Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

liebe Kollegen von SPD und GRÜNEN, dass diejenigen, die heute in der Minderheit in ihren Fraktionen sind, vielleicht doch irgendwann einmal in der Mehrheit sind, und dann bin ich mir eben nicht mehr ganz so sicher, dass der heute hier in Sachsen, heute hier im Sächsischen Landtag gezeigte große politische Konsens auch zu jedem anderen Zeitpunkt, in jeder anderen politischen Lage und jeder anderen personellen Konstellation weiter tragen würde.

Genau deswegen machen wir diese Verfassungsänderung. Martin Dulig hat völlig recht: Wenn es ums Geld geht, gibt es gute Gründe, misstrauisch zu sein. Wenn es um das wertvolle Geld unserer Steuerzahler geht, wenn es um die Staatsfinanzen geht, dann gibt es leider auch allen Grund dazu, dass Politiker Politikern misstrauen, meine Damen und Herren. Anderswo in Deutschland gibt es die Beispiele: Schauen wir uns die aktuelle Situation in NRW an, schauen wir uns die neue Weichenstellung in der Finanzpolitik in Baden-Württemberg an, schauen wir nach Rheinland-Pfalz, Bremen oder Berlin: nicht überall tickt ein Hohes Haus, tickt ein Landtag so parteiübergreifend wie in diesem Haus. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Verfassungsänderung umsetzen, meine Damen und Herren.

Mit der Verfassungsänderung scheidet eine schuldengetriebene Politik für Sachsen nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch aus. Egal, wer dieses Land in 10, 20 oder 30 Jahren regiert: Er wird sich zur Führung des Freistaates Sachsen andere Instrumente als das Machen von Schulden einfallen lassen müssen – genauso, wie es CDU und FDP in den letzten Jahren auch getan haben. Ich erinnere daran: Zuletzt haben wir das während der weltweiten Finanzkrise vor drei Jahren getan, und wir haben es als Koalition damals unter erheblichen Widerständen und unter enormen Kraftanstrengungen geschafft – übrigens nicht mit Unterstützung aller Fraktionen hier in diesem Hohen Haus –, die solide Haushaltspolitik des Freistaates Sachsen zu verteidigen und selbst in der schwierigsten Situation einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und auf das Machen neuer Schulden zu verzichten.

Etwa 1 Milliarde Euro musste die Koalition damals einsparen. Das ist ein Kraftakt gewesen, den es vergleichbar nirgendwo bisher in Deutschland gegeben hat, und ich vermute mal: den es so in dieser Form auch nirgendwo in Deutschland geben würde. Ich glaube, dass keine andere Landesregierung, keine andere regierungstragende Koalition die Kraft zu solchen Entscheidungen gehabt hätte. Sie erinnern sich daran: Wir als Koalition haben bewiesen, dass wir eben nicht nur in guten Zeiten, sondern auch in schlechten, in schwierigen Zeiten eine solide Haushaltspolitik machen können. Wir haben gezeigt, was wir vom Schuldenmachen halten: nämlich gar nichts, meine Damen und Herren.

Wir schützen also mit der Verfassungsänderung auch die finanz- und haushaltspolitischen Anstrengungen und

Errungenschaften des Freistaates aus der Vergangenheit und legen die Politik mit allem begründeten Misstrauen, mit ihren vielen Wünschen, Begehrlichkeiten und ihrer Anfälligkeit für großzügige Versprechen an die Kette. Wir beschränken uns selbst und unterwerfen uns dem strengen Regelwerk unserer Verfassung.

Sachsen wird damit heute einmal mehr seiner finanzpolitischen Vorbildrolle in Deutschland gerecht. Wir haben die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland, und dazu passt eben auch diese Verfassungsreform; denn wir machen das Neuverschuldungsverbot strenger, wir machen es konsequenter und wir machen es schneller als alle anderen Bundesländer. Anders als andere verzichten wir auf lange Übergangsphasen: Unser Neuverschuldungsverbot gilt bereits ab 1. Januar 2014.

Hinzu kommt, dass wir nur wenige Ausnahmen zulassen und trotzdem das Sozialstaatsprinzip in der Verfassung verankern – übrigens unabhängig davon, ob DIE LINKE am Ende zustimmen wird oder nicht –, und wir geben unseren Kommunen als wichtige Säule unserer Gesellschaft eine sehr große finanzpolitische Verlässlichkeit.

Dass wir den Schutz des Generationenfonds in der Verfassung verankern – das wissen Sie –, ist gerade uns als FDP ein sehr wichtiges Anliegen gewesen. Das Geld, das wir für zukünftige Versorgungslasten des Freistaates Sachsen in den letzten Jahren auch in schwierigen Zeiten und ebenfalls gegen Widerstände zurückgelegt und angespart haben, bleibt unangetastet und steht der kommenden Generation als politisches Gestaltungsinstrument zur Verfügung.

Ich glaube, das ist selbst für mich jetzt mal so ein Moment, etwas zu sagen, was man von mir nicht erwartet, aber jetzt sage ich es: So geht sächsisch! – Genau so muss man es machen!

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Dass mir das einmal über die Lippen geht – aber hier passt es ja mal. Der Spruch ist doch ganz gut. Wir bleiben dabei.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, erfüllt sich für die FDP ein Herzensanliegen und ein schon sehr lange vertretenes politisches Ziel. Uns fiel, wie Sie alle wissen, die Zustimmung zu dem Verfassungskompromiss deshalb auch sehr leicht. Ich glaube, wir finden uns als FDP nahezu zu 100 % in diesem Verfassungskompromiss wieder. Wir sind sehr froh, dass diese Verfassungsänderung keine Weichmacher wie eine atmende Schuldenbremse enthält.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von den GRÜNEN)

Die sächsische Schuldenbremse röchelt nicht einmal, nein, sie entfaltet ihre Bremskraft ganz direkt und mit voller Wucht. Genauso muss es sein. Das ist auch ein Erfolg dieser Verhandlungen. Gut, dass wir es so gemacht haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich freue mich trotzdem, obwohl – das weiß jede Fraktion für sich selbst, ich will es auch nicht thematisieren – sich der eine mehr, der andere vielleicht eher gar nicht in diesem Verfassungskompromiss wiederfindet.

Ich finde es gut, dass wir heute zu diesem Kompromiss kommen. Ich bin auch sehr glücklich, dass alle lange am Tisch sitzen geblieben sind. Ich wäre schon eher aufgestanden – das gebe ich offen zu –, wenn Steffen Flath mich nicht zurückgehalten hätte. Er hat da so eine ruhige, ausgleichende Art. Die musste er häufiger als sonst bei mir anwenden. Es hatte schon einen Grund, warum wir das Instrument des Volksentscheids sehr bewusst auch in die Debatte eingebracht haben: weil ich glaube, dass die Bevölkerung, wie es Steffen Flath gesagt hat, diesbezüglich ganz klar auf unserer Seite ist und keine Spielchen und Tricksereien haben wollte. Deswegen wäre das für uns ein Weg gewesen. Es ist jetzt, glaube ich, ganz gut, dass dieses Parlament aber selbst das Zepter weiter in der Hand gehalten hat.

Ich bin auch sehr froh, dass meine Verhandlungsführer so viel Geduld bewiesen haben. Ich will auch das nicht thematisieren, aber ich glaube, dass das, was in der letzten Woche passiert ist – das doch etwas irritierende Schauspiel einiger Landtagsabgeordneter der GRÜNEN in den Ausschüssen –, etwas war, das unser Durchhaltevermögen, unsere Kraft und unsere Nerven bis an die Grenze strapaziert hat. Ich will das hier einmal so klar sagen! Ich bin für die Koalitionäre, sicherlich auch für die SPDVerhandler, froh, dass man sich davon hat nicht beeindrucken lassen, sonst hätte das heute alles noch schiefgehen können, meine Damen und Herren. Deswegen ein Danke an die Verhandlungsführer aller Fraktionen!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben als FDP bereits im Jahre 2007 – als erste Fraktion übrigens in diesem Haus – den Vorstoß zur Verankerung eines Neuverschuldungsverbots in der Verfassung vorgenommen. Wir haben noch auf dem letzten Landesparteitag im März in Neukieritzsch einen einstimmigen Beschluss der fast 250 anwesenden Parteitagsdelegierten zu dem Verfassungskompromiss gefasst. Uns ist das also wirklich Herzenssache. Deswegen sind wir sehr glücklich, dass das, was 2007 noch gescheitert ist, heute gelingen wird.

Ich bin allen Abgeordneten dankbar, die sich an der Diskussion beteiligt haben, die heute mit ihrem persönlichen Ja diese Verfassungsänderung möglich machen. Ein Dankeschön an Prof. Dr. Andreas Schmalfuß und Carsten Biesok, unsere Verhandlungsführer, an Peter Talatzko, Alexander Nitt, unsere Berater, die hervorragend gearbeitet haben, und an Thorsten Wieck für die Arbeit schon in der letzten Legislatur. Ein großes Dankeschön an Jens Michel und Marko Schiemann und an Steffen Flath – mehr brauche ich an dieser Stelle nicht zu sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es war seine Idee, diesen Weg zu gehen. Ich war sehr skeptisch. Du hast recht behalten. Gut, dass ich auf dich gehört habe, das mache ich demnächst öfter mal,

(Beifall bei der CDU)

aber nicht immer – nicht immer!

Zum Schluss möchte ich an eine Person einen ganz besonderen Dank richten, weil er uns als FDP zu Beginn dieser Legislaturperiode sehr geholfen hat, weil er uns in der neuen Verantwortung als Regierungspartei zur Seite gestanden hat und weil er auch bezüglich des Neuverschuldungsverbots eine wichtige Stütze für uns gewesen ist. Ich glaube, dass für ihn heute ein kleiner Traum in Erfüllung geht, auch wenn er nicht mehr hier unten sitzt, sondern irgendwo im Publikum.

Ein großes Dankeschön möchte ich als FDP-Fraktionsvorsitzender an unseren ehemaligen Landtagskollegen Roland Weckesser richten, der hier lange für eine solide Haushaltspolitik gestanden hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Dort sitzt er. Guten Morgen! Ich weiß von ihm persönlich, dass er heute dieser Verfassungsänderung zustimmen würde. Machen Sie es bitte genauso!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Zastrow für die FDP-Fraktion. Ich weise ihn trotz der feierlichen Stimmung darauf hin, dass wir im Publikum niemanden ansprechen dürfen.

(Holger Zastrow, FDP: Das wusste ich nicht! – Lachen bei der CDU und der FDP)

Als Präsident muss ich deutlich darauf hinweisen.

Als Nächstes ergreift für die miteinbringende Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Hermenau das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Flath! Ja, eine bewährte politische Praxis seit dem Jahr 2006 wird heute, wenn die Abstimmung gut geht, in der Sächsischen Verfassung verankert. Das ist deutlich mehr als die Anstrengung einer Koalitionsfraktion, dies umzusetzen. Es bildet natürlich einen gewissen gesellschaftlichen Konsens ab. Das ist, glaube ich, eine Leistung, auf die man stolz sein kann. Das will ich nicht verhehlen. Es steht uns aber auch an, demütig zu sein. Es ist natürlich nicht nur ein in Erfüllung gegangener politischer Traum oder eine Herzensangelegenheit. Ich bin auch eine Überzeugungstäterin in der Sache. Das ist nicht der Punkt. Es ist vielmehr vor allem eine Angelegenheit der menschlichen Verantwortung und politischen Vernunft.

Seit dem Jahr 2006, das haben Sie als CDU-Fraktion im Wesentlichen in diesem Land vorangetrieben – damals

mit Hilfe der SPD –, wird auf eine Neuverschuldung verzichtet. Das habe ich im Parlament immer gelobt. Das habe ich immer für richtig gehalten. Im Jahr 2010 haben wir erlebt, was passiert, wenn man eine solche richtige Weichenstellung in der Politik verfolgt und gewissen Erschütterungen ausgesetzt ist. Diese waren zwiefach. Die eine Erschütterung war der Rückgang der Mittel für den Aufbau Ost, vereinbarungs- und vertragsgemäß aber rückläufig. Die andere Erschütterung war, on the top, das Hereinbrechen der Finanzkrise – auch über den sächsischen Haushalt. Wir haben im Jahr 2010 erlebt, was passieren kann: Es wird mit einem Tremolo in der Stimme der starke Mann markiert. Man ist durch den, wie ich finde, Haushalt des Freistaates wie ein Elefant durch den Porzellanladen gepoltert. Das war nicht nötig. Das hat uns stark motiviert, über eine Schuldenbremse zu sprechen, und zwar über eine atmende. Es liegt in der Tat in der politischen Verantwortung derjenigen, die das Land regieren – egal in welcher koalitionären Zusammensetzung – diese Schuldenbremse auch mit dem Geist zu erfüllen, den wir aus der Diskussion heraus dem Vorbild der Schweiz zu verdanken haben.

Wir haben im Jahr 2010 eine politische Achterbahnfahrt erlebt. Ein verlässlicher Staat darf nicht überschuldet sein. Das ist richtig. Er darf aber auch kein Rüpel sein.

Die logische Konsequenz aus der Schuldenbremse ist übrigens – gerade durch die Einbeziehung des Pensionsfonds, Herr Finanzminister – der Ausstieg aus der kameralistischen Buchführung beim Land. Der Landeshaushalt nähert sich auch der Doppik. Wir werden es sehen.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Prinzipiell ist der Dreiklang aus unter anderem der Sparsamkeit nötig, eine restriktive Haushaltsführung. Das bedeutet nicht Sparen. In der Tat bedeutet Sparsamkeit nicht Sparen, und dies ist für die nächsten Jahre beizubehalten. Wahrscheinlich werden wir uns maximal 1 % Ausgabenwachstum leisten können, wenn wir uns die Wachstumszahlen langfristig anschauen. Wir benötigen gezielte Investitionen in erhebliche wachstumsrelevante Ziele, wie zum Beispiel die Bildung. In den nächsten zehn Jahren benötigen wir vielleicht auch eine moderate Wiederanhebung der Steuerquote. Für uns gilt noch eine ostdeutsche Besonderheit: nämlich der jährliche Rückgang von circa 2 bis 2,5 % der Ausgaben durch rückläufige Sonderförderungen für den Aufbau Ost. Sparsamkeit aber ist noch keine Politik. Sparsamkeit ist die Voraussetzung, Politik machen zu können, wenn das Geld nicht so sprudelt, wie man sich es vielleicht erträumt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Schweizer Modell ist ein Erfolgsmodell, aber kein Allheilmittel. Es gibt eine beeindruckende Bilanz. Es wurde offiziell von Peter Siegenthaler, dem früheren Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, festgestellt, dass die Schuldenbremse in keiner Weise die langfristige Budgetqualität sichert. Das finde ich richtig gut. Wir werden also in den nächsten Wahlkämpfen einen

Ideenwettstreit erleben. Anders wird es nicht mehr gehen. Es kann sich keiner mehr darum herummogeln, egal, welche Couleur sich gerade angesprochen fühlt. Es kann sich keiner mehr darum herummogeln. Niemand kann mehr seine politischen Wünsche, Herzensangelegenheiten und Träume auf die Zukunft verschieben und von der nächsten Generation bezahlen lassen. Jeder hat selbst dafür geradezustehen. Das wird auf der einen Seite die Einnahmenerhöher betreffen, die Mehrheiten für sich suchen müssen, sowohl politische als auch gesellschaftliche. Das wird auf der anderen Seite auch die Ausgabensenker betreffen. Sie müssen sich auch politische und gesellschaftliche Mehrheiten suchen. Im Jahr 2010 haben wir einen Vorgeschmack erlebt. Ich glaube, dass etwas mehr Seriosität Wiedereinkehr in die Politik hält. Das ist das schönste Ergebnis des heutigen Tages hier in Sachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP, der Staatsregierung und vereinzelt bei der SPD)

Es wird keine Plakataktionen mit kostenlosen Kitas und Steuerherabsetzungen geben. Ich denke, dass das überholt ist.

Die Legitimität sollte hoch sein. Jeder und jede, der oder die heute hier in diesem Parlament zustimmt, erhöht die Legitimität dieser politischen Selbstverpflichtung unserer Landesverfassung.

Ich habe in allen demokratischen Parteien für eine Mehrheit im Hinblick auf die Schuldenbremse geworben. Es geht nicht darum, Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien auszuschließen, herumzuschubsen oder ihnen zu sagen, dass man sie für eine Mehrheit nicht brauche. Es geht darum, eine größtmögliche Mehrheit herzustellen. Das ist der Punkt. Es geht nicht um politische Muskelspiele. Es geht um eine breite Verfassungsänderung, die die Schuldenbremse glaubwürdig macht. Darauf kommt es an.

Natürlich kann man, wenn man regiert, die Schuldenbremse brechen. Das ist auf Bundesebene mit Artikel 115 Grundgesetz – einer anderen Variante – passiert. Alle paar Jahre fand der Gang nach Karlsruhe statt. Es hat jedoch nichts genützt. Deswegen wird kein Politiker verhaftet oder ins Gefängnis gesperrt. Das ist eine politische Selbstverpflichtung. Natürlich ist es das. Je stärker wir sie postulieren und je mehr zustimmen, umso breiter wird die moralische Verantwortung sein, sich daran auch zu halten.