Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält deshalb eine Reihe von inhaltlichen Veränderungen des Strafvollzugsrechts durch die Einführung eines Diagnoseverfahrens zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung, die genauer als bisher auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Gefangenen zugeschnitten ist.

Durch die Einführung von gezielten Eingliederungsmaßnahmen bereits während der Haftzeit soll eine Verbesserung der Sozialprognose nach der Haftentlassung erreicht werden. Hierzu gehört auch die Organisation einer Übergangsphase, verbunden mit einer Nachbetreuung. Ziel aller dieser Maßnahmen ist, die Rückfallwahrscheinlichkeit zu verringern und damit aktiv zum Schutz der Bevölkerung beizutragen.

Aus einer sehr umfassenden Anhörung Sachverständiger im Ausschuss hat sich für die Koalition zum Gesetzentwurf der Staatsregierung Änderungsbedarf ergeben. Die entsprechenden Anträge unsererseits, aber auch von den Fraktionen LINKE und SPD sind in der letzten Ausschusssitzung sehr umfangreich diskutiert worden und ich hatte den Eindruck – wie auch im vergangenen Jahr zur Strafgesetzgebung –, dass es dabei zu vielen Fragen annähernde Auffassungen gegeben hat, die sich nun im vorliegenden Gesetzestext wiederfinden. In der Überarbeitung des Gesetzestextes ergaben sich für unsere Fraktion sechs nachfolgende Schwerpunkte.

Erstens Vollzugsgestaltung. Ziel und Aufgabe des Strafvollzuges ist es, die Gefangenen in die Lage zu versetzen, nach ihrer Entlassung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dies soll durch eine zielgerichtete und wirkungsvolle Gestaltung des Vollzugs, insbesondere auch durch Resozialisierungsmaßnahmen, erreicht werden. Darüber hinaus war es uns wichtig, neben der Vollzugsgestaltung auch die Verpflichtung, die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen, dahin gehend zu konkretisieren, dass eine sichere Unterbringung, wie auch eine entsprechende sorgfältige Beaufsichtigung der Gefangenen, zu erfolgen hat. Mit dieser Formulierung kommen wir der Erwartung der Bevölkerung nach, dass Straftäter nach der Verurteilung kein Risikofaktor mehr für die Öffentlichkeit sein dürfen. Dass diese Ergänzung wichtig und sinnvoll ist, zeigt sich in dem sehr aktuellen Beispiel der Entweichung eines Strafgefangenen am gestrigen Tag aus dem Strafvollzug in Dresden.

(Christian Piwarz, CDU: Der ist nicht geflohen, sondern entlassen worden!)

Zweitens. Das Thema Arbeit soll weiterhin ein zentraler Aspekt des Strafvollzuges sein. Im Gesetzentwurf der Staatsregierung war vorgesehen, dass Gefangenen nur auf Antrag oder mit ihrer Zustimmung Arbeit zugewiesen werden sollte. Der Ansatz, die Annahme von Arbeit in das Ermessen des Gefangenen zu stellen, entspricht nicht unserer Auffassung von einem modernen Strafvollzug.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Arbeit ist ein wesentlicher Teil der Resozialisierung der Gefangenen. Die in den letzten Jahren entstandenen Arbeitsplätze haben sich bewährt und sind vom größten Teil der Strafgefangenen gern angenommen worden. Dazu hat es insbesondere auch von den Städten und Gemeinden und von Unternehmen durch Arbeitsübertragung Unterstützung gegeben und es hat sich eine Kontinuität entwickelt, die nicht infrage gestellt werden sollte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Arbeit ist dem normalen Leben in Freiheit angepasst und mit der Aneignung bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten auch ein wesentlicher Vorteil der schnellen Eingliederung nach der Entlassung. Sie trägt weitgehend auch zur Ordnung und Sicherheit innerhalb der Haftanstalt durch einen geregelten Tagesablauf bei. Die Haftzeit soll genutzt werden, um den Gefangenen die Bedeutung von

Arbeit zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zu verdeutlichen, aber auch einer möglichen Arbeitsentwöhnung durch die Haftzeit entgegenzuwirken. Es muss also weiterhin angestrebt werden, dass möglichst viele Gefangene im Strafvollzug Arbeit übertragen bekommen und die Anstalt zur Sicherstellung dieses Zieles im Rahmen der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze die entsprechenden Maßnahmen trifft. Dabei sind die individuellen körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Gefangenen zu beachten.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf den Koalitionsvertrag, der deutlich aussagt, dass neben der Stärkung der sozialen Dienste und der Schaffung besserer Suchttherapieangebote für die Gefangenen auch mehr Arbeitsmöglichkeiten im Strafvollzug geschaffen werden sollen. Daran wollen wir auch künftig weiter festhalten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Um auch weiterhin die Mitwirkung der Gefangenen bei Hilfsarbeiten in den Justizvollzugsanstalten zu gewährleisten, haben wir die Möglichkeit eröffnet, dass die Anstalt die Gefangenen, beispielsweise zur Förderung des Verantwortungsbewusstseins für das Zusammenleben in der Anstalt, an der Erfüllung der dort notwendigen Tätigkeiten mitwirkend einsetzt.

Drittens lag uns die weitere Verbesserung des Opferschutzes ganz besonders am Herzen. Dieser sollte unseres Erachtens in Zukunft eine größere Bedeutung als bisher vorgesehen erfahren. Unser Ziel muss es vorrangig sein, die Opfer zu schützen. Traumatisierungen sollen und müssen zukünftig vermieden werden.

Deshalb haben wir jetzt einen gebundenen Auskunftsanspruch. Ein Opfer von Straftaten hat auf schriftlichen Antrag hin jetzt einen Anspruch gegenüber der Anstalt auf Mitteilung, ob und wann die Entlassung bevorsteht, wie die Entlassungsadresse des Täters lautet, über die Unterbringung des Gefangenen im offenen Vollzug und die Gewährung von Lockerungen.

Bei Straftaten, bei denen eine Erhebung der Nebenklage zulässig wäre, bedarf es dafür keiner Darlegung eines berechtigten Interesses. Dies stellt eine erhebliche Erleichterung für die Opfer in praktischen Verfahren dar. Weiterhin kann der Anstaltsleiter Telefongespräche mit den Opfern der Straftaten unterbinden, Schreiben von Gefangenen an Opfer ihrer Straftaten anhalten sowie das Versenden von Paketen an Tatopfer untersagen. Auch bei der Ausgestaltung von Lockerungen ist nach Möglichkeit den Belangen der Opfer Rechnung zu tragen, beispielsweise zur Vermeidung von Zusammentreffen. Ein weiterer wesentlicher Antragsbestandteil war in diesem Zusammenhang ebenso, dass sich die Strafgefangenen mit den Folgen ihrer Tat auseinanderzusetzen haben, um Einsicht über das Unrecht, das sie begangen haben, zu erreichen.

Ein vierter Schwerpunkt für uns sind Regelungen, mittels welcher Kriterien und Prüfungen Langzeitausgang für Strafgefangene gewährt werden soll. Klar ist für uns als

CDU-Fraktion, dass der Schutz der Bevölkerung auch hier im Vordergrund zu stehen hat. In jedem Fall muss eine individuelle und sorgfältige Prüfung zur Eignung vor der Gewährung erfolgen.

Weiter wurden Ergänzungen des Anwendungsbereiches vorgenommen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Haftplätzen im offenen Vollzug. Dies kann aber nicht zulasten der hierfür geeigneten Gefangenen gehen. Deshalb wurde der Anwendungsbereich zur Gewährung von Langzeitausgang dahin gehend erweitert, dass bereits bei Feststellung der Eignung für den offenen Vollzug – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – grundsätzlich die Möglichkeit des Langzeitausgangs besteht.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmalig die Position der CDU-Fraktion zur Frage des Langzeitausgangs für zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte deutlich machen. Wir halten die jetzt im Gesetzentwurf stehende Regelung, dass diese sich in der Regel zehn Jahre im Vollzug befunden haben müssen, bevor ein Langzeitausgang infrage kommt, für angemessen. Wer zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde, hat eine außerordentlich schwere Straftat begangen, die unseres Erachtens keinen frühzeitigen Freigang rechtfertigt. Eine Verkürzung dieser Frist kommt deshalb aus unserer Sicht, bei Abwägung aller Umstände, nicht in Betracht.

(Beifall bei der CDU)

Ein fünfter Schwerpunkt ist die unverzichtbare Zusammenarbeit aller am Vollzug Tätigen. Wir betrachten Vollzug als ganzheitliche Betreuung – von der Betreuung im Vollzug über die Entlassungsvorbereitung und Betreuung nach der Entlassung. Die bereits sehr guten Ansätze in Sachsen in der Umsetzung der ganzheitlichen Betreuung sollen weiter gestärkt, ausgebaut und für alle Mitwirkenden unkomplizierter gestaltet werden. Entsprechende Umsetzungsregelungen müssen in der Verwaltungsvorschrift deutlich und unbürokratisch ausgestaltet werden.

Diese Maßnahmen tragen wesentlich dazu bei, nach Haftentlassung das Risiko eines Rückfalls zu verringern, indem eine reibungslose Vorbereitung für die Eingliederung durch die bereits im Vollzug Mitwirkenden erreicht und durchgeführt werden kann.

Den sechsten Schwerpunkt bilden die Anstaltsbeiräte. Die Anstaltsbeiräte haben für uns eine herausragende Bedeutung in enger Zusammenarbeit mit allen im Vollzug Tätigen. Sie wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und in der Betreuung der Gefangenen mit. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegenzunehmen. Wichtig ist ebenso der Kontakt zu den Bediensteten der Anstalten. Damit die rechtlichen Grundlagen vonseiten insbesondere der Bediensteten gegenüber dem Arbeitgeber gewahrt bleiben, soll zukünftig der Personalrat der Anstalt Ansprechpartner für Fragen der Arbeitsgestaltung sein, um an der Lösung eventueller Probleme mitwirken zu können.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Mit einer Reihe von weiteren Änderungen zur Vollzugsplanung sowie zur gesundheitlichen Betreuung – besonders im Blick auf die verheerende Drogenentwicklung, Regelungen für Verteidiger, Bereitstellung technischer Geräte, Zugangsrecht von Abgeordneten, Überbrückungsgeld oder Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen – bildet das Gesetz eine gute Grundlage für einen modernen Strafvollzug im Freistaat Sachsen.

Wir sind uns bewusst, dass sich damit ebenso ein sehr hoher fachlicher und zeitlicher Anspruch an das Personal ergibt. Externe Kräfte müssen zur Umsetzung einbezogen werden. Wir werden erneut Erfahrungen zur Umsetzung des Strafvollzuggesetzes sammeln und entsprechende, insbesondere personelle Anpassungen vornehmen müssen. Moderner Strafvollzug, meine Damen und Herren, ist nicht zum Nulltarif zu haben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Deshalb ist eine regelmäßige Berichterstattung durch die Staatsregierung zur Entwicklung unerlässlich, was bisher im Parlament immer gewährleistet war.

Abschließend möchte ich meinen Dank aussprechen, besonders an meine Fraktion, die viele Punkte aus der Erfahrung der Arbeit der Beiratsmitglieder mitgetragen hat. Ebenso geht mein Dank an den Koalitionspartner. Trotz oftmals unterschiedlicher Auffassungen konnten wir Kompromisse finden. Den Antragsstellern von SPD und LINKEN gilt ebenso mein Dank, die, wie wir, mit ebenso viel Geduld im Ausschuss zur Gestaltung des Gesetzes beigetragen haben.

Ich hoffe, Herr Staatsminister Martens, dass es in Ihrem Sinne gewesen ist, dass wir uns so umfangreich mit diesem Gesetz auseinandergesetzt haben. Unser Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Ihres Hauses für die überaus umfangreiche Zuarbeit zu unseren vielen Anfragen. Unser besonderer Dank gilt allen Bediensteten, Mitarbeitern und ehrenamtlich Tätigen im Strafvollzug.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wir haben größten Respekt vor der oftmals sehr schwierigen Arbeit unter oftmals schwierigen Bedingungen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der FDP und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Dombois. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Bartl. Herr Bartl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als im Zuge der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug den Ländern übertragen wurde, gab es in

Expertenkreisen – namentlich bei den Richtern, Anwälten und Anstaltsleitern in Deutschland – gravierende Bedenken, ob das gutgehen kann. Ebenso befürchteten Wissenschaftler und Praktiker im Bundesgebiet eine zerklüftete Strafvollzugslandschaft, einen juristischen Flickenteppich und im schlimmsten Fall – so formulierten es Fachzeitschriften – einen „Wettbewerb der Schäbigkeiten“. Damit war der Wettbewerb um den möglichst billigsten Strafvollzug, die kostengünstigste Justizvollzugsanstalt gemeint.

Ich gebe zu – und zu Protokoll –, dass es so schlimm nicht gekommen ist. Wie in anderen Bundesländern haben wir in Sachsen, zeitlich und inhaltlich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes gebunden, Ende 2007 ein im Kern vernünftiges Jugendstrafvollzugsgesetz und Ende 2010 ein entsprechendes Untersuchungshaftgesetz – das sich im Praxistest bis jetzt ohne größere Probleme bewährt hat – beschlossen. Unabhängig davon – Frau Dombois hat es auf das neue Strafvollzugsgesetz bezogen – brauchen wir für die beiden anderen Gesetze ebenfalls eine Evaluierung. Es hat sich durchaus gezeigt, dass es gut war, sich im Landtag intensiv mit diesen Aspekten auseinanderzusetzen.

Der uns heute – nach konzentrierter Behandlung unter Federführung des Rechts- und Europaausschusses sowie in den mitbehandelnden Ausschüssen – vorliegende Entwurf, kurz Strafvollzugsgesetz für den Freistaat Sachsen, hatte in der von der Staatsregierung eingebrachten Fassung vom 19.12.2012 durchaus Format. Das habe ich damals als rechtspolitischer Sprecher meiner Fraktion in einer Presseerklärung ausdrücklich betont – mit allen Vorschusslorbeeren und großer Überraschung über den Grundansatz.

Der Grundstein dafür war gelegt. Es muss erwähnt werden, dass es eine richtige und kluge Entscheidung der Staatsregierung war, sich an der Zehn-Länder-Arbeitsgruppe zu beteiligen. Sie bestand neben Sachsen aus Vertretern der Justizverwaltungen Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und

Thüringen. Diese haben nach eineinhalbjähriger Beratung im September 2011 einen Musterentwurf für ein einheitliches Strafvollzugsgesetz vorgelegt.

Dieser Musterentwurf – ich sagte es bereits eingangs – ist deswegen so wichtig für uns, weil damit das Risiko einer zerklüfteten Vollzugslandschaft minimiert werden sollte. In diesem Musterentwurf verständigte man sich zu bestimmten, für alle geltenden grundsätzlichen Prinzipien. Die Justizministerinnen und -minister bzw. Justizsenatorinnen und -senatoren haben am 6. September 2011 in einer Presseerklärung erklärt, dass in jedem beteiligten Land ein konsequenter Resozialisierungsgedanke sowie ein rechts- und sozialstaatlich ausgerichteter Strafvollzug etabliert wird.

Dafür wurden zwölf Kriterien aufgestellt – die ich nicht alle aufzählen möchte –, welche in allen beteiligten Ländern gelten sollten. Es ging dabei um die Einführung

eines in der Regel standardisierten Diagnoseverfahrens, welches eine zügige und genaue Analyse der jeweiligen Straffälligkeit und der zugrunde liegenden Ursachen ermöglicht.

Des Weiteren waren die Erweiterung der Möglichkeiten zur Erprobung von Lockerungen über die klare gesetzliche Definierung von Vollzugsmaßnahmen, die die Verbesserung der Legal-Prognose im Auge haben, Gegenstand des Entwurfs. Dazu zählen vor allem Arbeitstherapie, Arbeitstraining, Psychotherapie und Arbeitsmöglichkeit bis hin zu der Frage der Gleichrangigkeit des offenen und geschlossenen Vollzuges.

Den ausdrücklichen Aspekt, dass das Gesetz generell davon ausgeht, dass die Mitwirkung an der Eingliederung nicht nur Aufgabe des Staates, sondern der gesamten Gesellschaft ist, haben wir ausdrücklich begrüßt. Die Problematik Wiedereingliederung war für uns sehr wichtig.

Das waren die verabredeten ländereinheitlichen Vorgaben, die unsere Zustimmung gefunden haben. Nach deren Maßstab bewerten wir den nach Fassung der Beschlussempfehlung vorliegenden Gesetzentwurf.

Wir haben allerdings eine Situation in der Entwicklung erlebt, die wir durchaus kritisch sehen. Wir haben bereits bedauert, Herr Dr. Martens, dass die Staatsregierung das erste Mal etwas eingebrochen ist, als die Kritik – in Wiedergabe der vermeintlich öffentlichen Meinung – am § 38 begann. Hierbei geht es um das Problem, ab wann bei lebenslänglich Verurteilten zum ersten Mal ein Langzeitausgang gewährt werden kann. Es geht dabei nicht um einen Freigang, sondern um einen Langzeitausgang, der in der Regel begleitet stattfindet. Im Ländergesetz war ursprünglich die Rede von fünf Jahren. Bereits jetzt ist er, in Vorbereitung auf die Meinungsbildung innerhalb der Koalition – vielleicht auch in der CDU-Fraktion –, auf zehn Jahre verlängert worden und im Gesetzentwurf so enthalten.

Diese Tatsache bereitet uns Kopfzerbrechen, weil in anderen Ländern die Fünf-Jahres-Grenze gilt – aus anderen Erwägungen heraus, als sie in Sachsen und in der CDU eine Rolle gespielt haben. Anders als im Ländergesetzentwurf haben wir auch eine Veränderung im § 2 enthalten, die uns in erheblichem Maße beunruhigt. Die Formulierung der entsprechenden Grundbestimmungen des Strafvollzugsgesetzes in § 2 Aufgaben des Vollzugs lautet, dass der Vollzug dem Ziel dient, die Gefangenen zu befähigen, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. – So weit, so gut. Er hat die Aufgabe, „die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“ zu schützen.