Protokoll der Sitzung vom 11.06.2012

Einführung von Regionalbudgets und Regionalfonds für eine

zielgerichtete Unterstützung des heimischen Mittelstandes

Drucksache 5/9260, Antrag der Fraktion der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der SPD als einreichender Fraktion das Wort; Frau Köpping, bitte.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Entsprechend der Ankündigung aus der letzten Landtagssitzung wollen wir heute konkret werden. Herr Dr. Meyer hatte gesagt, es wäre so viel und so umfangreich. Deswegen heute konkret: Einführungen von Regionalbudgets sind Regionalfonds für eine zielgerichtete Unterstützung des heimischen Mittelstandes. Wir wissen, dass die Konzentration auf eine landesweite, einheitliche Förderkulisse in den letzten zehn bis 15 Jahren richtig war. Aber bei rückläufigen Mitteln braucht Sachsen neue alternative Förderungs- und Finanzierungsinstrumente. Ziel dabei ist die passgenaue Förderung, bezogen auf Stärken und Schwächen der jeweiligen Regionen. Dies ist der Ansatz, der hinter den Regionalbudgets und Regionalfonds steht.

Regionale Wachstumskerne und regionale Wirtschaftskräfte sollen gestärkt werden und damit die Wettbewerbsfähigkeit – gerade die der vielen sächsischen KMUs – nachhaltig verbessern. Es gibt dazu viele gute Erfahrungen aus anderen Regionen Deutschlands, die unserem neuen Ansatz rechtgeben.

Ich möchte hier mit einem Zitat beginnen. Herr Peter Hengstmann ist ein Landrat im Kyffhäuserkreis – übrigens ein CDU-Landrat –, der Folgendes sagt: „Projekte, die ansonsten aus keinem Programm gefördert werden konnten, von denen gleichwohl Wachstumsimpulse für unseren Landkreis zu erwarten sind, konnten mit dem Regionalbudget auf den Weg gebracht werden.“

Inzwischen haben die Wirtschaftsförderung des Kreises und das Regionalmanagement aus der Vielzahl der eingereichten Projektvorschläge diejenigen abschließend

ausgewählt, deren Umsetzung aus dem Regionalbudget finanziert werden kann bzw. in den Handlungsfeldern Gewerbe, Infrastruktur, Tourismus der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten sowie einem regional gezielten Regionalmarketing entsprechen.

Regionalbudgets stärken die politische Eigenverantwortlichkeit und Eigeninitiativen der Region und erhöhen den Entscheidungsspielraum. Es entstehen Freiräume für neue, schnelle und unkonventionelle Lösungen. Die Finanzierung – sowohl über Landes-, Bundes- als auch EU-Mittel als Kofinanzierung – ist möglich. Regionalbudgets sollen keine Konkurrenz zu bestehenden Instrumenten sein, sondern regionale Finanzierungslücken schließen.

Das neue Förderinstrument könnte mit einer deutlichen Entlastung der ansässigen Unternehmen von bürokratischen Pflichten verbunden sein, wie zum Beispiel die Gemeinkostenpauschale statt der Einzelabrechnung.

Voraussetzung ist ein strategisches Entwicklungskonzept für die Region – und das unter Beteiligung aller regionalen Akteure.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Da ich die CDU bis jetzt immer zitiert habe, habe auch ich hier ein Zitat eines Ministers, der der FDP angehört, nämlich von Philipp Rösler: „Niedersachsens Regionen bekommen in Zukunft mehr Freiheit bei dem Einsatz von Fördermitteln. Ab sofort können Regionen in ganz Niedersachsen ein Regionalbudget vom Land erhalten, um regionale Projekte … schneller beginnen und direkt umsetzen zu können. … Die Regionalbudgets sind für die Regionen gut angelegtes Geld. Damit können Projekte realisiert werden, die die Wirtschaft der Region nachhaltig stärken. … Für mich ist das Budget auch ein deutlicher Vertrauensbeweis in das Können der regionalen Akteure.“

Einsatz von Regionalbudgets sind in folgenden Bereichen denkbar: in der Infrastruktur und Standortentwicklung zur Stärkung der Region, im Tourismus zur Förderung der regionalen Wirtschaft, in der Verstärkung von Maßnahmen des regionalen Marketings, in der Verbesserung der regionalen Kooperationen zugunsten von KMUs und in der Mobilisierung regionaler Wachstumspotenziale.

Eine Studie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kommt zu folgender Bewertung: „Regionalbudgets können in strukturschwachen Regionen eine „Aufbruchsstimmung“ auslösen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Effizienz und Nachhaltigkeit der eingesetzten Mittel werden gestärkt. Regionalbudgets sind sinnvolle Ergänzungen zur Landesförderung.“

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich abschließend noch ein CDU-Papier zitieren, und zwar das 10-Punkte-Programm der CDU für die Stärkung des ländlichen Raums – und man höre – vom April 2012. Die CDU will grundsätzlich mehr Bürgerbeteiligung in der ländlichen Entwicklungspolitik. In diesem Zusammenhang spricht sich die CDU für die verstärkte Nutzung von Regionalbudgets und Regionalfonds aus. Aus diesem Grund glaube ich, dass Sie, werte CDUKollegen, dem nur zustimmen können.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Jürgen Petzold.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Stärkung der Eigenverantwortung, regionale Stärkung der Akteure, Aufbruchstimmung – das klingt alles sehr gut, aber man muss dahinterschauen, ob die praktische Wirkung und Umsetzung möglich sind.

Zunächst einmal möchte ich feststellen – und das ist entsprechend unserem CDU-Programm „Ländlicher

Raum“ –, dass es in unserem schönen Freistaat eine ganze Reihe von Regionalbudgets bereits gibt, die die kommunale Eigenverantwortung stärken und hervorragend funktionieren. Als Beispiel wäre zu nennen der „Ländliche Raum“ – Sie haben es selbst in Ihrem Antrag angesprochen – mit 35 ILE- und LEADER-Regionen, die kommunale Investitionspauschale, regionalisierte Förderung bei Kitas und Feuerwehren. Schließlich sind die regionalisierten ÖPNV-Mittel für die Zweckverbände auch nichts anderes als Regionalbudgets.

Die zentrale Frage des vorliegenden Antrages ist: Wird mit der teilweisen Verteilung der vorhandenen Mittel für Wirtschaftsförderung und Innovation auch eine Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung erreicht?

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist die zentrale Frage. Ich antworte hier mit einem klaren Nein und versuche es zu begründen. Eine Regionalisierung der Fördermittel würde nach unserer Auffassung unweigerlich zu einer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung und damit zu einer Zersplitterung der vorhin gelobten Förderstrategie führen. Das ist etwas, was wir letztendlich nicht gebrauchen können. Im Gegenteil, es würde unseres Erachtens dazu führen, dass strategische Ansiedlungen, die gezielte Entwicklung branchenspezifischer Schwerpunkte und Anreize für innovative Produkte und Verfahren in unseren KMU geradezu schwieriger als bisher zu realisieren wären.

Lassen Sie mich auf die rückläufige Finanzausstattung zu sprechen kommen. Nach unserem Ermessen würde allein diese ein Stoppzeichen setzen. Wie hoch setzen Sie denn die Mittel für die vier vorgeschlagenen Planungsregionen an? Ein ordentlicher Schluck aus der Pulle wären zum Beispiel 15 Millionen Euro. Diese mal vier genommen ergeben 60 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Nun steht die Frage: Wo wollen Sie diese hernehmen? Aus Bundesmitteln? Bundesmittel sind rückläufig. Es gibt eine Zweckbindung durch den Solidarpakt – also Fehlanzeige. Aus Landesmitteln? Da wünsche ich uns viel Spaß bei den Kürzungsvorschlägen zum Doppelhaushalt. Aus EU-Fonds? In Anbetracht von einem Drittel Kürzungen in der nächsten Förderperiode müssten zwangsläufig weitere Einschnitte bei den doch gewollten Schwerpunkten Bildung und Innovation gerade im Bereich der Wirtschaftsförderung vorgenommen werden.

Es gibt aber nicht nur monetäre Aspekte, und wir müssen uns fragen, ob wir das wirklich wollen. Eine Mittelausstattung drei Nummern kleiner würde kaum die gewünschte Wirkung entfalten

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

und das Prinzip Gießkanne mit subjektiver Bewertung bedeuten. Ein Beispiel gefällig? Kyffhäuser – hier lobt er natürlich seinen Landrat. Ich habe mir angeschaut: Thüringen fördert ja mit GRW-Mitteln in einigen Regionen Projekte mit der Bezeichnung Regionalbudgets. Die Region Greiz erhielt 300 000 Euro zur Umsetzung von Maßnahmen in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Standortfaktoren usw. Sie rechnen Vorhaben ab – ich will Sie jetzt nicht langweilen – wie Veranstaltungen zum Thema Nachfolgeregelungen mittelständischer Unternehmen, Ausbau der Strukturen auf dem Gebiet Existenzgründung und -festigung, Aufstellung touristischer Orientierungstafeln, Posterserie Vogtland und Thüringen – na gut, das geht ja noch –, Erstellung touristischer Gesamtkonzepte für die Region „Neue Landschaft Ronneburg“, Schülerbefragung „Perspektive Zukunft“ usw.

(Stefan Brangs, SPD: Das sind Vorschläge!)

Meine Damen und Herren! Die versuchsweise Einführung von Regionalbudgets in Sachsen im Rahmen der GRW hat sich auch nicht bewährt, da hieraus vor allem Personalkosten auf kommunaler Ebene finanziert wurden, was der eigentlichen Zielstellung widerspricht.

Die Antragstellerin fordert Koordinierungskreise für die Erstellung strategischer Entwicklungskonzepte – das ist in der Einreichung noch einmal unterstrichen worden – innerhalb der regionalen Planungsverbände.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass sich die Einreicherin über ihren Vorschlag vielleicht selbst nicht ganz sicher zu sein scheint, wenn sie formuliert „können die Planungsverbände sein“, ist dies unseres Erachtens auch inhaltlich der falsche Ansatz. Zum Ersten vollzieht sich die beabsichtigte Wirtschaftsförderung nicht in definierten Räumen, sondern allein durch unternehmerische Entscheidungen nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben. Die regionale Wirtschaftsförderung flankiert durch Bereitstellung optimaler Rahmenbedingungen, und dort gibt es in der Tat noch Reserven, auch im Zusammenspiel mit der Landesebene. Dazu bedarf es keiner speziellen Fonds. Im Gegenteil, Ansiedlungen und Erweiterungen erfordern ein konzertiertes Vorgehen und die Bündelung von Mitteln inklusive einer abgestimmten Fördermittelvergabe bei SAB und Landesdirektion.

Frau Kollegin Köpping, für die Themenkreise, die Sie als Vorschläge genannt haben, die hier gestreut werden können – Infrastruktur, KMU, Tourismus etc. –, bestehen bereits Förderinstrumente, die natürlich weiter ausgefeilt und entsprechend entwickelt werden müssen.

Herr Kollege Brangs, wenn Sie sagen „Vorschläge“, dann sage ich: Natürlich gibt es Vorschläge, in die auch die

Regionen entsprechend einbezogen werden. Ich möchte nur daran erinnern, dass der zentrale Punkt – darin sind wir uns alle einig – Forschung und Entwicklung und Innovation ist. Es gibt die sächsische Innovationsstrategie, die jetzt in der Diskussion ist. Dort haben sich die Regionen deutlich eingebracht und dort werden sie sich auch weiterhin einbringen. Es gibt unsere Enquete-Kommission „Technologie“, wodurch sehr gute Ansatzpunkte vorhanden sind, und wir werden noch Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren.

Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu den Vorschlägen EU-Strukturfonds und Abrechnung der Regionalbudgets und -fonds. Sie haben vorhin auch gesagt: Kofinanzierung durch EU-Mittel, wenn nicht alles durch EU-Mittel finanziert werden soll. So sinnvoll das Thema Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 beim ELER auch ist – bei EFRE und ESF erscheint uns dies kaum praktikabel. Das ergibt sich schon aus den Anforderungen der EU, den Verordnungsentwürfen und der Gestaltung der Operationellen Programme. Das wird sehr schwierig werden. Das ist auch ein großer Punkt, den Sie versucht haben, mit dem Antrag aus dem Weg zu räumen.

Die Anforderungen hinsichtlich Genehmigungen, Kontroll- und Berichtspflichten sind gerade bei den EUMitteln bekanntermaßen extrem hoch. Wir würden den sicher gutwilligen Bearbeitern und Entscheidern in den Regionen keinen Gefallen tun, wenn diverse Kontrollorgane aus Bund, Land oder EU anrücken. Dann wird knallhart geprüft und dann hilft im Zweifelsfall auch kein ständiger Dialog mit den zuständigen Stellen und der Wille zum Lernen, wie Sie ihn in der Begründung angeführt oder empfohlen haben.

(Gisela Kallenbach, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Neben der Rechtsunsicherheit würde auch der bürokratische Aufwand deutlich ansteigen.

Herr Petzold, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ich möchte sie zulassen.

Das ist sehr nett, vielen Dank. – Kollege Petzold, ist Ihnen bekannt, dass bereits in der jetzigen EU-Förderperiode 2007 bis 2013 die Übertragung des Mittel- und Fondsmanagements zum Beispiel auf Kommunen und Regionen nach EU-Recht zulässig ist?

Nach meinem Wissen ist es zulässig, es kommt aber darauf an, für welche Bereiche die EU-Strukturfondsmittel sind. Das ist beispielsweise im Wirtschaftsbereich nicht praktikabel und auch künftig nicht. Möglich ist es beispielsweise im Bereich der Ziel3-Förderung bei Kleinprojekten. Dort ist es auf die regionale Ebene aufgeteilt. Dafür gibt es eine entsprechende Zielvereinbarung. Aber hier in diesem Bereich ist es nicht möglich.

Herr Petzold, es besteht der Wunsch von Frau Kallenbach, eine Nachfrage zu stellen. Möchten Sie diese zulassen?