Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

Meine Damen und Herren! Gibt es noch Redebedarf zu den Gesetzentwürfen vom Parlament? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von den Antragstellern aufgeworfene Frage der Vertretung von Kindern und Jugendlichen im politischen Leben, der Schutz ihrer Rechte und die Beteiligung junger Menschen an politischer Willensbildung sind zweifelsfrei wichtige Themen. Die Frage, wie man die Repräsentation junger Menschen organisiert, ihre Rechte zur Geltung bringt, führt allerdings schon zu

verschiedenen Antworten. Sie sind heute auch verschieden aufgegriffen worden.

Zum Beispiel das Familienwahlrecht, von dem Kollege Schiemann gesprochen hat. Die Frage eines Wahlrechtes im Alter ab 16 Jahren oder ab 18 Jahren differenziert die Frage aktives Wahlrecht und passives Wahlrecht oder, wie jetzt aufgrund des Änderungsantrages von den LINKEN beantragt, beschränkt auf ein aktives Wahlrecht. Wir könnten uns auch weiter darüber unterhalten, welche Altersgrenzen tatsächlich angemessen sind, denn – das muss man hinzusetzen – sie sind alle mehr oder weniger willkürlich gesetzt.

Warum kann man nicht Auto fahren mit 17 oder erst mit 19? Warum wird man strafmündig mit 14 und nicht mit 13? Warum wird man Bundespräsident mit mindestens 40 und nicht schon mit 38? So etwas hat willkürliche Elemente, aber dahinter steckt oft als Hauptgrund eine gewisse Erfahrung, die sich der Gesetzgeber zu eigen gemacht hat, die man nicht teilen muss. Auch das wird die Opposition sicherlich einräumen.

Die Antworten, die hier auf diese Fragen von den Antragstellern gefunden werden, sind aus Sicht der Staatsregierung nicht die richtigen Antworten auf die aufgeworfenen Fragen. Ob die gesellschaftliche Realität mit den vorgeschlagenen umfangreichen Verfassungs- und Gesetzesänderungen tatsächlich in dem Sinne verändert werden kann, wie die Antragsteller sich das vorstellen, darf man mit Fug und Recht bezweifeln.

In den Anträgen selbst wird eine ganze Zahl von verschiedenen Instrumenten genannt, mit denen die postulierten politischen Ziele erreicht werden sollen. Allerdings sucht man den roten Faden für ein Gesamtkonzept, das dahintersteht, beim Lesen der Anträge vergeblich.

Das Gleiche gilt auch für die Durchmischung zwischen Verfassungsprinzipien und recht einfachen gesetzlichen Regelungen. Zum einen wird die Verfassung in Bezug auf das Wahlalter angepasst. Dann wird ein Jugendbeirat geschaffen. Dann soll ein Kitaplatz ab dem ersten Jahr eingerichtet werden, etwa im Antrag der GRÜNEN. Das ist alles ziemlich willkürlich zusammengesucht.

Zu den Verfassungsänderungswünschen lassen Sie mich aus Sicht der Staatsregierung eine praktische Erwägung anführen, weshalb diesem Antrag so nicht stattgegeben werden sollte; Herr Schiemann hat bereits darauf hingewiesen. Der historische Kompromiss über eine Verfassungsänderung in Sachsen – die erste in über 20 Jahren Verfassungsgeschichte – ist erst wenige Wochen alt. Es wäre ein Signal in die falsche Richtung, jetzt, kaum dass die Tinte unter dem kürzlich ausgefertigten Gesetz zur Änderung der Verfassung getrocknet ist, eine weitere Verfassungsänderung in Angriff zu nehmen. Eine Verfassung ist ein stabiles und verlässliches Fundament der Rechtsordnung und von daher nicht unbedingt einer jeweils quartalsweisen Änderung zugänglich.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Aber auch, soweit die Gesetzentwürfe einfachgesetzliche Änderungen vorsehen, können sie inhaltlich nicht wirklich überzeugen. Der Gesetzentwurf der LINKEN etwa sieht die Bildung einer Kinder- und Jugendvertretung vor. Die soll weitgehende Rechte haben, allerdings bleibt offen, mit welcher demokratischen Legitimation diese Kinder- und Jugendvertretung eingesetzt würde; das wird so nicht gesagt. Das ist auch in der öffentlichen Anhörung kritisiert worden. Diese Vertretung soll dazu auch noch Beschlüssen des Ortschafts- oder Gemeinderates oder des Kreistages selbst widersprechen können, was aufschiebende Wirkung hat.

Meine Damen und Herren, diese demokratisch nicht weiter legitimierte Kindervertretung soll die Entscheidung demokratisch gewählter Kommunalvertretungen blockieren können. Dahinter steckt ein seltsames Demokratieverständnis.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Nichts anderes gilt für die Vorschläge der GRÜNEN im Gesetzentwurf, jetzt bereits einen weiteren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem 1. Lebensjahr einzuführen. Wir alle wissen, welche Probleme es gerade auch in vielen Kommunen bereitet, den Kitaanspruch ab dem 3. Lebensjahr wirklich auszufüllen und zu erfüllen. Mit welchem Geld dann ein Anspruch ab dem 1. Jahr vollständig finanziert werden soll, das verschweigt der Antrag.

Meine Damen und Herren, es scheint hier nach dem Motto zu gehen: Wer bietet mehr, wer hat den frühesten Einstiegszeitpunkt für einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz? Auch das erscheint so wenig sinnvoll.

Außerdem werden diese Anträge oftmals dem Anspruch eines durchdachten Vorgehens nicht gerecht – etwa wenn der Antrag der GRÜNEN ein Anhörungsrecht in Bezug auf Jugendliche verlangt oder bestimmt, wann Interessen von Kindern und Jugendlichen berührt sind, und dann einfach nebulös formuliert, dass Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Regel berührt sind, wenn ein Vorhaben öffentliche Freiräume zumindest mit betrifft; Freiräume, in denen sich Kinder oder Jugendliche bevorzugt aufhalten – und dann kommt die Aufzählung –: öffentliche Plätze, öffentliche Park- und Grünanlagen, Baulücken und Brachen. Aha, da halten sich also nach Ansicht der GRÜNEN Jugendliche und Kinder bevorzugt auf.

(Heiterkeit des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Diese Ansicht kann man teilen – man muss sie nicht teilen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Vor allen Dingen stelle ich mir vor, welche Ermittlungen die Gemeinden anstellen müssen, um herauszufinden, wo sich Kinder und Jugendliche schon einmal aufgehalten haben. Ich glaube, dass die Biotopkartierung für kleine Heuschrecken oder Kleine Hufeisennasen wesentlich einfacher gelingt als die umfassende Brachenkartierung,

wo sich bereits schon einmal Kinder aufgehalten haben. Dann sei auch noch in dieser Aufzählung hinten angefügt: Was ist mit Pony- und Reiterhöfen? Halten sich da Kinder und Jugendliche nicht auf?

Meine Damen und Herren, Sie sehen selbst, dass diese Vorschläge bei genauem Betrachten wenig durchdacht sind.

Die in der Begründung angeführte UN-Kinderrechtskonvention dürfte im Übrigen in Deutschland im geltenden Recht bereits erfüllt sein. Das BGB sieht im elterlichen Sorgerecht natürlich vor, dass das Kind und der Kindeswille zu berücksichtigen sind. Kinder und Jugendliche sind nach § 8 SGB VIII an allen sie betreffenden Entscheidungen der Jugendhilfe zu beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Im Betriebserlaubnisverfahren für Einrichtungen der Kinderbetreuung sind nach § 45 SGB VIII geeignete Verfahren für die Beteiligung Voraussetzung, überhaupt eine Betriebserlaubnis zu erhalten. Mitbestimmung und Mitgestaltung sind Schwerpunkte der Jugendarbeit.

Meine Damen und Herren, wer das Demokratieverständnis und Verantwortungsbewusstsein von jungen Menschen stärken will, der muss nicht zu den gesetzgeberischen Werkzeugen der Verfassungsänderung, der Gesetzesänderung greifen. Vielfältige Projekte zur Demokratiebildung setzen an der richtigen Stelle an, und zwar niedrigschwellig – ohne Institutionalisierung, ohne teure Regelungen, ohne Beiräte, ohne Verfassungsänderung.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Ja, es darf nichts kosten!)

Dazu gibt es zahlreiche Ansätze, die auch von der Staatsregierung gefördert und bezuschusst werden. Solche Ansätze wollen wir befördern und begleiten und dazu wollen wir jungen Menschen helfen, in dieser Gesellschaft mitzuwirken und repräsentiert zu werden.

Der hier genannten Vorschläge bedarf es dazu allerdings nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Abg. Herrmann mit einer Kurzintervention; bitte.

Ich möchte nicht umfänglich auf die Rede eingehen, aber auf zwei Dinge, die der Minister hier gesagt hat.

Zum Ersten hat er gesagt, er vermisst den roten Faden in den Gesetzentwürfen. Da kann ich ihm auf die Sprünge helfen: Der rote Faden ist die UN-Kinderrechtskonvention,

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

die Deutschland und auch Sachsen ratifiziert hat, und diese bedeutet, dass alle Gesetze auf den Prüfstand gestellt werden müssen mit der Maßgabe zu überprüfen,

ob sie dieser UN-Kinderrechtskonvention gerecht werden. Wir haben einige davon herausgegriffen, weil die Staatsregierung bisher nicht gehandelt hat.

Zum anderen, Herr Minister, weiß ich nicht, von wann Ihre Rede ist, aber der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab 1. Lebensjahr besteht seit 1. August.

(Beifall bei den GRÜNEN – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Alte Rede! Das Verkehrte aufgeschrieben!)

Das haben Sie vielleicht vergessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, möchten Sie sich dazu äußern? – Gut.

Meine Damen und Herren, ich sehe jetzt keinen Redebedarf mehr. Somit können wir zur Abstimmung kommen. Zuerst behandeln wir die Drucksache 5/7651, den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Da der Ausschuss Ablehnung empfohlen hat, ist Grundlage für die Abstimmung der Gesetzentwurf. Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Es liegen keine Änderungsanträge zum Gesetzentwurf vor, deshalb kann ich sofort mit den Artikeln beginnen.

Wir beginnen mit der Überschrift. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Ablehnung, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist die Überschrift dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe auf Artikel 1, Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier gleiches Abstimmungsverhalten; Artikel 1 wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf Artikel 2, Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 2 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 3 auf, Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Es gibt Stimmenthaltungen und Stimmen dafür; dennoch ist Artikel 3 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 4 auf, Änderung der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 4 dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zu Artikel 5, Änderung des Gesetzes über Kindertageseinrichtungen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen?

Bei keinen Stimmenthaltungen und einer großen Reihe von Stimmen dafür dennoch mit Mehrheit abgelehnt.