Der Staat hat das Gewaltmonopol in diesem Land, und das ist richtig und gut so. Da ist es unsere zuvörderste Pflicht, diejenigen, die das Gewaltmonopol durchsetzen, auch entsprechend zu schützen und ihnen unsere Unterstützung zuteil werden zu lassen.
Daher ist es nicht akzeptabel, dass wir eine zunehmende Gewalt gegenüber Polizeibeamten und anderen Vollstreckungsbeamten feststellen können. Das ist für mich unabhängig davon, ob es aus einer Demonstration heraus geschieht, ob es anlässlich eines Fußballspieles auftritt oder ob es gegen einen Gerichtsvollzieher geht, der eine zivilrechtliche Forderung durchsetzen muss.
Gerade Demonstrationen dürfen kein Schutzmantel dafür sein, um aus einer Gruppe heraus Gewalttaten gegen Polizeibeamte auszuführen. Die Politik muss hier ein Zeichen setzen, dass ein solches Verhalten absolut inakzeptabel ist. Es ist kein Spaß oder Kavaliersdelikt, mit vereisten Schneebällen gegen Polizeibeamte zu werfen. Es ist kein Kavaliersdelikt, Feuerwerkskörper aufzuheben und gegen Polizeibeamte zu schleudern. Wir müssen diesem entschieden entgegenwirken. Ich würde mir wünschen, dass alle Parteien, die in diesem Landtag vertreten sind, das immer so mittragen.
Es gibt null Toleranz gegenüber Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Vollstreckungsbedienstete. Wir müssen überlegen, wie wir das durchsetzen können.
Es gab schon eine Initiative, wie wir bestimmte Straftatbestände, insbesondere in § 113 StGB, den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, im § 125 den Landfriedensbruch, neu gestalten.
Ich sage an dieser Stelle klar und deutlich: Wir wollen dort etwas tun. Wir müssen die bestehenden Strafbarkeitslücken schließen. Wir müssen vermeiden, dass es Wertungswidersprüche gibt, dass zum Beispiel Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geringer bestraft wird als Widerstand gegen Sacheinrichtungen der Polizei. Das ist nicht mehr zeitgemäß und man kann es nicht mehr so akzeptieren.
Wir müssen aber auch hier genau aufpassen, was wir tun. Wir müssen genau festlegen, wie weit wir diesen Straftatbestand fassen. Wir dürfen das nicht zu weit ziehen. Wir müssen die Polizisten schützen, aber wir dürfen nicht unbestimmte Straftatbestände schaffen, die dann nicht mehr justiziabel sind. Die bisherige Bundesratsinitiative ging hierbei in einigen Punkten zu weit.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Gewalttaten, die gegenüber Polizeibeamten verübt werden, auch tatsächlich zu bestrafen sind. Wir haben kein Gesetzgebungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit. Wer Beamte angreift, muss damit rechnen, dass er eine Strafe bekommt, dass
die Strafe der Schuld und der Tat angemessen ist und schnell vollstreckt wird. Dafür muss man die notwendigen organisatorischen Maßnahmen treffen.
Wir müssen aber bei allen möglichen Änderungen, die wir im Gesetzesbereich vornehmen, grundsätzlich eine Einstellungsänderung herbeiführen. Wir müssen Polizeibeamten und Vollstreckungsbeamten mit Respekt begegnen, sie in ihrer Arbeit wertschätzen. Das können wir am besten tun, indem wir uns als Politiker hinter sie stellen.
Ich will nicht jedem Bediensteten, der in diesem Lande seinen Dienst tut, einen Persilschein ausstellen, dass er immer zu hundert Prozent seine Dienstpflichten erfüllt, Wenn wir aber Anhörungen gehabt haben, in denen es um das Verhalten von Polizeibeamten bei Demonstrationen gegangen ist, gilt für mich erst einmal, dass die Polizeibeamten ihren Dienst tun, um unseren Staat zu schützen und dass eine Demonstration auch durchgeführt werden kann. Sollte es in Einzelfällen einmal anders sein, muss man sie ordnungsgemäß aufarbeiten und entsprechend ahnden. Das darf aber nicht dazu führen, dass man hier durch Gegengewalt oder gewalttätige Aktionen versucht, das Verhalten der Polizei zu maßregeln. Das ist nicht akzeptabel.
In diesem Sinne hoffe ich, dass wir den Polizeibeamten auch in Zukunft die Möglichkeit geben, ihren wertvollen Dienst für unsere Gesellschaft weiter umzusetzen.
Für die FPD-Fraktion sprach Kollege Biesok. – Jetzt ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe. Es spricht zu uns Kollege Gebhardt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zum Beginn der Rede von Herrn Hartmann war mir nicht ganz so klar, warum diese Aktuelle Debatte heute stattfinden sollte. Nach der Rede von Herrn Hartmann ist mir das nun doch klar. Er erfüllt also die Aufgaben von Herrn Flath. Man braucht wieder ein neues konservatives Denken. Das bedeutet, Rechts und Links sind gleichzusetzen. Das passt natürlich auch in die Situation, die uns Herr Dr. Beermann in den letzten Tagen geliefert hat, indem er bei einer Neujahrsansprache die NPD auch wieder mit den Linken gleichgesetzt hat. Es ist also kein Ausreißer, den uns hier Herr Hartmann für Herrn Flath geliefert hat, sondern eine neue Strategie der CDU, die zu beobachten ist. Damit ist es eigentlich am Thema vorbei gegangen. Es tut mir tatsächlich herzlich leid, dass Sie das auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten austragen, indem Sie hier eine Debatte damit anfangen.
Ich bin froh, dass es noch einen liberalen Zeitgeist in dieser Koalition gibt; denn zumindest Herr Biesok hat angedeutet, dass nicht alles, was die CDU fordert und was derzeit in der Diskussion ist, auch von dem Koalitionspartner geteilt wird. Ich hoffe nur, Herr Biesok, Sie setzen sich in dieser Frage tatsächlich auch einmal durch, wenn es um die Erhöhung des Strafmaßes nach § 113 geht, wie es derzeit vom Innenministerium angedacht worden ist.
Für uns aber als Linke ist klar, das Gewaltmonopol liegt in den Händen des Staates. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, was tut denn dieser Staat gerade dafür? Er privatisiert hoheitliche Aufgaben. Das haben wir gerade wieder bei den Kontrollen am Flughafen erlebt. Dieser Staat, in diesem Fall die Landesregierung, widmet sich permanent Strukturfragen, diskutiert über Polizeireduzierungen, Stellenabbau und verunsichert damit natürlich auch die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Sie gibt damit der Gesellschaft eigentlich das Signal: Es geht nur um Finanzen, es geht um eine Verschiebemasse. Dann nützt es mir auch nichts, Tränen in den Augen zu haben, dass die Polizistinnen und Polizisten eigentlich unter Ihrem Schutz stehen. Ich habe das Gefühl, dass es tatsächlich nicht wirklich ernst gemeint ist. Sonst würden Sie die Polizistinnen und Polizisten in Sachsen nicht als Verschiebemasse verwenden.
Gleichzeitig möchte ich Ihnen – wie Herr Hartmann – auch mit einem Zitat von Herrn Freiberg, dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, kommen. Er sagte: „Durch die hohe Staatsverschuldung, Steuermindereinnahmen und die Finanzierung der sozialen Lasten als Folge der steigenden Arbeitslosigkeit droht ein Desaster der öffentlichen Haushalte.“ Er sagte weiter: „Zusätzliche Einsparungen zur Konsolidierung der Haushalte werden mit verschärften sozialen Spannungen zusammentreffen, und das ist ein explosives Gemisch für die innere Sicherheit des Landes.“
Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet für mich jedoch nicht, dass Sie diese Diskussion jedes Mal mit neuen Sicherheitsdebatten führen, sondern Sie müssen die Ursachen dafür bekämpfen. Die können wir nicht auf dem Rücken der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten austragen, indem wir sie in den Kampf stellen, weil die Politik die eine oder andere Frage nicht beantworten will.
Deswegen ärgert mich auch, dass sich die Sächsische Staatsregierung nicht an der Diskussion des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen beteiligen will, an der 14 Bundesländer teilnehmen. Nur Sachsen und Hamburg spielen sich auf und sagen: Nein, diese Frage brauchen wir nicht, weil die Frage die Möglichkeit impliziert, dass Opfer zu Tätern gemacht werden.
14 Bundesländer sehen das anders. Nur Sachsen und Hamburg sind der Meinung: Wir brauchen keine Antwor
ten auf diese Frage, obwohl der damalige Innenminister im Jahre 2008 auf eine Frage in einer Kleinen Anfrage, wo denn die gesellschaftlichen Ursachen für die Gewaltanwendung gegen Polizistinnen und Polizisten liegen, antwortete: „Die Staatsregierung hat dazu keine Erkenntnisse.“
Aha! Aber die Erkenntnis, dass wir das Strafmaß erhöhen müssen, resultiert daraus, dass es ein höheres Gewaltpotenzial gegen Polizistinnen und Polizisten gibt.
Die Frage ist doch aber: Wo liegen denn die Ursachen dafür? Meine Forderung kann nur sein: Es geht nicht darum, das Strafmaß des § 113 zu erhöhen, sondern es endlich konsequent anzuwenden. Sie haben alle Möglichkeiten dazu. Es ist auch möglich. Sie müssen es nur tun.
Letzter Punkt: Wenn wir Polizistinnen und Polizisten nach diesem § 113 besondere Rechte einräumen – dazu stehen wir, das akzeptieren wir, das ist korrekt und richtig –, dann bedeutet das natürlich, dass es auch um Transparenz geht. Die Transparenz muss man natürlich herstellen. Die Forderungen der Linken und der GRÜNEN sind bekannt: dass eine Kennzeichnungspflicht eingeführt wird. Wir können gern darüber diskutieren, ob diese mit Namen oder mit Nummer ist. Was wir brauchen, ist ein gesellschaftliches Bewusstsein; in diesem Fall aber auf beiden Seiten.
Für die Linksfraktion sprach Kollege Gebhardt. – Jetzt ist die SPD-Fraktion mit Frau Kollegin Friedel an der Reihe; bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank. Auch für die SPD-Fraktion möchte ich natürlich den Respekt und die Anerkennung all den Frauen und Männern ausdrücken, die für Leib und Leben unserer Einwohnerinnen und Einwohner und für unsere Sicherheit sorgen.
Ich habe das Gefühl, gerade wenn ich mir die Reflexrede von Herrn Hartmann anhöre, dass die Aktuelle Debatte, die wir bisher führen, dem Thema nicht gerecht wird.
Ich möchte einmal ganz woanders anfangen. Wir haben in unserer Gesellschaft verschiedene Entwicklungen. Wir haben uns zum Beispiel in Deutschland von einem Untertanenstaat zu einer Demokratie entwickelt. Die Bürger begegnen dem Staat auf Augenhöhe. Der Staat ist Partner und keine Obrigkeit mehr. Das ist eine sehr gute Entwicklung, für die wir alle tagtäglich in diesem Hause einstehen.
Wir haben zum anderen eine Entwicklung – die man auch an den Zahlen nachvollziehen kann – der Zunahme von Gewalt. Nicht nur gegen Polizeibeamte, nicht nur gegen Rettungskräfte, sondern generell zwischen Menschen nimmt Gewalt offenbar als Mittel im Konfliktverhalten zu. Wenn man in die PKS des Bundes schaut und einmal die Delikte Körperverletzungen zu Rate zieht, dann hatten wir 1988 pro 100 000 Einwohner noch 330 Körperverletzungsstraftaten. 1998, zehn Jahre später, waren es 450. Und 2008, 20 Jahre später, gab es 660. Das ist eine Verdopplung innerhalb von 20 Jahren.
Bei schweren Körperverletzungen sind die Zahlen ähnlich. 1988 waren es 102 pro 100 000 Einwohner. Diese Zahl stieg 1998 auf 134 und im Jahre 2008 auf 184 Straftaten. Das ist mehr als eine Veranderthalbfachung.
Diese beiden Entwicklungen, die gute, die wünschenswerte, der Staat, dem man nicht mit Untertanengeist, sondern mit Selbstbewusstsein begegnet, und die schlechte, die verurteilenswerte, die Zunahme von Gewalt, treffen sich hier in diesem Punkt, wenn wir über Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte sprechen.
Ich habe den Eindruck, dass in dieser Aktuellen Debatte noch keine überzeugenden Antworten darauf gegeben worden sind, wie man mit dieser Situation umgehen kann. Ich muss Ihnen gestehen: Auch wir haben keine Antworten, die ich innerhalb der nächsten zwei Minuten und dreißig Sekunden präsentieren könnte.
Aber ich denke, wir müssten uns alle gemeinsam überlegen, wie man den Ursachen begegnen kann. Wir haben es bei der Zunahme von Gewalt offenbar mit der Entwicklung zu tun, dass Werte wie Anerkennung, Respekt, Nächstenliebe, das Sich-in-andere-Hineinversetzen nicht mehr so viel Bindekraft wie früher entwickeln.
Wo bekommt man Werte her? Aus der Familie, aus der Schule, von Freunden, auch von Vorbildern. Da sind auch wir mit gefragt. Wie soll das gelingen, solche Werte wie Anerkennung, Respekt und Nächstenliebe zu erzeugen in einer Gesellschaft, in der lieber der Satz gilt: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“? Oder wo der Satz vom „survival of the fittest“ als Handlungsmaxime Raum bekommt.