Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Der gute Wille, Mutter und Kind zu helfen, bedarf einer rechtlich gesicherten Grundlage, auf die sich alle Beteiligten verlassen können und die rechtssichere Hilfe garantiert.

Wir als FDP-Fraktion haben auf Bundesebene bereits zu Oppositionszeiten diese Forderung erhoben. Die Bundesjustizministerin ist dabei, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der diese unterschiedlichen Aspekte abwägt. Unsere Forderung ist, dass sich auch der Freistaat hierfür starkmacht, und dafür bitten wir um Ihre Zustimmung zum Antrag.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Biesok. – Nun noch einmal die Frage: Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Ich habe jetzt lange genug gewartet und sehe keine Wortmeldungen mehr. Frau Staatsministerin, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Babyklappen sollen Müttern bzw. Eltern in Not ermöglichen, ihr Neugeborenes zum Schutz des Kindes anonym abzugeben.

Ich danke für diese verantwortungsvolle Debatte. Ich wiederhole noch einmal: Seit der Einführung sind Babyklappen umstritten. Kritiker bezweifeln, ob sie ihrer eigentlichen Zielsetzung auch gerecht werden können. Das mag nicht ganz unberechtigt sein. Auch das wurde jetzt debattiert.

Die viel größere Herausforderung ist aber, dass Babyklappen nach derzeitigem Recht keine tragfähigen Angebote darstellen. Eltern und Betreiber von Babyklappen setzen sich gleichermaßen einem Strafverfolgungsrisiko aus. Viele Rechtsfragen sind ungeklärt. Immer ist es möglich, dass die Staatsanwaltschaft tätig wird, zum Beispiel wegen Personenstandsunterdrückung oder

Verletzung der Unterhalts- und Fürsorgepflicht. Zudem widerspricht das Modell Babyklappe dem bundesdeutschen Familienrecht, das Elternlosigkeit nicht kennt.

Im Bundestag und im Bundesrat gab es bereits mehrere Versuche, diese Grauzone durch eine bundeseinheitliche Regelung zu legitimieren. Bislang scheiterte dies am verfassungsgemäßen Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung und am eigenständigen Grundrecht auf Umgang mit beiden Elternteilen. An dieser Lage hat sich nichts geändert. Eine Möglichkeit für die Legalisierung von Babyklappen sehe ich deshalb momentan nicht.

Eine denkbare Alternative sind anonyme Geburten. Ob die Bundesregierung diese Idee aufgreift, bleibt abzuwarten, denn auch bei der anonymen Geburt muss sichergestellt sein, dass dem Kind seine Herkunft und seine leibliche Familie nicht unbekannt bleiben. Wenn es hier zu rechtlich tragfähigen Lösungen kommen soll, dann geht dies nur fraktionsübergreifend über den Bundestag.

Sachsen wird sich dann im Sinne des vorliegenden Antrages einbringen.

Kurz zu den anderen Anliegen des Antrags. Babyklappen und anonyme Geburten sind keine Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Sie werden deshalb nicht von der Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst. Schon wegen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ist die notwendige gesundheitliche Versorgung des Neugeborenen für den Betreiber das wichtigste Anliegen. Das gilt ebenfalls für die notwendige unverzügliche Bestellung eines Vormundes und damit die Einschaltung des Jugendamtes, das heißt immer.

Zahlen finden Sie in der Antwort zur Kleinen Anfrage Nr. 5/624 und die ergänzenden Hinweise der Staatsregierung zu der Kleinen Antrage Nr. 5/7051und 5/10191.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Wir kommen zum Schlusswort. Für die Fraktion spricht Frau Abg. Strempel. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aussprache zum Antrag – es ist keine Debatte, Frau Werner – hat tatsächlich gezeigt, wie enorm wichtig dieses Thema ist. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, des Arbeitskreises Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt und erkannt haben, wie wichtig dieses Thema zur Sicherung von Leben ist – des Kindslebens und des Lebens der Mutter.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Selbstverständlich bin ich angenehm angetan und hoffe, dass es auch weiterhin so gut funktioniert, dass die Vertreter der Rechtssicherheit die Notwendigkeit des Antrages unterstützen. Ich hoffe und wünsche, dass diese Zusammenarbeit auch bei künftigen Themen so perfekt funktioniert.

Der Antrag ist notwendig. Er dient noch einmal einer gründlichen Analyse. Er dient der Überarbeitung bisheriger Maßnahmen, der möglichen besseren Informationsweitergabe und -sicherheit, der Stärkung der Sicherheit der Anbieter von Babyklappen und der anonymen Geburt – sprich auch der Krankenhäuser –, dem Angehen möglicher Veränderungen und hoffentlich einer Bewegung auf Bundesebene, initiiert durch unseren Freistaat Sachsen zum Schutz von Kindsleben, zur Sicherheit, zur Gewährleistung der anonymen Geburt und zur Duldung der bisherigen Babyklappen. Das, was vorhanden ist, soll auch rechtssicher sein.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. Ich danke, dass er diesen breiten Konsens gefunden hat. In diesem Sinne wünsche ich der Staatsregierung ein gutes Arbeiten in Berlin. Wir sichern ihr unsere Unterstützung zu, auch den Kolleginnen und Kollegen im Bundestag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/10176 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist die Drucksache einstimmig angenommen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

Wahrnahme der Regierungsverantwortung für die Strafrechtspflege

bei der wirksamen Verfolgung politisch motivierter Gewalt- und

Bedrohungskriminalität von rechts in Sachsen vor dem Hintergrund

des jüngsten Vorfalls in der Stadt Hoyerswerda

Drucksache 5/10623, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Aussprache erfolgt wie folgt: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Es spricht Herr Abg. Dr. Hahn; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen haben die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP den Haushaltsplan für die kommenden beiden Jahre beschlos

sen und sich selbst dabei überschwänglich gelobt, auch was die innere Sicherheit in unserem Land anbelangt.

Dass die Realität in Sachsen anders aussieht, hat nicht nur die Opposition hier im Landtag immer wieder betont, deren Anträge zum Stopp des Personalabbaus bei der Polizei allesamt abgelehnt wurden. Nein, das haben auch die jüngsten Vorfälle in Hoyerswerda in erschreckender Art und Weise dokumentiert, die wieder einmal bundesweit für Negativschlagzeilen sorgten.

Was war geschehen? Ein junges Paar hatte sich über diverse Nazi-Aufkleber in der Stadt nicht einfach nur geärgert, sondern diese auch mehrfach von Laternen, Fenstern und Gebäuden entfernt. Das allein reichte aus, dass sie am 17. Oktober dieses Jahres von 15 Neonazis in ihrem Wohnhaus aufgesucht und vor ihrer Wohnungstür derart massiven Bedrohungen ausgesetzt wurden, dass sie in ihrer Not die Polizei zu Hilfe rufen mussten. Zwar kam dann auch ein Streifenwagen, doch die Polizeibeamten sahen sich außerstande, den Angreifern Paroli zu bieten. Sie forderten daher Verstärkung an, die von auswertigen Revieren erst lange Anfahrtswege zurücklegen musste, bevor sie in Hoyerswerda eintraf. – So viel zum Thema ausreichende Polizeipräsenz in Sachsen.

Öffentlich wurde die Angelegenheit durch einen Beitrag im MDR-Magazin „Exakt“. Nach der Berichterstattung sollen die rechten Angreifer erst nach knapp zwei Stunden und von den anwesenden Polizisten weitgehend unbehelligt den Tatort verlassen haben. Nach jetzigem Kenntnisstand waren zu diesem Zeitpunkt im Übrigen durch die Polizei noch nicht einmal deren Personalien festgestellt worden. Das geschah erst später an einer benachbarten Tankstelle. Bei ihrem Abgang skandierten die Täter lautstark „ANH“. ANH steht für „Autonome Nationalisten Hoyerswerda“. Dabei handelt es sich offenbar um jene rechtsextremistische Gruppierung, von der am 21. September dieses Jahres gegen eine Demonstration zur Erinnerung an die ausländerfeindlichen Massenausschreitungen in Hoyerswerda von 1991 massive Provokationen ausgegangen waren.

Doch auch nachdem am 17. Oktober dann endlich ausreichend Polizei vor Ort war, wurde den Opfern nicht wirklich geholfen, sondern ihnen stattdessen nahegelegt, die Stadt zu verlassen, weil man ihre Sicherheit nicht mehr gewährleisten und sie nicht wirksam schützen könne.

Es ist völlig egal, ob das als vorübergehende oder gar dauerhafte Maßnahme geplant war. Für mich ist das die Kapitulation des Staates vor den Nazis, und genau das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

In dem bereits erwähnten MDR-Beitrag wurde der Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien mit folgenden Worten dazu zitiert: „Es ist einfacher, zwei Personen von einem Ort an einen anderen sicheren Ort zu bringen, als 30 Personen zu bewachen oder permanent fünf Funkstreifen vor ein Haus zu stellen.“

Ich frage: Wo sind wir eigentlich hingekommen in diesem Land?

(Beifall der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Wir als LINKE teilen ausdrücklich die Position des jetzigen Leipziger Polizeipräsidenten, Bernd Merbitz, der gegenüber dem MDR Folgendes erklärte: „Es kann nicht sein, dass man Leuten, die in Gefahr sind, die bedroht werden, nun als Ultima Ratio anbietet, die Stadt zu

verlassen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, die Menschen zu schützen.“

Der Mann hat absolut recht. Aber umso mehr fragt man sich, warum Innenminister Ulbig gerade diesen Beamten vor wenigen Monaten als Landespolizeipräsident in Sachsen abgesetzt hat.

Der jüngste Vorfall wirft viele Fragen auf. Ich kann hier nur einige nennen: Wie kann es sein, dass heute vielleicht 30 Neonazis das Klima einer ganzen Stadt vergiften und teilweise sogar dominieren? Warum hat man aus den ausländerfeindlichen Ereignissen von 1991 in Hoyerswerda scheinbar nur sehr wenig gelernt? Inwieweit hat die Polizei an dem fraglichen Tag in Hoyerswerda und inwieweit hat vor allem die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung offenkundiger Straftaten die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben im vorliegenden Fall tatsächlich wahrgenommen?

Schließlich: Was soll man davon halten, wenn hochrangige Polizeibeamte nach der medialen Berichterstattung versucht haben, die Opfer bei einem Besuch an deren Zufluchtsort dahin gehend zu beeinflussen, dass es für sie vielleicht doch besser wäre, sich dergestalt zu äußern, dass sie selbst es gewesen seien, die aus Angst darum gebeten hätten, aus Hoyerswerda weggebracht zu werden?

Für mich persönlich ist gerade der letzte Punkt von besonderer Bedeutung; denn das, was jetzt in Hoyerswerda passiert ist, ist leider kein Einzelfall. Immer häufiger sind es die Opfer, die ihre Heimat oder ihren langjährigen Wohnsitz nach rechten Attacken verlassen müssen – sei es der Schüler in Limbach-Oberfrohna oder seien es andere junge Leute in unzähligen kleinen Städten.

In Geithain gab es Anfang dieses Jahres mehrere Übergriffe auf eine Pizzeria. Erst beim fünften Vorfall, bei dem es zu einer Explosion kam, interessierte man sich seitens der Polizei ernsthaft dafür. Der Betreiber musste sein Geschäft schließlich dennoch aufgeben.