Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen der CDU und der FDP das Wort; im Weiteren DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.
Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abg. von Breitenbuch. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen haben heute die Aktuelle Debatte genutzt, um das Thema "Energiepolitik mit Augenmaß – Stromrechnung für Bürger und Unternehmen bezahlbar halten" auf die Tagesordnung zu setzen. Als Energiepolitiker freue ich mich, dass wir es heute, vor dem Sommer, noch einmal hinbekommen, dieses Thema fachpolitisch zu diskutieren und den Stand der aktuellen Diskussion damit auch ins Land zu tragen, es für die Bürger verständlich zu machen und damit letztendlich allen Politikern, die fachlich damit unterwegs sind, die Gelegenheit zu geben, ihre Überlegungen einzubringen.
Des Weiteren ist es uns natürlich wichtig, den Punkt Bezahlbarkeit im Mittelpunkt zu halten. Das ganze Energiesystem wird umgebaut und selbstverständlich fragen sich alle im Lande: Wer soll das bezahlen? Wie soll das funktionieren? Darüber müssen wir sprechen. Wir müssen auch die Grenzen und die Schwierigkeiten offen ansprechen, die zurzeit im Raum stehen; sie bleiben niemandem verborgen. Auch darüber gilt es transparent zu sprechen.
Die Energiewende, werte Kolleginnen und Kollegen, ist in Deutschland beschlossene Sache. Die Frage ist nicht mehr das Ob, sondern das Wie. Es gibt einen großen politischen Konsens, dass sie durchgeführt wird. Insofern sind alle mit im Boot und können ihre Ideen einbringen.
Wo stehen wir zurzeit? Die Zahlen des Umweltministeriums zeigen deutlich folgendes Bild: der Anteil erneuerbarer Energien am Strom: 20 %, der Anteil bei der Wärme: 10,4 %, der Anteil bei Kraftstoffen: 5,6 %. Das Ziel, 100 % erneuerbare Energien, ist am Horizont noch nicht sichtbar, von einer Grundlast ganz zu schweigen. Wir haben hier wirklich eine Generationsaufgabe vor uns.
Die EEG-Umlage wird wahrscheinlich im November von 3,6 Cent je Kilowattstunde auf über 5 Cent je Kilowattstunde ansteigen. Die Bürger werden es bezahlen müssen, wir alle werden es als Stromkunden bezahlen müssen. Das steht derzeit im Raum.
Wie wird das Thema momentan in Deutschland diskutiert? Der neue Umweltminister steckt mitten in den Mühen der Ebene. Wir hatten vor einem Jahr die Entscheidung zur Energiewende, und innerhalb dieses einen Jahres erleben wir, dass die Länder, aber auch die Kommunen mit Einzelkonzepten im Gange sind und daran arbeiten, aber es zeigt sich doch sehr, dass die Summe der Einzelteile bisher kein Ganzes ergibt. Es ist also große Koordination und Abstimmung nötig, und dabei ist selbstverständlich die Zentrale – sprich: Deutschland – insgesamt in der Pflicht, hier Pflöcke einzusetzen; denn die Fliehkräfte in unserem föderalen Land sind groß. Wir brauchen eine nationale Strategie, wie wir dieses Thema sauber und bezahlbar abarbeiten.
Wir haben im letzten Jahr auch das Thema Solarkürzungen erlebt. Ich möchte den „Spiegel“, Ausgabe 27/2012, zitieren: „Ein sonniges Geschäft. Die Politik findet nicht die Kraft, sich der Macht der Solarlobby zu widersetzen.
Auf Kosten der Verbraucher werden Milliarden in die ineffiziente Fotovoltaik gesteckt.“ Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich die 30 000 Megawatt als solarinstallierte Leistung knacken.
Wir haben eine intensive Auseinandersetzung zwischen den zentralen Bundesinteressen und den Interessen der Länder. Dafür möchte ich mehrere Beispiele ansprechen. Bayern, Herr Seehofer, setzt ganz klar auf eine eigene Erzeugung bei Wind mit Solar, mit Biomasse und Gaskraftwerken. Er will nicht, dass der Strom bei uns produziert wird und hinüberrutscht. Gleiches hört man – hört, hört! – auch vom neuen SPD-Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen. Dort regiert ja die SPD mit den Grünen. Auch dort Autarkie. Sie wollen ihre Energieerzeugung selbst umstellen, sie aber auch bei sich selbst halten. Das Gleiche – eine Riesendebatte – in BadenWürttemberg. Dort regiert – umgekehrt – Grün-Rot, und auch dort dieselben Themen.
Insofern ist die Frage: Wie kommen wir dabei zueinander? Denn bei uns gibt es schon zu viele installierte Kapazitäten. Wir haben gerade in Sachsen Überschüsse. Diese könnten wir weiterleiten, verkaufen, aber das Interesse bei den Nachbarn ist gering. Auch die Standortvorteile – wo weht der Wind, wo ist die Sonne? –
– spielen bei der derzeitigen Förderung keine Rolle. Das heißt, wir haben hier Egoismen gegen Allgemeininteressen, damit müssen wir umgehen. Das ist zurzeit die Situation in Deutschland.
Meine Damen und Herren, das war Herr von Breitenbuch für die CDUFraktion. – Nun spricht für die mitantragstellende FDPFraktion Herr Abg. Herbst. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben heute ein wichtiges Thema aufgegriffen. Mit den schnellen Entscheidungen zur Energiewende war es ein wenig wie mit einer Party: Am Anfang stand das kollektive Hochgefühl, alle waren etwas im Rausch. Am nächsten Morgen setzte der Katzenjammer ein, und wir sind jetzt im Bereich des Kopfschmerzes und des Katzenjammers.
Denn eines wird immer deutlicher: Die Energiewende war – zumindest in Teilen – überhastet. Sie war nicht in allen Punkten durchdacht und ihre verschiedenen Elemente fügen sich nicht zusammen. Wir haben es zum einen mit einer massiven Instabilität der Netze zu tun. Uns drohen Blackouts, wir haben Netzeingriffe in erheblichem Um
fang. Wir haben eine Kostenexplosion durch das EEG und den notwendigen Leitungsausbau, und wir haben Bürgerproteste in Größenordnungen gegen die Verspargelung der Landschaft durch Windkraft, nicht zuletzt auch in Sachsen. Das alles, meine Damen und Herren, zeigt: Wir brauchen eine zweite Energiewende, die zurück zu Vernunft und Augenmaß führt.
Deshalb war es wichtig, dass die Entscheidungen des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat in der vorletzten Woche zumindest ein Stück weit einen Dämpfer gesetzt haben, um die massive Kostenexplosion zu begrenzen. Das war ein Schritt in die richtige Richtung, ich sage aber auch: Es war kein ausreichender Schritt. Die EEG-Einspeisevergütungen werden rückwirkend gekürzt, das dämpft den Kostenanstieg. Die Degression der Einspeisevergütung ist jetzt vom Zubau abhängig. Wir werden Ende dieses Jahres erleben, wie der Zubau ist. Das bedeutet aber auch, dass mehr installierte Leistung zu mehr Kürzungen im Folgejahr führt, und die Diskussionen, die wir jetzt führen, werden wir spätestens Ende dieses Jahres wieder haben, meine Damen und Herren.
Die EEG-Managementprämie wurde gestrichen. Das spart zumindest rund 200 Millionen Euro pro Jahr, und die Entwicklung von Speichern wird verstärkt gefördert, da das am Ende der Schlüssel ist, dass die Energie dort, wo sie erzeugt wird, auch verbraucht werden kann. Das vermindert den Aufwand, den wir beispielsweise für den Leitungsbau betreiben müssen.
Dennoch werden die Kosten immer unkontrollierbarer. Wir haben mittlerweile auf allen Verbrauchern in Deutschland durch das EEG eine Gesamtbelastung von bereits weit über 100 Milliarden Euro – und diese Summe steigt weiter – für 20 Jahre festgelegt; dort kommen wir auch nicht mehr heraus.
Wir fördern derzeit am stärksten die Energie, die am teuersten in der Produktion ist. Solarstrom legt 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 50 % zu. Die EEGUmlage wird dramatisch steigen auf 4,8 bis 5,2 Cent, sagen die Experten. Das ist ein Anstieg von circa 40 %. Um einmal deutlich zu machen, was das für eine Familie in Sachsen bedeutet: Das sind ungefähr 70 Euro mehr, die pro Jahr anfallen. Ich möchte gar nicht erwähnen, was es für die Wirtschaft bedeutet, und dabei sprechen wir nicht über diejenigen, für die Ausnahmen gelten, sondern diese Kosten trägt jeder – von der Bäckerei über den Gartenbaubetrieb, jedes mittelständische Unternehmen –, und es kann nicht in unserem Sinne sein, dass wir in Deutschland dazu beitragen, dass das Land ein Stück weit deindustrialisiert wird. Hier müssen wir klar gegensteuern, meine Damen und Herren.
Wir brauchen gerade bei den erneuerbaren Energien echten Wettbewerb, und zwar ohne eine Verengung auf eine Technologie. Wir wissen noch nicht, mit welcher Energiequelle wir in 20, 25 Jahren unsere Energie erzeugen. Es wird vermutlich etwas anderes als fossile Energiequellen sein, aber ob es das ist, was wir heute kennen – ob es Solar- oder Windenergie ist –, wissen wir alle nicht, genauso wenig, wie wir vor 30 Jahren wussten, womit wir heute Energie erzeugen.
Wir brauchen weiterhin auch ein klares Bekenntnis, dass Klimaschutz nicht gegen Landschaftsschutz ausgespielt werden darf. Wer durch Sachsen fährt, sieht eine Landschaft, die zunehmend von Monokulturen geprägt ist. Das wirkt sich natürlich auf die Artenvielfalt aus, auch auf diejenigen, die eigentlich Umweltpolitik machen wollen, Herr Lichdi. So ist das. Sprechen Sie einmal mit Biologen!
Das, was wir mittlerweile an Windkraft haben, wenn man beispielsweise auf der Autobahn von Dresden nach Leipzig oder auch nach Berlin fährt, hat, denke ich, mit Schutz von Kulturlandschaft und Landschaft nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.
Wir müssen dafür sorgen, dass dort mehr Energie produziert wird, wo sie tatsächlich verbraucht wird. Das würde einige unserer Probleme lösen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir bei den Schwankungen der Einspeisungen die Spitzen ausgleichen können; denn, wenn wir uns nur auf Wind und Sonne verlassen, haben wir keine verlässliche Energieversorgung.
Das sind die ungeklärten Fragen. Es kann nicht darum gehen, einfach einen unkontrollierten Ausbau im bisherigen Tempo fortzusetzen, sondern wir sollten dafür sorgen, dass eine Energiepolitik mit Augenmaß erfolgt und dass wir unsere Umwelt- und Energieziele nicht zu höchsten Kosten, sondern zu niedrigsten Kosten für die Bürger und die Unternehmen erreichen, meine Damen und Herren.
Das war Herr Herbst für die FDP-Fraktion. Nun für die Fraktion DIE LINKE Frau Dr. Runge. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Strompreisbildungsprozess ist ein sehr komplexer Vorgang. Insofern ist eine Aktuelle Debatte nur bedingt
geeignet, schlaglichtartig diesen Preisbildungsprozess zu analysieren, eine Diagnose zu stellen, um dann die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen vorschlagen zu können.
Bisher habe ich außer Appellen von Herrn Herbst und Herrn Breitenbuch, dass Bezahlbarkeit bei der Energiewende erreicht werden muss, keine Ideen gehört, wie man zu einer Begrenzung solcher Kostenentwicklungen kommen könnte.
Ich nenne ein paar Tatsachen: Erstens. Seit dem Jahr 2000 hat sich der durchschnittliche Strompreis in Deutschland von damals 14 Cent pro Kilowattstunde auf heute 25 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Dass der Großteil dieser Strompreiserhöhung weitgehend unbeeinflusst von der EEG-Umlage gestiegen ist, darf auch nicht vergessen werden.
Zweitens. Der Großhandelspreis an der Börse in Leipzig liegt zurzeit und nach Fukushima niedriger als vor Fukushima – durch den berühmten Merit-Order-Effekt.
Nun wissen wir, dass zwischen dem Großhandelspreis von 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde und dem Verbraucherpreis von 25 Cent pro Kilowattstunde eine ziemliche Spanne liegt.
Die europäische Politik und die Bundespolitik haben eine Reihe von politischen Instrumenten etabliert, um den Verbrauch von Energie und von Umweltressourcen zu reduzieren und um die klimaschädlichen Emissionen mit einem Preis zu versehen. Dieses Prinzip teilen wir, glaube ich, alle in diesem Saal – davon würde ich einmal wohlwollend ausgehen.
Das ist das richtige Prinzip beim Herangehen, weil es ein zukunftsorientiertes Prinzip ist, nämlich unsere Energieversorgung auch in Zukunft zu garantieren und Umweltfreundlichkeit und Klimafreundlichkeit zu erreichen.
Diese politischen Maßnahmen verursachen in der Tat eine Reihe von Kosten, aber diese Kosten – darin liegt das eigentliche Problem, das wir zurzeit haben – sind zwischen den Teilnehmern in der Gesellschaft ungleich verteilt. Da sind Ökosteuern, Netzentgelte, EEG-Umlage, KWK-Abgabe etc. Überall sieht der Gesetzgeber Befreiungen oder Ermäßigungen für die energieintensive Industrie vor – allein im Jahr 2012 um 9 Milliarden Euro, Herr von Breitenbuch. Erst zum neuen Jahr wurde ein neuer Subventionstatbestand für die energieintensive Industrie geschaffen.