Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

(Christian Piwarz, CDU: Sie können ja mal probieren aufzuhören!)

Das Problem ist nur, Herr Staatsminister, es wird, solange es noch die Gewaltenteilung gibt, so bleiben.

Ob das Parlament es für notwendig hält, etwas zu beschließen und der Staatsregierung auf den Weg zu geben oder nicht, entscheidet schon das Parlament.

(Beifall bei den LINKEN – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: So ist das, genau!)

Wir lassen uns auch ungern vorgeben, wozu wir Anträge einbringen dürfen bzw. was wir mit den Anträgen bezwecken.

Ganz kurz noch ein Gedanke. Wir haben ja die Situation, dass mit diesem Gesetz zum Beispiel auch das Sächsische Meldegesetz aus der Welt geht. Durch die Zuweisung der Zuständigkeit für das Meldewesen durch die erste Föderalismusreform an den Bund wird dann durch dieses Gesetz auch für Sachsen ein völlig neues Melderecht geschaffen. Wir sind der Auffassung, wir haben als Freistaat Sachsen eine Verfassungs-, eine Rechtslage in diesem Prozess zu verteidigen, die einmalig in der Bundesrepublik Deutschland ist.

Es gibt kein anderes Bundesland, das eine so klare Regelung in die Verfassung geschrieben hat, nämlich in den Artikel 33, Recht auf Datenschutz, wonach tatsächlich jede Person erst zustimmen muss, wenn betreffende Daten erhoben, gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden. Da kann ein kommerzieller Ansatz, eine wirtschaftliche Erwägung, eine Überlegung, was den Kommunalkassen oder Ähnlichem guttut, nicht der Maßstab sein. Ich weiß, dass die Stadt Dresden bereits im Jahr 2011 mit der Veräußerung von Meldedaten an Private 106 000 Euro eingenommen hat, wobei wir noch nicht einmal die Lösung mit der Veräußerung an Inkassofirmen, Werbefirmen und dergleichen mehr haben. Unser Maßstab ist der Artikel 33 der Verfassung.

Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als dass die Staatsregierung – wie wir hoffen auch im Auftrag der Koalition – diese Verfassungslage im Bund verteidigt und den Bundesrat zur Einhaltung einer Regelung auffordert, die die Wahrung der verfassungsrechtlichen Standards für unsere Bürger sichert.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Gibt es für die CDU-Fraktion Redebedarf? – Herr Bandmann.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Der oberste Datenschützer!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt außerordentlich, dass sich der Freistaat Sachsen im Bundesrat für Änderungen zu dem vom Bundestag beschlossenen neuen Meldegesetz einsetzen wird.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Nachdem unser Antrag kam!)

Dies wurde bereits medial angekündigt. Insofern ist der vorliegende Antrag überflüssig.

Herr Bartl, wenn die Opposition in ausreichender Stärke im Bundestag anwesend gewesen wäre, wäre dieses Gesetz mit dieser Norm auch nicht zustande gekommen.

(Lachen bei der CDU – Wortwechsel zwischen Koalition und Opposition)

Von daher ist dieses Kläffen völlig überflüssig.

Noch etwas: Das Gesetz hat der Bundestag am Abend des 28. Juni 2012, am Tag des EM-Spiels Italien – Deutschland, beschlossen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es ist mitnichten so, dass Sie den Antrag nicht bis zum 2. Juli 2012, 12:00 Uhr, hätten stellen können. Aber sei es drum. Auch das ist nur eine Formalie.

Herr Bartl, wenn Sie schon die Sächsische Verfassung zitieren – Sie haben ja immer so eine trickreiche Rede –, dann sollten Sie den Artikel 33 in Gänze zitieren. Darin steht nämlich: „Jeder Mensch hat das Recht, über die Erhebung, Verwendung und Weitergabe seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Sie dürfen ohne freiwillige und ausdrückliche Zustimmung der berechtigten Person nicht erhoben, gespeichert oder weitergegeben werden. In dieses Recht darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Das ist der Artikel 33. Ich sage das nur der Vollständigkeit halber, damit nichts im Raum stehen bleibt.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, tritt ans Saalmikrofon.)

Herr Bandmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage.

Worum es uns geht, ist, dass mit dem neuen Meldegesetz dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger ausdrücklich der Vorrang vor den Interessen der Werbewirtschaft eingeräumt wird, so wie es Markus Ulbig hier deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Wir wollen, dass es beim ursprünglich in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf bleibt. Die Erteilung von einfachen Melderegisterauskünften für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels soll nur zulässig sein, wenn der betroffene Einwohner in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck ausdrücklich eingewilligt hat. Hilfsweise plädieren wir für den Rechtszustand, wie er im Wesentlichen bisher in den Bundesländern besteht. Die Einwohner sollen eine Übermittlung durch Einlegung eines Widerspruchs wirksam verhindern können.

Der Bundestag hat im neuen Meldegesetz weiter geregelt, dass der Widerspruch des Betroffenen für eine Auskunft auch für diesen Zweck dann unbeachtlich ist, wenn der Anfragende die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet. Das ist aber der Regelfall. Eine einfache Melderegisterauskunft darf nur erteilt werden, wenn die gesuchte Person im Melderegister identifiziert werden kann. Dazu muss der Anfragende in seiner Anfrage Familienname, früherer Name, Vorname, Geburtsname, Geschlecht oder eine Anschrift mitteilen. Damit wird die bisherige Rechtslage im Meldegesetz zugunsten der datenverarbeitenden

Wirtschaft verändert. Der Widerspruch entfaltet für diese Konstellation keine Wirkung mehr. Diese Norm ist daher inhaltlich verfehlt, weil sie den Bürgern ein Widerspruchsrecht zubilligt, das in der Praxis keinen Wert hat. Das wollen wir nicht.

Wir brauchen Klarheit über die Rechtslage der Bürger. Auch SPIEGEL ONLINE hat sich nach Meldung des Nachrichtenmagazins wohl auch deshalb mittlerweile in diesem Punkt vom Meldegesetz distanziert.

Deshalb bitten wir um Ablehnung des Antrages und Zustimmung zu der Position, wie sie der Innenminister vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mike Hauschild, FDP)

Für die SPD-Fraktion Herr Brangs; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Kollege Bartl gesagt hat, es sei alles gesagt, und danach noch gefühlte 10 Minuten weitere Ausführungen gemacht hat – wahrscheinlich waren es tatsächlich nur noch weitere 5 Minuten –, habe ich mir eines gedacht: Man kann es dabei belassen; denn im Kern ist wirklich fast alles gesagt worden, sowohl vom Innenminister als auch vom Kollegen Bartl. Als dann aber mein wirklich geschätzter Kollege Bandmann wieder den Weg an das Mikrofon gesucht hat, muss ich sagen: Da fällt mir wirklich gar nichts mehr ein. Wenn Sie, lieber Kollege Bandmann, hier blumig ausführen, dass all das, was der Innenminister gesagt hat, gesagt worden sei, bevor der Antrag eingebracht worden ist, und all das doch schon in der Presse stehen würde, dann scheinen Sie ein wenig die Ebenen zu verwechseln:

(Andreas Storr, NPD: Das gilt grundsätzlich für Herrn Bandmann!)

Da ist die Staatsregierung, hier das Parlament; und wenn das alles richtig ist, was der Staatsminister gesagt hat und sich das im Antrag der LINKEN wiederfindet, dann sollte das Parlament diese Gelegenheit nutzen und dem Antrag zustimmen. So funktioniert Parlamentarismus und nicht anders.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wenn Sie dann noch die Dreistigkeit besitzen, Ihr eigenes Fehlverhalten auf Bundesebene – dass Sie noch nicht einmal in der Lage sind, Ihrer eigenen Bundesregierung klarzumachen, wie sie mit Datenschutz umgeht – dann umzudrehen und der Opposition vorzuwerfen, sie sei nicht in ausreichender Anwesenheit im Saal gewesen, um das zu stoppen, dann sage ich Ihnen: Wir stoppen das Ganze spätestens 2013, wenn es eine neue Bundesregierung gibt. Das garantiere ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Robert Clemen, CDU: Nimm den Mund nicht so voll! – Christian Piwarz, CDU: Das haben schon ganz andere gesagt!)

Und bis 2013, lieber Kollege, sollten wir schon versuchen, Ross und Reiter zu benennen und wer hier versagt hat. Es ist schon ein einmaliger Vorgang, wenn eine Bundesregierung der eigenen Bundestagsmehrheit sagen muss: Bitte, Länder, stimmt im Bundesrat gegen meine Mehrheit im Bundestag, damit wir ein vernünftiges Gesetz haben. Also, bitte, lasst die Kirche im Dorf, stimmt dem Antrag zu, damit einigermaßen Klarheit für die Menschen im Lande besteht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Biesok für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nichts mehr hierzu sagen, aber wenn Kollege Bartl meint, er könne sich auf die Fahnen schreiben, dass dieses Gesetz von der Staatsregierung im Bundesrat abgelehnt worden sei, dann müssen wir mal einige Fakten auf den Tisch legen.

Die LINKEN versuchen mit diesem Antrag, sich mal wieder in eine Debatte zurückzubringen, die sie komplett verratzt haben, das muss man einmal ganz deutlich sagen. Sie haben darauf überhaupt nicht reagiert. Es war unsere Fraktion, die am Donnerstag letzter Woche mit einer Presseerklärung rausgegangen ist und gesagt hat, dass die Leute in Berlin einen Fehler gemacht haben. Das haben wir unabhängig davon gemacht, wer dort reagiert, weil es uns um den Datenschutz gegangen ist, der in Sachsen sowie auf Bundesebene Grundrecht ist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Deshalb sind wir rausgegangen und haben gesagt, wir müssen diese Regelung stoppen, weil sie in Grundrechte eingreift und an einer ganz falschen Stelle die Interessen von bestimmten Verbänden berücksichtigt, und dort muss man korrigieren. Das war die Wahrheit.

Staatsminister Ulbig hat am Montag erklärt, dass die Staatsregierung dieses Vorhaben im Bundesrat aufhalten will, und wer kommt am Montag mit einem Antrag? Ich hätte fast gesagt, die PDS – aber sie haben umfirmiert –: die LINKEN. Da war das Thema schon längst erledigt. Sie wollten es noch einmal ins Parlament ziehen, um sich damit entsprechend profilieren zu können.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Inhaltlich bin ich sehr bei der Forderung der LINKEN, dass Adressen aus amtlichen Melderegistern nur dann an Adresshändler zu Werbezwecken weitergegeben werden können, wenn der Bürger ausdrücklich zugestimmt und nicht widersprochen hat.

Herr Biesok, gestatten Sie eine Zwischenfrage?