Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Das verbinde ich jetzt gleich ein bisschen mit den Gutachten. Es ist logisch, wenn man jetzt die neuen Energiebeschlüsse einbezieht, dass sich die Mengen selbstverständlich verändern. Das ist klar. Nur die Frage ist doch, ob wir jetzt, indem wir diese Planungshorizonte herausnehmen, indem wir die Planung nicht mehr machen, schon die Vorsorge für die Tagebaue abschneiden: Die uns vielleicht im Jahre 2030, 2040 in die Sackgasse geführt haben, weil wir es dann feststellen. Oder ob wir die Planung in dieser Region jetzt weiter zulassen.

Natürlich ist offen, was im Jahre 2030, 2040, 2050 an den Energiemärkten, in den Technologien passiert. Dort wird sich noch ganz viel entwickeln müssen und auch können. Das wissen wir doch heute gar nicht. Nur, wenn wir heute sagen, wir planen diesen Fortgang des Abbaus der Braunkohle nicht mehr, dann organisieren wir uns die Sackgasse. Ich halte das für kein vernünftiges, verantwortungsvolles Agieren für ein Land, für eine Bevölkerung, die gleichmäßige Energieversorgung auch erwartet in dem Standard, den wir heute haben. Insofern sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch. Ich halte es für selbstverständlich, gerade diese Planungsdinge weiter nach vorn zu führen. Die Welt wird es zeigen, wie es sich weiterentwi

ckelt. Das wissen wir heute alle nicht. Aber ich habe Angst vor der Sackgasse, in die hier manche sehenden Auges gern hineinwollen, weil sie ganz andere Ideologien dahinter vertreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben ja schon einmal so einen kleinen schleichenden Ausstieg erlebt. Letztendlich wurde nicht nach Fukushima der Ausstieg entschieden, der Ausstieg fand doch viel eher statt, als man nämlich aufgrund von politischen Entscheidungsstrukturen – und ich nehme hier keine politische Farbenlehre aus – nicht mehr wagte, das nächste Kernkraftwerk in Deutschland neu zu bauen. Man hat nicht nachgelegt. Ob das der Schnelle Brüter war, ob das letztendlich die Einlagerung war, die dauerhafte Lagerung der Reststoffe, das hat man alles nicht organisiert, hat es durch die Zeit geschoben, und deswegen war der Ausstieg folgerichtig. Das ist schleichend losgegangen, und das wollen wir bei der Braunkohle nicht. Wir wollen der Braunkohle die volle Verfügbarkeit weiter angedeihen lassen und wissen selbstverständlich, wie keiner hier im Hohen Hause, nicht, was in 20 oder 30 Jahren unsere Enkel dazu sagen. Wir halten es aber für verantwortungsvoll, so mit dem Thema umzugehen.

Sie geben mir ein Zeichen, wenn Sie meinen, die Frage beantwortet zu haben?

Ich glaube, sie ist jetzt beantwortet.

Vielen Dank.

Ich möchte noch einmal auf die Entschädigung hinweisen, die doch sehr angemessen und großzügig für die Menschen erfolgt. Das ist selbstverständlich kein Ausgleich für Heimatverlust. Wer Heimat verliert, wegzieht, aber sie dann auch nicht wiederfindet, weil dort ein See ist, und die Landschaft der Kindheit eben nicht mehr da ist, für den ist das schmerzlich. Ich denke, man kann das nicht nachempfinden, was viele Menschen da empfinden müssen und auch immer noch empfinden werden. Das sollten wir respektieren und sollten es auch nicht kleinreden. Aber das ist genau der Abwägungsprozess, der in der Lausitz verantwortlich läuft. Ich denke, auch wir im Landtag sollten damit angemessen umgehen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr von Breitenbuch. – Frau Hermenau, Sie wünschen?

Eine Kurzintervention. – Sie haben die Frage gestellt, Herr Kollege von Breitenbuch, warum wir diese Diskussion anstrengen. Sie haben das mit einigen – wie ich finde – sehr verletzenden Thesen untermalt. Ich habe versucht, Ihnen das zu erläutern. Sie haben es vielleicht nicht gehört. Ich engagiere mich seit

15 Jahren in der Region, in Regionalbüros in Bautzen. Ich bin am 7. April das letzte Mal in Rohne gewesen beim Heimatspaziergang. Mich müssen Sie da nicht belehren.

Worauf es dabei ankommt, ist, dass heute die Möglichkeit besteht, sehr ruhig und bedacht darüber nachzudenken, ob es wirklich erforderlich ist, Nochten II aufzuschließen oder nicht, unabhängig davon, dass Sie, wir und andere unterschiedliche Energiestrategien forcieren. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass dieser konkrete Tagebau aus unserer Sicht nicht notwendigerweise aufgeschlossen werden muss. Man muss auch keine Ausreden bezüglich stofflicher Verwertung erfinden, denn die chemische Zusammensetzung von Braunkohle ist unterschiedlich im Südraum Leipzig und in der Lausitz.

Der Punkt ist, dass die Möglichkeit besteht, auch wenn es ein langer und schwieriger Prozess war und alle, die teilgenommen haben, unheimlich froh sind, dass das hinter ihnen liegt und sie endlich einmal entscheiden dürfen, innezuhalten und gut nachzudenken, ob man Heimatverlust in Kauf nimmt, wenn man sich nicht wirklich sicher ist, dass es notwendig ist. Das ist das Argument, warum wir diese Debatte hier heute angestrengt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr von Breitenbuch, möchten Sie erwidern? – Bitte.

Ich denke, wir sollten die persönliche Ebene hier nicht überstrapazieren, denn jeder ist davon betroffen, hat Erfahrung oder kennt Menschen, die das betrifft. Wir in diesem Hohen Hause sind alle menschlich genug zu versuchen, dies einzuschätzen. Selbstverständlich müssen wir abstrahieren können, denn diese Anforderung stellt auch die Bevölkerung an uns. Wir müssen zu sachlichen Entscheidungen und zu Abwägungsprozessen kommen, die über sechs Jahre in diesem Prozess gelaufen sind.

Deswegen halte ich diese Debatte heute für unredlich, hier diesen Heimatverlust, der selbstverständlich auch verarbeitet werden muss und der in der Region auch schon in den letzten sechs Jahren verarbeitet wurde, weil man sich langfristig darauf einstellt, jetzt in voller Gefühlslage zu befeuern. Das kreide ich Ihnen an und auch den Impetus Ihrer heutigen Debatte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Dr. Pinka, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr von Breitenbuch! Sie sind nun der Dritte in der Reihe, der gesagt hatte, dass man die Kohle von Vattenfall chemisch verwerten kann. Deshalb möchte ich Sie gern daran erinnern, dass die Herren Fischer und Tropsch vor circa 100 Jahren ihr Synthesegas aus Kohle der mitteldeutschen Reviere gemacht haben. Es ist nämlich so, dass die Zusammensetzung dieser Kohlen im mitteldeutschen Revier und der Lausitzer Kohlen so

unterschiedlich ist, dass man keine chemische Verwertung mit diesen Kohlen ermöglichen kann. Das Maximale, nämlich einen Braunkohlenhochtemperaturkoks, entwickelten später die Herren Rammler und Bilkenroth in Freiberg. Wenn Sie das unter chemischer Verwertung subsumieren, meinetwegen, aber es ist keine wirkliche, die dazu führt, dass man Synthesegas produziert. Die Versuche, die bei der Mibrag und an der Bergakademie aktuell laufen, werden nicht mit Vattenfallkohle durchgeführt. Es gibt keinen einzigen aus der Lausitz. Das geht nicht, das können Sie mir glauben. Unterlassen Sie einfach diese Erläuterungen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr von Breitenbuch, bitte.

Sie stecken sicher besser im Stoff, Frau Dr. Pinka. Das ist keine Frage. Das ist Ihr Metier. Aber ich halte es doch, da wir in Sachsen forschen, für möglich, dass da auch Entscheidungen vorbereitet werden, und man eines Tages, vielleicht in 20, 30 oder 40 Jahren – wir reden hier über solche Zeithorizonte –, dann auch Dinge mit diesen Stoffen macht. Ich halte das nicht für ausgeschlossen und hielte es für mich für vermessen, dies mit dem Wissen von heute so klar auszudrücken, wie Sie das hier versuchen.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Zurück zur Debatte. Besteht Redebedarf bei den LINKEN? – Herr Abg. Kosel, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als zentrale Frage der heutigen Debatte, die wir dank der Initiative der GRÜNEN führen können, steht für mich: Soll oder, besser, darf der Braunkohleausschuss eine Entscheidung fällen, die die Heimat der Einwohner von Rhone, Mulkwitz, Mühlrose und Teile von Schleife zerstört? Die Antwort lautet nach meiner festen Überzeugung: Nein. Ich möchte Ihnen auch einige Gründe dafür nennen.

Zunächst möchte ich auf unsere Verfassung verweisen. Ich habe das hier schon oft getan, und ich werde nicht müde werden, das immer wieder zu tun.

(Beifall bei den LINKEN)

Wenn wir die Verfassung in diesem Hause nicht ernst nehmen, dann stellen wir uns schließlich selbst infrage.

Ich möchte zunächst darauf verweisen, dass Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 unserer Verfassung das Recht auf Heimat anerkennt. Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 unserer Verfassung verpflichtet den Freistaat, das Recht der Sorben auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung zu gewährleisten und zu schützen.

Abs. 2 fordert, den besonderen deutsch-sorbischen Charakter des sorbischen Siedlungsgebietes zu erhalten und die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes in der Landes- und Kommunalplanung zu berücksichtigen. Ähnlich formuliert es auch § 3 Abs. 4 des Sächsischen Sorbengesetzes.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie erneut, was ist das Sächsische Sorbengesetz, was ist unsere Sächsische Verfassung wert, wenn gerade die Region Schleife, die den besonderen Charakter des sorbischen Siedlungsgebietes sowie die angestammte Sprache, Kultur und Überlieferung der Sorben mit am originellsten prägt, in die Grube fährt? Etwas Besonderes ist die Region Schleife auch innerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes allemal.

Bisher ist den Argumenten mit unserer Landesverfassung gelegentlich entgegengehalten worden: Ja, aber Bundesrecht bricht Landesrecht, und das Bundesberggesetz sei im Vergleich zum Sächsischen Sorbengesetz und auch zur Sächsischen Verfassung das höherrangige Recht. Gerade aber diese Bastion des deutschen Bergrechts bröckelt. Es ist in die Kritik geraten. Vor allem ist es die rechtsgeschichtliche Herkunft des Bundesberggesetzes, insbesondere seine Enteignungsregeln, die problematisch sind.

Spätestens seit der Sendung des MDR-Magazins „Echt“ vom 26. März 2013 mit dem Titel „Der Wahnsinn mit der Braunkohle“ ist es offenbar:

Erstens. Bis in die 1930-er Jahre war die bergbauliche Inanspruchnahme von Haus und Hof gegen den Willen des Eigentümers ausgeschlossen.

Zweitens. 1937 wurde durch die Nazis das „Wohl der Allgemeinheit“ als Enteignungsgrund in das Gesetz eingeführt und befindet sich dort noch heute.

Drittens. All dies – jetzt hören Sie zu, meine Damen und Herren – geschah im Rahmen der sogenannten Kriegsertüchtigungsgesetzgebung des Naziregimes. Der Zweite Weltkrieg ist lange vorbei, aber die Lausitz findet keinen Frieden wegen des „Kriegsertüchtigungsgesetzes“ aus der Nazizeit.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Die Schlagzeile „Sorben aufgrund von Regelungen des NSKriegsertüchtigungsgesetzes enteignet“, und das nicht in den Jahren 1938 oder 1942, sondern am Beginn des 21. Jahrhunderts, möchte ich uns allen ersparen, denn es wäre ein Skandal, der nicht nur bundesweit, sondern auch international wahrgenommen werden würde.

Meine Damen und Herren! Für uns LINKE steht deshalb fest: Es darf keine unwiederbringliche Zerstörung der Heimat für die Einwohner von Rhone, Mulkwitz, Mühlrose und Teilen von Schleife geben und schon gar nicht auf der Grundlage des NS-Kriegsertüchtigungsgesetzes.

(Beifall bei den LINKEN und Zurufe: Hört, hört!)

Vielen Dank, Herr Kosel. Herr Abg. Jurk, bitte.

Ich nehme Kollegen Kosel den Einsatz für die sorbische Bevölkerung in der Region ab. Das ist keine Frage. Wir haben dort die Betroffenheit, die sehr ernst zu nehmen ist. Andererseits glaube ich auch – und ich möchte nach den Redebeiträgen der LINKEN darauf hinweisen –, dass sich DIE LINKE in einem Dilemma befindet. Wenn ich mir ansehe, dass im Stadtrat von Weißwasser die stärkste Fraktion DIE LINKE ist, kenne ich dort keinen Beschluss gegen eine Fortführung des Tagebaues Nochten. Dort gibt es keine Aktivitäten, weil DIE LINKE im Stadtrat Weißwasser weiß, dass die wirtschaftliche Entwicklung und auch die Arbeitsplätze in der Region eng mit der Braunkohle verbunden sind.

Genauso sehe ich die Entscheidung des Gemeinderates in Schleife. Dort gab es Entscheidungen gegen die Fortführung. Auf der anderen Seite wollen die Leute Planungssicherheit. Die meisten rechnen damit, dass sie umziehen werden. Sie schauen sich die Umsiedlungsstandorte an, wissen etwa, was sie finanziell erwartet, und man verhandelt mit Vattenfall seit geraumer Zeit über Entschädigungsleistungen.

Wahr ist auch, dass Vattenfall in erheblichem Maße öffentliche Infrastruktur mitfinanziert, wenn ich an Schule, Kindergärten und Vereinshäuser denke. Das sollte man auch berücksichtigen.

Das Dilemma setzt sich beispielsweise in Brandenburg fort, denn der dortige Wirtschaftsminister Christoffers von den LINKEN hat mit Herrn Prof. Erdmann von der TU Berlin genauso wie unser Wirtschaftsministerium denselben Gutachter für die Erweiterung von Welzow Süd beauftragt. Was macht die „linke“ Umweltministerin Tack? – Sie beauftragt Herrn Prof. von Hirschhausen.

Das macht deutlich, dass es auch innerhalb der LINKEN nicht die Position gibt, sehr verehrter Herr Kollege Kosel – ich nehme Ihnen ja ab, was Sie gesagt haben –, die so eindeutig für oder gegen Braunkohle ist.

(Beifall bei der FDP)