Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, eine Rückfrage an Frau Jähnigen: Was haben Sie beantragt? Haben Sie die punktweise Abstimmung über den Änderungsantrag oder die punktweise Abstimmung über den Antrag von CDU und FDP beantragt? Das haben Sie im Unklaren gelassen. Bitte stellen Sie das an Mikrofon 2 noch einmal richtig.

Ich meinte unseren Änderungsantrag, also I und II.

Dann werden wir so verfahren. – Meine Damen und Herren! Ich rufe auf die Drucksache 5/11959 zu Drucksache 5/11854, Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN. Wer dem Punkt I seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist dem Punkt I mehrheitlich nicht zugestimmt.

Ich rufe Punkt II auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer

Stimmenthaltung und zahlreichen Dafür-Stimmen ist dem Punkt II mehrheitlich nicht zugestimmt.

Da beide Punkte keine Mehrheit gefunden haben, erübrigt sich eine Schlussabstimmung über den Änderungsantrag.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf die Drucksache 5/11854 und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzei

chen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist die Drucksa

che 5/11854 mehrheitlich beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

Gesetzliche Regelung zur Lernmittelfreiheit in Sachsen – Rechts- und

Finanzierungssicherheit für Schüler/innen, Eltern und Schulträger jetzt!

Drucksache 5/11166, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Einreicherin das Wort; Frau Falken, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Artikel 102 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen gewährleistet allen Kindern und Jugendlichen die kostenlose Unterrichtsteilnahme sowie die kostenfreie Bereitstellung von Lernmitteln an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft.

Das bedeutet – es ist Ihnen nicht neu; wir haben es schon in sehr vielen Redebeiträgen erwähnt –, dass es ein Rechtsanspruch ist, weil die Verfassung es so darstellt.

Wir, die LINKEN, haben in diesem Hohen Haus seit mehreren Jahren das Interesse, dieses verfassungsmäßige Recht für Schülerinnen und Schüler durchzusetzen. In dieser Legislaturperiode haben wir bereits zweimal einen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingereicht: 2009 und 2011.

Die Staatsregierung und die Fraktionen der CDU und der FDP sind diesem nicht nachgekommen. Sie glänzen lieber mit einer politischen Nichtentscheidung. Sie entscheiden keine politischen Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, sondern sie sitzen die Entscheidungen einfach aus. Sie sitzen sie so lange aus, bis ein Gericht entscheidet und sie dazu zwingt, Veränderungen zu treffen.

Seit Inkraftsetzung des Schulgesetzes, seit weit über 20 Jahren, werden die Eltern für die Kosten der Lernmittel zur Kasse gebeten. Dies ist ein klarer Rechtsverstoß gegen die Sächsische Verfassung.

(Beifall bei den LINKEN)

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen führt in seinem Urteil vom 17.04.2012 klar aus: „Auch wenn die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit unmittelbar geltendes Recht ist, bedarf es nach Artikel 102 Abs. 5 der Sächsischen Verfassung näherer Regelungen durch ein Gesetz.“ Das haben wir bis heute nicht.

Was macht die Staatsministerin Frau Kurth?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Nichts!)

Sie lässt sich durch den Finanzminister das Geld vorschreiben, wie wir es an vielen Stellen im Bildungsbereich in diesem Hohen Haus haben. Der Finanzminister stellt 5 Millionen Euro jährlich für die Lernmittelfreiheit zur Verfügung. Nachdem der Beschluss in diesem Hohen Haus bezüglich des Haushaltes gefallen ist, wird eine Lernmittelverordnung durch die Ministerin am

18.12.2012 im Kabinett zum Beschluss vorgelegt. Das heißt: Zuerst beschließen wir das Geld und dann gestalten wir den Inhalt. Aus pädagogischer Sicht ist das eindeutig der falsche Weg.

Wenn man genau hinschaut, ist es die Schulbuchzulassungsverordnung und keine Lernmittelverordnung. Die Schulbuchzulassungsverordnung ist hergenommen, ein Artikel angehangen worden, und damit wurde eine neue Verordnung geboren. Das heißt, aus einem alten Text wird ein neuer Name und damit ist es immer noch nichts Neues. Das kennen wir von der Staatsregierung, denn das erleben wir zurzeit gerade mit der Oberschule. Das ist ganz klar ein Etikettenschwindel und zeigt das Versagen und Unvermögen der Staatsregierung und des Ministeriums für Kultus.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun kommen wir zur Situation, wie sie wirklich aussieht. Was bedeutet die neue Lernmittelverordnung für die Schulen vor Ort und für die Schülerinnen und Schüler? Meine Kleine Anfrage, Drucksache 5/11570, zeigt, dass der Freistaat Sachsen je Schüler im Jahr für 13,50 Euro folgende zusätzliche Lernmittel zur Verfügung stellt – ich zähle sie ganz bewusst auf –: die Atlanten, die Arbeitshefte, die Ganzschriften, die Textsammlungen, die Wörterbücher,

(Andreas Storr, NPD: Die Radiergummis!)

die Fremdsprachengrammatik, die Nachschlagewerke, die Aufgabensammlungen, das Tafelwerk und die Kopien. Nur um den Atlas zu kaufen, braucht man 25,95 Euro. Nur um das Tafelwerk zu kaufen, braucht man

11,50 Euro. Das sind Materialien, die die Eltern bisher selbst kaufen mussten. Nun ist der Freistaat dafür zuständig.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und das Minimum an Arbeitsheften und der zusätzlichen Materialien zusammengetragen, die benötigt werden und für das kommende Schuljahr zur Verfügung gestellt werden müssen. Ich habe einige Beispiele ausgewählt. Für die Arbeitshefte für die 1. Klasse brauchen wir an den Schulen 38 Euro, für die 3. Klasse pro Schüler 33 Euro und für die 5. Klasse, in der es auch um die entsprechenden Schriften geht, sind es 93 Euro. Ich habe immer nur das Minimum ausgewählt. Für die 8. Klasse sind es 44 Euro.

Mit den zugewiesenen Geldern sind die Kommunen nicht in der Lage, die benötigten Mittel für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen werden die Differenzbeträge nicht zur Verfügung stellen können.

Hinzu kommt – wie auch aus meiner Kleinen Anfrage herauszulesen –, dass diese Mittel den Schulträgern quartalsweise zugewiesen werden. Das heißt, bis März 3,36 Euro pro Schüler, bis Juni noch einmal so viel, also 6,72 Euro. Das Geld wird aber zu Beginn und zur Vorbereitung des Schuljahres benötigt und nicht irgendwann, denn man kann nicht im ersten Quartal ein halbes Buch kaufen und im zweiten oder dritten bzw. vierten Quartal ein weiteres halbes Buch. Das funktioniert so nicht.

Die Staatsregierung und das sächsische Ministerium für Kultus blenden bis heute aus, dass die Verfassung des Freistaates Sachsen die Staatsregierung verpflichtet, die benötigten Mittel aus dem Landeshaushalt zu finanzieren. Herr Unland, schauen Sie sich das noch einmal an. Das ist eine Finanzierung nach der Verfassung aus dem Landeshaushalt.

Die Staatsregierung kann den Schulträgern natürlich Aufgaben zuweisen. Dazu bedarf es aber nach der geltenden Verfassung im Freistaat Sachsen eines Gesetzes, das auch die adäquate Kostenerstattung für die Kommunen wirklich regelt.

Werden wir noch einmal konkret: Die Stadt Leipzig stellt den Schulen 30 Euro zur Verfügung, um die zusätzlichen Lernmittel und Kopien zu finanzieren. Was heißt das konkret? 10 Euro für die Kopien – 5 Euro für je ein Halbjahr – und 20 Euro für weitere Lernmittel. Wenn Sie sich noch einmal vor Augen führen, welche Zahlen ich Ihnen genannt habe, dann stellen Sie fest, dass für das kommende Schuljahr viel weniger Materialien für die Schüler zur Verfügung stehen als bisher. Das ist ein Zustand, der nicht zu akzeptieren ist. Das Niveau und die pädagogische Arbeit werden durch diese Maßnahmen stark eingeschränkt. Bei dieser Rechtslage produzieren Sie die nächsten Gerichtsverfahren der Eltern gegen den Schulträger. Sie provozieren sie geradezu.

Das nächste Urteil steht vor der Tür. Erstinstanzlich ist es bereits gewonnen: der grafikfähige Taschenrechner, ich muss das jetzt nicht weiter ausführen. An dieser Stelle

werden Sie das Schulgesetz ändern müssen, wenn dieses Urteil endgültig gesprochen ist. Mit dem § 38 des Schulgesetzes ist das Urteil dann nicht mehr umzusetzen. Es sei denn – wir wissen, dass die Staatsregierung da sehr findig ist, auch das Kultusministerium –, es gelingt Ihnen, den grafikfähigen Taschenrechner als Buch zu deklarieren. Schauen wir einmal, ob Sie das vielleicht sogar hinbekommen.

Frau Staatsministerin, wir fordern Sie hier und heute auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Sächsische Verfassung zu erfüllen und endlich eine Rechtssicherheit, die nach wie vor nicht gegeben ist, für die Eltern, die Schüler und die Kommunen sicherzustellen.

Frau Staatsministerin, ganz persönlich: Kürzlich haben Sie in diesem Hohen Hause Ihren Amtseid nach der Sächsischen Verfassung geleistet. Darin haben Sie geschworen, die Verfassung und das Recht zu wahren und zu verteidigen. Genau das fordern wir jetzt von Ihnen ein.

(Beifall bei den LINKEN)

Nach der einbringenden Fraktion DIE LINKE ergreift jetzt für die CDU-Fraktion Frau Firmenich das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Falken, Ihr Antrag ist in diesem Hohen Hause ein echtes Novum. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir so etwas hier schon einmal gehabt hätten. Mit Datum vom 13. Oktober 2011 reichten Sie einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Gesetz zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Lernmittelfreiheit in Sachsen“ ein. Sie haben es gesagt: Sie wollten mit diesem Gesetz erreichen, dass, erstens, die Schülerbeförderung gänzlich durch den Freistaat Sachsen finanziert wird, zweitens, die kostenfreie Bereitstellung allumfassender Lernmittel durch die Schulen und, drittens, die vollständige Kostenübernahmen durch den Freistaat Sachsen erreicht wird.

Zur Landtagssitzung im vergangenen Juli haben wir über diesen Gesetzentwurf sehr ausführlich debattiert; ich habe das Protokoll noch einmal gelesen. Wir haben das Gesetz aus guten Gründen abgelehnt.

Heute legen Sie uns einen Antrag vor, der allen Ernstes die Staatsregierung auffordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes vorzulegen und dabei den die Lernmittel betreffenden Teil Ihres damals abgelehnten Gesetzentwurfs wortwörtlich zu übernehmen.

Sie suggerieren – das haben Sie auch jetzt erläutert –, dass es für die Umsetzung des Beschlusses des OVG-Urteils vom vergangenen Jahr zur Übernahme der Kopierkosten, zur Rechtssicherheit für Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern verfassungsrechtlich eine Änderung des Schulgesetzes bräuchte. Jedoch ist das mitnichten so. Das OVG sieht zwischen Verfassung und Sächsischem Schulgesetz keinen Widerspruch. Hinsichtlich der konkreten Definition, was die Lernmittelfreiheit umfasst, sieht das