wollen das Thema Gesundheit besonders in den Vordergrund stellen.
Noch einmal die Kritikpunkte: Viele Projekte nebeneinander, offenbar nicht verbunden, offenbar auch nicht unbedingt mit Kenntnis untereinander. Die Finanzierung ist nicht sicher, es geht vielleicht auf Kosten von instituti
oneller bzw. professioneller Arbeit in diesem Bereich. Für ein weiteres Modellprojekt, das auch finanziert wird, machen wir eine extra Evaluation, wobei es schon viel Arbeit in diesem Bereich gibt.
Ich bin nicht gegen Familienpaten. Aber von solch einem unkoordinierten Vorgehen nebeneinander halte ich nichts.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine nachfolgenden Ausführungen mache ich in Vertretung meiner Fraktionskollegin, der NPD-Abg. Gitta Schüßler, die meint, heute rechtswidrig von dieser Sitzung ausgeschlossen zu sein. Ich trage vor, was eigentlich die Abg. Gitta Schüßler hierzu sagen wollte.
Was früher die Familie oder die Nachbarschaft leisteten, müssen wir uns heute mühsam zurechtschustern: ein Netz für Hilfen, um jungen Müttern, Familien, Schwangeren oder auch Alleinerziehenden in einer sensiblen Phase beizustehen. Um ein Instrument hierfür – die Familien- oder Gesundheitspaten – geht es in dem vorliegenden Antrag – wie üblich ein Bericht und Prüfantrag der Koalition.
Familienpaten sollen es richten. In der Stellungnahme zum Antrag steht es: Ziel des Modellprojektes sind zehn Paten, die 50 Familien betreuen, um die gesundheitlichsoziale Entwicklung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren zu fördern und Netzwerke mit anderen frühen Hilfen zu bilden. Abgesehen davon, dass mir die Quote eins zu fünf doch irgendwie sehr bekannt vorkommt, war es bislang sowohl im christlichen als auch in anderem religiösen Verständnis üblich, dass die Eltern eine vertrauenswürdige, respektable Person bitten, die Patenschaft zu übernehmen. Aber heute muss institutionalisiert, staatlich gefördert und gesetzlich geregelt werden. Die Paten werden per Fragebogen mit den Familien zusammengeführt.
Vielleicht gibt es zunächst einmal tatsächlich keinen anderen Weg. Der Abbau familiärer Strukturen, die Hyperindividualisierung unserer Gesellschaft, die Auflösung gewachsener Gemeinschaften und der Rückzug entsprechender Versorgungs- und Fürsorgeangebote aus dem ländlichen Raum machen es notwendig, über Familien- oder Familiengesundheitspaten nachzudenken. Doch der Verdacht drängt sich auf, dass hier einmal mehr finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen. Im Vergleich zur direkten Förderung der Familie oder dem Einsatz von Familienhebammen ist dies doch eine recht günstige Alternative.
Ehrenamtlich tätige Familienpaten sollen es jetzt also richten. Nicht, dass wir etwas gegen diesen Einsatz hätten – im Ergebnis werden wir Ihrem Antrag auch zustimmen. Wenn ich jedoch in der Stellungnahme lese, es sei zu prüfen, inwieweit Bundesmittel zum Einsatz von Famili
enhebammen auch für die Finanzierung von Familiengesundheitspaten herangezogen werden könnten, so muss man nicht übermäßig misstrauisch sein, um in dieser Idee nur mehr ein Sparprogramm zu sehen. Dabei müsste, gerade wenn es um die gesundheitliche Begleitung von Schwangeren und jungen Müttern geht, meine Damen und Herren, neben einem langfristig angelegten Programm zur Stärkung der Erziehungs- und Elternkompetenz – wie etwa durch ein entsprechendes Unterrichtsfach – auch die Förderung der Familienhebammen ganz oben auf Ihrer Agenda stehen.
Meine Damen und Herren! Wir halten die Familienpaten keineswegs für ein Allheilmittel. Da es sich die NPDFraktion jedoch zum Grundsatz gemacht hat, allen Maßnahmen zuzustimmen, die familienstärkend wirken können, stimmen wir dem vorliegenden Antrag zu.
(Christian Piwarz, CDU: Kein Beifall! – Andreas Storr, NPD: Dabei bin ich auch schmerzfrei! Aber ich muss mich nicht selbst beklatschen!)
Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Ministerin, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, seit dem 1. September 2011 besteht auf Initiative meines Hauses das Projekt Familiengesundheitspaten. Träger ist das Carus Consilium Sachsen GmbH. Unser Ziel ist es, noch mehr für die Unterstützung von Familien zu tun – mehr als es die vielfachen ehrenamtlichen, niedrigschwelligen Angebote auf dem Niveau der Nachbarschaftshilfe bereits leisten. Diese Angebote sind als unser Netz der Hilfe außerordentlich wichtig. Ich danke jedem, der sich in diesem Rahmen engagiert.
Mit unserem Projekt der Gesundheitsfamilienpaten soll die gesundheitlich-soziale Entwicklung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren besonders gefördert werden. Dieses ist ein freiwilliges Angebot für alle Familien.
Die Familienpaten begleiten dazu vor allem die Eltern, denen sie bei Unsicherheiten und Unklarheiten Hilfe und Unterstützung zukommen lassen, sie über die Anlaufstellen mit bestehenden Angeboten für Schwangere, Familien, Alleinerziehende informieren können, die den Eltern dann ganz zielgenau auch zur Seite stehen.
Zur Vorbereitung auf das Patenamt widmen sich die ehrenamtlichen Paten zehn Kurseinheiten mit gesundheitlichen und sozialen Themen. Zugleich wird ein Curriculum erarbeitet, das als Handlungsempfehlung zur dauerhaften Verstetigung von Gesundheitspaten in allen Regionen Sachsens dienen soll. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung von Schulungsunterlagen, die Erstellung von
Formblättern zur Erfassung der Stammdaten von Paten und Familien, die Entwicklung eines Bewerbungs- und Berichtsbogens für die Paten sowie eines Teilnehmerbogens für die Familien.
In einer sogenannten Teilnahmevereinbarung werden die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Paten und Familien geregelt. Zudem hat die Carus Consilium Sachsen GmbH einen Newsletter entwickelt, der die Netzwerkpartner – unter anderem das Jugendamt Dresden, die Schwangerenberatungsstellen, den Gynäkologen-Stammtisch – über die Fortschritte im Modellprojekt informiert. Die Auswahlkriterien für die Familiengesundheitspaten werden im Verlauf des Vorhabens erarbeitet. Derzeit werden die Familiengesundheitspaten und die Familien mithilfe von Fragebögen zusammengeführt.
Zahlreiche Anfragen von interessierten Paten machen deutlich, wie groß das Interesse und die Bereitschaft zum Engagement sind. So hat es mir zum Beispiel eine junge Frau erzählt. Sie ist noch so jung, dass sie sich damit auf ihre eigene Familie vorbereiten will. Dafür meinen und – ich denke – unseren Dank an alle Beteiligten.
Die ersten Familiengesundheitspaten haben bereits den Hauptteil der Schulungen erhalten, sodass im März dieses Jahres die ersten Familien in das Projekt eingebunden werden konnten.
Im Verlauf der nächsten Monate wird sich zeigen, wie die Familiengesundheitspaten von den in Dresden insgesamt geplanten 50 Familien angenommen werden und wie sich die Nachfrage entwickeln wird. Selbstverständlich werden die Ergebnisse evaluiert und publiziert. Nach erfolgreichem Abschluss ist geplant, Familiengesundheitspaten an weiteren Standorten in Sachsen zu implementieren.
Das Projekt „wellcome“ betreffend, habe ich selbstverständlich sehr gern die Schirmherrschaft übernommen und ich war auch letzten Sonntag beim Benefizkonzert unseres Bundespräsidenten in der Semperoper dabei. Ich habe mit der Vorsitzenden, Frau Volz-Schmidt, gesprochen, die das Projekt aus eigener Betroffenheit damals in Hamburg gegründet hat. Sie wird ein Gespräch mit mir in Dresden haben. Über die entsprechenden drei Standorte haben wir nochmals diskutiert. Es ist aber ein ganz anderer Ansatz als der unserer Familienpaten.
Letztendlich knüpfen wir mit all den Angeboten Knoten für Knoten weiter, unsere Netzwerke für präventiven Kinderschutz neben all der anderen frühen Hilfe, die wir weiterhin stärken und ausbauen, genauso wie wir die Ergebnisse von „Pro Kind“ in die bestehenden Netzwerke überführen werden. Ich weise nochmals darauf hin, dass dies nur im Kontext mit all den anderen Dingen geschehen kann. Es ist ein Knoten für das, was folgt.