Wir sollten allerdings alle gemeinsam weniger über Staatskredite und mehr über Staatseinnahmen sprechen. Ich weiß, dass der kleinere Koalitionspartner auf diesem Ohr taub ist. Aber es hilft nichts. Wenn wir für die Aufstellung öffentlicher Haushalte künftig weitgehend auf Kredite verzichten wollen, dann brauchen wir für die Finanzierung des Gemeinwohls neue Geldgeber. Nun sind wir uns einig darin, dass wir nicht dem Durchschnittsverdiener und auch nicht der Handwerksmeisterin oder dem Handwerksmeister von nebenan ans Portemonnaie gehen wollen. Diese Menschen sind schon genug von Abgaben belastet. Aber die Reichen, die sich bisher gegenüber dem Finanzamt geschickt arm rechnen durften, sind die bessere Einnahmenquelle für den Staat, als es Kredite von Banken sind, die wir möglicherweise am Ende wieder mit Steuergeldern retten sollen.
Deshalb erwarte ich, dass sich all diejenigen, die heute diese Verfassungsänderung mittragen, mit uns gemeinsam für eine solide Einnahmenbasis des Staates einsetzen. Wenn Sachsen sich wirklich bundesweit glaubwürdig als ein Vorreiter solider Finanzpolitik profilieren will, dann ist dies die zweite Seite der Medaille. Prof. Hickel sagte dazu in seinem Statement – Zitat –: „Die Schuldenbremse erhöht den Druck, ordentliche Ausgaben künftig auch ordentlich über Steuern zu finanzieren.“
Am 28. März 2012 erklärten die Vorsitzenden der fünf demokratischen Fraktionen – Zitat –: „Vorläufiger Verhandlungsgegenstand ist das Thema Neuverschuldungsverbot/Schuldenbremse.“ Auch wenn ich damals nicht Fraktionsvorsitzender war und deshalb nicht an dieser Runde teilgenommen habe, ist der politische Wille eindeutig: Die Änderung der Finanzverfassung, über die wir heute abstimmen, sollte nicht das Ende, sondern der Beginn einer Verfassungsdebatte sein.
Liebe demokratische Fraktionen, ich lade Sie herzlich dazu ein, nach der Sommerpause gemeinsam konstruktiv weiterzumachen.
Herr Flath, Sie wollen eine Parlamentsreform. Wir wollen die Absenkung des Wahlalters, die Einfügung von grundlegenden Rechten für Kinder und Jugendliche und eine weitere Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips. Andere
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Glaubensfragen ist die Gewissensfreiheit des Einzelnen das höchste Gut. Die heute zur Abstimmung stehende Verfassungsänderung berührt nicht nur Fundamente des Staates, sondern auch Grundüberzeugungen der einzelnen Abgeordneten. Deshalb sollte jede und jeder nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. So hat es unsere Fraktion für sich beschlossen. Ich gehe davon aus, dass auch andere Fraktionen ihren Abgeordneten diese Freiheit geben. Damit wird der heutige Tag als ein guter Tag für die sächsische Demokratie in die Geschichte eingehen.
Es ist die bisher schwierigste politische Entscheidung meines Lebens, aber ich denke, dass sie richtig ist und den Menschen in Sachsen dient. Der Abg. Gebhardt hat für sich entschieden. Ich werde nach umfangreicher Abwägung aller Argumente bei der Schlussabstimmung heute mit Ja votieren.
Der Abg. Gebhardt sprach für die Fraktion DIE LINKE. – Für die NPDFraktion spricht nun der Abg. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schuldenmachen der öffentlichen Hand wird von den meisten Bürgern, nicht nur in Sachsen, kritisch gesehen und stößt auf immer stärker werdenden Widerstand. Die Bürger wissen, dass es hier nicht nur um die eigene Belastung geht, sondern auch – wie von den Vorrednern schon angesprochen – um die Belastung künftiger Generationen.
Unsere Kinder und Enkel werden die Schulden bezahlen müssen, die wir heute machen. Aus diesem Grund ist das politische Signal einer Schuldenbremse zunächst zu begrüßen. Niemand von uns kann guten Gewissens auf Kosten unserer Nachfahren leben wollen. Im privaten Leben hätte eine ähnliche Schuldenmacherei, wie in dieser Republik über Jahrzehnte gelaufen, längst zur Insolvenz geführt. Doch, meine Damen und Herren, so wichtig das Signal ist, so groß sind auch die Zweifel an der konkreten Umsetzung durch den Entwurf der einreichenden Fraktionen und an der realen Durchführbarkeit einer Schuldenbremse im politischen Alltag. Schuldenbremsen können nur wirken – egal, wie sie gestrickt sind –, wenn der politische Wille vorhanden ist, sie auch einzuhalten. Wie der von mir gerade zitierte Sachverständige Prof. Dr. Thomas Lenk in der Anhörung zum vorliegenden Entwurf richtig feststellte, ist es am Ende der politische Wille, der darüber entscheidet, ob eine Schuldenbremse eingehalten wird oder eben nicht.
Angesichts der immer neuen Verschuldung des Bundes – Stichwort: Euro-Rettung – sind hierbei erhebliche Zweifel aus Sicht der NPD-Fraktion angebracht. Es ist richtig, dass wir im Moment hier nur eine theoretische Diskussion führen, weil Sachsen seit Jahren keine neuen Schulden mehr aufnimmt. Doch die heutige Verfassungsänderung soll ja weit über den Tag hinausreichen, und dort, in der gar nicht allzu fernen Zukunft, gibt es für den Freistaat Sachsen ganz erhebliche Risiken, von denen wir heute noch nicht wissen, wie ihnen begegnet werden soll. Die sinkende Bevölkerungszahl, erhebliche Risiken bei der Konjunkturentwicklung und vor allem das Ende des Solidarpakts II und die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs werfen bereits heute drängende Fragen auf, die durch diese Schuldenbremse nicht zu lösen sind – ganz im Gegenteil. Die demografische Katastrophe ist eine Tatsache, auch wenn sie hier gern euphemistisch als „demografischer Wandel“ bezeichnet wird.
Allein dadurch ist mit Steuerrückgängen zu rechnen. Hinzu kommen erhebliche Risiken bei der Konjunkturentwicklung in Deutschland mit seiner extrem auf den Export orientierten Volkswirtschaft – und damit auch für Sachsen. Sachsen wird nicht auf Dauer der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise trotzen können. Was Sachsen aber in ganz besonderer Weise bedroht, ist das Auslaufen des Solidarpakts und die von einigen Ländern angestrebte Neuregelung des Länderfinanzausgleiches. Darauf haben auch mehrere Sachverständige in der Anhörung hingewiesen. Sachsen kann sich heute seinen Verzicht auf Neuverschuldung nur leisten, weil es das Geld von anderen ausgibt und bekommt. Das, meine Damen und Herren, wird ganz sicher nicht so bleiben.
Diese hier nur kurz und keineswegs abschließend aufgeführten Punkte werden zu einer erheblichen Reduzierung der Einnahmen des Freistaates führen, die ohne Neuverschuldung nur durch dramatische Ausgabenkürzungen zu verkraften sind. Diese Kürzungen werden dann auf Kosten unserer Bürger erfolgen, nicht zuletzt im sozialen Bereich. Insofern darf man heute schon gespannt sein, wie das Sozialstaatsprinzip der Verfassung aufrechterhalten werden soll. Es ist ja schön, dass Sie das in Ihren Entwurf hineingeschrieben haben, aber es ist leider nur politische Kosmetik, da dieses Staatsziel ohnehin schon im Grundgesetz und in der Sächsischen Verfassung verankert ist.
DIE LINKE hat im Rahmen einer Protokollerklärung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss eine Klarstellung versucht, die aber letztlich eine Minderheitenposition ist, und genau hier liegt das Problem. Die Einreicher – von der CDU bis zu den GRÜNEN und zumindest Teilen der LINKEN – versuchen, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen, indem sie eine allgemein positiv bewertete Schuldenbremse verabschieden, ohne die Bürger über die genauen Hintergründe und Risiken zu informieren. Es verwundert daher auch nicht, dass ein individuell einklagbares Recht aus der Regelung laut Begründung zu Artikel 1 Nr. 2 ausdrücklich nicht entstehen soll. Was ebenso
unberücksichtigt bleibt, ist die gesamtstaatliche Verschuldung, die durch die Rettungsschirme zur Rettung des Euro in den Pleitestaaten rasant zunimmt. Darauf wird später noch mein Fraktionskollege Arne Schimmer näher eingehen.
Wie ich schon zur 1. Lesung im Mai ausführte, haben Sie das Problem durchaus erkannt, aber nicht gelöst. Die Entlastungen für die Kommunen sollen nur greifen, wenn die Landesebene für die Mehrausgaben direkt verantwortlich ist. Ich zitiere dazu aus der Begründung zu Artikel 1 Nr. 1: „Hingegen soll Artikel 85 Abs. 2 nicht eingreifen, wenn die Mehrbelastung auf bundesgesetzliche Regelungen oder auf EU-Gesetzgebungsakte zurückgeht, die dem Freistaat Sachsen keinen eigenen materiellen Umsetzungsspielraum belassen.“
Damit komme ich zu dem viel diskutierten Thema Schuldenbremse und Kommunen, das auch einer der Hauptpunkte bei der Anhörung in der Dreikönigskirche war. Auch hier überzeugen Ihre Lösungsansätze im Endergebnis leider nicht. Es ist zu befürchten, dass die kommunale Ebene am Ende die Zeche für die Schuldenbremse des Landes zahlen muss. Diese Entwicklung wäre auch nicht neu. Den Kommunen werden seit langer Zeit immer neue Aufgaben aufgebürdet, die Geld kosten, ohne dass ein wirklicher Mehrbelastungsausgleich erfolgt. Da sie aber die Aufgaben finanzieren müssen, steigt ihre Verschuldung damit stetig an. Das ist inzwischen eine Binsenweisheit geworden.
Wirklich ehrlich wäre die Schuldenbremse nur dann, wenn Sie auch eine Schuldenbremse für die Kommunen in die Sächsische Verfassung aufnehmen würden, was auch der Sachverständige Marius Thye in der Anhörung vorgeschlagen hat, weil es dadurch nicht zuletzt auch mehr Transparenz dafür gebe, wie die finanzielle Situation der Kommunen tatsächlich ist. Auf Druck der Oppositionsparteien, die an dem Entwurf beteiligt waren, wollen Sie die Kommunen zumindest dann entlasten, wenn die Übertragung von Aufgaben zu einer Mehrbelastung der kommunalen Selbstverwaltung führt. Dieser Mehrbelastungsausgleich ist sicher positiv zu bewerten. Allerdings – auf die Umsetzung in der Realität sind wir als NPDFraktion schon mal gespannt.
Dass hier offensichtlich Interpretationsspielräume bestehen, zeigt die Protokollerklärung der LINKEN im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, die diese Fraktion aus nachvollziehbaren Gründen für notwendig befunden hat. Wir haben zu dieser Frage in Sachsen leider eine Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, die für die Kommunen ungünstig ist und sich insoweit auch von der anderer Länder unterscheidet.
Die Klarstellung, dass künftig nicht nur Mehrbelastungen durch den Freistaat auszugleichen sind, die zum Zeitpunkt der Übertragung von Aufgaben an die Kommunen und für den Zeitraum der Prognose absehbar sind, ist daher wünschenswert. Wir sind gespannt, ob und wie der Mehrbelastungsausgleich künftig in der Realität umge
Meine Damen und Herren, der Vorschlag einer Schuldenbremse könnte ein wichtiges politisches Signal sein. Die Umsetzung überzeugt aber leider nicht. Zudem bestehen bei uns ganz erhebliche Zweifel, ob sie in der Stunde der Entscheidung, also, wenn sich die Frage Neuverschuldung – ja oder nein? – wirklich stellen würde, auch tatsächlich umgesetzt werden kann.
Bei der NPD-Fraktion überwiegt daher die Skepsis, allerdings in unterschiedlichem Maße. Deshalb kann selbstverständlich bei uns jeder Abgeordnete der Fraktion frei für sich entscheiden, wie er abstimmt. Die Tendenz geht dabei in Richtung Enthaltung, da der Weg an sich richtig ist, aber nicht konsequent zu Ende gegangen wird.
Der Abg. Müller sprach für die NPD-Fraktion. – Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und treten in eine weitere Rednerrunde ein, es sei denn, die Staatsregierung möchte schon in dieser Runde das Wort ergreifen. – Für die Staatsregierung spricht nun Herr Staatsminister und Landtagskollege Dr. Martens.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! In der Tat: Die Beratung der Verfassungsänderung ist etwas Außergewöhnliches. Die Verfassung stellt die Grundordnung des Staates dar. Obwohl sie selbst nicht auf einer rechtlichen Garantie und einem ermächtigenden Gesetzgebungsakt beruht, verfügt sie doch über politische und kulturelle Legitimität und bindet die Träger der öffentlichen Gewalt und den Gesetzgeber, das heißt, auch den Haushaltsgesetzgeber. Dieser hat sich, wie wir gesehen haben, in anderen Ländern und auch in Deutschland über jene Beschränkungen seiner Befugnisse, die aus einer zeitlich begrenzten Legislatur – auch in finanzieller Hinsicht – erwachsen, oftmals hinweggesetzt und durch die Aufnahme von Krediten auf Kosten kommender Generationen gehandelt.
Es kann tatsächlich die Frage gestellt werden, inwieweit die finanzielle Bindung kommender Generationen demokratisch zu legitimieren ist, wird doch hier Geld von Bürgern und Wählern ausgegeben, die den handelnden Gesetzgeber dazu nie ermächtigt haben; wird doch hier möglicherweise Geld von Bürgern ausgegeben, die es zum Zeitpunkt der Ausgabeentscheidung noch nicht einmal gibt. Die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Verfassung wirkt aber weit über rein finanzielle Effekte hinaus. Die Verfassungsänderung stellt klar, was übrigens in Sachsen seit Jahren Kern der Finanz- und Haushaltspolitik ist: Der Staat darf nicht auf Kosten nachfolgender Generationen leben.
Die Verfassungsänderung stellt klar, dass die Ausgabenermächtigung des Haushaltsgesetzgebers an seine
Amtsdauer und Legislatur gebunden und dementsprechend auch wirtschaftlich limitiert ist. Es wird klargestellt – noch einfacher ausgedrückt –: Der Souverän ist das Volk, nicht der Haushaltsgesetzgeber.
Meine Damen und Herren, unter dem Hinweis, das Volk ist der Souverän, ist eine Verfassungsänderung, wie wir sie heute hier beraten, auch aus Sicht der Staatsregierung durchaus gerechtfertigt.
Das zeigt auch die Bedeutung dieser einen Verfassungsänderung. Zum Beispiel ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1992 24-mal geändert worden. Alle anderen Landesverfassungen in der Bundesrepublik – mit Ausnahme Sachsen-Anhalts – sind im Schnitt siebenmal geändert worden – nicht die Sächsische Verfassung. Sie wird heute möglicherweise zum ersten Mal geändert.
Zwar hat das Grundgesetz den Anstoß zu einer Schuldenbremse auch auf Länderebene gegeben; der Freistaat Sachsen bleibt aber bei einer bloßen Schuldenbremse nicht stehen, denn die Schuldenbremse darf schließlich nicht zulasten der sozial Schwachen oder der Kommunen gehen. Deswegen werden nicht nur finanzverfassungsrechtliche Regelungen, sondern auch Regelungen zum kommunalen Mehrbelastungsausgleich Gegenstand der Verfassungsänderung sein. Eine solche Verfassungsänderung im überparteilichen Konsens auf den Weg zu bringen war politisch ein Kraftakt, meine Damen und Herren.
Dieser überparteiliche politische Konsens ermöglicht es uns, die hohen Hürden einer Verfassungsänderung zu nehmen.
Zur Schuldenbremse ist bereits viel ausgeführt worden; sie schränkt die Zulässigkeit von Neuverschuldungen weit ein. Damit werden Lastenverschiebungen in die Zukunft wirksam verhindert. Auf der anderen Seite wird der Handlungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers eingeschränkt. Das wird die Arbeit in diesem Haus in Zukunft beeinflussen; machen wir uns nichts vor.
Aber ich habe genauso wenig Zweifel daran, dass dies der richtige Weg ist, wenn wir uns heute eine nachhaltige und sinnvolle Selbstbeschränkung im Interesse der kommenden Generationen auferlegen. In Ausnahmesituationen kann es allerdings weiter möglich sein, dass ein Haushalt ohne Neuverschuldung schlicht nicht möglich ist. Das berücksichtigt das zur Abstimmung stehende Gesetz ebenfalls; es gibt aber hohe Hürden vor. Ausnahmsweise ist eine Kreditaufnahme bei einem deutlichen Rückgang von Einnahmen, in Fällen von Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen gestattet. Die unmittelbare Handlungsfähigkeit des Staates wäre somit in Fällen wie einem Hochwasser weiterhin gewährleistet und Hilfen könnten bereitgestellt werden. Dies festzuhalten ist
Durch die verpflichtende Tilgung solcher neuen Schuldenaufnahmen innerhalb von acht Jahren wird aber sichergestellt, dass solche außerordentlichen Lasten in einem überschaubaren und konkret festgelegten Zeitraum geschultert werden und damit eben kein langfristiger Schuldenaufwuchs stattfindet.