Protokoll der Sitzung vom 10.07.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen diese Änderung der Sächsischen Verfassung, die im Kern ja ein Neuverschuldungsverbot enthält, gestimmt, auch wenn ich den Verhandlungsführern meiner Fraktion hohen Respekt zolle, da die Ausgangssituation alles andere als ergebnisverheißend war.

Ich habe dagegen gestimmt, weil ich der Auffassung bin, dass wir einen in jeder Situation handlungsfähigen und aktiven Staat benötigen und dazu demokratisch gewählte Parlamentarier und Parlamentarierinnen ihre Verantwortung zu jedem Zeitpunkt wahrnehmen können müssen. Die zwangsweise Herstellung einer Zweidrittelmehrheit zur Feststellung einer Krisensituation lähmt schnelles politisches Handeln, ja, es lähmt bereits das Nachdenken über Lösungswege.

Die aktuelle Hochwasserkatastrophe hat deutlich gemacht, wie notwendig dieses schnelle politische Handeln auf allen Ebenen der Verfassung ist. Sachsen hat seit 2006 auch unter meiner Regierungsbeteiligung keine neuen Schulden zur Finanzierung der notwendigen staatlichen Aufgaben gemacht, und es gibt aus meiner Sicht auch keine zwingende Notwendigkeit, vor dem im Grundgesetz verankerten Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 in Sachsen diese hohe Verfassungshürde aufzubauen.

Misstrauen gegenüber gewählten Parlamentariern ist keine Begründung. Gerade der dringend notwendige Aufholprozess Sachsens im Vergleich zu westlichen Bundesländern in der wirtschaftlichen und innovativen Leistungskraft bis 2019 bei gleichzeitig rückgängigen europäischen und Bundesmitteln kann gegebenenfalls eine zusätzliche staatliche Anstrengung bereits ab 2015 erforderlich machen. Dafür ließe die veränderte Verfassung keinen politischen Spielraum.

In meiner Verantwortung als Bildungs- und Kulturpolitikerin sehe ich beide Bereiche zunehmend unter Druck geraten mit gleichzeitiger Verlagerung der zusätzlichen Kosten auf die Kommunen und die Familien. Seit Jahren steigen die Kita-Gebühren in den Kommunen und für die Eltern. Wer kommt für die Finanzierung auf, wenn die Landesregierung nicht mehr 1 875 Euro Landeszuschuss zahlt, sondern zum Erhalt des Neuverschuldungsverbots nur noch 1 000 Euro? Wer kommt für die Finanzierungs

lücke auf, wenn die Ausstattung des Kulturraumgesetzes nicht mehr 86,7 Millionen Euro, sondern nur noch 50 Millionen Euro beträgt?

Gleiches gilt für die Jugendpauschale, deren Kürzung im Jahr 2010 bereits erhebliche Verluste in der Jugendarbeit mit sich brachte. Eine weitere Verlagerung von staatlichen Landesaufgaben auf die Schultern der Kommunen oder der einzelnen Bürger, die sich gegen Gebührenerhebungen nicht mehr wehren können, schwächt vor allen Dingen diejenigen, die bereits in diesem Land zu den sozial Schwachen gehören. Vollkommen inakzeptabel ist die einseitige verfassungsgemäße Absicherung einer Form der Altersabsicherung, der Pensionen.

Ich stehe dazu, dass der Landtag seine Entscheidungsprioritäten –

Die Redezeit geht zu Ende.

– bei der Gestaltung des Landeshaushaltes und der Verwendung der Steuereinnahmen verantwortungsbewusst und, wenn möglich, ohne Zukunftslasten wahrnehmen muss.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es gibt noch eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten; Frau Kollegin Dr. Franke, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es ganz kurz machen. Als Trägerin der Sächsischen Verfassungsmedaille fühle ich mich veranlasst, hier mein Verhalten zur Gegenstimme zur Schuldenbremse zu erklären.

Ich fühle mich veranlasst, die Verfassung in Gänze einzuhalten, so wie sie beschlossen worden ist, und ihre Weitsicht für künftiges Handeln zu bewahren und nicht als mögliche Konjunkturkorrektur benutzen zu lassen. Der soziale Ausgleich, der mir sehr am Herzen liegt und auch mit meiner ehrenamtlichen Arbeit zu tun hat, wird den Armen zugutekommen und bedarf meiner Ansicht nach keiner Verfassungsänderung. – Danke schön.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nach dieser Erklärung von Frau Dr. Franke ist der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

(Präsidentenwechsel)

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Die sächsische Landwirtschaft und die zukünftige

EU-Agrarpolitik – weiteren Bürokratieaufwuchs verhindern

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

2. Aktuelle Debatte: Fünf Jahre Bad Bank in Sachsen –

Zwischenbilanz, Konsequenzen und Ausblick

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Wir beginnen mit

1. Aktuelle Debatte

Die sächsische Landwirtschaft und die zukünftige

EU-Agrarpolitik – weiteren Bürokratieaufwuchs verhindern

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Zunächst haben die Antragsteller das Wort. Danach folgen in der ersten Runde DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Abg. Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich eine Ehre und eine Bürde zugleich, jetzt zum Parlamentsalltag zurückzukehren und über den Bürokratieabbau, speziell

am Beispiel der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, zu sprechen. Ich würde mir wünschen, dass wir beim Abbau der Bürokratie so schnell vorankommen, wie sich jetzt der Plenarsaal geleert hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Die Debatte steht für mich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem, was wir soeben beschlossen haben. Wir wollen unsere Staatsausgaben in den Griff bekommen. Es kann nicht sein, dass die staatliche Verwaltung – egal, ob auf europäischer, deutscher oder sächsischer Ebene – die Bürokratie mit Richtlinien und Forderungen immer weiter aufbaut.

Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik steht im Augenblick wieder vor der Entscheidung, wie es in den Jahren 2014 bis 2020 weitergeht. In diesen Tagen und Wochen werden richtungsweisende Entscheidungen

getroffen.

Ich will nicht verhehlen, dass diese Gemeinsame Europäische Agrarpolitik für mich eine Erfolgsgeschichte ist. Vom Ausgangspunkt her waren eine Überproduktion – Butterberge, Milchseen, Getreideberge – zu vermeiden und durch staatliches Handeln – Flächenbeihilfen, Interventionskäufen, damals auch Flächenstilllegungen – etwas zu bewirken. Anfangs war sie einfach in der Umsetzung für den Landwirt und einfach in der Kontrolle, in der Erfassung und – wenn nötig – in der Sanktionierung für die staatliche Verwaltung.

Mit Blick auf das, was jetzt in Europa stattfindet – Staatsverschuldung in Ausmaßen mit Blickrichtung auf Südeuropa –, ist für mich nicht nachvollziehbar, wie wir diese Agrarpolitik immer weiter verkomplizieren und mit zusätzlichen Auflagen versehen können und wie wir das Ganze letztendlich mit riesigem Kontrollaufwand von staatlicher Seite bewältigen wollen. Ganz bewusst geht es mir nicht nur darum, was auf die Landwirtschaft zukommt, sondern ebenso geht es mir darum, was auf unsere staatliche Verwaltung zukommt – mit Blick auf das Personalabbaukonzept und das, was sich die EU für uns ausgedacht hat.

Wie Sie wissen, haben wir in der Agrarpolitik zwei Säulen. Die erste Säule ist die Direktzahlung und die zweite Säule sind Zahlungen, die an Richtlinien zur Förderung bestimmter Umweltmaßnahmen – Investitionsförderungen, Entwicklung des ländlichen Raumes – gebunden sind. Die erste Säule, die Direktzahlung, soll nun in der neuen Agrarreform mit einem sogenannten Greening verbunden werden. Das klingt erst mal gut und ist nicht in jedem Fall schlecht; das will ich gar nicht sagen.

Aber wie weit man über das Ziel hinausschießt, ist einfach nicht hinzunehmen: Dinge mit einer Förderung zu verbinden, die einerseits wieder von staatlicher Seite kontrolliert, erfasst und sanktioniert werden müssen und die der Landwirt zum Teil schon macht, und andererseits über Ziele hinauszuschießen, dass man bestimmten Landschaftselementen – früher hieß das „Baum“ und

„Strauch“ – einen Schutzstatus gibt und dass, wenn ein Eigentümer einen Baum entfernt, der Landwirt dafür sanktioniert wird, obwohl er gar nichts machen kann. Kollege von Breitenbuch wird in der zweiten Runde darauf noch eingehen.

Wir haben viel über Kappung diskutiert, das heißt, die Obergrenze der Agrarförderung zu begrenzen. Dies ist – hoffentlich bleibt die Bundesregierung dabei – in Deutschland als fakultativer Aspekt erst einmal vom Tisch.

Trotzdem ist es an der Zeit, noch einmal mahnend den Zeigefinger zu heben; denn was für die Landwirtschaft selbst folgen wird, wenn solch eine Kappung eingeführt wird, ist abzusehen. Die Betriebe werden es irgendwie doch überstehen. Es wird kein Strukturwandel – warum auch immer – stattfinden. Investitionen werden hinausgeschoben. Die Löhne werden nicht erhöht. Die Betriebe werden aufwendig in kleinere Einheiten geteilt. Das hat wiederum einen Aufwuchs an Betrieben zur Folge, die letztendlich kontrolliert und erfasst werden müssen, und das treibt auf staatlicher Seite die Verwaltungskosten erneut nach oben.

All das wird in den nächsten Tagen entschieden. Wir wollen die heutige Debatte noch einmal zum Anlass nehmen, in Richtung Berlin und Brüssel mahnend den Zeigefinger zu erheben, dass dieser Aufwuchs an Bürokratie nicht noch weiter aufgeblasen wird, als er es jetzt schon ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die FDP Herr Kollege Hauschild, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Die Einigung zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik – GAP – besteht aktuell nur als Entwurf auf Kommissionsebene. Das Europäische Parlament wird sich dazu noch beraten und sie verabschieden.

Wie wir schon gehört haben, gibt es – auch aus unserer Sicht – drei wesentliche Inhalte: keine Kappung der Direktzahlung, die angesprochenen 30 % Bedingung für das Greening und die Auszahlung der Gelder nur an aktive Landwirte. Positiv für uns ist, dass keine Kappung an Betriebsgrößen gebunden ist, denn dies würde gerade für sächsische Betriebe zu extremen Härten führen.