Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Herr Schreiber, ich bin Lehrerin. Wenn Sie mit diesen Formulierungen an die Schulen gehen und sich mit Eltern unterhalten, dann haben Sie nach meiner Meinung absolut und auf Ewigkeit verloren; denn Schule ist in Sachsen zum Glück – und offensichtlich nicht durch Ihr Zutun – etwas ganz anderes. Schule in Sachsen umfasst wesentlich mehr. Das ist eine große Bandbreite von Aufgaben, die dort erfüllt werden müssen. Ich bin froh, dass Lehrerinnen und Lehrer solch ein hohes Ego haben und sich mit viel Engagement einbringen, obwohl sie dafür nicht die entsprechende Anerkennung bekommen. Sie bekommen vielleicht mal ein Dankeschön hier am Pult, aber mehr auch nicht. Das geht meiner Meinung nach überhaupt nicht.

Herr Staatsminister, Sie sprachen von der Durchlässigkeit. Ich frage Sie: Hatten wir bisher keine Durchlässigkeit? Habe ich in den letzten fünf Jahren nicht ständig von Ihnen gehört, dass wir eine durchlässige Schule haben und dass wir ab der 5. Klasse eine Durchlässigkeit nach oben haben? Der Staatsminister hat es x-mal erzählt. Heute höre ich, dass Sie sich dafür einsetzen, damit es endlich eine bessere Durchlässigkeit gibt.

Die Durchlässigkeit, die Sie schaffen werden, wird folgendermaßen aussehen: Sie werden die 2,0 nach der 4. Klasse wieder einführen. Sie werden dann einige Schüler mehr haben, die nach der 6. Klasse aufs Gymna

sium gehen können. Und zwar nicht, weil das die Spätentwickler sind, die dann aufs Gymnasium gehen können, sondern weil Sie versuchen werden, genau über das System von Hauptschule, Realschule und Gymnasium ab der 5. Klasse eine entsprechende Förderung hinzubekommen. Das ist ein klarer und eindeutiger Schwindel!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Zur Oberschule. Sie wollen einen Schulversuch von selbstverwaltender Schule ins Leben rufen. Inwieweit nehmen Sie eigentlich bei der neuen Benennung der Mittelschulen in „Oberschule“ die Eltern, Lehrer und Schüler mit? Sind Sie sich sicher, dass jene das überhaupt wollen?

(Holger Zastrow, FDP: Ja!)

Haben Sie eigentlich mal mit den Eltern, den Lehrern und Schülern darüber gesprochen? Alle Gespräche, die ich in letzter Zeit geführt habe, waren eher derart, dass man Sie ausgelacht hat, insbesondere wegen der Formulierung, Herr Zastrow. Gehen Sie doch mal in die Schulen und schauen Sie sich das an!

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Ein Etikett darauf zu kleben, weil „Oberschule“ etwas besser klingt, und inhaltlich nicht wirklich etwas zu gestalten, das ist keine Veränderung von Schule in Sachsen. Das, was wir heute gehört haben, ist doch keine Veränderung der inhaltlichen Gestaltung, sondern eher ein Rückschritt von Schule.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich weiß, dass Sie unseren Anträgen heute natürlich nicht zustimmen werden. Aber wir werden das Thema weiterhin in diesem Hohen Haus bedienen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung hat das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen. Da wir noch nicht in die Abstimmung eingetreten sind, erteile ich Herrn Staatsminister Wöller das Wort; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Frau Kollegin Falken veranlassen mich, noch einmal das Wort zu ergreifen. Wir können hier Meinungen austauschen und uns auch im Sinne der Sache streiten – das finde ich sehr förderlich –, dennoch möchte ich eine sachliche Richtigstellung vornehmen.

Frau Falken, Sie haben von Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Mittelschulen bzw. Gymnasien gesprochen. In Sachsen haben wir keine Hauptschulen. So gut sollten Sie unser sächsisches Schulsystem kennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Martin Dulig, SPD: Sie führen sie doch mit den Leistungsklassen ein!)

Insofern sollten wir auf der Grundlage der Sachlichkeit diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in die Abstimmung ein, wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt.

Zuerst stimmen wir über die Drucksache 5/602 ab. Es handelt sich um einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –

Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 5/602 mehrheitlich nicht beschlossen.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, zur Drucksache 5/41, Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 5/41 bei zahlreichen Dafür-Stimmen mehrheitlich nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 12

Finanzielle Handlungsfähigkeit der sächsischen Städte und Gemeinden wiederherstellen – Erfüllung sozialer Aufgaben sicherstellen!

Drucksache 5/566, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der NPD-Fraktion als Einreicherin das Wort. Herr Storr, Sie haben die Möglichkeit, den Antrag einzubringen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sächsischen Kommunen, Städte und Gemeinden, ebenso Landkreise und kreisfreien Städte haben die Hauptlast bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge zu tragen.

Der Gedanke der Subsidiarität geht vom Prinzip der Eigenverantwortung aus. Eigenverantwortung bedeutet auch, dass die Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Auswirkungen unmittelbar stattfinden. Die Kommunen sind die Ebene, die deshalb über die meisten Lebensvorgänge der Bürger entscheidet. Die kommunale Selbstverwaltung soll sicherstellen, dass diese Aufgaben von der aus dem praktischen Leben erkennbaren politischen Ebene wahrgenommen werden.

Die Verteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden entspricht aber nicht der Aufgabenverteilung. Deshalb gibt es völlig zu Recht einen Bund-LänderFinanzausgleich und einen Kommunalfinanzausgleich durch die Länder.

Wenn nun steigende Sozialausgaben und sinkende Einnahmen die kommunale Ebene überproportional belasten – also stärker belasten als den Bund oder die Länder –, dann muss es eine Neuverteilung der Finanzmittel geben. Dies beinhaltet die Verpflichtung des Freistaates wie auch des Bundes, als beauftragender Gesetzgeber für den finanziellen Ausgleich der den Kommunen übertragenen Aufgaben zu sorgen.

Dies ergibt sich aus Artikel 104 a des Grundgesetzes ebenso wie aus den Artikeln 85 und 87 der Verfassung des

Freistaates Sachsen. Aber der Kampf der staatlichen Ebenen um die immer knapper werdenden Finanzmittel hat quer zu allen parteipolitischen Grenzen bereits begonnen. Der Bund will Steuern senken, und die Länder und die Kommunen werden zur Kasse gebeten. Die Länder stehen vor Sparzwängen, die sie unerbittlich an die kommunale Ebene weiterreichen.

In Sachsen wird diese Tendenz spätestens bei den Beratungen zum nächsten Doppelhaushalt deutlich werden. Spätestens dann wird die Stimmung in ein Rette-sich-werkann umschlagen.

Das herrschende Wirtschaftssystem mit seiner einseitigen exportorientierten Wirtschaftspolitik, seiner Fixierung auf eine spekulationsbasierte Finanzwirtschaft sowie einer Förderpolitik mit extrem anfälligen Großunternehmen wurde zulasten des Mittelstandes und der regionalen Märkte gefördert. Dieses System wird laut Umfragen mittlerweile von fast zwei Dritteln der Deutschen im Osten dieser Republik in Zweifel gezogen. Dieses System, das statt Handschellen für Finanzganoven lieber Rettungspakete für Banken schnürt, geht angesichts der selbstverschuldeten Finanz- und Wirtschaftskrise seinem verdienten Ende entgegen.

(Beifall bei der NPD)

Den Kommunen ist in dieser Tragödie schon seit Jahrzehnten eine ganz bestimmte Rolle zugedacht. Infolge der demografischen und sozialen Katastrophe unseres Landes erfüllen diese die dauerhaft einfach nicht erfüllbare Aufgabe von Reparaturbetrieben, die die Auswirkung verfehlter und unverantwortlicher Weichenstellungen auf höherer Ebene auszugleichen haben. Doch diese Strategie ist nunmehr an ihrem logischen Ende angelangt.

Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Mischa Woitscheck, weist darauf hin, dass die sächsischen Kommunen ihre Ausgaben auf ein Niveau

abgesenkt haben, das deutlich unterhalb dem der anderen neuen Bundesländer und der finanzschwachen westlichen Bundesländer liegt. Der Spielraum für weitere Kostensenkung ist so gut wie erschöpft. Gleichzeitig gingen die Steuereinnahmen der Kommunen im Vergleich des ersten Halbjahres 2009 zum ersten Halbjahr 2008 in allen Bereichen deutlich zurück, insgesamt um 5,6 %. Für die Zukunft ist mit einem weiteren Rückgang vor allem bei der Gewerbesteuer zu rechnen. Parallel dazu steigen die Sozialausgaben der Kommunen infolge der wachsenden Arbeitslosigkeit weiter exorbitant an. Eine Senkung des Bundesanteils an den Unterkunftskosten würde die Kommunen, die schon jetzt drei Viertel dieser Ausgaben tragen, bundesweit insgesamt mit 12 Milliarden Euro belasten. Das ist eine Steigerung von 2 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren! Es ist an der Zeit, dass Sie alle gemeinsam umsteuern und die Handlungsfähigkeit der sächsischen Kommunen wiederherstellen, damit diese auch künftig ihre sozialen Aufgaben im Dienste unserer deutschen Landsleute wahrnehmen können.

(Beifall bei der NPD)

Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Krasselt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die sächsischen Kommunen sind das Rückgrat unseres Freistaates.

(Beifall bei der CDU)

Gerade aus dem Grunde ist in den Neunzigerjahren das Finanzausgleichsgesetz in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden entwickelt worden. Es ist für die Kommunen und für das Land berechenbar. Jeder weiß, was er von dem anderen zu bekommen hat.

Da ich 18 Jahre Bürgermeister war, kann ich hier mit Fug und Recht sagen, dass sich der lineare und vertikale Finanzausgleich in Sachsen bewährt hat. Ich verkenne dabei nicht, dass es schon mehrfach erhebliche Reduzierungen bei den Finanzzuweisungen gegeben hat, insbesondere in den Jahren 2004 und 2005. Damals hat der Freistaat in Zusammenarbeit mit der CDU-Fraktion ganz intelligent reagiert und über einen Kredit das Absinken der Finanzen abgefedert. Es war immer klar, dass dieser Kredit zurückzuzahlen ist. Dass es dann dazu nicht gekommen ist, weil die Wirtschaftsentwicklung 2007 und 2008 so positiv war, hat allen Kommunen sehr geholfen. Damals ist deutlich gesagt worden, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass wir die Solidarpaktmittel zurückgeben, dass Zuweisungen aus Brüssel nach der jetzigen Förderperiode ganz oder zumindest deutlich zurückgeführt werden und dass das haushälterisch in den kommenden Jahren einzuplanen ist. Die gegenwärtige Krise war so sicherlich nicht absehbar.