Wir sollten das Ergebnis der Verhandlungen gemeinsam tragen und uns auf den Weg machen, diese Reform der
beruflichen Bildung zu begleiten. Das bedeutet für mich allerdings auch, dass wir uns in zwei, drei Jahren die Ergebnisse und Entwicklungen im Bereich der Berufsausbildung und des Ausbildungsmarktes ansehen, evaluieren und neue Schritte hin zur weiteren Stärkung der dualen Ausbildung prüfen müssen und können.
Eines halte ich jedoch darüber hinaus zur Sicherung des qualitativ hochwertigen Netzes an Berufsschulen und Berufsschulzentren – besonders auch in unseren ländlichen Räumen – für dringend geboten: Wir brauchen in Zukunft eine noch stärkere Schulnetzkoordinierung.
Ich spreche noch nicht einmal von Schulnetzplanung, aber einer Koordinierung für die Berufsausbildung in unseren Berufsschulzentren. Hier müssen die Akteure sowohl auf kommunaler Ebene – insbesondere die Landkreise und die kreisfreien Städte als Träger der Schulnetzplanung –, als auch die Vertreter der Wirtschaft und die Vertreter aus unseren SBAs an einen Tisch, um die Infrastruktur und die berufsbildenden Angebote im Freistaat Sachsen zu sichern, die Qualität zu erhalten und zukünftig Schülerströme besser zu koordinieren und zu lenken.
Dies bedeutet auch, bestehende Standorte inhaltlich zu differenzieren. Nur so kann es uns gelingen, das gut ausgebaute und leistungsfähige Netz an Einrichtungen und den darin wirkenden sehr guten Fachexperten – auch unter Berücksichtigung der Veränderungen am Ausbildungsmarkt – langfristig zu erhalten.
Herr Seidel, vielen Dank für diese kritische Anmerkung – oder wie auch immer man das bezeichnet, dass es der Koordinierung bedarf.
Meine Frage bezieht sich auf das Thema Fachklassenbildung. Die Schulnetzplanung wird durch das Kultusministerium bzw. durch die Gremien permanent durch die Fachklassenbildung unterwandert. Welchen Vorschlag haben Sie, dass eine koordinierte Schulnetzplanung nicht durch die Hintertür – nämlich durch die Fachklassenbildung – wieder ausgehebelt wird?
sondern Fachklassenbildung ist erforderlich, um die notwendige Schülerinnen- und Schülerstärke an einem Schulzentrum konzentrieren zu können. Wir können es uns nicht leisten, an mehreren Schulzentren Miniklassen zu etablieren, weil uns das – erstens – sehr viel kostet und weil wir – zweitens – auch die Fachexperten an den
Beispielsweise haben wir in Schkeuditz die Fachklassen für den gesamten ostdeutschen Raum für Glaser. Diese Ausbildung muss einfach konzentriert werden. Genauso gilt es für die Polsterer in Freital usw.
Wir müssen mit der Fachklassenbildung natürlich die entsprechenden Lehrlingsstärken an den entsprechenden Berufsschulzentren konzentrieren, um dort eine fachlich gute, hochwertige Ausbildung zu leisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die berufliche Bildung im Freistaat Sachsen verändert sich ständig: mit der wirtschaftlichen Entwicklung, den Schülerzahlen und den benötigten Berufen im Freistaat. Unsere Aufgabe besteht darin, dieses System so anzupassen, dass möglichst alle Schüler einen für sich interessanten Ausbildungsplatz finden, der auch durch die sächsische Wirtschaft nachgefragt und benötigt wird. Nur wenn die Unternehmen ihren Fachkräftebedarf decken können, werden sie sich weiterentwickeln und wachsen können. Bei der nach wie vor noch bestehenden Kleinteiligkeit in Sachsens Mittelstand ist dies dringend notwendig.
Diesen Weg müssen wir gemeinsam im Dialog mit den Schulen, den Kammern und der kommunalen Ebene gehen, und zwar offen und ideologiefrei. Nur so werden wir auch im nationalen Wettbewerb um die besten Fachkräfte bestehen können.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle unseren Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehren, den Schulleitern in den staatlichen BSZs, den privaten Ausbildungseinrichtungen sowie allen Fachberatern und Ausbildungsmeistern für ihren vielfältigen und von häufigen Veränderungen bestimmten Einsatz für die Berufsausbildung unserer Jugend danken.
Ohne diese selten im Fokus der Öffentlichkeit stehenden wirklichen Meister der Lehre wäre das in der Beantwortung der Anfrage offengelegte Pensum in der Anpassung der Ausbildung nicht möglich gewesen und an dessen positive Weiterentwicklung nicht zu denken.
Diese Kolleginnen und Kollegen haben es verdient, mehr im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen und für ihre wirklich herausragende Arbeit den Dank von uns zu bekommen. Ich denke, das ist auch in Ihrem Namen.
Vielen Dank, Herr Seidel, für Ihren Beitrag. – Meine Damen und Herren, ich bin mir sehr wohl der Neutralität meines Amtes bewusst. Herr Seidel, es könnte aber durchaus sein, dass der Dank von den zuständigen Fachministerien weitergeleitet würde. Ich stelle fest, dass nur ein zuständiges Fachministerium im Sächsischen Landtag anwesend ist. Ein anderes fehlt. Ich halte das für eine grobe Missachtung des Sächsischen Landtages, wenn die Staatsregierung zu den Themen – jedenfalls zu denen aus ihren Zuständigkeitsbereichen –, die hier behandelt werden, nicht anwesend ist. Das wollte ich gern loswerden.
Meine Damen und Herren! In der Aussprache setzen wir mit der Fraktion DIE LINKE fort. Es spricht Herr Abg. Kind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche ganz bewusst an dieser Stelle als Mitglied des Wirtschaftsausschusses zum Thema und nicht als Mitglied des Schulausschusses, auch wenn das durch die Staatsregierung anders repräsentiert wird.
Wir können einleitend feststellen, dass sich die Situation für unsere Jugendlichen in Sachsen – was den Bereich der Chancen auf dem Ausbildungsmarkt betrifft – in den letzten Jahren wesentlich verbessert hat. Wir können uns darüber freuen. Das ist erfreulich für jeden Einzelnen, auch wenn es eher am demografischen Wandel liegt als an der Qualität der Ausgestaltung des Systems der Berufsausbildung.
Einführend möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass wir als LINKE die Initiative auf europäischer Ebene, allen Jugendlichen bis zu 25 Jahren eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz verbindlich zur Verfügung zu stellen, nur unterstützen können. Wir alle wissen, wie wichtig es ist, dass junge Menschen nach der Schule möglichst zeitnah und ohne Unterbrechung in die Ausbildung kommen, einen Beruf erlernen und somit ihren Lebensweg entsprechend vorbereiten können, damit sie am wirtschaftlichen Leben teilnehmen, ihren persönlichen Lebensweg und Wohlstand aufbauen und dadurch ein gesichertes Leben führen können.
Das war nicht in allen Zeiten so, gerade in Sachsen, wo viele Jugendliche keine Chance auf eine Ausbildung hatten.
Das hat sich in der letzten Zeit gewandelt. Wir hatten im letzten Ausbildungsjahr den ersten Jahrgang, in dem es mehr Ausbildungsstellen als Bewerber gab. Wir dürfen aber an der Stelle nicht vergessen, dass wir noch mehrere Tausend aus den Vorjahren im Überhang haben, die nach wie vor nicht im System angekommen sind und für die es keine adäquaten Lösungen gibt, sie in eine qualifizierte Ausbildung zu bringen.
Ein anderes Problem ist, dass mittlerweile 26 % der Ausbildungsverträge aus verschiedensten Gründen gelöst werden. Das führt sowohl zur Verunsicherung – für die Auszubildenden ist es teilweise eine komfortable Situation –, aber für die ausbildenden Betriebe wird es auch mehr und mehr zum Problem. Es muss steuernd eingegriffen werden. Es müssen Modelle entwickelt werden, um dieser Tendenz entgegenzuwirken; denn es nützt uns nichts, wenn die begehrtesten Betriebe und die begehrtesten Berufe in der Ausbildung gut versorgt sind. Dort, wo die Situation nicht so gut ist, müssen sich auch die Unternehmen in die Pflicht genommen fühlen. Sie müssen die Ausbildungssituation, die Ausbildungsvergütung und die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass es für junge Menschen attraktiv wird, auch in diesen Berufen einer Ausbildung nachzugehen.
Soweit zu der Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Was ist aber auf dem Weg, zu einer qualifizierten Berufsentscheidung zu kommen, geschehen? – Da haben wir die Berufsorientierung, wo es – die Kollegin Stange hat es angesprochen – ein Sammelsurium von Angeboten und Maßnahmen gibt – viel über ESF finanziert, kaum eigene Verantwortung des Freistaates. Den Arbeitskreisen Schule/Wirtschaft wird in der Beantwortung der Großen Anfrage eine überdimensionale Bedeutung beigemessen, weil es freie Zusammenschlüsse sind.
Ich erzähle kurz, wie der Arbeitskreis Schule/Wirtschaft im Kreis Nordsachsen wiederbelebt wurde. Den gab es in den Neunzigerjahren. Mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers der Sparkasse Delitzsch/Eilenburg, Herrn Föhrenbach, ist der Arbeitskreis eingeschlafen. Er wurde durch ein Zufallstreffen auf dem Parkplatz des Landratsamtes Delitzsch durch mich und Herrn Föhrenbach wieder ins Leben gerufen. Wir haben Herrn Penndorf als Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses dazugewonnen. So gab es 2007 überhaupt den Arbeitskreis wieder.
Wie kann sich die Staatsregierung auf die Arbeit der Arbeitskreise in der Region verlassen, wenn es keine strukturierte Vorgehensweise gibt, wie diese Arbeitskreise zur Koordinierung zwischen der Wirtschaft und den Schulen strukturell im Land organisiert werden, wenn es dem Zufallsprinzip überlassen bleibt und seitenweise ausgeführt wird, wie man sich auf diese Arbeit verlässt, um die Berufsorientierung auf den Weg zu bringen. Das ist doch ein Widerspruch, der haarsträubend ist!
Die Schulen sind teilweise maßlos überfordert. Auch die Unternehmen vor Ort werden oft durch den Aktionismus, der in diesem Bereich ausgebreitet wird, überfordert. Es gab eine Zeit, in der jede Schule versuchte, eine Ausbildungsmesse zu machen. Die Unternehmen wussten gar nicht, wen sie jede Woche zu diversen Messen schicken sollten, und es gab ein Sammelsurium von Angeboten von freien Unternehmern, von Anbietern im Weiterbildungsbereich. Alles Mögliche klopfte an der Schultür an und versuchte, dort irgendwo einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber es gab kein strukturiertes Vorgehen.
Es war nicht klar, ab welcher Klassenstufe Berufsorientierung eigentlich passieren soll. Jetzt einigt man sich ganz allmählich darauf, dass man frühzeitig in der 5. Klasse einführend damit beginnt. Aber es gibt keine klaren Strukturen und Kriterien. Dies ist immer noch ein offenes Feld, und es ist nicht abschließend geklärt, dass dort ein klarer und zielgerichteter Prozess erfolgen kann.
Zu einzelnen Maßnahmen, die wir vorschlagen, mit denen man eingreifen könnte, um dort etwas zu verbessern: Der Berufswahlpass ist ein qualitativ hochwertiges Element, das man in der Berufsorientierung gut einsetzen kann, der in vielen Bundesländern eingeführt ist, der aber in Sachsen nach wie vor nur punktuell und nach Bedarf und Interesse in einzelnen Schulen eingesetzt wird. Er wird nach wie vor privat bzw. durch Sponsoren finanziert, die in der Wirtschaft gewonnen werden.
Unser Vorschlag ist: Das Land Sachsen übernimmt die Finanzierung des Berufswahlpasses verbindlich für alle Schüler im Land. Damit könnte auch eine strukturierte Berufsorientierung nach Standards durchgeführt werden. Es gäbe zumindest einen Leitfaden, an dem man sich entlanghangeln könnte.
Des Weiteren ist ein offenes Thema, dass es einmal die Lehrerpraktika als Modellprojekte gab. Lehrerpraktika in Betrieben, in der schulfreien Zeit, werden punktuell angenommen. Sie gibt es als Angebot, aber keine Verbindlichkeit in der Weiterbildung oder eben im Nutzen von Lehrerpraktika, sodass sie in ihrem Schulunterricht dann den Schülern entsprechend auch vermitteln können, wo im Berufsleben die Herausforderungen, die spannenden Themen sind, sodass Berufsorientierung auch Thema der Schule sein kann.
Der nächste Punkt, auf den ich zum Thema eingehen möchte, ist: Chancen für Benachteiligte. Das große Auffangbecken ist nach wie vor das Berufsvorbereitungsjahr. Dort landen – Frau Stange hat auch darauf hingewiesen – landesweit circa 11 % unserer Schüler ohne Schulabschluss; in Leipzig, in der Armutshauptstadt Deutschlands, 15 %. Lassen Sie sich die Zahl auf der Zunge zergehen! 15 % des letzten Schuljahrgangs ohne Schulabschluss, wo dann versucht wird, diese im Auffangsystem BVJ, Berufsgrundbildungsjahr oder vielleicht über eine Einstiegsqualifizierung irgendwo ins System zu bringen. Das Berufsvorbereitungsjahr ist seit vielen Jahren in der Kritik: in der Durchführung, in der Umsetzung und in der Erreichung der Lernziele und des Übergangs in eine vernünftige Ausbildung.
Hier muss angesetzt werden, aber nicht nur auf Landesebene, weil das BVJ bundesweit geregelt ist. Hier muss die Landesregierung über den Bundesrat Initiativen ergreifen, um in dem Übergangssystem von Schule zu Beruf eine Qualifizierung auf Bundesebene zu erreichen, sodass das mangelhafte System des BVJ nicht die Grundlage dafür ist, jungen Leuten eine Chance im Arbeitsleben zu geben.
Sachsen versucht – jetzt ist der Minister ja da, wunderbar, ich begrüße Sie – mit den „Joblingen“ kleine Baustein