Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

(Zuruf von der CDU: Lange geübt!)

Daher können wir als NPD-Fraktion zum heutigen Antrag der LINKEN nur sagen: Wir sind dafür, dass Not leidende Deutsche selbstverständlich Prozess- und Beratungskostenhilfe erhalten müssen, aber wir sind gegen die vorsätzliche Verschwendung von Steuergeldern zugunsten weiterer Anreize für jene, die das Asylrecht missbrauchen.

Dass wir mit diesem Missbrauchsvorwurf nicht falsch liegen, zeigen die aktuellen Gedankenspiele im Bund, wo wegen des massenhaften Asylrechtsmissbrauchs die Wiedereinführung der Visapflicht für bestimmte Staaten erörtert wird.

Wir werden uns als NPD-Fraktion also aus den vorgenannten Erwägungen heraus bei diesem Antrag enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Sehr gern. Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem, was mein Vorredner gerade von sich gegeben hat, so viel: Wir brauchen nicht die Nazikeule, um klarzumachen, dass das hochgradig dummes Zeug war, was da erzählt worden ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Da reichen einige wenige Überlegungen aus.

Herr Müller, Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes berechtigt jeden, gegen Maßnahmen der staatlichen Gewalt vor Gericht zu gehen, jeden und nicht nur jeden Deutschen. Jeder, der deutscher Hoheitsgewalt unterworfen ist, kann sich dagegen gerichtlich wehren. Das haben Sie schon einmal nicht erkannt.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Zweitens. Artikel 20 des Grundgesetzes bestimmt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein sozialer und Rechtsstaat ist. Auch das gilt für jeden und nicht nur für die Deutschen, wie Sie immer meinen. Das heißt, dass die Prozesskosten- und Beratungshilfe als besondere Ausprägung des Sozialstaatsprinzips im Bereich der Rechtsgewährleistung ebenfalls jedermann zusteht. Damit hätten wir das jetzt klargestellt und abgeräumt.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP, der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts wird von den Ländern parteiübergreifend und mit breiter Mehrheit schon seit geraumer Zeit gefordert, und dies übrigens auch von den Bundesländern Baden-Württemberg, Herr Lichdi, und von Brandenburg, Herr Bartl. Der dortige Justizminister gehört, soweit ich weiß, zum jetzigen Zeitpunkt noch den LINKEN an.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Er hat aber andere Vorschläge gemacht!)

Entgegen der von Ihrer Fraktion unterstellten Annahme wird der Zugang zum Recht durch die Reform für einkommensschwache Rechtsuchende nicht beschränkt. Die Reform der Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe werden jedoch effizient ausgestaltet, um dort insbesondere auch missbräuchliche Inanspruchnahme zurückzudrängen, die es gibt. Es fällt schwer festzustellen, aber tatsächlich gibt es das. Ich möchte hier nicht Gerichte benennen, so ist es mir erzählt worden, bei denen die Richter sagen, wenn ihr euch vergleicht, bekommt ihr auch beide Prozesskostenhilfe. Das soll es schon einmal gegeben haben.

Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, knüpft an frühere Bundesratsinitiativen an. Er kommt dem berechtigten Interesse des Freistaates Sachsen entgegen, die allein aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben in der Vergangenheit massiv gestiegenen Ausgaben für Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe zu begrenzen.

Es kann nicht sein, dass im materiellen Recht der Bund anschafft und die Länder nachher zahlen, indem sie die Rechtsmittel finanzieren, die die Bürger gegen durchaus nicht immer perfekte bundesgesetzliche Regelungen einlegen, meine Damen und Herren. Ich begrüße ausdrücklich, dass wir hier über bundesgesetzliche Regelungen dafür sorgen, dass wieder Geld reinkommt, wenn es Gesetze gibt, die rechtsmittelanfällig sind.

Die Ausgaben zur Prozesskostenhilfe sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich, teilweise massiv angestiegen. So sind beispielsweise die Entschädigungszahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte – Pflichtverteidiger, Herr Bartl, nicht inbegriffen – von 14,5 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 21,4 Millionen Euro 2011 gestiegen. Das sind 47 % mehr.

Im Bereich der Beratungshilfe betrugen in Sachsen die Ausgaben im Jahr 2000 1,6 Millionen Euro, 2011 fast 5 Millionen Euro. Das heißt, die Ausgaben haben sich hier mehr als verdreifacht, und ein Gesetzgeber, der seiner Verantwortung gerecht werden will, muss dies zur Kenntnis nehmen und dann auch nach Wegen suchen, um einer derartigen Entwicklung entgegenzusteuern.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht von einem Einsparpotenzial für die Länder bei der Prozesskostenhilfe in Höhe von knapp 65 Millionen Euro aus und von 6 Millionen Euro bei der Beratungshilfe. Nach dem aktuellen Königsteiner Schlüssel würde das für Sachsen im Bereich der Prozesskostenhilfe Einsparungen von 3,3 Millionen Euro bedeuten, das heißt 15 %, und bei der Beratungshilfe 300 000 Euro, rund 6 %. Da können Sie nur argumentieren, das sei doch nichts, wir würden von Staats wegen schon ganz andere Summen in Anspruch nehmen. Nein, auch 4 Millionen Euro insgesamt sind für den Justizhaushalt dieses Landes jedenfalls keine vernachlässigbare Größe, Herr Kollege Bartl.

(Beifall bei der CDU – Klaus Bartl, DIE LINKE: Einsparen!)

Die voraussichtlichen Einsparungen führen im Übrigen nicht zu einem Kahlschlag in der Prozesskosten- und Beratungshilfe.

Meine Damen und Herren! Es gibt kaum ein Land in Europa, überhaupt auf der Welt, das in solchem Umfang seinen Bürgern finanzielle Mittel zur Rechtsgewährleistung und zum Rechtsschutz zur Verfügung stellt wie die Bundesrepublik Deutschland. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Es gibt Länder, in denen Sie allein schon für die Frage nach Rechtsmitteln und nach Rechtsschutz in den Knast fahren. Das hat es hier früher auch schon gegeben.

Meine Damen und Herren! Änderungen im Verfahren sollen sicherstellen, dass Gerichte die finanzielle Bedürftigkeit des Antragstellers umfassend aufklären können. Auf diese Weise sollen ungerechtfertigte Bewilligungen vermieden werden, und so kann der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Steuergeldern entgegengewirkt werden. Das formulieren Sie selbst in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von den LINKEN. Unter 1 b heißt es im Satz 1: „Die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Bestrebungen sollen vornehmlich durch eine verbesserte Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen bewerkstelligt und erreicht werden.“ Meine Damen und Herren, das soll der Gesetzentwurf auch sicherstellen.

Dem entspricht die Klarstellung, dass dem Antragsgegner grundsätzlich auch Gelegenheit zur Stellungnahme

hinsichtlich der Bedürftigkeit des Antragstellers gegeben werden soll, denn oftmals kommt es vor, dass im Antrag bestimmte Vermögensgegenstände oder Einkommen, ein kleines Einfamilienhäuschen, eine vermietete Eigentumswohnung oder Ähnliches – sagen wir es einmal freundlich – vergessen werden.

Der Antragsteller selbst ist dadurch geschützt, dass seine Unterlagen dem Gegner nur dann zugänglich gemacht werden können, Herr Bartl, wenn der Antragsteller zustimmt oder aber, wenn der Gegner gegen den Antragsteller einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch hat, etwa in dem Fall, in dem es darum geht, dass jemand Unterhaltsabänderungsklage einreicht, weil er weniger zahlen will und sich dann – ich sage es einmal freundlich – arm rechnet. In dem Fall soll den Gegnern, also den minderjährigen Kindern und ihren Vertretern, Gelegenheit gegeben werden, einzusehen, ob denn das stimmt, was der Unterhaltsschuldner zu seiner eigenen Situation vorträgt. Das ist nichts Unanständiges, was dort verlangt wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Herr Staatsminister, geben Sie mir darin recht, dass die formelle Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die Vorlage einer sogenannten Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, ein Formularbogen ist und dass jede in diesem Formularbogen beinhaltete Angabe durch einen entsprechenden Beleg, der dem Gericht vorzulegen ist, glaubhaft gemacht sein muss? Geben Sie mir recht, dass der letzte Satz auf diesem Formularvordruck lautet: „Ich versichere hiermit, dass sämtliche Angaben wahrheitsgemäß sind“ – mit der Konsequenz, dass er sich, wenn er falsche Angaben macht, dann des Betrugstatbestandes schuldig macht? Reicht das nicht zu?

Sehr geehrter Herr Kollege Bartl! Ich gebe Ihnen recht, dass zu den Angaben, die gemacht werden, Belege vorgelegt werden müssen. Ich gebe Ihnen auch recht, dass am Ende ganz kleingedruckt steht, dass man, wenn man unterschreibt, auch angibt, dass das alles stimmt. Aber ich würde Sie bitten, mir zuzugeben, dass nur Belege für die Angaben eingereicht werden, die auf dem Bogen auch gemacht werden, und dass es bisweilen doch tatsächlich vorkommt, dass manche Angaben – das habe ich schon gesagt – vergessen werden. Das entspricht der Lebenserfahrung, jedenfalls wenn man im Bereich der Prozesskostenhilfe schon einmal Verfahren geführt hat.

Herr Staatsminister, hierzu gibt es eine Nachfrage. Gestatten Sie diese?

Auch das noch!

Herr Bartl, bitte.

Das ist sehr nett, Herr Staatsminister. Ich bedanke mich. – Herr Staatsminister, sind Ihnen denn irgendwelche Zahlen oder konkrete Fälle bekannt, wo Gerichte im Freistaat Sachsen zur Anzeige gebracht haben – was ja ihre gesetzliche Pflicht wäre –, dass sich Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren falscher Angaben und Erklärungen schuldig gemacht haben?

Praktische Angaben könnte ich schon machen. Doch statistische Erhebungen, in welchem Umfang hier möglicherweise nicht ganz zutreffende Angaben gemacht worden sind, haben wir in dieser Weise nicht. Aber es wäre interessant, so etwas einmal zu erfahren. Man könnte das in Auftrag geben, dann würde ich Ihnen die Ergebnisse gern zukommen lassen. Herr Bartl, ich glaube, da würden wir vielleicht die eine oder andere Überraschung erleben.

Meine Damen und Herren, zurück zu der hier von den Antragstellern verbreiteten Aussage, es wären die Ärmsten, die nun um ihre Chancen des Rechtsschutzes gebracht würden. Die im Gesetz vorgesehene Absenkung von Freibeträgen, die hier so kritisiert worden ist, dient nichts weiter als der Rückführung des Prozesskostenhilferechtes als einer Form des besonderen Sozialhilferechtes.

Um einmal zu konkretisieren, worum es geht – hier wird nur von Freibeträgen gesprochen –, lassen Sie mich eines noch einmal deutlich machen: Freibeträge im Vermögensbereich sind das, was den Leuten bleibt, nachdem sie die Kosten eingesetzt haben, die von der Prozessführung bleiben. Sie haben, wenn sie nach dem Jahrgang 1963 geboren sind, einen Vermögensfreibetrag von 50 250 Euro für den Antragsteller. Hinzu kommen Freibeträge für jedes minderjährige Kind in Höhe von 3 100 Euro. Das wären bei zwei Kindern schon über 55 000 Euro, die nicht mal berechnet werden nach der bisherigen Fassung. Von denen müssen sie gar nichts ausgeben. Das können sie auf der hohen Kante haben und bekommen immer noch Prozesskostenhilfe, meine Damen und Herren.

Hier verliert das, was früher „Armenrecht“ hieß, längst seine Funktion als besonderes Sozialhilferecht. Das müssen wir mal deutlich eingestehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Übrigens, bei diesen über 50 000 Euro Freibetrag wird der gesamte Hausrat – das Auto, der Fernseher usw. – gar nicht eingerechnet.

Herr Staatsminister, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ich gestatte noch eine, ja.

Herr Bartl.

Herr Staatsminister, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie allen Ernstes behaupten, dass derjenige, der in der Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse angibt, dass er 10 000 oder 15 000 Euro Vermögen hat – frei verfügbares Vermögen auf der Sparkasse oder wo auch immer –, Prozesskostenhilfe bekommt?

Herr Bartl, wir haben eben besprochen: Die Halbierung der Freibeträge nach § 28 SGB XII und der dazugehörigen Tabelle – das müssen Sie sich mal anschauen, habe ich gerade gemacht – ist hochinteressant.

Die Tabelle gibt es doch dann gar nicht mehr.

Da haben Sie den Freibetrag von 50 250 Euro für diejenigen der Altersstufe, die nach 1963 geboren sind, und davon die Hälfte, sind 25 125 Euro, und das wird jetzt abgesenkt auf 12 075 Euro, die sie haben können, ohne dass irgendjemand fragt, dass sie das für die Führung eines Prozesses einsetzen.