Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

DIE LINKE hat mit dem Sächsischen Gleichstellungsfördergesetz ein modernes Gleichstellungsgesetz vorgelegt, dem wir als SPD-Fraktion gern zustimmen. Das Gesetz soll dabei von der Frauenförderung hingehen zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann. Dort, wo explizite Frauenförderung notwendig ist, soll sie aber selbstverständlich weiterhin stattfinden, und dass sie notwendig ist, zeigen die Zahlen in Sachsen nur zu gut.

Während der Frauenanteil bei vollzeitbeschäftigten Personen im öffentlichen Dienst noch 56 % ausmacht, sind es in den Leitungs- und Führungspositionen nur noch 30 %. Der Anteil von Frauen an wissenschaftlichem Personal beträgt 36 %. Bei den Professuren sind es dann noch magere 16 %. Ähnlich traurig sieht es in den Führungsetagen der Ministerien aus. Im Innenministerium sind es zum Beispiel gerade einmal 10,4 % an Frauen, die sich in Leitungspositionen befinden.

Das zeigt sehr deutlich, dass Frauen in den unteren Funktionen und entsprechenden Entgeltgruppen überrepräsentiert sind und wesentlich seltener befördert werden als Männer und diese wiederum in höheren Funktionen und Entgeltgruppen deutlich öfter vertreten sind.

An dieser Stelle muss Geschlechtergerechtigkeit hergestellt werden. Dazu trägt das Gesetz auch bei. Als positiv möchte ich hervorheben, dass der Gesetzentwurf einen viel größeren Geltungsbereich vorsieht, als es das jetzige Frauenfördergesetz tut. So sollen die Regelungen in allen Bereichen mit staatlichem Einfluss, also auch für Betriebe mit Landesbeteiligung sowie für privatisierte oder ausgegliederte Betriebe bzw. Teilbetriebe gelten.

Bei der Anhörung des Gesetzentwurfes im Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz am 8. Oktober 2012 äußerten sich die Sachverständigen fast alle nur positiv. Ich zitiere hier zum Beispiel Susanne Köhler vom Deutschen Juristinnenbund.

Sie sagte: „Zum Gesetzesziel gilt, dass der Deutsche Juristinnenbund grundsätzlich Bestrebungen begrüßt, die der Gleichstellung von Frau und Mann dienen und insbesondere auch darauf angelegt sind, der Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst und der darin liegenden Diskriminierung entgegenzuwirken.“

Zum Zweiten möchte ich noch Silke Pohl, Beauftragte für Gleichstellungsmanagement von der TU Dresden, zitieren: „Gleichstellung ist also zum Wettbewerbsfaktor geworden. Die TU Dresden hat gewissermaßen an mehreren Stellen Nachholbedarf, insbesondere gegenüber Hochschulen aus Bundesländern, in denen Gleichstellung eine höhere Bedeutung in der Landespolitik hat. Vor diesem Hintergrund ist dieses moderne Gleichstellungsgesetz sehr zu begrüßen, weil es die Bemühungen der Hochschulen flankiert.“

Nachholbedarf in Sachen Gleichstellungspolitik hat die Staatsregierung ohne Zweifel, aber die Einsicht, die ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung ist, fehlt ihr vollends.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es ist zwar an vielen Stellen auch von mir bereits darauf hingewiesen worden, aber die Unverantwortlichkeit, mit der diese Regierung das Thema Gleichstellung insgesamt behandelt, kann nicht oft genug thematisiert werden. Seit mehr als einem Jahrzehnt müssen wir in Sachsen erleben, wie die Gleichstellung der Geschlechter an politischer Bedeutung verliert. Ich möchte daran erinnern, dass wir in Sachsen zunächst eine Ministerin für Gleichstellung hatten, danach wenigstens noch eine Staatssekretärin, irgendwann nur noch eine Leitstelle, aber immerhin als eine Art eigenes Referat. Inzwischen ist die Gleichstellungsarbeit im Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz nur noch ein Teil des Referates 45.

Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt, um der Gleichstellung der Geschlechter als wichtiger Querschnittsaufgabe zumindest für alle Bereiche des öffentli

chen Einflusses die Bedeutung zu geben, derer es bedarf. Wir als SPD-Fraktion werden demzufolge dem Gesetzentwurf zustimmen und – um es gleich vorauszuschicken – natürlich auch dem Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die FDP Frau Abg. Schütz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Genderpolitik ist ein Thema unserer heutigen Zeit. Kaum ein Studienfach hat in den vergangenen Jahren eine solche Karriere gemacht wie die Genderstudies. An den Hochschulen gibt es mittlerweile 40 entsprechende Institute und Einrichtungen. Auch in jedem Verwaltungsapparat ist die moderne Gendertheorie längst angekommen. Mittlerweile hat sich zu dem Thema nicht nur ein riesiger Apparat entwickelt, sondern eben auch eine breite gesellschaftliche Diskussion.

Die Gleichstellung von Frauen in Beschäftigung und Beruf ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Anliegen nationaler und europäischer Gleichstellungspolitik geworden. In puncto Zugangs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen erreicht Deutschland heute den achten Platz von 128 Ländern. Diesen Platz verdankt Deutschland in erster Linie der vergleichsweise hohen Erwerbstätigkeit von Frauen. Gerade wir in Sachsen brauchen uns hier nicht zu verstecken. Wir haben – auch im Bundesvergleich – eine überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigkeit von Frauen, sowohl vor als auch nach der Geburt von Kindern. Vor der Geburt beträgt der Anteil 69 %.

Wir haben dieses hohe Niveau bei Frauen und Müttern hier in Sachsen vor allem deswegen erreicht, weil sie gut qualifiziert sind, weil sie selbst einen Anspruch auf Arbeit erheben und dieses moderne Rollenverständnis leben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Die von Frau Clauß vorgestellten Studien der Prognos AG „Vätermonate in Sachsen – ein Erfolgsmodell“ und „Arbeitszeitmodelle für erwerbstätige alleinerziehende Mütter“, in der es vor allem auch um alleinerziehende Mütter geht, haben gezeigt, dass 81 % der Väter sagen, dass beide Elternteile erwerbstätig sein sollen. Nur 28 % sagen, dass Frauen sich stärker um die Familie als um ihre Karriere kümmern müssen. Sie sehen also, dieses moderne Familienbild ist in Sachsen schon lange angekommen. Die Gleichberechtigung und die damit verbundene Selbstständigkeit von Frauen ist hier ein wichtiges Lebensmotto.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesetzesvorlage für den Bereich des öffentlichen Dienstes, die uns heute vorliegt, wird von den LINKEN dahin gehend begründet, dass eine geringe Präsenz von Frauen in der

Wirtschaft und im öffentlichen Dienst vorliege. Dazu, wie dieser – so nennen es DIE LINKEN – Diskriminierung entgegenzuwirken ist, werden einige Änderungen im Gesetz vorgeschlagen, die ich als Beispiel nennen möchte.

Auftragnehmer sollen ab einer gewissen Mitarbeiterzahl bei der Auftragsvergabe verpflichtet werden, gleichzeitig Frauenfördermaßnahmen durchzuführen, wenn sie beispielsweise die Bauleistungen erbringen wollen. Das heißt in der Praxis, dass die Prüfstelle im Landratsamt, wenn es nach dem Gesetzentwurf der LINKEN geht, künftig die Stellenbesetzung des Unternehmens prüft und sich dann den Gleichstellungsplan vorlegen lässt. Oder es heißt, dass bei der Besetzung von Gremien eben nicht mehr die Dienstaufgabe oder die Kompetenz des jeweiligen Vertreters im Mittelpunkt steht. Nein, künftig soll nur wichtig sein, dass die Geschlechterparität im Gremium stimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bringt uns qualitativ beim besten Willen nicht vorwärts.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich kann Ihnen sagen, dass dies nicht die Hürden für Frauen sind, um die es Ihnen heute geht. Nein, die Regeln zu Gleichstellungsplänen und Geschlechterparität in Gremien führen nicht automatisch zum Eröffnen von Erfolgschancen für Frauen, sondern führen eher zu Verdruss. Denn Frauen wollen in Sachsen bestimmt nicht nur die besetzte Quote sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ist der Stand heute vor allem im öffentlichen Dienst? Einige Zahlen sind schon genannt worden. Von knapp 75 000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind über zwei Drittel Frauen. Es ist richtig, dass der Anteil der weiblichen Beschäftigten mit steigender Entgeltgruppe abnimmt. Aber es sei auch an dieser Stelle gesagt, dass in den höchsten Entgeltgruppen 13 bis 15 mehr als die Hälfte dieser Stellen mit Frauen besetzt sind. Da denke ich vor allem an unsere Grund- und Mittelschuldirektorinnen, die diese Aufgabe zu weiten Teilen in Sachsen wahrnehmen. Auch die Leitungspositionen im kommunalen Bereich sind mit über 62 % von Frauen besetzt. Tatsächlich ist es aber so, dass im Bereich der obersten Leitungsfunktionen mit 37 % weniger Frauen angestellt sind als Männer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage, die sich aus meiner Sicht viel dringender stellt, ist: Was können wir mit dem Frauenförderungsgesetz generell erreichen, wenn es um das Vorankommen der Frauen geht?

Aus meiner Sicht ist eine Verschärfung des Gleichstellungsgesetzes an dieser Stelle der falsche Weg. Mit Ihrem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, verschärfen Sie Statistiken, verlangsamen Sie die öffentliche Auftragsvergabe und erhöhen Sie die Rege

lungs- und Kontrollaufgaben der Verwaltung immanent. Kurz gesagt, Sie schaffen mehr Bürokratie. Das hilft keiner Frau in der Praxis auch nur einen einzigen Schritt weiter.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir in Sachsen im Bundesdurchschnitt schon sehr gut dastehen, verdanken wir der hohen Erwerbstätigkeit der Frauen und den Männern, die sich selbstverständlich um Familie und Beruf kümmern und den Wiedereinstieg von Frauen in die Nachelternzeit stark unterstützen. Immerhin ein Viertel der Männer, die Elternzeit nehmen, machen dies am Ende der eigentlichen Elternzeit, um der Frau den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Wir verdanken es aber auch Unternehmen, die mit immer größerem Erfolg versuchen, flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu reagieren. Aber natürlich haben wir noch Steigerungspotenzial.

Was brauchen Frauen, um sich tatsächlich selbstständig auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere in den höheren Leitungspositionen behaupten zu können? Hier geht es um die wesentliche Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir brauchen Arbeitgeber, die eine familienfreundliche Personalpolitik pflegen und die Arbeitszeitgestaltung individuell anpassen. Außerdem benötigen wir ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, deren

Öffnungszeiten flexibel gestaltet sind und sich tatsächlich am Bedarf der berufstätigen Eltern orientieren. Hier muss es insgesamt miteinander vorwärtsgehen. Da hilft uns kein Gesetz, wie es hier in dieser Staatsdoktrinmanier von der Linksfraktion vorgestellt wurde. Hier brauchen wir tatsächlich die Sachsen, die anpacken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Frau Abg. Herrmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schade, dass die Diskussion nicht von Ihnen und von uns dazu genutzt wird, Vorschläge zu unterbreiten und zu diskutieren, die uns dem Ziel der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der Geschlechter näher bringen. Frau Saborowski-Richter sucht dagegen das Haar in der Suppe, und die Kollegin Schütz von der FDP will uns weismachen, dass eine hohe Berufstätigkeit von Frauen bereits automatisch ein Zeichen für Gleichberechtigung ist.

Wenn wir genau hinschauen, dann sehen wir, dass Frauen, obwohl wir eine hohe Berufstätigkeit von Frauen in Sachsen haben, weniger verdienen. Außerdem ist es für sie sehr schwierig, bestimmte Positionen sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der freien Wirtschaft zu besetzen. Weil das Sächsische Frauenförderungsgesetz bisher im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht dazu

geführt hat, dass sich diese Verhältnisse stark verbessert haben, brauchen wir genau deshalb Veränderungen.

Die LINKE hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem die GRÜNE-Fraktion meint, dass dadurch Veränderungen in Gang gesetzt werden können.

Von den Rednern der Koalition ist darauf hingewiesen worden, dass der Sächsische Frauenförderungsbericht keine positiven Zahlen zur Beschäftigung von Frauen in Führungspositionen enthält. Frau Schütz hat gesagt, dass dazu Änderungen notwendig sind und dass zum Beispiel diese Änderungen in einem Personalentwicklungsplan liegen könnten. „Liegen könnten“ sage ich deshalb, weil es bisher – im öffentlichen Dienst genauso wenig wie in der freien Wirtschaft – nicht passiert.

Es nützt gar nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und die deutschland- und europaweite Diskussion zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verpassen bzw. zu meinen, diese Diskussion würde, wenn man lange genug auf dem Stuhl sitzen bleibt, an Sachsen vorübergehen.

Die Politik in Sachsen ist in den letzten Jahren deshalb von Blindheit und Ignoranz gegenüber Geschlechterungerechtigkeit geprägt. Daraus folgen eben auch Untätigkeit und politischer Unwille. Wenn die Staatsregierung bisher nicht in der Lage war, ein neues Frauenförderungsgesetz vorzulegen, dann ist es nur in Ordnung, dass die Opposition den ersten Schritt macht und Vorschläge unterbreitet.

Wir begrüßen den Gesetzentwurf. Er räumt bereits vom Titel her damit auf, was wir nicht brauchen: Wir brauchen keine reine Frauenförderung, sondern Frauenförderung muss innerhalb eines viel breiteren Spektrums gesehen werden. Wir brauchen Gleichstellung; das betrifft Frauen und Männer gleichermaßen. Ein praxistaugliches Gleichstellungsgesetz ist Ausdruck einer modernen und offenen Politik, die nicht vor den Realitäten die Augen verschließt, sondern nach Möglichkeiten sucht, bessere Bedingungen für die Verwirklichung von Lebensvisionen, von Lebenszielen für Frauen und Männer zu suchen und diese auch zu schaffen. Der vorgelegte Gesetzentwurf schlägt dazu geeignete Maßnahmen vor.

Das geltende Sächsische Frauenförderungsgesetz ist dagegen in dem Versuch, Frauen zu fördern, stecken geblieben. Das zeigt sich ganz deutlich in der Verteilung der Führungspositionen. Es kann nicht sein, dass nach jahrelanger Frauenförderung die Quote immer noch so schlecht ausfällt. Wir wissen, dass Frauen und Männer in der sächsischen Landesverwaltung ungefähr in gleicher Anzahl vertreten sind. Im Frauenförderbericht wird aber deutlich, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen in einigen Ministerien und nachgeordneten Landesbehörden nicht nur gering, sondern verschwindend gering ist. Der Anteil der Abteilungsleiterinnen im Innenministerium liegt bei 9,85 %, und auch bei den jüngsten Personalbesetzungen sind die Chefposten wieder nur an Männer gegangen.

Im Umweltministerium sieht es noch schlechter aus: Bei den Abteilungsleiterposten sind 9,68 % mit Frauen besetzt, im Finanzministerium beträgt der Anteil 10,34 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem die Kollegen von der Koalition! Sie können doch nicht behaupten, dass kein Handlungsbedarf besteht.

Die Linksfraktion hat mit ihrem Gesetzentwurf den Handlungsbedarf erkannt und versucht, zu reagieren. Wir begrüßen das. Er greift verschiedene Punkte auf, die die Kollegin der LINKEN bereits genannt hat, zum Beispiel eine stärkere Verbindlichkeit von Gleichstellungsplänen, das Vergaberecht.

Ich sehe nicht ein – das ist von der Koalition genannt worden –, warum bei der Vergabe nicht auch bestimmte Bedingungen Grundlage dafür sein sollten, dass Unternehmen Aufträge der öffentlichen Hand bekommen. Zu diesen Bedingungen gehört eben auch, dass diese Frauen angemessen fördern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht nur die besetzte Quote, sondern ich habe durch die Quote die Chance, meine Qualifikation und mein Engagement auch wirklich zu zeigen. Das, denke ich, steht Frauen in diesem Land zu.