Sie suggerieren – das haben Sie auch jetzt erläutert –, dass es für die Umsetzung des Beschlusses des OVG-Urteils vom vergangenen Jahr zur Übernahme der Kopierkosten, zur Rechtssicherheit für Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern verfassungsrechtlich eine Änderung des Schulgesetzes bräuchte. Jedoch ist das mitnichten so. Das OVG sieht zwischen Verfassung und Sächsischem Schulgesetz keinen Widerspruch. Hinsichtlich der konkreten Definition, was die Lernmittelfreiheit umfasst, sieht das
Schulgesetz eine Ermächtigung zur Regelung per Rechtsverordnung vor. Auch diese Form der Ausgestaltung moniert das OVG nicht.
Eine Rechtsverordnung existiert in Form der Schulbuchzulassungsverordnung – Sie nannten sie bereits. Diese Verordnung regelt die Formalitäten zur Zulassung von Schulbüchern. Dort steht aber auch, was unter Schulbüchern zu verstehen ist: nämlich Schulbücher und ihnen gleichgestellte Druckwerke wie Atlanten, schulbuchbegleitende, -ersetzende oder -ergänzende Arbeitshefte für die Hand des Schülers, Ganzschriften für den Schulgebrauch, aufbereitete Textsammlungen, Wörterbücher, fremdsprachige Grammatik- und Nachschlagewerke
Das SMK hat nun diese vorhandene Rechtsverordnung genutzt, um den Beschluss des OVG Bautzen in die schulrechtlichen Grundlagen aufzunehmen. Zu den oben genannten Schulbüchern und den gleichgestellten Druckwerken wurden die Fotokopien von Arbeitsblättern hinzugefügt, und es wurde klargestellt, dass diese Lernmittel kostenfrei sind.
Das Kultusministerium hat also diese ehemalige Schulbuchzulassungsverordnung mit Datum vom 25. März 2013 angepasst und unter der neuen Bezeichnung „Lernmittelverordnung“ veröffentlicht. Damit ist das OVGUrteil umgesetzt und Rechtssicherheit geschaffen. Und so, wie wir das in Sachsen regeln, gibt es in allen anderen Bundesländern – außer Schleswig-Holstein, Bremen und Bayern – derartige Verordnungen. Die Notwendigkeit zu einer Gesetzesänderung besteht also nicht. Sie wäre auch nicht sinnvoll.
Sie wissen – wie wir alle –, dass es noch ein weiteres Urteil gibt, nämlich das, das den grafischen Taschenrechner betrifft. Die Stadt, die hier verklagt worden ist, ist zurzeit in Berufung. Dieses Urteil ist also noch nicht entschieden, es ist noch anhängig. Das Ergebnis ist offen. Es bleibt abzuwarten, wie es ausgeht. Gegebenenfalls müssten wir dann wieder eine Gesetzesänderung vornehmen. Ich denke, die Rechtsverordnung lässt sich leichter als ein Gesetz anpassen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht alles wiederholen, was wir im vergangenen Juli zu diesem Thema besprochen haben. Jedoch haben wir Ihr Ansinnen, den Erstattungsanspruch für Lernmittel der Schüler allumfassend auszuweiten, damals aus guten Gründen abgelehnt, und das ist auch heute noch so.
Selbst das OVG weist in seinem Urteil sehr deutlich auf die im Schulgesetz festgeschriebene Mitwirkungspflicht der Eltern hin. Eltern haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre minderjährigen Kinder mit den nötigen Arbeitsmitteln ausgestattet werden. Dazu gehören Sportsachen, Stifte, Zirkel, Ranzen und dergleichen. Für einkommensschwache Familien gibt es über das Bildungs- und Teilhabepaket eine jährliche Unterstützung in Höhe von 100 Euro; zum Schuljahresanfang sind das 70 Euro und zum Halbjahr noch einmal 30 Euro, wofür die Eltern
Arbeitsmittel kaufen können, sodass auch deren Kinder nicht benachteiligt sind. Darüber hinaus sagt das OVG, dass der Anspruch auf Unentgeltlichkeit der Lernmittel seine Grenzen in der Verhältnismäßigkeit und der Leistungsfähigkeit des Staates hat.
Damit kommen wir zum zweiten Punkt Ihres Antrages. Sie wollen, dass der Freistaat den Kommunen die durch ihre allumfassende Ausweitung des Lernmittelbegriffs entstehenden Mehrkosten in voller Höhe erstattet. Meine Damen und Herren von der LINKEN, Sie wissen doch selbst, dass es Pflichtaufgabe des Schulträgers ist, die sächlichen Kosten der Schulen zu tragen.
Im § 23 Abs. 2 Schulgesetz steht: „Der Schulträger errichtet die Schulgebäude und Schulräume, stattet sie mit den notwendigen Lehr- und Lernmitteln aus und stellt die sonstigen erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Er unterhält sie in einem ordnungsgemäßen Zustand. Er bestellt in Abstimmung mit dem Schulleiter die Mitarbeiter, die nicht im Dienst des Freistaates Sachsen stehen. Der Schulträger soll dem Schulleiter die zur Deckung des laufenden Lehr- und Lernmittelbedarfs erforderlichen Mittel zur selbstständigen Bewirtschaftung überlassen. Im Einvernehmen mit dem Schulleiter kann er diesem weitergehende Befugnisse zur Mittelbewirtschaftung einräumen.“
Diese Ermächtigung zu Schulbudgets verlangt aber natürlich auf der Seite der Schule vernünftiges Handeln. Ich erlaube mir an dieser Stelle ein paar durchaus kritische Worte, weil ich als Mutter einer schulpflichtigen Tochter selbst erlebe, wie das zum Teil an unseren Schulen gehandhabt wird.
Die Schulen erhalten Unmengen an Werbeangeboten diverser Schulbuchverlage mit zahlreichen und meist auch durchaus sinnvollen Ergänzungsmaterialien. Für die Verlage ist das Schulbuchgeschäft ein riesiger Markt. Es werden zu jedem Lehrbuch noch bunt illustrierte Arbeitshefte angeboten. In diese können die Kinder hineinschreiben, brauchen keine Aufgabe und keinen Satz mehr abzuschreiben, nur das Ergebnis auszurechnen oder ein Wort einzusetzen. Es wird so manches Arbeitsheft bestellt, das bezahlt werden muss – bisher von den Eltern und nun von den Schulträgern. Was sich nicht in den schulbuchbegleitenden Arbeitsheften findet, wird zusätzlich aus anderen Quellen kopiert – möglichst farbig – und als Arbeitsblatt im Unterricht oder als Hausaufgabe bearbeitet.
Was sind die Folgen? Tafelbilder ins Heft zu übertragen und so eine ordentliche Heftführung zu lernen, Tabellen anzulegen usw. wird kaum noch geübt. Die Menge aller Lernmittel, Schulbücher, Arbeitshefte, Schreibhefte,
Hefter dazu und Stiftetaschen erreicht schon in der Grundschule einen so enormen Umfang, dass die Ranzen nicht selten sechs, sieben oder mehr Kilo wiegen; und ich meine, das ist für einen Kinderrücken viel zu schwer.
Nicht zuletzt entstehen den Eltern beträchtliche Kosten. Sie haben es selbst ausgerechnet: In einer Grundschule sind 30 bis 40 Euro durchaus normal. Wenn ich mir die
Hefte so anschaue und manche unberührte Seite in diesen Arbeitsheften vorfinde, dann stellen sich Zweifel ein, ob das alles sein muss oder ob man nicht mit etwas weniger Materialeinsatz trotzdem guten Unterricht machen kann.
Zur Unterstützung der Schulträger unserer Kommunen bei der Finanzierung der Mehrausgaben haben wir übrigens im laufenden Doppelhaushalt pro Jahr 5 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Wir sind uns einig: Die notwendigen Lernmittel müssen die Schüler erhalten; das ist unbestritten. Aber eine Kostenkontrolle halte ich dennoch für geboten.
Sofern Sie nun in Ihrem Antrag eine vollständige Finanzierungspflicht des Staates erkennen wollen, ist das erstens nicht richtig, denn es gibt klare Regelungen hinsichtlich der Zuständigkeit, und es gibt ein Gesetz über die Finanzierung über den kommunalen Finanzausgleich.
Zweitens möchte ich Sie daran erinnern, dass wir am 8. Mai hier in diesem Haus einen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung auf den Weg gebracht haben mit dem Ziel, eine Neuverschuldung des Freistaates zu verbieten. Darin waren wir uns sogar mit Teilen Ihrer Fraktion einig. Neue Leistungsgesetze zu beschließen passt deshalb überhaupt nicht in dieses Bild.
Schade, wir haben schon gehofft, Sie hätten verstanden, was für unser Land und für unsere Jugend gut ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte befürchtet, die Diskussion würde langweilig werden; aber, Frau Firmenich, Sie haben mich gerade eines Besseren belehrt.
Das Erste war die Ohrfeige für unsere Lehrkräfte und die Schulleitungen, dass sie nicht in der Lage sind, vernünftig mit den Mitteln umzugehen, sondern dass sie verschwenderisch sind. Sonst war ich es immer gewöhnt, dass von Ihrer Seite so viel Lob für die Lehrerinnen und Lehrer kommt – das passt nicht zusammen.
Der überwiegende Teil unserer Lehrerinnen und Lehrer geht sehr, sehr genau mit den Mitteln um, die sie zur Verfügung haben, und wählt sie sehr genau aus. Man sollte schon etwas genauer hinschauen. Wenn Sie als Eltern ein Problem haben, dann gibt es dafür auch Gremien innerhalb der Schulen, in denen man das thematisieren
Ein zweiter Punkt, den ich auch sehr interessant finde, ist – und genau das befürchtete ich, als wir am 8. Mai über das Gesetz zur Schuldenbremse diskutiert haben –: Sie werden jetzt bei jeder Debatte, die in irgendeiner Weise etwas mit Geld zu tun hat, diese Karte ziehen und die Rote Karte zeigen: Wir können nicht mehr handeln, weil wir ja die Schuldenbremse haben wollen. Haben Sie sich einmal den Haushalt angeschaut, über wie viele Mittel wir bei der Lernmittelfreiheit sprechen? Ich finde es schon ziemlich daneben, und das schürt eher meine Skepsis, ob Sie mit diesem Instrument verantwortungsbewusst umgehen.
Ich hatte schon die Vermutung, dass die LINKEN dieses Thema eingebracht haben, weil sie irgendwie der Meinung sind, dass vielleicht so etwas wie Demenz eingetreten sei; dass man nicht mehr daran denkt, dass das Thema schon mehrmals auf der Tagesordnung stand. Dass das offenbar nicht der Fall ist, haben wir ja gerade mitbekommen – Frau Firmenich kann sich sehr gut erinnern, dass diese Gesetze und diese Vorlagen schon auf der Tagesordnung standen und wir nicht müde werden, über die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Themas Lernmittelfreiheit zu diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon irgendwie merkwürdig zu erfahren, dass die Väter und Mütter unserer Verfassung ein sehr weitgehendes Recht sozialer Gerechtigkeit bei der Gestaltung der Lernmittelfreiheit in die Verfassung geschrieben haben – übrigens nicht nur für die öffentlichen, sondern sogar für die freien Schulen. Wir geben dieses Gestaltungsrecht, das in der Verfassung festgeschrieben ist, jetzt in eine Verwaltungsvorschrift an die Landesregierung ab – wir als diejenigen, die eigentlich dafür zu sorgen haben, den Rahmen der Verfassung gesetzlich zu untermauern.
Die wichtigste Konsequenz wäre doch, Frau Firmenich, dass es jetzt im Schulgesetz eine klare Regelung dazu gibt, wie wir die Verfassung interpretieren, wie wir als Landtag oder als Hohes Haus die Verfassung interpretieren;
und nicht an die Exekutive, dass sie das interpretiert und sagt, wie sie es ausgestalten möchte. Sie schaffen damit keine Rechtssicherheit. Das Oberverwaltungsgericht hat ganz klar gesagt: „Auch wenn die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit unmittelbar geltendes Recht ist, bedarf es nach Artikel 102 Abs. 5 Sächsische Verfassung näherer Regelungen durch Gesetz und nicht durch Verwaltungsvorschrift.“
Sie werden keine Rechtssicherheit für die Schulträger schaffen, die es letztlich auszubaden haben. Ich hatte es
hier schon prognostiziert. Als wir das „Kopien-Urteil“ hatten, habe ich gesagt, das Nächste wird der Taschenrechner sein, und wir haben momentan den Prozess zum Taschenrechner laufen. Ich garantiere Ihnen, wenn der Taschenrechner durch ist, haben wir das übernächste Thema auf dem Tisch.
Die Frage ist doch: Wann wollen Sie denn den Schulträgern die Sicherheit geben, dass sie nicht im nächsten Moment wieder damit konfrontiert werden, dass ihnen Lernmittelzahlungen übergeholfen werden, weil es keine gesetzliche Grundlage für die Lernmittelfreiheit gibt?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte das Thema nicht noch einmal angefasst – so viel zu meinen Kollegen von den LINKEN –, weil mir klar ist, dass diese Koalition in dieser Legislaturperiode das Schulgesetz nicht mehr anfasst. Das haben wir hier schon mehrfach erlebt, und wir wissen auch, warum sie es nicht mehr anfassen: nicht nur, weil die Zeit nicht mehr reicht, sondern weil sie auch wissen, dass sie eventuell Schwierigkeiten bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bekommen könnten; denn dann müssten sie nämlich etwas ändern in dem Schulgesetz, um die UNBehindertenrechtskonvention tatsächlich umzusetzen.
So warten wir also das nächste Urteil ab – die zweite Ohrfeige für die Landesregierung. Ich kann nicht akzeptieren, dass die Landesregierung antwortet, dass sie nicht mehr handlungsfähig oder gebunden ist, wie es so schön heißt. Wie haben Sie geschrieben: „Die Staatsregierung ist insoweit gebunden“, weil die anderen Anträge alle abgelehnt wurden, die hier eingebracht worden sind. Die Staatsregierung hat immer noch die Möglichkeit, das, wie man so schön sagt, „Initiativrecht“ zu nutzen und eine Schulgesetznovelle in den Landtag einzubringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben an dieser Stelle eine sehr gute Regelung in der Verfassung. Diese geht davon aus, dass kein Kind wegen der Kosten für die Lernmittel – übrigens auch nicht wegen der Kosten für die Schülerbeförderung – vom Besuch einer Schule der freien Wahl ausgeschlossen werden darf. Wir steuern aber genau in diese Situation hinein. Schauen Sie sich nur die Schülerbeförderung an!
Das ist verfassungswidrig. Nun sollten wir uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir die gesetzliche Grundlage schaffen können – über das Schulgesetz –, um wieder einen verfassungsgemäßen Zustand in unserem Land herzustellen und dies nicht der Exekutive überlassen zu müssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mich überkam beim Lesen Ihres Antrags ein Gefühl.