Die Schieflage bei der sogenannten „Nachhaltigkeitsstrategie“ des Freistaates lässt sich vortrefflich daran erkennen, dass die Wörter „sozial“ oder „Sozialpolitik“ darin gar nicht auftauchen. Sie werden von Ihnen zwar zur Beschreibung der bekannten drei Säulen benutzt, jedoch lediglich, um den weiteren Raubbau an heimischen fossilen – ja, auch alternativen – Energieträgern zu begründen. Alternativen zur Wachstumsgesellschaft, wie
wir sie zum Beispiel auf unserem jährlichen Klimakongress diskutieren, kommen Ihnen gar nicht in den Sinn. Dabei hat die gesellschaftliche Diskussion darüber, zum Beispiel auch durch Initiativen aus dem kirchlichen Bereich, bereits begonnen. Verpassen Sie nicht den Zug!
Ich habe weitere Fragen: Wo finde ich Aussagen zur Armutsbekämpfung, zu einer Strategie gegen Arbeitslosigkeit? Wenn Sie Fachkräftepotenziale sichern und nutzen wollen, sollten Sie zumindest den Bedarf konkret nach Branchen – auch im öffentlichen Dienst – kennen. Eine solche Analyse ist schlicht Voraussetzung für nachhaltiges Handeln; aber es gibt sie nicht.
Alte Menschen sollen möglichst lange zu Hause und selbstbestimmt leben können. Schön wäre es! Bisher setzen Sie zu einseitig auf die stationäre Versorgung und überlassen innovative Ideen zum Beispiel der Wohnungswirtschaft.
Dass Sie heute 300 Jahre Nachhaltigkeitsidee würdigen, ohne den Praxistest zu bestehen, lässt befürchten, dass es mit dieser Staatsregierung weitere 300 Jahre dauern würde, bis wir von wirklicher Nachhaltigkeit in Sachsen sprechen könnten.
(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Gott bewahre! – Johannes Lichdi, GRÜNE: Bis dahin ist die CDU nicht mehr an der Regierung!)
Inzwischen würde sich der Oberberghauptmann von Carlowitz im Grabe herumdrehen. Das wollen wir verhindern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sind die Erfolge der Staatsregierung inzwischen so dünn gesät, dass zwecks Eigenlob auf derart konstruiert wirkende Jubiläen zurückgegriffen werden muss? Oder möchte man sich künftig wieder stärker an deutschen bzw. sächsischen Traditionen und Tugenden orientieren und sie zur Richtschnur des politischen Handelns machen? Nein, daran habe ich allerdings auch meine Zweifel. Denn das übliche Denken der Herr
Dennoch ist einiges im Beiwort des vom Umweltministerium verteilten Tischkalenders gut anzuhören, so zum Beispiel das, was zum Stichwort „Nachhaltigkeit“ geschrieben steht:
„Es darf nur so viel verbraucht werden, wie erwirtschaftet werden kann. […] Wir dürfen nicht auf Kosten künftiger Generationen oder Menschen in anderen Teilen der Welt leben. Jeder Einzelne kann seinen nachhaltigen Beitrag leisten, so zum Beispiel beim Einkauf, indem er überwiegend heimische Produkte auswählt, die einen kurzen Transportweg in die Geschäfte haben usw.“
Ähnliches findet sich auch im Programm der NPD. Das Kapitel 5 steht unter der Überschrift „Die raumorientierte Volkswirtschaft als wirtschaftspolitische Alternative“, und ich möchte kurz daraus zitieren: „Die NPD fordert eine am heimischen Lebensraum und am Bedarf der Menschen orientierte vielseitige und ausgewogene soziale Volkswirtschaft, die ihren Schwerpunkt nicht in der einseitigen Exportorientierung, sondern in der Stärkung der Binnenwirtschaft sieht.“
„Innerhalb der raumorientierten Volkswirtschaft werden regionale Wirtschaftskreisläufe gefördert, um Beschäftigung und Kaufkraft im Land zu sichern. Die grundlegenden Bedürfnisse sollen in der Heimat und lebensnahen Wirtschaftsräumen abgedeckt werden, damit diese Räume ihre vielfältige Lebensart und Arbeitskultur wie auch ihre ökologische Integrität erhalten und entwickeln.“ Und weiter: „Durch das wirtschaftspolitische Streben nach regionalen Wirtschaftskreisläufen und dezentralen Strukturen ist die dauerhafte Funktionsfähigkeit der Heimatmärkte sicherzustellen, um die Marktkräfte zum allgemeinen Wohl zur Wirkung kommen zu lassen.“ – So viel aus dem Parteiprogramm meiner Partei NPD.
Minister Kupfer wird es weit von sich weisen, mit seinen Gedanken auch nur für einen Augenblick in der geistigen Nähe der NPD verweilt zu haben. Wenn ich mir das aktuelle Handeln der regierenden Politiker in Bund und Ländern unabhängig vom Parteibuch betrachte, sehe ich auch nur wenige Zusammenhänge mit unseren Maßstäben. Ich sehe beim Handeln etablierter Politiker aber auch wenige Beziehungen zum Handeln des sächsischen Oberberghauptmannes Hannß Carl von Carlowitz, das zum Thema der Fachregierungserklärung gemacht wurde. Mir stellt sich die Frage: Hätte Hannß Carl von Carlowitz unter den heutigen Umständen überhaupt eine Möglichkeit, in ähnlicher Weise tätig zu werden? Ich hege Zweifel.
Ein Blick in seine Biografie: Hannß Carl von Carlowitz wurde als zweitältester Sohn von insgesamt 16 Kindern in die vierte Generation der auf Burg Rabenstein lebenden Carlowitzer geboren. Bereits dieser erste Satz enthält zwei Gründe, weshalb er sich heute nicht mehr entfalten könnte. Einer liegt bei Ihren politischen Vorgängern. Seine Familie wäre 1945 als Junker enteignet und vertrieben worden. Das zweite Risiko läge aber in Ihrem politischen Handeln; denn sollten die Carlowitzer dennoch in Sachsen geblieben sein, hätte die Familie mit Sicherheit keine 16 Kinder gehabt, und ob er selbst als zweitältester Sohn noch in die Familienplanung gepasst hätte, wäre angesichts des von Ihnen einfach hingenommenen demografischen Wandels oder besser in der demografischen Katastrophe zumindest zweifelhaft gewesen.
Aber selbst wenn man von diesen eher hypothetischen familiären Voraussetzungen absieht, so tun sich für einen derart begabten und zielstrebigen Mann in der heutigen Zeit Abgründe auf, die seinen Tatendrang eng begrenzen würden. In seiner Biografie heißt es unter anderem: „Von Carlowitz studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Jena, lernte Fremdsprachen und widmete sich naturwissenschaftlichen und bergbaukundlichen Studien.“ Man versuche sich diesen wissenschaftlichen Werdegang unter den Bedingungen von Bachelor- und Masterstudiengängen einmal vorzustellen. Das ist schier unmöglich, meine Damen und Herren. Vom Humboldt‘schen Ideal einer klassischen Hochschulbildung, das fest in der deutschen Geistestradition wurzelt, ist wenig geblieben. Es ist deshalb eine Forderung meiner Partei, der NPD, die im Zuge des Bologna-Prozesses eingeführten Schritte zur Schaffung eines gleichgeschalteten europäischen Hochschulraumes wieder rückgängig zu machen.
Zurück zur Biografie: Während seiner Kavalierstour von 1665 bis 1669 sah er den großen Brand von London und von Carlowitz reiste weiter durch ganz Europa, unter anderem besuchte er Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Italien und Malta. Unter Kavalierstour verstand man eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums durch Mitteleuropa, Italien, Spanien und auch ins Heilige Land.
Carlowitz konnte während seiner Reise noch mit eigenen Augen sehen, dass Holz in Europa im 17. Jahrhundert bereits ein knapper Rohstoff war. In London war kurz zuvor das Buch „Sylva“ von John Evelyn erschienen. 1669 wurde in Frankreich von König Ludwig XIV. ein modernes Waldgesetz erlassen.
Auf die Erfahrungen und Erkenntnisse seiner Kavalierstour griff von Carlowitz später in seiner „Sylvicultura oeconomica“ zurück. Hierbei handelt es sich um das erste eigenständige Werk über die Forstwirtschaft, mit dem der Verfasser über Sachsen hinaus Bedeutung erlangte. In dem unter „Hauswörtliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baumzucht“ im Jahr 1713 erschienenen Buch fasste von Carlowitz das forstliche Wissen
seiner Zeit zusammen, erweiterte es durch eigene Erfahrungen und formulierte erstmals das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Aber ich will zur Biografie zurückkehren. Von Carlowitz schrieb sein Buch in einer Zeit der Energiekrise. Die Erzgruben und Schmelzhütten des Erzgebirges, damals eines der größten Montanreviere Europas, mussten mit viel Holz als Energiequelle versorgt werden. Zudem trug das Bevölkerungs- und Städtewachstum stark zur Holznot bei. Ein geregelter Waldbau sowie Gesetze, ÖkoStandards oder Zertifizierungen zur Aufforstung existierten nicht.
Heute ist es umgekehrt. Es gibt nichts, was nicht geregelt ist. Eigeninitiative ist kaum gefragt. Die Gesetze werden von weltfremden Bürokraten in Brüssel formuliert, zwielichtige Lobbyisten nehmen auf ihre Entstehung Einfluss, rückgratlose Parteipolitiker winken Beschlüsse in den Parlamenten des Bundes und der Länder durch. Selbst in den Bereichen, in denen eigenständige Entscheidungen möglich wären, orientiert sich die Parteipolitik an Klientelinteressen. Es wird nicht in Generationen, sondern in Legislaturperioden gedacht; aber das sagte ich ja schon. Und Superwahljahre wie das Jahr 2013 lähmen die Handlungsfähigkeit gänzlich. Grundsätzliche Erwägungen, an diesen Zuständen etwas zu ändern, werden nicht zugelassen oder verteufelt. Nur zwei Stichworte an dieser Stelle: Volksabstimmung auf Bundesebene oder die Direktwahl des Bundespräsidenten. Ein Hannß Carl von Carlowitz könnte unter den heutigen Bedingungen nicht ansatzweise das leisten, was er zu seiner Zeit leisten konnte.
Und nicht nur er, ich möchte auf eine weitere Persönlichkeit eingehen, die die Forstwirtschaft Sachsens geprägt hat. Es handelt sich um Heinrich Cotta, der einige Generationen später Bedeutung erlangte. Ursprünglich aus Thüringen stammend, stand er ab 1809 mit der königlichsächsischen Verwaltung unter Friedrich August I. in Kontakt, die einen neuen Leiter ihrer Forstvermessungsanstalt suchte. Nach einigen Verhandlungen wurde Cotta schließlich am 12. Dezember 1810 in Dresden als Forstrat und Direktor der Forstvermessung und Taxation vereidigt. Da er sich zudem das Recht ausbedungen hatte, seinen Wohnort frei wählen und dort seine Lehranstalt weiterführen zu dürfen, entschied er sich für das Städtchen Tharandt. Dorthin übersiedelte er mitsamt seiner Zillbacher Forstlehranstalt im Frühjahr 1811. 1816 wurde sie zur königlich-sächsischen Forstakademie und noch heute ist sie als Fachbereich Forstwissenschaften der TU Dresden erhalten.
Cotta war eine weit über die Forstkreise hinaus bekannte und geschätzte Persönlichkeit und verkehrte mit zahlreichen Berühmtheiten seiner Zeit. So besuchte ihn bereits 1813 Johann Wolfgang von Goethe in Tharandt. 1819 und 1822 erfolgten Gegenbesuche bei Goethe in Weimar. Gesprächsgegenstände waren bei diesen Besuchen neben forstwirtschaftlichen Fragen vor allem auch Geologie und Fossilien. Cotta, der zeitlebens ein eifriger Sammler
gewesen war, besaß eine berühmte mineralogischgeologische Versteinerungssammlung, die eine der bedeutendsten Kollektionen ihrer Art war. Diese Sammlung zog auch andere Naturwissenschaftler nach Tharandt, darunter im Jahr 1830 Alexander von Humboldt, der nach Cottas Tod durchsetzte, dass diese Sammlung für 3 000 Taler für das Berliner Kabinett angekauft wurde.
Welch bewundernswerte Zusammenführung von intellektuellen Kapazitäten der damaligen Zeit gelang hier, und das trotz der beschwerlichen Reisemöglichkeiten zur damaligen Zeit! Heinrich Cotta ist der Begründer der modernen nachhaltigen Forstwirtschaft und Forstwissenschaft. Er leistete den Übergang der Holzzucht zum Waldbau als einer ganzheitlichen Wissenschaft und Kunst zugleich. Cotta prägte den Begriff „Waldbau“ überhaupt erst, vor allem durch sein berühmtes Buch „Anweisungen zum Waldbau“ von 1817. In der Vorrede der ersten Ausgabe lieferte er auch eine berühmt gewordene Begründung, warum die neue Fachdisziplin Forstwissenschaft nötig geworden sei. – So viel dazu.
Wenn ich mir die Leistungen dieser Persönlichkeiten – denn Forscher, Wissenschaftler und Praktiker, kein Begriff mag ihr Wirken allein zu beschreiben – vor Augen führe, dann zeigt sich die ganze Armseligkeit der Brigade Tillich. Sich an den Leistungen unserer Vorfahren messen zu wollen, diesen Versuch sollten die Mitglieder der Staatsregierung besser unterlassen. Im Lichte der Vergangenheit betrachtet, wird die Durchsichtigkeit dieses Unterfangens klar.
Noch eine abschließende Bemerkung. Sehr geehrter Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben zu Recht eine ganze Reihe von Erfolgen der sächsischen Wirtschaft in der aktuellen Zeit dargestellt. Dies sind aber Erfolge der Privatwirtschaft, Herr Minister, die trotz der politisch und ökonomisch begrenzten Möglichkeiten entstanden. Sie sind eben gerade nicht Erfolg der Politik. Nachhaltig ist auch unsere Finanzpolitik nicht. Es wurde von anderen schon angesprochen. Wenn Sie den Freistaat finanzpolitisch gut dastehen lassen, aber das zulasten seiner eigenen Kommunen, ist das aus Sicht der NPD-Fraktion schäbig.
Meine Damen und Herren, wir gehen jetzt in die zweite Runde. Die Linksfraktion hat keine Redezeit mehr. Ich rufe nun für die CDU-Fraktion Herrn Dr. Meyer auf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenngleich der Begriff „Nachhaltigkeit“ heute hier schon fast inflationär, also sehr häufig, verwendet wurde, muss man trotzdem festhalten, dass er in der Gesellschaft in seiner konkreten Bedeutung noch nicht so richtig verankert ist.
Deshalb möchte ich diese Debatte zum Anlass nehmen – ich bin sehr dankbar, dass sie heute hier geführt wird –, um mich konkret dem Themenfeld der Umwelt- und
Energiepolitik zu widmen. Generell ist es notwendig, den Begriff „Nachhaltigkeit“ zu übersetzen, das heißt, in die konkrete Lebenssituation der Menschen zu übertragen, indem man die drei Aspekte Ökologie, Ökonomie und das Soziale „zusammendenkt“. Das sind keine sich ausschließenden Faktoren, sondern sie müssen bewusst einheitlich betrachtet werden, weil man nur dann eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür gewinnen kann. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, in dieser gesellschaftlichen Akzeptanz vor allem die junge Generation mitzunehmen, weil sie letztlich dafür Sorge trägt, dass der Begriff tatsächlich mit Leben erfüllt wird.
Vielen Dank. – Werter Kollege, können Sie mir erklären bzw. sich selbst erklären, warum der Begriff „Sozialpolitik“ in einer Nachhaltigkeitsstrategie des Freistaates überhaupt nicht vorkommt?