Natürlich: Im Vergleich zu westdeutschen Großstädten mag die Höhe der Kaltmieten in unseren Städten noch moderat sein; das sind aber, freundlich formuliert, auch die hiesigen Einkommen. Wenn die Menschen, wie in Leipzig, über ein durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen von etwa 1 400 Euro verfügen, dann haben diese Mietsteigerungen leicht Räumungsklagen und Zwangsräumungen zur Folge. Ich denke, Sie alle haben das tragische Schicksal infolge einer Räumung in Berlin verfolgt. So etwas sollten wir hier bei uns unbedingt ausschließen.
Wir nehmen wahr: Ganze Stadtviertel verändern sich. Das ist zwar auch grundsätzlich zu begrüßen, aber wir beobachten erste Tendenzen der Verdrängung einkommensarmer und sozial benachteiligter Menschen aus bestimmten Quartieren. Wenn das Problem nicht jetzt ernsthaft und grundsätzlich angegangen wird, dann droht aus unserer Sicht langfristig die soziale Segregation.
Das kann man mit dem nötigen politischen Willen verhindern. Daher sehen wir es als unsere Pflicht an, mithilfe der uns zur Verfügung stehenden Steuerungsmöglichkeiten für eine soziale Durchmischung aller Wohnviertel zu sorgen. Die Festlegung der Kappungsgrenzen, die uns das Mietrechtsänderungsgesetz einräumt, ist eine solche.
Für Neuvermietungen hat das der Bundesgesetzgeber leider nicht vorgesehen, sodass wir insbesondere in Ballungsräumen weiter von deutlich steigenden Kaltmieten ausgehen müssen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Nochmals: Der Wohnungsmarkt in Sachsen ist sehr differenziert; das ist auch meiner Fraktion bewusst. Aber genau deshalb bitte ich Sie, in den von erheblichen Mietsteigerungen betroffenen Gebieten den vom Bundesgesetzgeber eröffneten Freiraum zu nutzen. Wenn in einigen Stadtteilen innerhalb von drei Jahren die Kaltmiete durchschnittlich um 12 % steigt, dann gibt es eben in genau demselben Stadtteil auch Spitzen der Mieterhöhung mit deutlich über 15 %. Genau darum geht es uns mit diesem Antrag.
Wer jetzt vorausschauend handelt, beugt Segregation und Gentrifizierung vor. Wir wollen nicht, dass nur noch bestimmte Bevölkerungsgruppen sich bezahlbaren,
angemessenen Wohnraum leisten können. Wir alle als Abgeordnete mit unserer Vergütung würden dazugehören. Viele andere würden ausgeschlossen; das ist nicht vermittelbar.
Springen Sie über Ihren Schatten – im Interesse der sächsischen Mieterinnen und Mieter – und stimmen Sie unserem Antrag zu!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat soeben den Antrag auf Erlass einer landesrechtlichen Regelung zur Begrenzung eines – theoretischen – Anstiegs der Bestandsmieten um nicht mehr als 15 % in drei Jahren gestellt.
Grundsätzlich ist es natürlich richtig und auch entsprechend zu würdigen, wenn man sich mit den Belangen der Mieter im Speziellen beschäftigt und sich über den lokalen sächsischen Wohnungsmarkt im Allgemeinen Gedanken macht. Auch wir tun das verantwortungsvoll und haben dabei die Belange der Mieter und der Vermieter sowie die sozialen Aspekte ebenfalls im Blick.
Zur Sache selbst! In dem am 1. Mai in Kraft tretenden Mietrechtsänderungsgesetz wird den Landesregierungen durch eine Neuregelung von § 558 Abs. 3 BGB die Ermächtigung erteilt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die derzeit grundsätzlich bestehende Höchstgrenze für Mieterhöhungen von 20 % auf 15 % abzusenken, wenn die ausreichende Versorgung mit Wohnraum „besonders gefährdet ist“. Es muss also nicht nur eine Gefährdung, sondern eine besondere Gefährdung vorliegen, um eine tragfähige Begründung dafür zu haben.
Wie ist nun die Situation auf dem sächsischen Wohnungsmarkt? Einiges haben wir schon gehört. Ich bringe an dieser Stelle zwar nicht das Kontrastprogramm, aber doch ein paar andere Aspekte zur Sprache. Gibt es eine Gefährdung oder gar eine besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung zu verträglichen Mietpreisen?
Ich denke, selbst Pessimisten schütteln auf diese Frage den Kopf, auch wenn es sicherlich in einigen angesagten Wohnvierteln in Dresden und Leipzig bereits schwer ist, eine gute Wohnung zu einem erschwinglichen Preis zu finden; Frau Kallenbach sprach gerade davon.
Aber liegt deswegen bereits eine Mangelsituation oder Gefährdung vor? Ist eine Gefährdung auf dem jeweiligen Wohnungsmarkt nicht erst dann anzunehmen, wenn die Mietpreise deutlich über dem bundesdurchschnittlichen Mietpreisniveau von derzeit 5,43 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter liegen?
Davon liegen wir in Sachsen noch weit entfernt. Nach dem Mikrozensus aus dem Jahr 2010 liegen wir in Sachsen bei lediglich 4,63 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Gemäß dem aktuellen IVD-Wohnpreisspiegel betragen die durchschnittlichen Mietpreise in den sieben nachgefragtesten deutschen Städten – Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Heidelberg, München, Stuttgart – 7,43 Euro pro Quadratmeter bei einfachem Wohnwert und 12,69 Euro bei hohem Wohnwert. Im Vergleich dazu der
Durchschnitt von Dresden, Leipzig und Chemnitz: Für eine Wohnung mit einfachem Wohnwert sind es hier 4,23 Euro pro Quadratmeter, für eine Wohnung mit hohem Wohnwert 7,16 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
Natürlich sind in der Landeshauptstadt Dresden die Mieten aufgrund der Attraktivität der Stadt und des damit verbundenen Zuzugs durchaus erheblich gestiegen; in den fünf Jahren zwischen 2006 und 2010 waren es insgesamt etwa 11,2 %. Von der möglichen Kappungsgrenze von 15 % in nur drei Jahren ist das trotzdem noch weit entfernt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen gesetzlichen Eingriff liegen an der Stelle ganz einfach noch nicht vor. Zudem lassen verschiedene statistische Zahlen und Indikatoren in der nächsten Zeit keine drastischen Mietsteigerungen erwarten.
Das Statistische Bundesamt hat im Zusammenhang mit dem Verbraucherindex für Deutschland ermittelt, dass die Nettokaltmieten im Bundesdurchschnitt in den drei Jahren von 2010 bis 2012 insgesamt nur um 2,9 % gestiegen sind, davon um 1,2 % im letzten Jahr. Ich gestehe zu: Das sind Bundeszahlen.
Aber die Bevölkerungsentwicklung bei uns ist leider weiterhin rückläufig. Es gibt jedoch erwartungsvolle Signale aus der Bauwirtschaft: Die Zahl der erteilten Baugenehmigungen für den Geschosswohnungsbau steigt, was zum Beispiel in Dresden – 400 Wohnungen im Jahr 2010, 800 Wohnungen im Jahr 2011 – zu sehen ist. Auch die sächsische Bauindustrie meldet für den Wohnungsbau sehr gute Zahlen. Hier stieg der Gesamtumsatz im Wohnungsbau im letzten Jahr um 25,7 %. Die sachsenweite Steigerung bei den erteilten Baugenehmigungen liegt bei beachtlichen 32,9 %. Ich meine, das kann sich wirklich sehen lassen und tut dem sächsischen Wohnungsmarkt gut.
Fakt ist: Im Freistaat Sachsen existiert derzeit keine Gemeinde und auch kein Gemeindeteil, die eine besondere Gefährdung bei der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen angezeigt haben oder wo dies in Kürze zu erwarten wäre. Eine landesrechtliche Verordnung zur Absenkung der Kappungsgrenze würde zwar das gute Gefühl erzeugen, etwas zum Wohle der Mieter getan zu haben, wäre aber letztlich leider nur ein Placebo.
Deshalb halten die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP diesen Antrag und auch den Änderungsantrag der LINKEN, der gleich noch eingebracht wird, für nicht zustimmungsfähig bzw. für entbehrlich.
Herr Staatsminister! Bereits mit der Fachregierungserklärung des Fachministers am 9. Mai 2012 haben wir die Fragestellung sozialer Ausgestaltung der Stadtentwicklungsprozesse in Sachsen beleuchtet.
Es ist mir gestattet, am Nachmittag – manchmal begeistert man sich auch an sich selbst – aus meiner Erwiderung auf die Fachregierungserklärung zu zitieren.
„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Staatsminister sprach heute sehr oft von nachhaltiger Stadtentwicklung, städtebaulicher Nachhaltigkeit in verschiedener Anordnung. Dabei bezog er sich ausschließlich auf die Gestaltung der Auswirkungen des demografischen Wandels für den Infrastrukturrückbau und die Anforderungen, zum Beispiel aus dem Klimawandel als energetische Sanierung und kompakte Stadt der kurzen Wege. Völlig unterbelichtet, eine völlige Leerstelle, ist die soziale Dimension der Nachhaltigkeitsstrategie bei der Bewältigung des Klimawandels und des demografischen Wandels. Öffnen wir also unser Blickfeld ein wenig, um zu verstehen, was wirklich erforderlich ist. Dabei spreche ich noch nicht einmal von der Gefahr der teilweisen Gentrifizierung in unseren Großstädten.
Tatsache und von allen Seiten unbestritten ist, dass wir es zukünftig mit zunehmender Altersarmut und mit einer stetig wachsenden Zahl einkommensschwächerer und älterer Haushalte zu tun haben. Einerseits haben vor allem die nach 1990 gebrochenen Erwerbsbiografien zu geringeren Rentenhöhen geführt und andererseits sind Generationen von Geringverdienern, Aufstockern, Verdienern mit kleinsten Einkommen in Fragen der Rentenvorsorge regelrecht auf das Abstellgleis geraten, sind schon jetzt einkommensschwächere Haushalte und werden es bis hin zur Altersarmut sein. Das hat massivste Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Mieterinnen und Mieter und damit werden wir es mit erheblichen Problemen bei der energetischen Sanierung und der Schaffung weitgehender Barrierefreiheit für älter werdende Wohnbevölkerung zu tun haben.
Vor dem Hintergrund dieser soeben geschriebenen sozioökonomischen Zusammenhänge steht die Finanzierung der energetischen Sanierung und der Schaffung weitgehender Barrierefreiheit über die Mietumlage tatsächlich begründet in Zweifel. Mieterseitig ist weitgehend, zumindest dort, wo es um Rentnerinnen und Rentner, Hartz-IVBetroffene, Geringverdiener, Aufstocker und einkommensschwächere Familien geht, das Ende der Fahnenstange bei der Gestaltung der Nettokaltmiete erreicht.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist allerdings eben nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite muss festgestellt werden, dass es in Sachsen nicht nur Schrumpfungsregionen gibt. Es gibt zwei Ballungsräume, die von deutlichem Wachstum gekennzeichnet sind. Dresden und Leipzig erfahren einen kräftigen Zuzug sowie einen Geburtenanstieg. Zudem nimmt wegen des Zuzugs an Studierenden und allgemeiner gesellschaftlicher Prozesse, die wir vor einiger Zeit schon einmal
Bezogen auf Dresden ist festzuhalten, dass es infolge des WOBA-Verkaufs nebst fehlender Steuerungsmöglichkeiten in der Kommune und ungenügenden Neubaus einerseits sowie der Verknappung von entsprechendem Wohnraum andererseits zunehmend zu Mietpreiserhöhungen kommt, bei denen vor allem private Vermieter die Möglichkeit der Mieterhöhung um 20 % der Nettokaltmiete innerhalb von drei Jahren voll ausschöpfen und somit den Durchschnitt von 11,2 % ermöglichen, weil sie die Quote dadurch nach oben ziehen.
Insoweit kann ich der Argumentation des Herrn Ministers in seiner Stellungnahme auf den vorliegenden Antrag zwar einerseits etwas abgewinnen, dennoch greift sie offenbar doch zu kurz, denn die Zahl 11,2 bildet den Zeitraum von 2006 bis 2010 ab und liegt somit logischerweise mit Abstand in der Vergangenheit. Andererseits bezieht sich die Verordnungsermächtigung eben auf einen künftigen Zeitabschnitt. Es wäre einzuschätzen, ob sich in Gemeinden und in Gemeindeteilen, lieber Kollege Otto – nicht im gesamten Freistaat flächendeckend überall gleich, relativ kleinräumig angelegt, also in Städten oder Stadtteilen –, Prozesse vollziehen, die eine befristete Begrenzung von Mieterhöhungen von 15 % in drei Jahren rechtfertigen.
Um noch einmal zu der Systematik zu kommen: Nicht die durchschnittliche Miete muss im Bestandsbereich 15 % erreicht haben oder darüber liegen. Das hat damit überhaupt nichts zu tun, sondern es geht darum, dass aufgrund von Mieterhöhungen und anderer Rahmenbedingungen – da können Sie getrost in die Stellungnahme des Herrn Staatsministers schauen, da sind die Kriterien aufgeführt – die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder in Gemeindeteilen besonders gefährdet ist und Gebiete in einer von der Landesregierung erlassenen Rechtsverordnung bestimmt sind. All dies lässt sich für die Gemeindeteile von Dresden und Leipzig durchaus definieren, ohne dass die durchschnittliche Miete die 15 % durchbrochen haben muss.
In einer Reihe Dresdner Stadtteile können Mieterinnen und Mieter de facto nicht mehr auf andere Wohnungsbestände ausweichen, was die Mieterhöhungschancen für Vermieter verbessert und glasklar in den Kriterienkatalog der Verordnungsermächtigung nach § 558 BGB Abs. 3 Sätze 2 und 3 hineinreicht. Das ist das große Problem. Weil die Gefährdung bei der Versorgung mit entsprechendem Wohnraum – ich spreche hier explizit von Dresden – in einigen Stadtteilen bereits jetzt, teils künftig, als gegeben angenommen werden muss, ist der Antrag gerechtfertigt und wird in seiner Grundaussage von uns mitgetragen, auch wenn wir die ab 1. Mai 2013 zudem nur ausnahmsweise geltenden Kappungsgrenzen von 15 % im Wesentlichen als unzureichend ansehen respektive die maßgebliche Gesetzesänderung angesichts der
Wir würden zur sinnvolleren Steuerung ein weitergehendes Vorgehen präferieren, von überteuerte Mieten beschränkenden Maßnahmen, Erneuerungssatzungen bei kommunalen Obergrenzen bis hin zur Begrenzung von Mietsteigerungen, die deutlich niedriger als 15 % in drei Jahren liegen.
Im Sinne des jetzigen Antrages bedarf es des erforderlichen Datenmaterials, um die Stadtteile zu definieren, für die die Kappungsgrenze herabgesetzt sein soll. Deshalb auch unser Änderungsantrag zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion GRÜNE. Um dies zu erreichen und der Staatsregierung eine differenzierte wohnungspolitische Strategie zu ermöglichen, haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag in den Geschäftsgang gegeben, den ich im weiteren Verlauf nachher auch noch einbringen werde.
Das war Herr Kollege Stange von der Fraktion DIE LINKE. Für die SPDFraktion ergreift jetzt Kollegin Köpping das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde gerne meinen Redebeitrag mit einem Zitat beginnen, zu dem der Herr Staatsminister Ulbig auch heute noch steht: „In Sachsen gibt es ausreichend angemessenen bezahlbaren Wohnraum. Das gilt auch für Menschen mit niedrigem Einkommen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.“ Das war ein Zitat aus der 63. Sitzung des Landtages vom 27. September 2012, in die die SPD einen Antrag zum sozialen Wohnungsbau in Sachsen eingebracht hatte.
Gleichzeitig hat es am 23.03.2013 eine Veranstaltung des Sächsischen Mieterbundes gegeben, wo leider die CDU- und die FDP-Fraktion nicht anwesend waren. Dort ist ganz klar noch einmal gesagt worden: Auch in Sachsen boomt der Wohnungsbau – Herr Otto hatte das ausgeführt –, aber es ist auch gesagt worden, dass mit diesem neuen Wohnungsbau, also nicht sozialem Wohnungsbau, die angestrebten Mieten, von denen wir heute reden, nicht zu halten sind. Das heißt, es wird teurer werden. Deswegen müssen wir sagen, es war vielleicht in der Vergangenheit möglich, dass wir bezahlbaren sozialen Wohnraum zur Verfügung stellen konnten. Das kann aber in Zukunft nicht mehr sein, wenn wir so weitermachen wie bisher.