Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Körperliche Unversehrtheit von (Klein-) Kindern schützen –

Beschneidungsverbot bis zur eigenen Geschäftsfähigkeit durchsetzen!

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die NPD-Fraktion das Wort. Das Wort ergreift der Abg. Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufschrei war groß, als das Landgericht Köln die religiöse Beschneidung eines Kindes als Körperverletzung einstufte, weil das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz höher eingestuft wird als religiöse Befindlichkeiten. Obwohl die Komplikationsrate bei bis zu 10 % liegt, wird heute der alttestamentarische Ritus der Beschneidung als harmloser Eingriff bagatellisiert. Einhellig droschen der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Muslime auf die Richter ein, unterstützt von Glaubensfreunden aus dem Ausland, so zum Beispiel dem Präsidenten der Europäischen Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, der vom „vielleicht

gravierendsten Angriff auf jüdisches Leben in Europa nach dem Holocaust“ gesprochen hat.

Anstatt sich nun die Einmischung in innere Angelegenheiten zu verbitten, legte die Bundesregierung eilig einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Beschneidungen vor, der Juden und Muslime letztendlich einen Persilschein zur Genitalverstümmelung erteilt. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte bezeichnete das Gesetz als katastrophal, da die körperliche Unversehrtheit von Kindern drittrangig gegenüber Elternrecht und Religionsfreiheit behandelt würde. Diese Entscheidung verwundert aber nicht, denn die Politiker bekamen ja Post vom Zentralratspräsidenten Dieter Graumann, dessen frecher Appell natürlich seine Früchte getragen hat. Es gibt zwar Pseudobedingungen, es ist zum Beispiel unverantwortlich, aber weiterhin erlaubt, dass selbst Personen ohne

ärztliche Ausbildung diesen Eingriff vornehmen dürfen. Allein das, meine Damen und Herren, zeigt, dass es sich hier um ein Gefälligkeitsgesetz handelt, mit dem man die jüdische und islamische Lobby im Lande milde stimmen will.

Das kann und darf jedoch nicht Grundlage politischen Handelns sein. Wir sagen, kleine Jungen sind für uns kein Objekt religiöser Begehrlichkeiten. Wir fordern deshalb den Schutz ihres körperlichen und religiösen Selbstbestimmungsrechts.

(Beifall bei der NPD)

Fakt ist, meine Damen und Herren: Anders als bei der christlichen Taufe hinterlässt die Verstümmelung unmündiger Kleinkinder lebenslange körperliche und seelische Schäden. Es ist bemerkenswert, dass mit Ruth Steiner am 8. Oktober 2012 in der „FAZ“ eine Vertreterin eines progressiv ausgerichteten Judentums anregte, die Traditionen und Rituale auf den Prüfstand zu stellen; denn, so Ruth Steiner, der „Glaube, dass wir dieses Recht [zur Beschneidung] haben, beruht auf der Einstellung, dass Kinder unser Eigentum sind, über das Eltern und Religion verfügen können. Kinder sind aber nicht unser Eigentum.“

In den USA hat sich gar eine Vereinigung von Juden gegründet, die sich für die Abschaffung der Beschneidung einsetzt. Auf ihrer Netzseite bekennt sie: „Wir sind klug genug zu verstehen, dass die Penisverstümmelung bei kleinen Jungen keine akzeptable Praxis mehr in der heutigen Zeit ist.“ Man fragt sich, warum setzen sich nicht deutsche Politiker bei jüdischen und muslimischen Verbänden wenigstens für eine humane Regelung ein, wie zum Beispiel in Großbritannien, wo das Beschneidungsritual, die sogenannte Brit Mila, als symbolischer schmerzloser Akt, als sogenannte Brit Schalom, vollzogen wird. Oder besser noch: Warum können Juden und Muslime eigentlich nicht selber eine Praxis wählen, die mit dem Grundgesetz und dem Kölner Urteil vereinbar ist?

Das alles, meine Damen und Herren, zeigt, dass man gar nicht nach einer vertretbaren Lösung sucht, sondern dass es allein um eine Demonstration der Macht geht. Mit diesem miesen Spiel der jüdischen und islamischen Lobby in diesem Land muss endlich Schluss sein. Lassen Sie sich, meine Damen und Herren, nicht länger vor den Karren reaktionärer ewig gestriger Zentralräte spannen! Hängen Sie nicht länger am Rockzipfel der jüdischen und islamischen Lobby! Helfen Sie mit, die körperliche Unversehrtheit von Kindern in unserem Land durchzusetzen, so wie es die rechtlichen Bestimmungen bei uns vorsehen, so wie es die UN-Kinderrechtskonvention vorsieht, die auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat und die nun vom Gesetzgeber mit Füßen getreten wird. In der Kinderrechtskonvention der UN heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war für die einbringende Fraktion der NPD der Abg. Apfel. Wir treten jetzt in die weitere Rednerreihe ein. Wer will das Wort ergreifen? – Ich sehe Herrn Kollegen Biesok. Bitte, Sie haben das Wort.

(Jürgen Gansel, NPD: Der Notredner für alle anderen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat heute eine Aktuelle Debatte zu einem Thema angeregt, das weder hier im Sächsischen Landtag entschieden werden kann, noch dass es eine größere gesellschaftliche Relevanz in Sachsen hat.

(Alexander Delle, NPD: Wir haben gestern über die Strompreise geredet, die auch nicht in Sachsen entschieden werden!)

Ziel ist es allein, religiös begründete Traditionen von Juden und Muslimen zu diskreditieren und sie als unvereinbar mit unseren Werten darzustellen. Lediglich vorgeschoben wird das Ziel verfolgt, Säuglinge und Kleinkinder vor der Beschneidung zu schützen. Es geht Ihnen im Wesentlichen aber darum, die Andersartigkeit anderer Religionen und Kulturen darzustellen, um diese Andersartigkeit für Ihre ausländerfeindlichen Tendenzen zu nutzen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Dies allein ist der Hintergrund der heutigen Debatte. Ich möchte sie gern wieder auf den Kern zurückführen. Wir haben es mit der schwierigen Abwägung von drei Grundrechten aus unserer Verfassung zu tun, dem Recht und der Pflicht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder, der Religionsfreiheit, die auch beinhaltet, die Kinder in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zu erziehen, und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.

(Holger Apfel, NPD: Das zählt am wenigsten!)

Die Glaubensfreiheit beinhaltet sowohl, einen Glauben zu haben, als auch Glaubensüberzeugungen leben zu können. Ich habe einen tiefen Respekt vor der jüdischen und der muslimischen Religion einschließlich ihrer religiösen Handlungen. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen, auch als Abgrenzung zur NPD, die diesen Respekt nicht hat. Aber die Religionsfreiheit und auch das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder haben meines Erachtens ihre Grenze in der körperlichen Unversehrtheit des Menschen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der NPD)

Bei der schwerwiegenden Abwägung dieser drei Grundrechte, die ich gerade dargestellt habe, komme ich – und das möchte ich ausdrücklich sagen – zu einem anderen Ergebnis als die Bundesregierung. Für mich ist die körperliche Unversehrtheit ein unverletzlicher Wert und

entsprechend möchte ich eine andere Regelung in Deutschland haben.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und Beifall bei der NPD)

Das Recht auf Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist nicht nur ein Recht, das den Staat bindet, dass ihn verpflichtet, als Staat nicht in die körperliche Unversehrtheit des Menschen einzugreifen, dieses Recht begründet auch eine Schutzpflicht gegenüber Menschen, die selber noch nicht entscheiden bzw. sich wehren können.

(Beifall bei der NPD)

Diese Schutzpflicht des Staates verletzen wir, wenn wir erlauben, dass an Kleinkindern operative Handlungen vorgenommen werden, die nicht medizinisch indiziert sind. Wir haben als Staat auch eine Schutzpflicht, gegenüber den Eltern, dafür zu sorgen, dass die Kinder nicht ohne entsprechende medizinische Indikation operiert werden. Das gilt für mich unabhängig davon, ob diese Eingriffe mit Narkose oder ohne Narkose vorgenommen werden.

Es ist ein allgemeiner gesellschaftlicher Konsens in Deutschland, dass wir eine Beschneidung von Frauen aus religiösen Gründen ablehnen. Wir machen das, weil wir sagen, dass das eine sehr hohe Eingriffsintensität hat. Die Folgen sind sehr schwerwiegend. Bei der Beschneidung von Jungen ist das weniger intensiv, aber das ist meines Erachtens nicht der richtige Maßstab. Für mich ist der richtige Maßstab die Unumkehrbarkeit des Eingriffs. Wenn ein Kind religiös erzogen wird, wenn es beispielsweise den katholischen Glauben von seinen Eltern vermittelt bekommt, dann kann es als Erwachsener frei darüber entscheiden, ob es den katholischen Glauben weiterhin praktiziert oder zu einem anderen Glauben wechselt. Ein junger Mensch kann frei entscheiden, ob er keinen Glauben weiterverfolgt. Eine Operation ist irreversibel und das ist für mich nicht tragbar.

Wir haben aus guten Gründen in § 1631 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt, dass wir das tradierte Erziehungsmittel der Ohrfeige in Deutschland nicht mehr zulassen. Auch das hat man früher unter das Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, gefasst. Es ist für mich mit meinen Wertvorstellungen vom Grundgesetz nicht vereinbar, dass wir es nur wenige Paragrafen später den Eltern erlauben, ihr Kind in seinen ersten sechs Monaten von einer Person beschneiden zu lassen, die noch nicht einmal Arzt ist. Das kann ich nicht mittragen.

(Beifall bei der FDP und der NPD)

Das ist meine persönliche Überzeugung, und diese persönliche Überzeugung vertrete ich auch dann, wenn es ein Antrag der NPD ist, den wir behandeln.

(Andreas Storr, NPD: Es ist ja auch souverän, das zu machen!)

Ich möchte darauf hinweisen: Die großen Religionen des Judentums und des Islams haben auch keine einheitliche

Meinung mehr zu diesem Punkt, den wir hier diskutieren. Es gibt einige Diskussionen dieser Religionsgemeinschaften, die die Beschneidung ablehnen oder neu modifizieren wollen, auch gerade in den jüdischen Religionsgemeinschaften. Ich finde, das ist fortschrittlich, und diesen Weg sollten wir unterstützen, um so die freie Entscheidung über die Religionsfreiheit auch bei kleinen Kindern zu gewährleisten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der NPD)

Das war Herr Kollege Biesok. Als zweiter Redner ergreift jetzt Kollege Homann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Beschneidung von Jungen sind mehrere wichtige Rechtsgüter abzuwägen: das Recht auf die körperliche Unversehrtheit des Kindes, das Erziehungsrecht der Eltern und die Religionsfreiheit. Das heißt, wir brauchen eine differenzierte Diskussion. Eine unsachliche Diskussion – im Gegenzug – kann zu Verletzungen und großen Unsicherheiten führen. Das ist leider in Deutschland in Teilen schon passiert.

Einen weiteren Versuch, diese Debatte unsachlich zu führen, erleben wir heute, nämlich von den Abgeordneten der NPD.

(Andreas Storr, NPD: Bisher hat ja nur ein Abgeordneter dazu gesprochen!)

Dass es allein Stimmungsmache ist, wird dadurch deutlich, dass der Freistaat Sachsen an dieser Stelle keinerlei Regelungskompetenz hat. Aber, Herr Apfel, es war auch ein Abgeordneter Ihrer Fraktion, der sich am

11. Mai 2006 nationalsozialistische Deportationszüge gen Osten zurückwünschte und sich damit klar auf den Holocaust bezog. Wer so argumentiert,

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

der argumentiert antisemitisch. Aus einer solchen Motivation heraus darf man eine solche Diskussion nicht führen, das ist nicht legitim.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)