Protokoll der Sitzung vom 11.06.2012

Herr Petzold, es besteht der Wunsch von Frau Kallenbach, eine Nachfrage zu stellen. Möchten Sie diese zulassen?

Frau Kallenbach, bitte.

Danke schön. Könnten Sie bitte näher erklären, was Sie mit „nicht praktikabel“ im Wirtschaftsbereich meinen? Zulässig ist es. Wer legt fest, dass es nicht praktikabel ist?

Das legen wir fest. Das legt das Parlament fest und das legt die Staatsregierung fest. Ich habe versucht zu erklären, warum es nicht praktikabel ist.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der Antragstellerin den guten Willen nicht absprechen, aber das Gegenteil von gut ist nun einmal „gut gemeint“. Deshalb müssen wir den Antrag leider ablehnen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Als nächste Rednerin spricht Frau Meiwald für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD begehrt die Vorbereitung der Einführung von Regionalbudgets und Regionalfonds, um eine zielgenauere Wirtschaftsförderung zu unterstützen und regionales Innovationspotenzial besser und zielgerichteter zu fördern. Meine Damen und Herren, warum denn eigentlich nicht?

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

In der nächsten EU-Förderperiode stehen die Regionen ganz klar im Mittelpunkt. Da sowohl die EU als auch der Freistaat Sachsen innovative Finanzierungsinstrumente verstärkt einsetzen wollen, ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, hier im Hohen Haus darüber zu reden.

(Mario Pecher, SPD: Genau!)

Im August vergangenen Jahres veröffentlichte das BMVBS einen Leitfaden über Regionalbudgets und Regionalfonds als Finanzierungsinstrumente für die aktiven Regionen. Frau Köpping hat bereits darauf verwiesen. Im Rahmen des Forschungsprogramms MORO wurden die Vorteile, Voraussetzungen und Vorschläge sowie Praxisbeispiele für die Umsetzung klar und verständlich zusammengefasst. Die SPD bezieht sich in ihrem Antrag sehr deutlich darauf, leider ohne Quellenangabe. Aber viel besser als im MORO-Leitfaden kann man

die Notwendigkeit von Regionalbudgets und Regionalfonds auch kaum begründen.

Kommen wir nun zu Ihrem Antrag. Schwerpunkte der von Ihnen geforderten Instrumente sollen demnach die Stärkung regionaler Kräfte, die Verbesserung regionaler Kooperation, die Mobilisierung regionaler Wachstumspotenziale und die Initiierung regionaler Wachstumsprozesse sein. Diese Schwerpunktsetzung ist angesichts der Entwicklung der verschiedenen Regionen äußerst nachvollziehbar und in unseren Augen seit Jahren unabdingbar. Zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Bereits im November 2005 hatte unsere Fraktion einen ähnlich lautenden Antrag gestellt. Unsere Vorschläge, die Region selbst und viel mehr und verantwortungsvoller in die regionale Wirtschaftsentwicklung einzubeziehen, fand damals leider keine Mehrheit. Umso mehr freut es mich heute, dass gerade die SPD – damals in Regierungsverantwortung – unsere Forderung aufgreift.

(Thomas Jurk, SPD: Da sehen Sie einmal, was Sie an uns haben!)

Wir werden Sie dabei unterstützen, Herr Jurk.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich müssen neue Finanzierungsinstrumente Bestandteil der sächsischen Strategie für die neue Förderperiode werden. Für die Zukunft der Strukturfonds ist bzw. war gerade heute ein wichtiger Termin: Im REGI-Ausschuss des Europäischen Parlaments wird über die Änderungsanträge unter anderem zur allgemeinen Verordnung und zur Verordnung über den Koalitionsfonds abgestimmt.

Für die Region Leipzig – und nicht nur für diese Region, sondern für alle Regionen Ostdeutschlands, wie wir wissen – ist es gelungen, das Sicherheitsnetz einzurichten und eine höhere Finanzierung zu sichern.

(Gisela Kallenbach, GRÜNE: Ist das entschieden?)

Das ist im REGI-Ausschuss entschieden. Es ist noch ein weiter Weg bis zum Abschluss.

Die Ausgestaltung der neuen Förderperiode nimmt also Gestalt an. Also Obacht, liebe Staatsregierung, nicht den Anschluss verpassen!

Für die Umsetzung vor Ort macht sich Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, Gedanken und konkrete Vorschläge. Konnten Sie sich seinerzeit noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, die Verantwortung tatsächlich in die Region und damit in die regionalen Planungsverbände zu geben, so sind sie in Ihrem Antrag jetzt explizit genannt. Herr Pecher wird sich sicher an die Debatte im April 2006 erinnern. Damals lehnten Sie mit Verweis auf die Abschaffung der Regierungspräsidien und die Funktionalreform unsere Vorschläge ab. In Ihrem Antrag verweisen Sie auf die Koordinierungskreise bei ILE und LEADER und möchten die örtliche Zuordnung an den vier regionalen Planungsverbänden orientieren.

(Zuruf von der SPD: In Ordnung!)

Das ist in Ordnung. Genau!

Wenngleich auch bei ILE und LEADER noch deutlich Nachholbedarf besteht – nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser zu machen geht.

Selbst die Staatsregierung kann nicht umhin anzuerkennen, dass mit dem Instrument der Regionalbudgets, das derzeit leider nur im ELER Anwendung findet, positive Erfahrungen gemacht wurden. So lese ich aus der Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage von Frau Kollegin Köpping zumindest ein mögliches Umdenken heraus. Dies ist auch dringend nötig, hat doch selbst der SSG vor wenigen Tagen noch einmal ausdrücklich ausreichend kommunale Handlungsspielräume eingefordert, und von den Landräten kommen ganz ähnliche Vorschläge.

Seitens der EU und in weiten Teilen der Bundesrepublik haben sich die Vorzüge von Regionalbudgets inzwischen herumgesprochen. Nur der Freistaat Sachsen ziert sich noch. Dabei müssen wir erst gar nicht so weit über den Tellerrand blicken, um zu erkennen, dass es an der Zeit ist, die Verantwortung an die Regionen zu geben. Ich zitiere einmal eine Ministerin: „Eine Innovation ist regionalspezifisch, denn es gibt in Mecklenburg-Vorpommern, in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen – wo auch immer – sehr unterschiedliche Strukturen. Die Aktiven vor Ort kennen sich am besten aus!" – So Ilse Aigner, völlig unverdächtig der Mitgliedschaft der Linksfraktion, im Januar 2012.

Im Hinblick auf Bürokratievermeidung und Bürokratieabbau im Punkt 5 Ihres Antrages, was Minister Martens selbst bei der EU-Förderung anmahnt, und der Forderung nach innovativen Finanzierungsinstrumenten sollte der Freistaat Sachsen endlich wieder eine aktivere Rolle einnehmen.

Meine Damen und Herren! Seit 2006 hat sich einiges verändert. Damals gab es das Programm „Regionales Wachstum“ noch von Thomas Jurk, das im inzwischen FDP-geführten Wirtschaftsministerium leider keine

Fortsetzung fand. Der Erfahrungshorizont mit neuen Finanzierungsinstrumenten hat sich wesentlich erweitert. Ich erinnere Sie an dieser Stelle nur an die 500 Millionen Euro aus dem KP 2, die von zehn Landräten und drei Oberbürgermeistern sehr erfolgreich in ihren Regionen beherrscht wurden. Das waren doch sehr wohl regionale Budgets.

Meine Damen und Herren! Zum Beispiel die 40 Millionen Euro Schulhausbauprogramm für die drei Großstädte, die im Rahmen der FAG-Verhandlungen ausgehandelt wurden, tragen doch sehr wohl konkrete Züge eines Regionalfonds.

Im Übrigen haben wir im Freistaat Sachsen doch sehr gute Erfahrungen mit revolvierenden Fonds gemacht. Ob nun über Regionalmanagements, über die Landkreise oder die Planungsverbände – Entscheidungen in den Regionen sind Entscheidungen für die Menschen vor Ort. Springen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, über Ihren Schatten, zeigen Sie sich offen für Innovation, bekennen Sie sich zu regionaler Verantwortung und

regionalem Wachstum und stimmen Sie dem Antrag der SPD zu! Wir werden das jedenfalls tun.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Sollten Sie noch Beratungsbedarf in der Thematik haben – für die Haushaltsberatung haben wir vier Monate Zeit. Bereiten wir so die Einführung von Regionalbudgets vor!

Herzlichen Dank!

(Beifall bei den LINKEN und der SPD – Mario Pecher, SPD: Ihr Charme setzt gewisse Distanz voraus!)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Herbst. Herr Herbst, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss schon wild bei der SPD bei solchen Zwischenrufen zugehen. Aber ich sage einmal: Gut gemeint ist nicht gut gemacht – mit Blick auf Ihren Antrag. Insofern haben Sie mit dem Schatten in Bezug auf Ihre Fraktionskollegen recht, Herr Pecher.

Regionale Verantwortung ist ein Thema. Ich glaube, wir stellen uns als Koalition und Staatsregierung genau dieser regionalen Verantwortung. Wenn wir uns in Sachsen umschauen, sehen wir an vielen Stellen, dass diese Verantwortung gelebt ist.

Ich möchte nur zwei Beispiele anführen. Ein Beispiel ist die Förderung der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE). Hier haben die regionalen Akteure weitreichende Spielräume, über die Verteilung der Finanzen zu bestimmen. Ich glaube, sie nutzen sie durchaus zu ihrem Vorteil.

Ein zweites Beispiel. Die Investitionspauschale des Freistaates für Kommunen betrug 2011 51 Millionen Euro, 2012 72 Millionen Euro. Hier konnten die Kommunen entscheiden, ob sie in Schulen, Straßen, Kitas, Sportstätten oder Krankenhäuser investieren. All das sind Entscheidungen, die sinnvollerweise vor Ort nach dem bestehenden Bedarf getroffen werden.

Jetzt müssen wir uns die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, ein neues Wirtschaftsförderprogramm auf regionaler Ebene zusätzlich zu der Förderung, die wir im Land haben, zu installieren. Wenn man das vorhandene Geld nimmt, hieß es ja bei der SPD, dass es woanders weggenommen wird, das heißt, dass die Landesförderung sinkt. Das ist in unseren Augen der völlig falsche Weg, denn wo ist der Mehrwert für ganz Sachsen? Wir betreiben die Wirtschaftsförderpolitik, um einen Mehrwert in Sachsen zu schaffen, nicht um einem einzelnen Unternehmen etwas Gutes zu tun. Wo ist der Mehrwert, wenn Fördermittel plötzlich durch Kreise ausgezahlt werden und nicht mehr auf der Ebene des Freistaates?

Den Unternehmen ist es sicherlich egal, woher die Fördermittel kommen. Was sie erwarten, sind klare Kriterien. Eine zügige Bearbeitung ist ein guter Service. Wenn wir uns anschauen, welche Schwierigkeiten wir mittlerweile im Förderbereich haben – Stichwort EU-Beilhilferecht –,

dann weiß ich nicht, ob sich die Landkreise wirklich einen Gefallen tun, wenn sie sich damit im Einzelnen auseinandersetzen wollen.

Es gibt aber auch ein paar praktische Probleme bei Ihrem Vorschlag der Regionalfonds. Wir betreiben bisher eine Wirtschaftsförderung aus Landessicht, die nach gewissen Prioritäten fördert, weil wir Wachstum, weil wir Internationalisierung wollen. Wir bleiben aber jetzt bei einem praktischen Beispiel. Es gibt zehn Unternehmen, die in diese Förderkategorie fallen und sich dummerweise im Landkreis Bautzen befinden. Aber der Landkreis Bautzen sagt, ich habe mein Regionalbudget schon für andere Dinge verplant. Für diese zehn Unternehmen habe ich dann einfach kein Geld mehr, obwohl wir als Freistaat sagen, genau diese Innovation wollen wir eigentlich fördern. Im Nachbarkreis Görlitz ist vielleicht Geld übrig. Dann, meine Damen und Herren, wären wir doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn für die Unternehmen, die wachsen wollen, die Innovation haben, die investieren wollen, kein Geld mehr da wäre, während woanders das Geld übrig ist. Das kann doch nicht der Weg sein, meine Damen und Herren!

Herr Herbst, gestatten Sie eine Zwischenfrage?