Wir durften ja schon einmal im Freistaat Sachsen erleben, was es heißt, SPD-Bildungspolitik zu ertragen. Damals, 2005, wurde die Bildungsempfehlung aufgeweicht, ein erster kleiner Angriff auf den Bereich „Leistungsorientierung“. Es war eine der ersten Maßnahmen der schwarzgelben Regierung, hier wieder die Bildungsempfehlung zu verändern und zu verbessern. Wir sind als CDU und
Wer das Sitzenbleiben abschaffen will, sendet ein fatales Signal, nämlich das Signal, Leistung lohnt sich nicht. Er sendet es vor allem an diejenigen, die sich anstrengen, vielleicht gerade die Fünf in eine Vier verwandeln, die sich abmühen. Das Signal, das Rot-Grün aussendet, wird eine Gesellschaft ohne Leistungswillen und Leistungsfähigkeit schaffen. Wir als FDP wenden uns gegen diese Utopie. Wir sind für mehr Realismus und weniger Ideologie in der Bildungspolitik.
Kurz ein paar Zitate aus der Praxis zum Thema Sitzenbleiben. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Herr Josef Kraus, sagte: „Es gibt keine pädagogische Begründung für die Abschaffung, außer man ist ein naiver Utopist.“ Weiter sagte er: „Da kann man gleich ein Abitur mit Vollkasko-Garantie anbieten.“
Weiter sagte der Vorsitzende des Deutschen Realschullehrerverbandes Jürgen Böhm: „Mit dieser leistungsfeindlichen Einstellung kann man im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe nicht bestehen und wird langfristig im Mittelmaß enden.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Treffender kann man es nicht beschreiben, was rot-grüne Politik verursacht.
Das, was derzeit in Niedersachsen und in Baden-Württemberg durch die rot-grünen Landesregierungen geplant wird, ist auch eine reine Symptomdiskussion. Es geht doch vor allem um den Grund für das Sitzenbleiben; das ist die mangelnde Leistung. Wir müssen an die Ursachen für das Sitzenbleiben herangehen. Dort, wo Rot-Grün regiert, werden Lehrerstellen, wie in Baden-Württemberg, gestrichen oder die Vertretungsreserve, wie in NordrheinWestfalen, eingedampft. Das, was Ihre Genossinnen und Genossen in den anderen Ländern machen, sehr geehrte Frau Dr. Stange, ist eine zutiefst unehrliche Politik.
Was entscheidend ist: Wer das Sitzenbleiben abschafft, der erweist auch den betroffenen Schülern einen Bärendienst, weil klar ist, spätestens beim Schulabschluss zählen ja doch die Noten. Die Folge wäre, dass mehr Schüler als bisher keinen Abschluss bekommen. Ich frage Sie: Das wollen Sie doch sicher nicht in Kauf nehmen? Ich will es nicht und ich glaube, auch Sie wollen es nicht. Deswegen ist das Abschaffen des Sitzenbleibens die falsche Maßnahme.
Wenn wir das Sitzenbleiben abschaffen, dann nehmen wir den Schülern auch eine Chance, eine Chance in einer ganz wichtigen Phase in der Bildungslaufbahn, nämlich wenn das Sitzenbleiben droht, einmal über die Schulwahl und die Schulart nachzudenken, ob ich auf Gedeih und Ver
derb am Gymnasium bleibe oder dann doch an die Mittelschule wechsele, dort einen guten Abschluss mache und Erfolgserlebnisse habe. Dafür ist das Sitzenbleiben eine Chance. Es ist eine Chance, auch über die Einstellung zum Lernen nachzudenken. Es ist auch eine Chance, sich die Zeit zu nehmen, nämlich ein Jahr Zeit zu haben, Stoff aufzuarbeiten und die Probleme, die man zu dem Zeitpunkt hat, zu beseitigen. Diese pädagogische Maßnahme einfach herauszustreichen wäre zu kurzsichtig gedacht. Wir schätzen ein, die Lehrer gehen sehr verantwortungsvoll mit dieser Maßnahme um. Keiner will, Herr Dulig, dass Schüler sitzenbleiben. Es ist eine pädagogische Maßnahme, die durch die Lehrer sehr verantwortungsvoll wahrgenommen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abschaffung des Sitzenbleibens beseitigt lediglich ein Symptom. Es gibt leistungsfeindliche Anreize. Es ist eine rein ideologische Maßnahme. Diese lehnen wir als CDU und FDP ab. Bei uns wird es auch zukünftig ein leistungsorientiertes Schulsystem geben. Es wird auch zukünftig die Möglichkeit des Sitzenbleibens geben.
Für die miteinbringende Fraktion der FDP sprach Kollege Bläsner. Wir treten jetzt in die Rednerrunde ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Kollegin Klepsch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Leistungsstark, aber unglücklich“, so titelte vor wenigen Tagen der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in den Industrieländern 2013 und er meinte damit auch die Bundesrepublik Deutschland.
Ich sage auch, es ist richtig, Kinder brauchen Herausforderungen, aber – da unterscheiden wir uns – Kinder und Jugendliche brauchen auch Motivation, Ansporn und Förderung. Wer mit Angst lernt, lernt nicht gern und er wird auch nicht erfolgreich sein.
Ich sage, die Koalition irrt bereits mit der Behauptung der leistungsorientierten Schule in Sachsen, denn eine leistungsorientierte Schule würde jeden Schüler so fördern, dass er kein Schuljahr wiederholen muss.
Herr Bienst, wenn Sie unser Schulsystem beleuchten wollen, kann ich nur empfehlen, nehmen Sie eine Laterne, gehen Sie in die Schulen und sehen Sie, was dort los ist. Schauen Sie, wie groß der Unterrichtsausfall ist und reden Sie mit Ihrem Kultusministerium darüber, warum wir bei steigenden Schülerzahlen gerade einen Abbau im Bereich
Da Sie die Emnid-Umfrage zitiert haben – also wenn Sie mich fragen, ob ich das Gefühl habe, dass mein Kind in der Schule auf das Leben vorbereitet wird, also das Rechnen, Schreiben und Lesen lernt, würde ich sagen, es wird auf die Zukunft vorbereitet. Es reicht aber nicht mehr aus für die Zukunft, auf die wir die Kinder jetzt in Sachsen vorbereiten müssen.
Ich habe mich ernsthaft gefragt – und ich richte die Frage an Sie –: Was ist Ihre Intention als Koalition für diese Debatte? Wollen Sie sich wieder einmal feiern? Da kann ich Sie darauf hinweisen, dass selbst die PISA-Chefs, Jürgen Baumert und andere, das Sitzenbleiben kritisieren. Baumert sagte nämlich bereits 2002: „Im Einzelfall mag das Sitzenbleiben helfen, generell ist Sitzenbleiben schulpädagogisch wenig erfolgreich. Es macht nur Sinn, jemanden mit einer Fünf in Mathematik und Physik einfach eine Klasse herunterzusetzen in der Hoffnung, er lerne es beim zweiten Mal.“
Vielleicht ist es ja auch Ihr Anspruch mit der Debatte, am Beispiel Christian Wulff und Edmund Stoiber uns allen zu beweisen, dass Sitzenbleiben trotzdem erfolgreich machen kann. Man wird dann doch Bundespräsident.
Dann frage ich Sie aber: Wie leistungsorientiert ist ein Schulsystem, das in Sachsen noch immer 10 % Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss produziert?
Herr Bienst, wenn Sie behaupten, die CDU mache in Sachsen keine Experimente mit Schülerinnen und Schülern, dann möchte ich Ihnen klar widersprechen. Das, was Sie gerade mit dem Versuch, den Unterrichtsausfall zu minimieren, nämlich mit dem Honorarprogramm „Unterrichtsgarantie“, machen, ist nichts anderes als eine Versuchsreihe im Labor Schule, weil es ständig Lehrerpersonalwechsel gibt, die Lehrkräfte unterschiedliche Qualifikationen haben und manche noch nicht einmal über den Vorbereitungsdienst verfügen. Aber sie sollen die Schüler bestens auf die Zukunft vorbereiten. Das kann nur schiefgehen, Herr Bienst.
Ich sage auch, ein leistungsstarkes Schulsystem, wie Sie es behaupten, misst sich nicht an der Anzahl der Abiturienten, die übrigens in Sachsen ebenfalls rückläufig ist. Ein Schulsystem ist nun mal nur so leistungsfähig, wie es gelingt, allen Kindern und Jugendlichen die beste Bildung zu ermöglichen, anstatt – wie in Sachsen – durch Aussortieren an Förderschulen und durch Sitzenbleiben eine Elite zu formen.
Die Bertelsmann-Stiftung hat es bereits 2009 ausgerechnet, Herr Piwarz. Das Sitzenbleiben kostet in der Bundesrepublik schätzungsweise pro Jahr 1 Milliarde Euro. Für Sachsen belief sich die Zahl im Schuljahr 2007/2008 auf 17,6 Millionen Euro. Dafür, dass wir Schülerinnen und Schüler eine zweite Runde drehen lassen. Ich habe noch weitere Zahlen. In Sachsen verlassen jährlich rund 10 % der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss. Im vergangenen Jahr waren es 2 288 Schülerinnen und Schüler. Davon beendeten fast 69 % die allgemeinbildende Förderschule, die nur ein Zertifikat bekamen, aber kein Abschlusszeugnis. Ein Abgangszeugnis wurde 1 000 Schülern ausgestellt. Wenn wir dann noch die Hauptschülerinnen und Hauptschüler hinzunehmen – das sind noch einmal 10 % aller Schüler –, dann hat rund ein Viertel unserer Schulabgänger geringe Aussichten, auf dem Arbeitsmarkt anzukommen. Wenn Sie das mit Ihrem Wirtschaftsminister zum Thema –
– Fachkräftesicherung diskutieren, dann haben Sie große Hausaufgaben zu machen und sollten über das zwanghafte Sitzenbleiben noch einmal nachdenken.
Nach Frau Kollegin Klepsch, die für die Fraktion DIE LINKE sprach, folgt jetzt Herr Kollege Dulig für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Bienst! Unser sächsisches Schulsystem hat weniger eine wertschätzende Debatte im Landtag über das Schulsystem verdient als endlich eine bessere Schulpolitik und Wertschätzung für die Pädagoginnen und Pädagogen.
Was Sie heute mit Ihrer Aktuellen Debatte machen wollen, ist das größte Ablenkungsmanöver in der Bildungspolitik. Ein reines Ablenkungsmanöver! Da wird uns erklärt, jetzt reden wir über ein leistungsfähiges Schulsystem und machen es am Thema Sitzenbleiben fest. Wir können gern darüber reden, ob das Thema Sitzenbleiben ein Markenzeichen für Leistungsfähigkeit ist. Sitzenbleiben ist doch mit die größte Kritik an unserem Schulsystem, weil es eben nicht darum geht, den Einzelnen zu beschämen, es ist auch keine Ehre, eine „Ehrenrunde“ zu machen, wie man heute wieder in der Zeitung lesen konnte. Es müsste uns doch beschämen, dass wir über Sitzenbleiben reden, aber Sie machen hier ein riesengroßes Thema auf.
Das eigentliche Problem liegt doch woanders. Sie haben einen massiven Unterrichtsausfall, der den Lehrermangel dokumentiert und auch Ihr Versagen. Der Unterrichtsausfall dokumentiert, dass Sie das von Ihnen sonst so ge
schätzte sächsische Schulsystem gerade gegen die Wand fahren. So stand es auch heute in der Zeitung.
Wenn allein im I. Quartal laut Kultusministerium 4,4 % aller Unterrichtsstunden ausfallen, dann ist das eine erschreckende Zahl. Das kann Ihnen nicht schmecken. Ich finde es etwas fatal sich hinzustellen und zu sagen, das liegt dann auch noch an den Streiks der Lehrerinnen und Lehrer. Entschuldigung, ich wünsche mir eine Kultusministerin, die hinter den Lehrerinnen und Lehrern steht und nicht gegen sie ist. Das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen.