Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Man kann auch Beispiele nennen, so die Stadt Leipzig. Die Stadt Leipzig hat den dritten Altenhilfeplan im März dieses Jahres verabschiedet. Das ist auch richtig. Die Kommune weiß am besten, was vor Ort wichtig ist, und kennt die regionalen Besonderheiten.

Im Übrigen haben wir dort auch wieder die Parallele zum Vergabegesetz. Auch da geht es darum, dass die Kommune selbst festlegen kann, welche Bestimmungen bzw. welche Dinge in eine solche Ausschreibung hineinkommen. Aber hier haben wir auch den regionalen Bezug, den wir den Kommunen durchaus zutrauen.

Hinsichtlich der Beratungsangebote fordern Sie die flächendeckende wohnortnahe trägerübergreifende

Beratungsstruktur. Sie sagen, dazu wären die Pflegestützpunkte der richtige Ansatz. Allerdings muss man – das hatte Frau Lauterbach angesprochen – zu den Pflegestützpunkten sagen: Wenn man sie sich einmal in Mecklenburg-Vorpommern anschaut, dort gibt es sie zum Beispiel bereits in Schwerin, dann können Sie einmal Ihre Kollegin fragen, sie ist in der gleichen Partei, bei den LINKEN, wie die funktionieren. Ob Sie die dann noch in Sachsen fordern würden, würde ich infrage stellen. Dort funktioniert es nämlich nicht. Dort hat es zu Bürokratieaufbau geführt, und sie haben eben keine Kontrolle über diese Stützpunkte. Deshalb wollen wir diesen Weg in Sachsen nicht gehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Damit möchte ich auf die Entwicklung im Bereich der Pflege auf Landes- und Bundesebene noch einmal näher eingehen. Ich hatte das bereits angedeutet. Wir haben hier über das Wohn- und Qualitätsbetreuungsgesetz im Alter sehr heftig diskutiert und dieses verabschiedet. An dieser Stelle unterstreiche ich: Wir haben ein schlankes und bürokratiearmes Gesetz verabschiedet, das den Heimbewohnern, aber auch den Mitarbeitern im Heim zugutekommt. Im Weiteren wurden von der Staatsregierung ein umfangreiches Paket geschnürt bzw. Anstrengungen unternommen, um die Pflege in Sachsen zu verbessern. Ich bin mir sicher, dass die Staatsministerin nachher dazu das Nötige sagen kann.

Die Verbesserung der ambulanten Versorgung zum Beispiel der Demenzkranken, die Leistungsinanspruchnahme werden so flexibilisiert und Angehörige in Selbsthilfegruppen gestärkt. Gerade dies ist sehr zu begrüßen, da es der Wunsch vieler Menschen und deren Angehöriger ist, zu Hause gepflegt zu werden. Ich denke, diesem Wunsch, so lange wie möglich zu Hause gepflegt zu werden, sollten wir auch nachkommen.

So sieht das Bundesgesetz beispielsweise vor, dass in der Krankenversicherung bei anstehenden Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen die besonderen Belange

pflegender Angehöriger berücksichtigt werden. Sie können also heute eine Auszeit nehmen, um ihre engsten Verwandten zu Hause zu pflegen.

Für die Selbsthilfegruppen in den Pflegeversicherungen werden 10 Cent pro Versichertem – wenn man das einmal

hochrechnet, sind das 8 Millionen Euro jährlich – von den Pflegeversicherungen bereitgestellt. Klargestellt wird zudem, dass auch für ehrenamtliche Unterstützung als ergänzendes Engagement bei allgemeinen Pflegeleistungen in zugelassenen stationären Pflegeeinrichtungen Aufwandsentschädigungen gezahlt werden können.

Meine Damen und Herren! Man muss hier feststellen: Die Opposition befindet sich leider mit diesem Antrag tatsächlich im Reformstau. Die Koalition und die Staatsregierung gehen allerdings die Probleme dieses Landes an.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Frau Schütz spricht für die FDP-Fraktion als nächste Rednerin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherstellung der Pflege ist die Jahrhundertaufgabe in unserem Land. Da gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Die Zahlen sprechen für sich. Sachsen ist ganz besonders von der Alterung und dem demografischen Wandel auf den derzeitigen Statistikdaten betroffen. Von 2007 bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um schätzungsweise 50 % steigen.

Die Sicherung einer qualitativ hochwertigen und professionellen Versorgung der pflegebedürftigen Menschen steht im Zentrum unserer sozialpolitischen Anstrengungen. Das steht, glaube ich, außer Frage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den einreichenden Fraktionen, hier allerdings von Reformstau zu sprechen – dass wir vor Herausforderungen stehen, ja, dass wir vor einer notwendigen Weiterentwicklung stehen, ja, aber mit Sicherheit nicht vor einer grundsätzlichen Reform, wie Sie es hier in Ihrem Antrag in der Überschrift bemängeln. Diesen Reformstau hier heraufzubeschwören, hat mit der Realität nämlich nichts zu tun.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Sachsen hat bundesweit eine der modernsten Pflegelandschaften. Das bestätigt die Benotung des Pflege-TÜV in den sächsischen Heimen.

(Zuruf der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Dass wir diese guten Ergebnisse vorweisen können, ist vor allem auf die Arbeit der Pflegekräfte zurückzuführen, die sich täglich weit über ihr professionelles Maß hinaus für andere Menschen engagieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist für uns eine moderne und zeitgemäße Pflegepolitik? Es sind Beratungsangebote, die wohnortnah zur Verfügung stehen. Es geht um niederschwellige Angebote vor Ort in den Kommunen. Letzten Endes geht es um eine gute Versorgung der Pflegebedürftigen.

Sachsen hat sich aus guten Gründen für die Gründung eines Pflegenetzes entschieden. Leistungsträger und Empfänger sind stärker vernetzt worden. Dass Ratsuchende Informationen aus einer Hand erhalten, ist das Ziel. Ganz bewusst haben wir flächendeckende Pflegestützpunkte abgelehnt und damit neue, teure und starre Institutionen – das Beispiel hatte mein Vorredner benannt –, so wie sie in Mecklenburg-Vorpommern existieren, verhindert.

Wir stellen Geld bereit, um niederschwellige neue Versorgungskonzepte zu unterstützen. Gerade Menschen mit demenziellen Erkrankungen, die einen hohen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung haben, aber körperlich gesund sind, brauchen passende Angebote und gleichzeitig Angebote zur Selbsthilfe. Hierzu befinden wir uns in einem engen Diskurs mit den Landkreisen und kreisfreien Städten, wie wir diese Angebote vor Ort umsetzen können. Für uns ist nämlich „ambulant vor stationär“ nicht nur eine Floskel, sondern hier sind wir umfassend aktiv.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ebenso wird uns die Frage der Ausbildung in den kommenden Jahren weiter beschäftigen. Nur setzt der Antrag der einreichenden Fraktionen hierbei die falschen Prioritäten. Im Vordergrund steht derzeit nicht die Einführung einer Ausbildungsumlage. Ziel einer solchen Umlage ist es, einen Mangel an Ausbildungsplätzen in der Pflege zu verhindern oder zu beseitigen. Die Neueinstiege in die Altenpflegeausbildung haben bereits im Schuljahr 2011/ 2012 ein Niveau erreicht, das genügt, um den Fachkräftebedarf in etwa zu decken. Frau Neukirch, stellen Sie sich etwa vor, dass jeder fünfte Jugendliche verpflichtet werden soll, einen Beruf in der Pflege zu ergreifen? Nein, das wäre das falsche Instrument. Hierbei gilt es, für den Beruf zu werben. Ebenso müssen wir auf diese Berufsgruppe hinweisen.

Wir als Politiker sehen das Instrument des sinnvollen und bedarfsgerechten Agierens als wichtig an. Das Instrument der Pflegekassen, da gebe ich Ihnen recht, ist die Vergütung.

Für uns ist Folgendes klar: Jedem Schüler, der einen Ausbildungsvertrag mit einem Träger abschließt, steht ein schulischer Ausbildungsplatz zur Verfügung. Dem kommen wir nach. Hierbei sind auch die Träger der praktischen Ausbildung gefragt. Wer sein Personal halten möchte, muss bereit sein, gute Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeiter zu schaffen. Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bürokratiearme Abläufe, die Arbeit am Menschen, die Anerkennung der Leistungen und vieles mehr fallen darunter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die anderen Punkte in Ihrem Antrag können wir so nicht unterstützen. Dazu zählt das Landespflegegesetz. Den Ruf nach immer mehr Gesetzen finde ich untauglich, wenn es um Lösungen in der Altenpflege geht. Wir müssen die er

reichten pflegerischen Standards qualitativ halten. Dazu braucht es flexible und schnelle Lösungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Pflege braucht nicht nur Zeit. Pflege braucht auch gute Qualität und Bedingungen im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und des Personals. Sachsen hält zurzeit eine leistungsfähige und zahlenmäßig ausreichende pflegerische Versorgungsstruktur vor. Wir wollen an das Thema sachlich herangehen. Allerdings sehen wir das bei dem Antrag der einbringenden Fraktionen nicht. Begriffe wie Dramatik, Mangel, Katalog, neues Gesetz, Regelungen und dazu eine gehörige Portion Panikmache prägen Ihren Antrag. Dem werden wir uns so nicht anschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die NPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Löffler als abschließender Redner in der ersten Runde. – Einen kleinen Moment bitte. Frau Herrmann, Sie wollen vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen? Ist das richtig?

Ja, das ist richtig.

Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.

Danke, Herr Präsident. – Meine Vorrednerin hatte vorgetragen, dass wir keine Ausbildungsumlage benötigen. Grund dafür sei, dass genügend Jugendliche eine Ausbildung anfangen würden. Der Kollege davor war darauf eingegangen, dass sich eine Pflegekraft heute aussuchen könne, wo sie hingehen möchte. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass es Einrichtungen gibt, die ihre Fachkräftequote schlicht und ergreifend nicht mehr erreichen können. Das wiederum bedeutet, dass sie entweder auf teure Leiharbeiter zurückgreifen müssen oder Gefahr laufen, dass ihre Einrichtung geschlossen werden muss.

Heute gibt es bereits ein Problem mit den Fachkräften. Wir müssen uns überlegen, wie wir dieses Problem lösen können. Eine Möglichkeit wäre, das dritte Umschulungsjahr in der Altenpflege durch das Land zu finanzieren. Andere Länder machen das bereits. Bevor im Bund darüber gestritten wird, sollten wir es einfach machen. Wir sollten das dritte Jahr finanzieren. Wenn jemand nicht sicher ist, ob er seine Ausbildung zu Ende bringen kann, weil er nicht weiß, wie er seinen Lebensunterhalt aufbringen kann, wird er diese Umschulung kaum in Angriff nehmen. Das wäre eine Möglichkeit, bereits jetzt auf die Situation einzugehen.

Erlauben Sie mir noch ein Wort zu der Möglichkeit des Landes, sich einzuschalten. In Mecklenburg-Vorpommern gab es einen massiven Konflikt um die Pflegesätze zwischen der ambulanten Pflege und den kommunalen Spitzenverbänden. Die Ministerin hatte sich eingeschaltet

und als Mediatorin versucht, diesen Konflikt in beiderseitigem Interesse zu schlichten.

Frau Herrmann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Das würde ich ebenso in Sachsen erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Schütz, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten?

Ja, ich möchte darauf antworten, bevor falsche Informationen im Raum stehen bleiben. Frau Herrmann, Sie wissen ganz genau, dass das dritte Jahr finanziert wird. Diese Problematik ist gelöst.

Ich komme zur Thematik der Ausbildungsumlage. Sie dient dazu, dass ein Mangel an Ausbildungsplätzen in der Pflege verhindert bzw., beseitigt wird, sofern er vorhanden ist. Diese Situation haben wir derzeit nicht. Deshalb ist die Forderung nach einer Ausbildungsumlage an dieser Stelle zu dieser Zeit falsch.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Wir fahren fort. Nun spricht Herr Löffler für die NPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor ziemlich genau einem Jahr wurden in diesem Hohen Hause unter dem Titel „Pflege braucht Pflege“ Reformen in der Pflegepolitik angemahnt. Heute waren wieder die gleichen Argumente wie vor einem Jahr zu hören. Um es vorwegzunehmen, sage ich Folgendes: Dieses Mal wird die NPD-Fraktion diesem Antrag zustimmen, auch wenn es am Ende wieder heißen wird: Bei sehr vielen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.