Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Ich meine, das ist ein klassischer Fall, in dem Personen von der Polizei Personenschutz angeboten werden muss, sonst hat man keine Alternative als sich zu verstecken. Folgerichtig habe ich den Innenminister und den Polizeipräsidenten in der letzten Innenausschusssitzung gefragt, ob den Opfern durch das zuständige LKA Personenschutz angeboten wurde. Herr Ulbig und Herr Kant zeigten sich überrascht und versprachen uns im Ausschuss eine schriftliche Antwort. Diese haben wir bis heute nicht.

Welche vorläufigen Konsequenzen zieht die GRÜNEFraktion daraus? Ich meine, die bisherigen Reaktionen aus Innenministerium und Polizeiführung haben gezeigt, dass dieser bedauerliche Fall eine unabhängige Untersuchung braucht. Interne Untersuchungen scheint es nicht zu geben, und ich habe nach der bisherigen Eierei auch nicht mehr das Vertrauen, dass sie ungefälschte Ergebnisse bringen.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist unverschämt!)

Für die Zukunft haben wir für solche Fälle eine unabhängige Polizeikommission vorgeschlagen, die so etwas überprüfen und dem Parlament Empfehlungen geben kann. Zurzeit gebe es nur den Weg, unabhängige Sonderermittler einzusetzen, vielleicht Fachleute aus einem anderen Bundesland. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Parlaments reichen hier offenbar nicht aus. Für die GRÜNE-Fraktion habe ich immer wieder davor gewarnt, dass Ostsachsen mit wenig Bevölkerung von viel Fläche Lücken in der Polizeipräsenz drohen. Hier wurde bereits seit 2009 die Polizeistärke ausweislich der Antworten auf meine Kleinen Anfragen von 136 auf 104 Beamte verringert, denn, Herr Bandmann, die Polizeidichte wird bei uns nach der Einwohnerstärke und nicht nach der Fläche des Landes gemessen. Auch deshalb brauchen wir eine kritische Überprüfung der Polizeistärke und des Stellenabbaus, und zwar jetzt und nicht irgendwann nach der letzten Wahl.

Genau deshalb haben wir Ihnen immer wieder Vorschläge gemacht, wie die Stellenausstattung der Polizei und der Schwerpunktbereiche in der Justiz aufgestockt werden können. Die Interventionszeiten der Polizei müssen ständig und öffentlich zugänglich ausgewertet werden, gerade bei Gefahr für Leib und Leben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige Debatte hat gezeigt, dass dieser Antrag immer noch nötig ist. Wir werden ihm deshalb auch zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Für die NPDFraktion Herr Abg. Storr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offenbar will DIE LINKE mit dem langatmigen Titel des vorliegenden Antrages die Substanzlosigkeit ihrer Initiativen überdecken. Es ist nichts anderes als der von dieser Fraktion immer wieder verbreitete AntifaKlamauk, der uns heute zum x-ten Male beschäftigen soll. Deshalb will ich nicht allzu viel Zeit dafür verschwenden und mache es kurz.

Erstens. Wenn es in Hoyerswerda tatsächlich Straftaten gab, dann ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, das festzustellen und die Täter dingfest zu machen. Allerdings bestehen aus Sicht der NPD-Fraktion erhebliche Zweifel, ob die Abläufe wirklich so waren, wie sie von den beiden gerichtsbekannten linkslastigen Journalisten Datt und Ginzel in der MDR-Sendung „Exakt“ geschildert wurden.

Zweitens. Wenn Bürger in Sachsen tatsächlich von Straftätern bedroht werden, dann kann es nicht sein, dass ihnen von der Polizei nahegelegt wird, ihren Wohnort zu verlassen. Das gilt dann aber für Rechte und Linke gleichermaßen. Es ist nämlich keine Spezialität von vermeintlich Rechten, andere Menschen aus ihrer angestammten Umgebung zu verjagen. Auch die der Fraktion DIE LINKE nahestehende Antifa hat das in der Vergangenheit schon oft praktiziert. Davon berichten die Medien aber nichts.

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Ähnlich verhält es sich mit den Attacken auf die Abgeordnetenbüros politischer Gegner. Wird irgendwo im Land ein Büro einer linken Partei beschmiert, geht das tagelang durch die Presse. Erfolgt aber ein Farb- oder sogar ein Brandanschlag auf ein NPD-Bürgerbüro, regt sich niemand von Ihnen auf. Für uns Nationaldemokraten ist klar: Die Polizei hat das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Die Flucht vor tatsächlichen oder vermeintlichen Tätern ist keine Alternative. Dazu muss die Polizei aber auch personell in die Lage versetzt werden. Die Polizeireform von Herrn Ulbig ist deshalb ein Schritt in die falsche Richtung. Darüber werden wir nachher beim NPD-Antrag noch ausführlicher sprechen.

Drittens. Es zeugt vom Realitätsverlust der LINKEN oder ist gar Teil einer Strategie, das politische Koordinatensystem noch weiter nach links zu verschieben, wenn sie der Staatsregierung unterstellen, den Kampf gegen rechts nicht ausreichend zu führen und es bedürfe einer Reform der Strafverfolgung, womit natürlich vor allem ein Ausbau der Gesinnungsjustiz gemeint ist. Doch hier sind die Minister Ulbig und Martens den LINKEN längst voraus. Es bedarf eines solchen Antrages nicht, denn einerseits hat der Innenminister unlängst den ehemaligen Volkspolizeimajor und SED-Genossen Bernd Merbitz an die Spitze des sogenannten operativen Abwehrzentrums gegen rechts berufen, was auch von den LINKEN lauthals begrüßt wurde, andererseits ist auf dem Gebiet der Justiz der Kampf gegen rechts ganz im Sinne der Genossen

organisiert. An der Spitze der Staatsanwälte in Sachsen, die sich mit den sogenannten Staatsschutzdelikten beschäftigen, steht mit dem Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär ein früherer DDR-Staatsanwalt, der schon vor Jahren den Aufstand der Zuständigen im Kampf gegen rechts ausrief.

Die Speerspitze des Kampfes gegen rechts im Freistaat Sachsen bilden somit zwei ehemalige treue Diener des SED-Staates. Wozu also das ganze Palaver, sehr geehrte Damen und Herren von den LINKEN? Es sind Ihre Genossen von einst, die das Kommando führen. Oder um mit Genossen Stalin zu sprechen: Die Kader entscheiden alles. Also bitte etwas mehr Vertrauen zu Herrn Merbitz und Herrn Schär. Ihr Antrag ist einfach überflüssig. Nicht aus diesem Grund, sondern weil wir den AntifaMummenschanz der LINKEN selbstverständlich prinzipiell ablehnen, wird die NPD-Fraktion zu diesem Antrag mit Nein stimmen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Wir gehen in die zweite Runde. Für die Linksfraktion spricht Herr Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich will mich aus nachvollziehbaren Gründen als Anwalt der Betroffenen in keiner Weise zu Details zu tatsächlichen Geschehnissen und Abläufen in den Abendstunden des 17. Oktober in diesem Wohnhaus in Hoyerswerda äußern: nicht zu den tatsächlichen Dimensionen der Bedrohungsängste, die für die Betroffenen entstanden sind, nicht zu den gesundheitlichen Folgen, die eingetreten sind und ausgelöst wurden durch den Umstand, dass 15 nahezu zwei Stunden auch weithin ungehindert marodierende Neonazis nicht nur vor dem Haus, das Haus selbst und unmittelbar auch die Wohnung bedrängen konnten und Bedrohungen ausstießen, die Frau Kollegin Jähnigen ja hier zum Teil wiedergegeben hat.

Ich will auch nichts sagen zum Zustandekommen des Verlassens der Wohnung. Das wird in einem rechtsförmlichen Verfahren zu klären sein. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich Kollegen Hartmann und Kollegen Biesok für ihr Herangehen an die Debatte meinen ausdrücklichen Respekt ausspreche. Auf dieses rechtsförmliche Verfahren vertraue auch ich. In diesem Verfahren wird im Detail auch auf Widersprüche einzugehen sein, die sich zwischen dem, was medial reflektiert wurde, und dem sogenannten Aktionsforum vom 28. November 2012, sprich den Aussagen leitender Vertreter der sächsischen Sicherheitsbehörden, ergeben. Das sind Widersprüche, die real in der Welt sind und die geklärt werden müssen.

Ich baue bei diesem Strafverfahren darauf, dass man in dieser Verhandlung mit entsprechender Beweiserhebung feststellen wird, was tatsächlich geschehen ist. Ich bin der festen Überzeugung, es wird nicht bei dem jetzt gesehenen Tatbestand der Bedrohung bleiben. Hier lag schwerer

Landfriedensbruch vor, hier lag schwerer Hausfriedensbruch vor, hier lag die Bedrohung mit der Begehung eines Verbrechens vor und dergleichen mehr.

Worauf es mir ankommt und weshalb ich in meiner Eigenschaft als rechtspolitischer Sprecher das Wort genommen habe, ist, dass diese Sache nicht nur aus Sicht der Gefahrenabwehr der Polizei einen bedeutsamen Präzedenzfallcharakter hat, sondern auch aus der Sicht des Funktionierens der Strafverfolgung, Herr Staatsminister. Ich meine jetzt den Herrn Staatsminister der Justiz.

Dass die Polizei tatsächlich erst nach zweieinhalb Stunden in einer Kräftekonstellation war, die es ihr gestattete, dann nicht mehr am eigentlichen Tatort, am eigentlichen Ereignisort auch nur die Personalien der Täter zu sichern, sondern das erst in einer nicht weit entfernten, aber immerhin entfernt von dem Haus liegenden Tankstelle partiell tun konnte, mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten, welche Einwände dann die Verteidiger dieser Nazis bringen können, ob denn die Betreffenden tatsächlich in dem Haus waren, und dergleichen mehr – das ist der eine Fakt. Dafür kann – das sage ich an dieser Stelle – weder der Polizeipräsident der dortigen Polizeidirektion etwas noch der Pressesprecher oder irgendein anderer Polizeibeamter, der vor Ort gehandelt hat. Dafür kann momentan auch der Landespolizeipräsident nichts.

Das ist – das sage ich mit aller Verantwortung – die Konsequenz von Fehlentscheidungen in diesem Haus.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Zu den Daseinsfürsorgeaufgaben, die im Haushalt zu berücksichtigen sind, gehört die verfassungsmäßige Pflicht, den Bürgern die Sicherheit von Leib und Leben zu gewährleisten, zumal bei Angriffen, die von derartigen Nazis ausgehen. Tatsache ist, dass § 163 Strafprozessordnung – Herr Justizminister, das wissen Sie – gesetzlich dazu verpflichtet, an Ort und Stelle, unmittelbar am Ereignisort alles zu tun, dass – ich zitiere – die Behörden und Beamten des Polizeidienstes Straftaten zu erforschen und alle notwendigen, keinen Aufschub gestattenden Handlungen vorzunehmen haben, um eine Verdunklung der Sache zu verhüten. Das ist der Gesetzesbefehl nach § 163.

Ich hätte mir sehr gewünscht und wünsche mir noch sehr, dass sich der bearbeitende Staatsanwalt, der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt und der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen melden und sagen: Auch wir als die zuständigen Leiter der Ermittlungsverfahren fordern, dass eine Polizeidichte, eine Polizeipräsenz, eine Polizeistruktur wiederhergestellt wird, die es ermöglicht, dass tatsächlich diesem auch verfassungsmäßig abgesicherten Gesetzesbefehl laut Strafprozessordnung gefolgt werden kann.

(Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE – Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Das hat nicht einmal die Stasi hingekriegt!)

Ich halte diese Bemerkung an dieser Stelle, Kollege Martens, erstens für wesentlich unter Ihrem intellektuellen Niveau und zweitens für respektlos angesichts dieses Gegenstandes.

Ich glaube, es ist wenig hilfreich, wenn eine gemeinsame Presseinformation, in diesem Fall der Staatsanwaltschaft Bautzen und der Polizeidirektion Oberlausitz/Niederschlesien, am 18. Oktober 2012 mit folgendem Wortlaut erscheint: „Am Mittwochabend haben gegen 21:15 Uhr mehrere Personen in Hoyerswerda in einem Wohnblock in der Robert-Schumann-Straße die Bewohner einer dortigen Wohnung“ – jetzt wird die Wohnungsnummer angegeben – „bedroht. Die Gruppe hatte sich Zugang zum Treppenhaus verschafft und versuchte gewaltsam, in die Wohnung zu gelangen, in der sich die beiden 33-Jährigen eingeschlossen hatten. Sachschaden an der Wohnungstür ist dabei nicht entstanden. Die Bedrohten riefen die Polizei zu Hilfe. Bei Eintreffen der Polizei verließ die Personengruppe den Wohnblock und begab sich zu einer nahegelegenen Tankstelle. Hier wurden die Personalien der angetroffenen Personen festgestellt. Die beiden Bedrohten erstatteten Strafanzeige. Das Dezernat Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.“

Ende der Presseerklärung. Das ist die Presseerklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei. Wie wollen Sie dann zivilgesellschaftliche Kräfte mobilisieren?

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Wie soll denn dann die Mobilisierung zivilgesellschaftlicher Kräfte laufen, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei das verlautbaren lassen? Warum haben dann lokale Verantwortliche nicht den Schneid und den Mut zu sagen: Das waren Nazis, die dort bedrängt haben, und wir waren polizeilich nicht in der Lage, den Schutz der Betreffenden zu gewähren. Wir, Staatsanwaltschaft und Polizei Hand in Hand, fordern, dass daraus entsprechende Konsequenzen gezogen werden. –

(Beifall bei den LINKEN)

Das in Kontrolle zu nehmen und das entsprechend zu bedenken, das zu evaluieren und daraus Schlussfolgerungen in diesem Hause zu ziehen, das ist die Verantwortung dieses Parlaments, die ihm gesetzlich aufgegeben ist.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Für die CDUFraktion Herr Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss natürlich bei solchen Debatten und Diskussionen immer aufpassen, dass man den Weg der Sachlichkeit nicht verliert und dass man nicht anfängt, etwas zu konstruieren. Nochmals: Die Polizeibeamten sind vor Ort gerufen worden, und die Polizeibeamten haben vor Ort gehandelt.

(Beifall bei der CDU)

Es mussten Kräfte zugeführt werden.

Sie konstruieren jetzt eine Diskussion über die Polizeireform 2020, über Stellenabbau, über nicht mehr vorhandene Einsatzkräfte in der Fläche. Meine Damen und Herren, ein solcher Vorfall vor zehn oder 15 Jahren – spontan 15 Leute, die irgendwo versuchen, Krawall zu machen, egal ob politisch motiviert oder nicht – ist immer mit einem Streifenwagen vor Ort festgestellt worden, der eine Zuführung von Kräften entsprechend der Lage gefordert hat. Das ist die Realität.

Jetzt so zu tun, als ob wir gerade jetzt durch eine Polizeireform 2020 einen Zustand erreicht hätten, mit dem die innere Sicherheit im Freistaat nicht mehr gewährleistet werden kann, und jetzt exemplarisch am Fall Hoyerswerda so zu tun, als ob diese Staatsregierung im Kampf gegen Rechtsextremismus keine klare Position hätte und nicht bereit wäre, diesen Kampf zu führen, das ist doch sehr grotesk.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine Zwischenfrage. Herr Bartl, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich bedanke mich, dass Sie bereit sind, meine Frage zu beantworten, lieber Herr Hartmann.

Herr Hartmann, geben Sie mir darin recht, dass weder Kollege Hahn noch ich mit einem Wort bestritten haben, dass die Polizei im Einsatz war, dass die Polizeikräfte versucht haben, ihr Möglichstes zu tun, und geben Sie mir darin recht, dass das Problem aus unserer Darstellung darin liegt, dass es über zwei Stunden dauert, bis die betreffenden Kräfte des MEK, die dann einschreiten können, an diesem Ort in Hoyerswerda sind, in einer Stadt, die immer noch um die 35 000 Einwohner hat, wenn ich sie richtig kenne?

Ich gebe Ihnen recht, dass ich Ihre Ausführungen verstanden habe.

Darf ich eine Nachfrage stellen? Halten Sie es für vertretbar, dass es zwei Stunden dauert – –